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soziale stadt - bundestransferstelle

Bund-Länder-Programm "Stadtteile mit
besonderem Entwicklungsbedarf - Soziale Stadt"
  

4.2 Bausteine und Handlungsfelder

Trotz der großen Bedeutung, die Bund und Länder dem Integrierten Handlungskonzept beimessen, zeigt die Umsetzung des Programms Soziale Stadt, dass sowohl im Hinblick auf die Erarbeitung als auch auf die Fortschreibung weiterhin Unsicherheit besteht. So wurden bis Mitte des Jahres 2002 erst für elf der 16 Modellgebiete Integrierte Handlungskonzepte erarbeitet (1) . Darunter bildet Hannover mit einem bereits 1997 im Rahmen der vorlaufenden Sanierung aufgestellten "Aktionsprogramm integrierte Sanierung Vahrenheide-Ost", das in ein "gesamtstädtisches Zielkonzept gegen zunehmende sozialräumliche Segregation" eingebunden ist, einen Sonderfall (2) .

Anstelle von neu entwickelten Integrierten Handlungskonzepten kommen in den anderen Modellgebieten noch eher städtebaulich ausgerichtete Rahmenpläne zum Tragen (beispielsweise in den Modellgebieten Leinefelde - Südstadt, Nürnberg - Galgenhof/Steinbühl, Schwerin - Neu Zippendorf), die in Einzelfällen um Elemente integrierter Ansätze ergänzt wurden. Etwas differenzierter wurde für Halle - Silberhöhe vorgegangen; dort gibt es die "Entwicklungskonzeption Halle-Silberhöhe - Städtebauliches Leitbild unter dem besonderen Aspekt des Überangebotes an Wohnraum" als Konzept "aus städtebaulicher und wohnungswirtschaftlicher Sicht" sowie das "Handlungskonzept zum URBAN-21-Antrag" als "sozialverträgliche Begleitung des städtebaulichen Umstrukturierungsprozesses" (3) .

In der bundesweiten Befragung wird für 63 Prozent der Programmgebiete (141 Gebiete) angegeben, dass ein Integriertes Handlungskonzept bereits vorliegt, und für weitere 21 Prozent (46 Gebiete), dass ein entsprechendes Konzept erarbeitet wird. Diese zusammen 187 Programmgebiete stellen für die Auswertung der Befragung die differenzierte Grundgesamtheit dar, auf die Fragen zu Details der Integrierten Handlungskonzepte bezogen sind. Für doch immerhin 13 Prozent (29 Gebiete) wird das Vorhandensein eines Integrierten Handlungskonzepts verneint.

Im Vergleich der Bundesländer fällt auf, dass in sieben Ländern für alle ihre Gebiete Integrierte Handlungskonzepte entweder bereits vorliegen oder in Arbeit sind: Brandenburg, Hamburg, Niedersachsen, Saarland, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen. Die Angaben für die Programmgebiete in drei Bundesländern lassen auf größere Zurückhaltung schließen: Für zehn der insgesamt elf Gebiete in Bremen wird mit "nein" geantwortet, für das elfte keine Angabe gemacht; auch für gut ein Drittel der 15 rheinland-pfälzischen Programmgebiete spielen die Integrierten Handlungskonzepte offenbar keine Rolle; außerdem bleiben die Befragungsergebnisse in diesem Punkt auch für Berlin unklar, wo ebenfalls für gut ein Drittel der 14 erfassten Gebiete ein Integriertes Handlungskonzept verneint wird oder keine Angabe erfolgt ist.

Über die Qualität der Konzepte ist mit diesen Angaben noch keinerlei Aussage möglich. Einschätzungen dazu können erst unter Berücksichtigung der Antworten zu den Bausteinen und Handlungsfeldern der Integrierten Handlungskonzepte vorgenommen werden.

