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Als Politik- und Förderansatz, mit dem die Aufmerksamkeit auf Entwicklungen in den benachteiligten Stadtteilen gelenkt sowie Kooperation und integratives Handeln in den Mittelpunkt gestellt worden sind, hat das Programm von Beginn an in der Öffentlichkeit große Resonanz erfahren: einerseits breite Zustimmung und Akzeptanz, andererseits auch Skepsis und (in der Regel produktive) Kritik. Die überraschend hohen und kontinuierlich wachsenden Teilnahmezahlen an den bundesweiten Veranstaltungen zur Sozialen Stadt (1) (Auftaktveranstaltung 1999: rund 700 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, Starterkonferenz 2000: mehr als 900 und Zwischenbilanz-Kongress 2002: mehr als 1200) offenbarten - ebenso wie die permanent steigenden "Besucherzahlen" des Internet-Forums sozialestadt.de (2) - nicht nur das immense Interesse an Wissenstransfer und Erfahrungsaustausch zur Programmumsetzung sowie das große Engagement von vielen Beteiligten, sondern auch eine beträchtliche Besorgnis über die Entwicklungen in den Quartieren.
Als Folge des integrativ-integrierten Ansatzes engagieren sich für das Programm nicht nur bisherige "Spezialisten" der Stadterneuerung und Stadtentwicklung, sondern ein sehr weites Spektrum an Professionen und Institutionen: Dieses umschließt die Bereiche Bauen und Stadtplanung, Gemeinwesenarbeit und Kriminalprävention, Familien-, Jugend- und Seniorenhilfe, Soziales und Kultur, Gesundheitswesen und Umweltschutz, Wohnungswirtschaft und Wirtschaftsförderung usw.; vertreten sind außerdem lokale Initiativen, Quartiermanagement, Verwaltung und Politik auf kommunaler, Landes- und Bundesebene, Bundesverbände der Freien Wohlfahrtspflege, Fachhochschulen und Universitäten. Das breite Interesse und Engagement wird weiter daran deutlich, dass sich verschiedenste Organisationen (unter anderem GdW Bundesverband deutscher Wohnungsunternehmen, Diakonisches Werk, BAG Bundesarbeitsgemeinschaft Stadtteilentwicklung und Gemeinwesenarbeit, Wohnbund, Stiftung Mitarbeit, Internationale Gesellschaft für erzieherische Hilfen, Institutionen der Parteien) in einer Vielzahl von thematisch einschlägigen Veröffentlichungen, Workshops, Seminaren und Tagungen (3) mit dem Ansatz der integrierten Stadtteilentwicklung auseinander setzen. (Fach-)Zeitschriften haben dem Thema eigene Schwerpunkthefte gewidmet (4) .
Das Programm Soziale Stadt erfährt eine breite und intensive Rezeption nicht nur in den Kreisen der professionellen Praktikerinnen und Praktiker, die mittelbar oder unmittelbar in die Umsetzung involviert sind, sondern auch in der Wissenschaft, in der insbesondere nach der theoretischen Positionierung der Praxis und nach ihrer Evaluierung gefragt wird. Die kritisch-wissenschaftliche Begleitung von Stadterneuerung und Stadt(teil)entwicklung durch Stadtsoziologie, Politikforschung, Verwaltungswissenschaft und Planungstheorie hat eine schon längere Tradition (5) , die im Rahmen der Diskussionen über das Programm Soziale Stadt weiter belebt wird.
Kritik am Programm, die später noch einmal aufzugreifen sein wird (6) , bezieht sich z.B. auf Besonderheiten der Förderung, Programminhalte, den grundlegenden Politikansatz, die wissenschaftliche Fundierung. Besonders thematisiert werden widersprüchliche Handlungsvoraussetzungen, in denen "Stolpersteine und Chancen zugleich" gesehen werden, die aber gerade in der Umsetzungspraxis Anstöße für Innovationen ermöglichen(7) .
