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Als Folge des ökonomischen und gesellschaftlichen Strukturwandels ist die soziale Ungleichheit in Städten und Gemeinden gewachsen. Zunehmend sind Quartiere entstanden, in denen negative Entwicklungen konzentriert auftreten. Seit fast zwanzig Jahren hat sich deshalb nach und nach die Erkenntnis verdichtet, dass mit der traditionellen Städtebauförderung die komplexen Probleme in den benachteiligten Stadtteilen nicht zu lösen sind. Zwar fanden von Beginn an in der Städtebauförderung auch sozialstaatliche Prinzipien Berücksichtigung (1), letztlich aber dominierten die baulich-städtebaulichen investiven Maßnahmen und Projekte. Im Rahmen der Stadterneuerung übernahmen die Länder Nordrhein-Westfalen (mit dem 1993 aufgelegten Programm "Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf") und Hamburg (mit dem Pilotprogramm zur Armutsbekämpfung von 1994) Vorreiterfunktionen bei der Erprobung und Umsetzung integrativ-integrierter (2) Stadtteilentwicklungskonzepte. Einen wesentlichen Impuls zur Weiterentwicklung und Verbreiterung des neuen Politikansatzes gab die Ministerkonferenz der ARGEBAU (Arbeitsgemeinschaft der für das Bauen und Wohnen zuständigen Minister und Senatoren der Länder), deren Mitglieder am 9. November 1996 in Potsdam die Gemeinschaftsinitiative "Soziale Stadt" als "Aktionsprogramm" gegen die sich verschärfende sozialräumliche Polarisierung beschlossen (3). Das Bund-Länder-Programm "Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf - die soziale Stadt" (kurz: Soziale Stadt) wurde schließlich im September 1999 auf Basis der Koalitionsvereinbarung zwischen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) und Bündnis 90/Die Grünen als Ergänzung zur traditionellen Städtebauförderung durch die Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern etabliert.
Gegenwärtig gibt es 300 "Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf" (4) in 214 Städten und Gemeinden (vgl. Abbildung 18). 1999 wurden von den Bundesländern insgesamt 162 Gebiete in 124 Städten und Gemeinden ins Programm Soziale Stadt aufgenommen, im Jahr 2000 kamen noch einmal 53, im Jahr 2001 weitere 48 und im Jahr 2002 nochmals 38 Stadtteile hinzu (5). In den Programmgebieten der Jahre 1999, 2000 und 2001 leben insgesamt etwa 1,74 Mio. Einwohnerinnen und Einwohner, davon 1,34 Mio. in den alten und 0,4 Mio. in den neuen Bundesländern. Dabei spricht vieles dafür, dass es erheblich mehr Stadtteile mit vergleichbarem Entwicklungsbedarf gibt, die bisher noch nicht ins Programm aufgenommen werden konnten.
Ende des Jahres 2002 wurde vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (BMVBW) das Gutachten "Zwischenevaluierung des Bund-Länder-Programms Förderung von Stadtteilen mit besonderem Entwicklungsbedarf - die soziale Stadt'" im Rahmen des Experimentellen Wohnungs- und Städtebaus (ExWoSt), für das eine Laufzeit von einem Jahr vorgesehen ist, an das Institut für Stadtforschung (IfS) vergeben. Mit der Zwischenevaluierung soll im Juni 2003 begonnen werden. Am 11. September 2002 wurde in Berlin die Experten-/Steuerungsgruppe "Soziale Stadt" konstituiert, die diese Zwischenevaluierung vorbereitet und begleitet. "Die Ergebnisse der Zwischenevaluierung sollen in die weitere Umsetzung des Programms Die Soziale Stadt' einfließen." (6) Übereinstimmung besteht darin, dass die Ergebnisse der Difu-Programmbegleitung einen grundlegenden Fundus für die Zwischenevaluierung darstellen (7).
(1) Dazu Uwe-Jens Walther, Ambitionen und Ambivalenzen eines Programms. Die Soziale Stadt zwischen neuen Herausforderungen und alten Lösungen, in: derselbe (Hrsg.), Soziale Stadt -Zwischenbilanzen. Ein Programm auf dem Weg zur Sozialen Stadt?, Opladen 2002, S. 26 f.
(2) Das Adjektiv "integrativ" bezieht sich auf den Prozess der Integration, "integriert" beschreibt das Ergebnis.
(3) Vgl. zur Entstehungsgeschichte des Programms Hans-Jochen Döhne und Kurt Walter, Aufgabe und Chance einer neuen Stadtentwicklungspolitik. Ziele und Konzeption des Bund-Länder-Programms "Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf - Soziale Stadt", in: Bundesbaublatt, H. 5 (1999), S. 24-29; Heidede Becker und Rolf-Peter Löhr, "Soziale Stadt". Ein Programm gegen die sozialräumliche Spaltung in den Städten, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament, B 10-11 (2000), S. 22-29; vgl. zu den Programmmodalitäten Michael Krautzberger und Birgit Richter, "Die soziale Stadt" - Neuorientierung in der Stadtentwicklungspolitik und in der Sozialarbeit, in: Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit, H. 1 (2002), S. 36-41.
(4) Hier und in den folgenden Kapiteln werden die Begriffe Stadtteil, Gebiet und Quartier synonym für die räumlichen Einheiten der Sozialen Stadt verwendet.
(5) Vgl. hierzu und zum Folgenden die Tabelle in Anhang 8 zu den Entwicklungen im Bundesprogramm einschließlich der jährlichen Umschichtungen.
(6) Aus dem Einladungsschreiben des BMVBW vom 18. Juni 2002 zur konstituierenden Sitzung der Experten-/Steuerungsgruppe.