Bausteine Integrierter Handlungskonzepte

Aus Erfahrungen mit der Programmbegleitung vor Ort in den Modellgebieten, Anforderungen der Länder, vorliegenden Integrierten Handlungskonzepten und aus vielen Fachdiskussionen lassen sich mehrere Bausteine ableiten, die als Fundament für einen leistungsfähigen Einsatz des Instruments Integriertes Handlungskonzept dienen können. Diese Bausteine sind nicht immer trennscharf voneinander abzugrenzen, da Integrierte Handlungskonzepte unter anderem dadurch charakterisiert sind, dass verschiedene Prozesse parallel ablaufen. Es geht um Gleichzeitigkeit beispielsweise von Zielformulierung und Realisierung erster Projekte, um ein wechselwirkendes und sich ständig erneuerndes System, wozu auch die Fortschreibungen beitragen sollen. Erfahrungen in Nordrhein-Westfalen, dem Land mit der bislang längsten Tradition integrierter Stadtteilentwicklung, haben deutlich die Notwendigkeit gezeigt, gleichzeitig einerseits Ziele und Leitvorstellungen weiterzuentwickeln und andererseits Teilschritte bereits umzusetzen. Insbesondere so genannte Schlüssel- oder Leitprojekte können Impulse geben und damit die Beteiligungsmotivation im Quartier erhöhen sowie zur Identitätsentwicklung und Imageverbesserung beitragen.

Die Bausteine können je nach spezifischer Situation in den Programmgebieten unterschiedliche Ausprägungen haben. Deshalb sind sie nicht als fest gefügte Konzeptstruktur zu verstehen, sondern als Merkposten für Fragen, die im Rahmen des Integrierten Handlungskonzepts erläutert und geklärt werden sollten (4):

Im Bereich der Identifizierung von Problemen und Potenzialen sowie der Klärung von Handlungsbedarfen und damit der Analyse der Ausgangssituation geht es in den Integrierten Handlungskonzepten um die folgenden Teilschritte:

Im Bereich der Formulierung von Leitvorstellungen oder Leitbildern und von Zielen sowie den daraus abgeleiteten Maßnahmen und Projekten zeigen sich besondere Schwierigkeiten, die in der Forderung einerseits nach Konkretisierung der Ziele und andererseits nach Klärung der jeweiligen Lösungskapazität von Projekten und Maßnahmen münden. Während im ARGEBAU-Leitfaden als bundesweite Geltung beanspruchendem Strategiepapier die Ziele auf einer allgemeinen Ebene bleiben müssen (etwa wenn als Ziel formuliert wird, "soziale Problemgebiete zu selbständig lebensfähigen Stadtteilen mit positiver Zukunftsperspektive zu machen" (6) ), geht es für die Programmgebiete darum, die allgemeinen Ziele vor dem Hintergrund der realen Gebietssituation zu operationalisieren. Konkret und nachvollziehbar werden die Ziele in der Regel erst, wenn gleichzeitig Strategien, Maßnahmen und Projekte entwickelt werden, mit denen diese Ziele erreicht werden können. Häufig sind die Ziele im Umkehrschluss zu den Problemen formuliert.

Ein weiterer wichtiger Komplex, der bei den Integrierten Handlungskonzepten bisher noch häufig vernachlässigt bleibt, betrifft Überlegungen zur Umsetzungsprogrammatik und zur Bündelung möglicher Finanzierungsquellen und damit die eher instrumentelle Zieldimension des Programms (Modernisierung des politischen und administrativen Handelns sowie Stärkung zivilgesellschaftlicher Kräfte). Unter den Leitthemen Vernetzung, Koordination und Kooperation stehen die folgenden Bausteine des Integrierten Handlungskonzepts:

Die Evaluierung der Programmumsetzung (7) gilt als "unabdingbarer Bestandteil der Integrierten Handlungskonzepte" - so ist es im ARGEBAU-Leitfaden ausgeführt. Damit ist der Bereich Umsetzungs- und Qualitätskontrolle angesprochen. Es erscheint nötig, sich kontinuierlich im gebietsöffentlichen Diskurs über Erfolg, Misserfolg und Änderungsbedarf zu verständigen und damit die Konzepte - quasi als lernende Systeme mit lernenden Akteuren - an gewandelte Bedingungen anzupassen. Zu diesem Komplex gehören die folgenden Bausteine:

Abbildung 31: Bausteine der Integrierten Handlungsprogramme (n=222, Mehrfachnennungen; Zweite Befragung Difu 2002)