Mit dem neuen Programm hat das Leitbild "Soziale Stadt" - vergleichbar dem der "Solidarischen Stadt" (20) - eine besondere Konjunktur erfahren. Doch auf die Frage "Was macht eine Stadt überhaupt sozial? Statistische Unauffälligkeit? Ordnung, Sauberkeit und Ruhe? Ausreichende Grünflächen? Geringe Kriminalitätsraten?" (21) gibt es zumeist nur allgemeine und chiffrenartige Antworten. Mehrere Attribute werden der Sozialen Stadt zugeschrieben: sozial gerecht und solidarisch, ökonomisch tragfähig und ökologisch verträglich, kulturell offen und dialogorientiert, vorausschauend und zukunftsoffen. Handfester beschreiben es die Oberbürgermeister im Rahmen des Zwischenbilanz-Kongresses(22) : Die Soziale Stadt brauche finanzielle Sicherheit, die ohne die notwendige Gemeindefinanzreform nicht gewährleistet ist. "Eine soziale Stadt ... muss eine leistungsfähige Stadt sein. ... Nur die finanziell leistungsfähige Stadt, die auch in den kommenden Jahren alle vorhandenen Kultur- und Sozialeinrichtungen sowie Schulen finanzieren und neue Kinderbetreuungseinrichtungen bauen und mit Personal ausstatten kann, ist eine soziale Stadt." (23) Das Leitbild der Sozialen Stadt - darüber besteht Konsens - muss auf die Stadt als Ganzes bezogen werden.
(1) Vgl. dazu weiter Kapitel 2.1 "Aufbau eines bundesweiten Netzwerks".
(2) Dazu Abbildung 4 in Kapitel 2.
(3) Vgl. die große Zahl von Veranstaltungen unter https://sozialestadt.de/termine.
(4) Themenhefte zur Sozialen Stadt (chronologisch): Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament, B 10-11 (2000); Die soziale Stadt, Die alte Stadt, H. 2 (2000); Soziale Stadt soll lebenswert für alle sein, der städtetag, H. 8 (2000); deutsche bauzeitung (db), 12-teilige Serie veröffentlicht in Heften der Jahrgänge 2000/2001, zusammengefasst in: Christian Holl (Hrsg.), Soziale Stadt - ein politisches Programm in der Diskussion, Stuttgart und München 2002; Schwerpunkt: Soziale Stadt, vhw Forum Wohneigentum, H. 2 (2001); Im Dickicht der Städte. Soziale Arbeit und Stadtentwicklung, Soziale Praxis, H. 22 (2001) mit Dokumentation der Veranstaltung gleichen Titels; Städtebauförderung - historisch gewachsen und zukunftsfähig, Informationen zur Raumentwicklung, H. 9/10 (2001); Soziale Stadt, Deutsches Architektenblatt, H. 6 (2002); "Soziale Stadt", Stadtbauwelt, H. 12 (2003); Stadtumbau - Soziale Stadt. Auf dem Weg zur integrierten Stadtentwicklung, PlanerIn, H. 2 (2003).
(5) Unter anderem Harald Bodenschatz, Erich Konter, Michael Stein und Max Welch Guerra (Hrsg.), Stadterneuerung im Umbruch, Berlin 1994 (Arbeitshefte des Instituts für Stadt- und Regionalplanung); Klaus Selle, Bestandspolitik. Zehn Beiträge zur Stadterneuerung und Wohnungspolitik, Darmstadt 1986; Arbeitsgruppe Bestandsverbesserung (Hrsg.), Bestand verbessern. Forschungen zur sozial und ökologisch orientierten Erneuerung der Stadt. Die Arbeitsgruppe Bestandsverbesserung 1976.2001, Dortmund 2002 (Werkbericht der AGB No. 50); Arbeitskreis Stadterneuerung an deutschsprachigen Hochschulen zusammen mit dem Institut für Stadt- und Regionalplanung der Technischen Universität Berlin (Hrsg.), Jahrbuch Stadterneuerung, das seit 1990/91 herausgegeben wird.
