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soziale stadt - bundestransferstelle

Bund-Länder-Programm "Stadtteile mit
besonderem Entwicklungsbedarf - Soziale Stadt"
  

Teil II: Von der Sozialen Stadt zur umfassenden Nachbarschaftsentwicklung - Anregungen zur Veränderung der Programmkonzeption.

Fallstudien "Soziale Stadt": Kurzfassungen

Siegen-Fischbacherberg (Nordrhein-Westfalen)

Das Programmgebiet Siegen-Fischbacherberg ist seit Ende 1993 in das nordrhein-westfälische Handlungsprogramm "Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf" (1) aufgenommen. Das vergleichsweise kleine Programmgebiet (rund 1 300 Wohneinheiten) liegt verkehrsmäßig relativ isoliert auf einem Hügel am westlichen Stadtrand und grenzt an ausgedehnte Wald- und Grünflächen an. Das sehr schlechte Außenimage des Fischbacherbergs geht zurück auf die Unterbringung von Flüchtlingsfamilien (Zweiter Weltkrieg) in der Kaserne und auf die nachfolgende bauliche Nutzung des Gebietes durch das belgische Militär. Der Bau von zwei Aussiedlerwohnheimen in den 90er-Jahren in unmittelbarer Nachbarschaft des Einfamilienhausgebietes war Anlass, durch Gründung einer Bürgerinitiative Druck auf kommunalpolitische Entscheidungen auszuüben. Durch Übergang der belgischen Liegenschaften an die Kommunale Entwicklungsgesellschaft (KEG), die Anstellung eines ehemals städtischen Mitarbeiters als Quartiersmanager und konzentrierten Fördermitteleinsatz in den städtischen Beständen stabilisiert sich punktuell die Nachbarschaft in einer "KEG-Insel" um die Schweriner Straße.

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Abbildung 15: Lage des Programmgebiets Fischbacherberg
Quelle: ILS, Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung des Landes Nordrhein-Westfalen, Dortmund

Probleme


  • Wohnen: Zum Teil Leerstand, außerhalb der "KEG-Insel" städtebauliche Missstände, Sanierungs- und Modernisierungsbedarf, zum Teil Vandalismus.
  • Wohnumfeldqualität: Vernachlässigung im Bereich Kolberger Straße, Görlitzer Platz, Ypernstraße (2).
  • Bevölkerung: hohe Zahl an von Transferleistungen der öffentlichen Hand Abhängigen (rund 14 Prozent), hoher Jugendanteil (rund 30 Prozent), Jugendkriminalität, Bandenrivalität zwischen ausgesiedelten und deutschen Jugendlichen, rund 25 Prozent ausgesiedelte Bewohnerinnen und Bewohner.
  • Infrastruktur: nur eine Busanbindung an Stadtmitte, mangelhafte Versorgungsinfrastruktur, Fehlen von Räumlichkeiten für Jugendliche.
  • Image: negatives Außenimage, schlechte Innenwahrnehmung.

Strategien, Ziele, Maßnahmen

Ein 1993 erstellter Sozial- und Jugendhilfeplan sollte eine sozialverträgliche Konversion ermöglichen. Ziele waren neben der Verbesserung der privaten, sozialen und kulturellen Infrastruktur ein Datenkonzept und die Bebauung der durch Abriss der Hochhäuser frei werdenden Fläche (3).

  • Maßnahmen zur Wohnqualität: Abriss von zwei Punkthochhäusern, Wiederbelegung, Modernisierungsmaßnahmen, Anbau von verglasten Balkonen, Ausbau der Luftgeschosse, Einrichtung einer Concierge-Loge für Hausbetreuer.
  • Maßnahmen zur Wohnumfeldqualität: großer Kinderspielplatz, neue Garagenanlagen, Mietergärten, Begrünung, Platzgestaltung, Verkehrsberuhigung und Straßenumbau.
  • Nicht-investive Maßnahmen: Stadtteilcafé, Stadtteilbüro, Stadtteilmanager, Imagekonzept (Stadtteilzeitung, Veranstaltungen, Werbeplakate, Pressebeilagen, Broschüre, Bauschildgestaltung durch Künstlerin).

"Good-Practice"-Maßnahmen


  • Enge Vernetzung von Stadtteilbüro, Wohnungsunternehmen und Verwaltung: Die Vernetzung wird maßgeblich von einer Person bestimmt, die gleichzeitig Stadtteilmanager des Programmgebietes und Quartiersmanager der KEG-Bestände ist. Oft reicht der "kurze Dienstweg", Verzögerungen können durch die Bekanntheit der Akteure untereinander vermieden werden.
  • Abriss von zwei Hochhäusern: Nach dem Abzug der belgischen Streitkräfte erwarb die KEG die vier "Nato-Zähne" vom Bund. Zwei der Hochhäuser (96 WE) wurden abgerissen, um das Überangebot an Wohnungen insgesamt zu reduzieren, die Vermietbarkeit zu sichern und städtische Fläche für den Einfamilienhausbau bereit zu stellen. Die Vermarktung der Grundstücke läuft schleppend.
  • Belegungskonzept und Mieterbeirat: Die Auswahl der Bewerber für die sanierten KEG-Bestände wurde von einer Belegungskommission (4) gesteuert, die nach einem Quotierungsplan (Kriterien: Wohnberechtigungsschein [80 Prozent der WE], Haupterwerbsquelle, Familien- und Altersstruktur, Herkunft, Wohndauer in Siegen, soziale Problemlage) vorging. Das Mietergefüge wird stabilisiert, die Konzentration unterschiedlicher Lebensstile vermieden. Das Verfahren ist nicht starr, bevor Wohnungen leer stehen, wird auch bei Nichterfüllen der Kriterien vermietet. Eine beratende Funktion hatte bei der Belegung der Mieterbeirat, der als Scharnier zwischen Quartiersmanager und Mieter dient.
  • Imagekonzept: Mit dem Leitbild "Fischbacherberg - stadtnah, waldnah, bürgernah" wurde mit intensiver Bürgerbeteiligung die Aufwertungs- und Imagekampagne mit öffentlichkeitswirksamen Maßnahmen gestartet. Negative Schlagzeilen sind selten geworden, die Nachfrage nach den Baugrundstücken neben den Hochhäusern ist groß, die Außenwahrnehmung deutlich verbessert.
  • Entwicklungsstand:

    1990:

    Bürgerinitiative Fischbacherberg.

    1993:

    Aufnahme in das NRW-Programm "Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf", Stadtteilkonferenz.

    1994:

    Handlungsstrategie "Zukunft des Wohnens und Lebens am Fischbacherberg", Abzug belgisches Militär.

    1995:

    Zukunftswerkstatt, Einrichtung des Stadtteilbüros, dezernatsübergreifende Projektgruppe (bis 2000).

    1996-1998:

    Sanierung der KEG-Bestände.

    1997:

    Runder Tisch, Gründung Fischbacherberg Aktiv e.V.

    1999:

    Abriss der zwei "Nato-Zähne", Aufnahme in das Programm "Soziale Stadt".

    2001:

    Ausfinanzierung.

    2003:

    Stadtteilbüro wird unbefristet bleiben, Stadtteilmanager wird von der Stadt Siegen fest angestellt.


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"Nato-Zahn" und Querriegel


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Querriegel mit Kinderspielplatz


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Carports für die Querriegel


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DHH, Hirschberger Straße


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Leere Gewerbeeinheit


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ehemaliges Aussiedlerwohnheim


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Reihenhäuser, Breslauer Straße


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Ypernstraße


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Wohnumfeldverbesserung Schweriner Straße/Breslauer Str.


Akteure der Stadtentwicklung

Folgende Akteure sind beteiligt: dezernatsübergreifende Projektgruppe (federführend ist der Fachbereich Stadtentwicklung, Wirtschafts- und Strukturförderung) - KEG, Projektleiter des Stadtteilbüros, Bewohnerinnen und Bewohner, Stadtteileinrichtungen, Polizei, Mieterbeirat, Vereine, Aussiedlervertreter.

Stadtteilmanagement bzw. Quartiersmanagement

Seit 1995 existiert ein Stadtteilbüro im Gebiet. Ab 1997 wird das Büro von einem Projektleiter geführt, der als ehemals städtischer Mitarbeiter eine enge Verbindung zwischen Verwaltung und neuer Aufgabe mit sich bringt. Seine Aufgaben sind:

  • Quartiersmanagement der KEG
  • Stadtteilmanagement für das Programmgebiet Fischbacherberg
  • "Vernetzung" der Projektgruppe und Kommunikation mit politischen Gremien
  • Projektleitung der Projektgruppe
  • Organisation der Bewohnerbeteiligung
  • Umsetzung der Projekte und Maßnahmen des Handlungskonzepts
  • Initiierung von Kooperationsstrukturen
  • "Vernetzung" der Akteure vor Ort

Fazit, Perspektiven

Durch den Abriss der Hochhäuser, die Sanierung und Wohnumfeldgestaltung der ehemals belgischen Gebäude und die positiven Projekte und Maßnahmen wurde eine "Perle" innerhalb des Programmgebietes geschaffen (KEG-Bestände), das Gesamtgebiet hingegen wenig berücksichtigt. Maßnahmen sind "abgearbeitet", die Finanzierung in 2001 ausgelaufen, Bewohnerengagement partiell geweckt, aber insgesamt hohe "Verlass-Mentalität" aller Akteure gegenüber dem Quartiersmanager.

Eingesetzte Mittel und Bündelungsansätze

In den Jahren 1994 bis 2000 stand dem Stadtteil ein Gesamtvolumen von rund 3,26 Mio. Euro (6,38 Mio. DM) zur Verfügung. Außerdem: Modernisierungsprogramm für die Hochhäuser, Baudarlehen der Erwerbsförderung, Lohnkostenzuschüsse im Rahmen des Schwerbehindertengesetzes.

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Organigramm Siegen-Fischbacherberg
Quelle: empirica, eigener Entwurf.



(1) Seit 1999 im Bund-Länder-Programm "Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf - Die soziale Stadt".

(2) Das heißt außerhalb der KEG-Bestände.

(3) Die genannten Maßnahmen beziehen sich zum Zeitpunkt der Untersuchung nur auf den Bestand der KEG. Alle anderen Bestände werden im Programm Soziale Stadt wenig berücksichtigt.

(4) Teilnehmer waren: Vertreter der KEG, Projektleiter des Stadtteilbüros, Vorsitzender des Fischbacherberg Aktiv e.V., Redaktion der Stadtteilzeitung, Mieterbeirat.

 

  

Quelle: Good Practice in Neubauquartieren. Eine Analyse im Rahmen des Bund-Länder-Programms "Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf - die soziale Stadt", von empirica - Qualitative Marktforschung, Stadt- und Strukturforschung GmbH, Arbeitspapiere zum Programm Soziale Stadt Bd. 9, Berlin, 2003

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