Deutsches Institut für Urbanistik 

Bei den 164 Programmgebieten, für die Angaben zu den Bausteinen ihrer Integrierten Handlungskonzepte gemacht wurden, dominieren als Konzeptbestandteile Aussagen zu Strategien, Maßnahmen und Projekten, zu Leitlinien und Entwicklungszielen sowie Struktur-, Problem- und Potenzialanalysen. Jeweils für etwa drei Viertel der Konzepte sind außerdem noch die Begründung der Gebietsauswahl, Konzepte zu Organisation, Management und Projektsteuerung sowie zu Aktivierung und Beteiligung vorhanden. Auch eine Kosten- und Finanzierungsübersicht sowie Zeit-, Ablauf- und Umsetzungsplan sind im Großteil der Konzepte enthalten. Lücken werden bisher noch bei den Vorschlägen zur begleitenden Evaluierung sichtbar. Das Schlusslicht bilden Aussagen zur Geschlechtergleichstellung (Gender Mainstreaming), die bisher nur in Hamburg bei allen vier Konzepten sowie bei einigen Konzepten in Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz thematisiert wird. In deutlich mehr als einem Drittel der Gebiete, in denen ein Integriertes Konzept vorhanden ist oder erarbeitet wird (56 Programmgebiete), sind diese Konzepte sehr umfassend angelegt. Sie enthalten alle Bausteine mit Ausnahme von Gender Mainstreaming und Evaluation.

In die Konzepte einbezogene Handlungsfelder

Die Antworten auf die Frage nach den in die Konzepte einbezogenen Handlungsfeldern lassen erste Rückschlüsse auf den integrativen Gehalt der Konzepte zu. Inwieweit werden die Konzepte dem Anspruch gerecht, gebietsbezogen baulichräumliche mit sozialen, ökonomischen, kulturellen, ökologischen usw. Ansätzen in Maßnahmen und Projekten zu verknüpfen - beispielsweise durch die Vernetzung von traditionellen Wohnumfeldmaßnahmen mit Beschäftigungs- oder Qualifizierungsprojekten oder Kooperationen/Partnerschaften zwischen Schulen und lokalen Wirtschaftsunternehmen?

Die Befragungsergebnisse stimmen erst einmal optimistisch. Für fast 90 Prozent der Integrierten Handlungskonzepte (146 Programmgebiete) wird die Berücksichtigung von zehn und mehr Handlungsfeldern gemeldet. Inwieweit hier tatsächlich auch Vernetzungen konzipiert sind, entzieht sich auf Basis der Befragungsdaten der Auswertungsmöglichkeit. Tatsächlich wird vor allem von den Ländern beklagt, dass die Handlungsfelder in den Konzepten manchmal isoliert nebeneinander stehen (10) . Vorausgesetzt es kommt bei der Umsetzung der Integrierten Handlungskonzepte auch zur wirklichen Vernetzung der Handlungsfelder und Realisierung von gebietsbezogen mehrzielorientierten Maßnahmen und Projekten, ließe sich auf eine Erfüllung des Anspruchs "integrativ" schließen.

Tabelle 7: In die Integrierten Konzepte einbezogene und besonders wichtige Handlungsfelder (n=187; Zweite Befragung Difu 2002)

Handlungsfeld

einbezogen

besonders wichtig

abs.

%

Rang

abs.

%

Rang

Wohnumfeld und öffentlicher Raum (Sicherheit)