(6) Vgl. das Resümee in Kapitel 10.
(7) Walther, Ambitionen und Ambivalenzen, S. 24 und S. 38.
(8) Hans Fürst, Nassauische Heimstätten Gesellschaft für innovative Projekte im Wohnungsbau mbH, Frankfurt/Main, im Rahmen der Podiums- und Plenumsdiskussion "Integrierte Handlungskonzepte - Erfahrungen aus der Praxis"., in: Deutsches Institut für Urbanistik (Hrsg.), Impulskongress Integratives Handeln für die soziale Stadtteilentwicklung. Dokumentation, Berlin 2002, S. 53 (Arbeitspapiere zum Programm Soziale Stadt, Bd. 7).
(9) Vgl. dazu weiter Kapitel 6.3 "Ressourcenbündelung auf kommunaler Ebene".
(10) Hartmut Thielen, Soziale Stadt soll lebenswert für alle sein, in: der städtetag, H. 8 (2000), S. 11.
(11) Hartmut Häußermann, "Soziale Stadt" und Integration. Eine realistische Einschätzung der Möglichkeiten, in: Holl (Hrsg.), S. 53.
(12) Vgl. Diskussion auf dem Schader-Kolloquium im Juni 2000: Volker Eichener, Politische Steuerung am Beispiel des Bund-Länder-Programms "Die soziale Stadt". Ergebnisse der Diskussion, in: Schader-Stiftung (Hrsg.), Politische Steuerung der Stadtentwicklung. Das Programm "Die Soziale Stadt" in der Diskussion, Darmstadt 2001, S. 103.
(13) Unter anderen Jan Vranken, Pascal De Decker und Inge Van Nieuwenhuyze, Social inclusion, urban governance and sustainability. Towards a conceptual framework for the UGIS Research Project, Antwerpen . Apeldoorn 2003, S. 64; Häußermann, Global, lokal, sozial, S. 82.
(14) Eichener, S. 106.
(15) Erika Spiegel, Integrativ, kooperativ, aktivierend und umsetzungsorientiert . Konzepte und Verfahren für die soziale Stadt, in: Deutsches Institut für Urbanistik (Hrsg.), Impulskongress Integratives Handeln für die soziale Stadtteilentwicklung. Dokumentation, Berlin 2002, S. 28 (Arbeitspapiere zum Programm Soziale Stadt, Bd. 7).
(16) Uwe Rada, Zwischenbilanz mit Fragezeichen. Ein bundesweites Quartiermanagement macht noch keine soziale Stadt, in: Deutsches Architektenblatt, H. 6 (2002), S. 7.
(17) Häußermann, Global, lokal, sozial, S. 82; ähnlich Klaus Schmals, Eine neue Politik für "Die soziale Stadt"?, in: vhw Forum Wohneigentum, H. 2 (2001), S. 69; Jürgen Friedrichs und Carola Hommerich, EU-Projekt "Urban Development Programmes, Urban Governance, Social Inclusion and Sustainability (UGIS)", Köln 2002, S. 47 f. (Berichte aus dem Forschungsinstitut für Soziologie der Universität Köln).
(18) Schmals, S. 69.
(19) Aus dem "Call for Papers" zur für Mai 2003 geplanten Tagung des Arbeitskreises Lokale Politikforschung und der Schader-Stiftung.
(20) Monika Alisch und Jens Dangschat, Die solidarische Stadt . Ursachen von Armut und Strategien für einen sozialen Ausgleich, Frankfurt/Main 1993.
(21) Lang, S. 14.
(22) Petra Roth (Frankfurt am Main), Wolfgang Tiefensee (Leipzig), Christian Ude (München).
(23) Christian Ude, in: Deutsches Institut für Urbanistik (Hrsg.), Kongress "Die Soziale Stadt - Zusammenhalt, Sicherheit, Zukunft", Berlin 2002, S. 42 (Arbeitspapiere zum Programm Soziale Stadt, Bd. 8).