155

82,9

  1

83

44,4

  2

Soziale Aktivitäten und soziale Infrastruktur

153

81,8

  2

88

47,0

  1

Image und Öffentlichkeitsarbeit

148

79,1

  3

65

34,7

  5

Kinder- und Jugendhilfe

147

78,6

  4

67

35,8

  4

Sport und Freizeit

142

75,9

  5

32

17,1

11

Zusammenleben unterschiedlicher sozialer und ethnischer Gruppen

140

74,9

  6

79

42,2

  3

Schulen und Bildung im Stadtteil

137

73,3

  7

60

32,1

  6

Beschäftigung

135

72,2

8/9

51

27,3

  9

Stadtteilkultur

135

72,2

8/9

44

23,5

10

Verkehr

131

70,0

10

23

12,3

13

Qualifizierung und Ausbildung

130

69,5

11

59

31,5

  7

Lokaler Wohnungsmarkt und Wohnungswirtschaft

126

67,4

12

55

29,4

  8

Familienhilfe

107

57,2

13

15

  8,0

16/17

Umwelt

106

56,7

14

15

  8,0

16/17

Seniorenhilfe

104

55,6

15

17

  9,1

15

Wertschöpfung im Gebiet

  87

46,5

16

21

11,2

14

Befähigung, Artikulation und politische Partizipation

  77

41,2

17

27

14,4

12

Gesundheit

  73

39,0

18

  7

  3,7

19/20

Prozess- und Ergebnisevaluation

  63

33,7

19

  9

  4,8

18

Monitoring

  49

26,2

20

  7

  3,7

19/20

Anderes

  10

  5,3

21

  6

  3,2

21

Deutsches Institut für Urbanistik 

Aus Tabelle 7 lässt sich nicht nur erkennen, wie häufig die einzelnen Handlungsfelder in die Konzepte einbezogen sind; deutlich wird auch, dass es von dieser Rangfolge leichte Abweichungen gibt, wenn es um die Beantwortung der Frage nach den jeweils fünf als besonders wichtig erachteten Handlungsfeldern geht.

(1) Dabei werden mehrere Konzepte den Anforderungen hinsichtlich Leitbild-Entwicklung, Beteiligung und Einbindung in gesamtstädtische Konzepte nur ansatzweise gerecht. So hat beispielsweise das Integrierte Handlungskonzept für das Modellgebiet Berlin-Kreuzberg - Kottbusser Tor eher den "Charakter eines Rechenschaftsberichts gegenüber der Verwaltung ... weniger den einer zielorientierten Gesamtbilanz"; Beer/Musch, "Stadtteile ...", S. 83.

(2) Aus Sicht des PvO-Teams ein "ambitioniertes und komplexes Konzept" mit "hochgesteckten" Zielen (Geiling und andere, Begleitende Dokumentation, S. 97 und S. 112).

(3) Stefan Geiss, Julia Kemper und Marie-Therese Krings-Heckemeier, Programmbegleitung des Bund-Länder-Programms "Soziale Stadt" - Modellgebiet "Halle-Silberhöhe", Sachsen-Anhalt. Endbericht, Berlin 2002, S. 36.

(4) Die Grundgesamtheit stellen im Folgenden die 187 Programmgebiete dar, für die ein Integriertes Handlungskonzept bereits vorliegt oder erarbeitet wird. Dabei konnten aber offenbar hinsichtlich mehrerer (23) der in Arbeit befindlichen Konzepte noch keine Angaben zu den Bausteinen gemacht werden. Alle Prozentangaben in den folgenden Abschnitten beziehen sich daher auf die 164 Programmgebiete (74 Prozent aller von der Befragung erfassten Gebiete), für die entsprechende Angaben gemacht werden konnten.

(5) Vgl. dazu auch Kapitel 3.

(6) ARGEBAU-Leitfaden, Kapitel 3, 1. Abs, siehe Anhang 9.

(7) Vgl. dazu weiter Kapitel 9.

(8) Dazu Uwe-Jens Walther, Gesichtspunkte zu einer Evaluation des Programms Soziale Stadt. Papier für die konstituierende Sitzung der Expertenkommission am 11. September 2002 in Berlin (unveröffentlichtes Typoskript).

(9) Dies trifft gegenwärtig vor allem für die 35 nordrhein-westfälischen Programmgebiete zu, die aus dem Landesprogramm "Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf" nur bis zum Durchführungsende der Maßnahmen in das Programm Soziale Stadt übergeleitet wurden.

(10) Hierzu beispielsweise Anmerkungen von Andreas Distler im Rahmen des Podiumsgesprächs "Qualitätsstandards für leistungsfähige Integrierte Handlungskonzepte", abgedruckt in: Deutsches Institut für Urbanistik (Hrsg.), Impulskongress Integratives Handeln, S. 235.

  
 

Quelle: Soziale Stadt - Strategien für die Soziale Stadt, Erfahrungen und Perspektiven – Umsetzung des Bund-Länder-Programms „Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf – die soziale Stadt", Deutsches Institut für Urbanistik 2003

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