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soziale stadt - bundestransferstelle

Bund-Länder-Programm "Stadtteile mit
besonderem Entwicklungsbedarf - Soziale Stadt"
  

Teil II: Von der Sozialen Stadt zur umfassenden Nachbarschaftsentwicklung - Anregungen zur Veränderung der Programmkonzeption.

Fallstudien "Soziale Stadt": Kurzfassungen

Schwedt/Oder - Obere Talsandterrasse (Brandenburg)

Seit Mitte der 90er-Jahre gibt es in Schwedt/Oder einen offenen und bewussten Umgang mit der hohen Konzentration von Wohnungsleerständen auf der Oberen Talsandterrasse und den damit verbundenen Verlusten an sowohl baulicher als auch funktioneller Substanz. Es wurde keine vorschnellen Sanierungsmaßnahmen, sondern ein gesamtstädtischer Stadtumbau eingeleitet, der sich künftig auf den Stadtteil Am Waldrand konzentriert.

Die drei Stadtteile der Oberen Talsandterrasse befinden sich nordwestlich des Schwedter Zentrums. Daran schließen der jüngste Stadtteil Talsand (1969-1973), im Nordwesten Am Waldrand (70er-Jahre) und schließlich der Stadtteil Kastanienallee (Ende 80er-Jahre) im Süden an. Das Wohnungsangebot ist sehr monostrukturiert: 92 Prozent der etwa 21 280 Wohneinheiten sind DDR-Wohnungsbauten (rund 6 Prozent Nachwende-Neubauten, vor allem Einfamilienhausbau). In Folge von Abwanderung (arbeitsplatzbedingt und Umlandabwanderung) und Sterbeüberschüssen schrumpfte in Schwedt die Bevölkerung seit der Wende um über 20 Prozent (seit 1993 haben die Stadtteile der Oberen Talsandterrasse ca. 10 800 Einwohner verloren, also rund 40 Prozent).

Bei gleichbleibenden Wanderungsverlusten wird für 2005 ein Bedarf an Mietwohnungen in Höhe von 15 160 WE (1) prognostiziert. Ausgehend vom heutigen Bestand wären dann rund 4 000 der vorhandenen Wohnungen ohne Nachfrager. Das entspricht einem Wohnungsüberhang von rund 19 Prozent. Der wirtschaftliche Niedergang des Industriestandortes Schwedt führte zu einem enormen Abbau von Arbeitsplätzen, im September 2001 lag die Arbeitslosenquote in der Stadt Schwedt bei 23,7 Prozent, rund 5,3 Prozent betrug der Anteil der Empfänger von Hilfe zum Lebensunterhalt. Der Anteil der Ausländer und Aussiedler, die im Planungsgebiet leben, ist mit rund zwei Prozent bzw. 2,1 Prozent vergleichsweise gering.

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Abbildung 14: Lage des Programmgebiets Oberen Talsandterrasse
Quelle: Stadt Schwedt/Oder

Probleme


  • Wohnen: Hoher Leerstand, Vandalismus, Fehlen von Nutzungsqualität bei prinzipieller Akzeptanz von Abriss.
  • Bevölkerung: Starker Rückgang der Einwohner, Resignation und Unsicherheit, Perspektivlosigkeit, überdurchschnittliche Anteile an Arbeitslosen, Alleinerziehenden, Älteren und sonstigen von Transferleistungen der öffentlichen Hand Abhängigen.
  • Infrastruktur: Schließung von Kitas und Schulen, sinkende Kaufkraft, leere Gewerbeeinheiten.
  • Image: Negatives Image, Identifikation noch vorhanden.

Strategien, Ziele, Maßnahmen

Über einen gesamtstädtischen Schrumpfungsprozess, dessen Schwerpunkt im Gebiet "Am Waldrand" liegt, soll durch Schrumpfung, Stabilisierung und Entwicklung die Zukunft der Oberen Talsandterrasse gesichert werden.

  • Maßnahmen zur Wohnqualität: Abriss von Hochhäusern, Modernisierung (Balkone, Heizung, Wärmedämmung), Änderung der Wohnungszuschnitte.
  • Maßnahmen zur Wohnumfeldqualität: Pflanzaktionen, Wohnumfeldverbesserungen, zielgruppenspezifische Wohnformen, Umgestaltung Schulhof, Skaterbahn, Aufenthaltsbereiche für Jugendliche, "temporäre" Nutzungskonzepte.
  • Nicht-investive Maßnahmen: Stadtteilmanagement, Öffentlichkeitsarbeit, Bewohneraktivierung und -beteiligung, Workshops mit Älteren, Jugendlichen, Spätaussiedlern, Stadtteilfeste, Ideen- und Kontaktbörse, Dokumentationen des Stadtumbaus, Kulturveranstaltungen, Beschäftigungs- und Qualifizierungsangebote für benachteiligte Jugendliche.

"Good-Practice"-Maßnahmen


  • Arbeitskreis "Soziale Stadt": Im gesamten Untersuchungsprozess, der im Vorfeld zur Realisierung der Maßnahmen im Rahmen des Programms "Soziale Stadt" stattgefunden hat, nimmt der Arbeitskreis eine tragende Rolle ein. Neben dem Zusammentragen von Datenmaterial waren die Diskussionsergebnisse in diesem Gremium für die weitere Entwicklung des Handlungskonzeptes von besonderer Bedeutung.
  • Die aktive Rolle der Wohnungsunternehmen: Die Wohnungsunternehmen gehören zu den Pionieren auf dem ostdeutschen Wohnungsmarkt. Während andere Wohnungsunternehmen entgegen wirtschaftlicher Ratio noch massiv sanierten, haben die Wohnungsunternehmen in Schwedt schon früh ein umfangreiches Stadtumbaukonzept inklusive Abriss entwickelt. Der Grundsatz lautet: Gleichzeitigkeit von Aufwertung und Abriss. Die Bewohnerinnen und Bewohner werden über alle Veränderungen auf der Oberen Talsandterrasse stets und lückenlos informiert sowie von den Wohnungsunternehmen durch ein Umzugsmanagement "betreut".
  • Neubau von Einfamilienhäusern am Plattenbaugebiet: Um die Umlandwanderung zu verringern, hat Schwedt ein neues Einfamilienhausgebiet in direkter Nachbarschaft zu einem Plattenbaugebiet ausgewiesen und individuelle Gestaltungsfreiheiten zugelassen. Die Akzeptanz des Neubauprojektes ist sehr hoch. Viele Nachfrager stammen aus dem Plattenbaugebiet, die räumliche Nähe zu alten Bekannten wird als positiv empfunden.
  • Umwandlung der Erdgeschosswohnungen in Gewerbeeinheiten: Die neue Einkaufszeile trägt wesentlich zur Verbesserung der Nahversorgung bei und wirkt dadurch auch als belebendes Element für den gesamten Stadtteil.
  • Entwicklungsstand:

    1996/1997:

    Planerische Arbeiten zur Leerstandsbewältigung, Diskussion der Abrissziele von rund 3 000 WE.

    1998:

    Stadtumbaukonzept (1992-98: Einfamilienhausbau neben Plattenbausiedlung).

    1999:

    Sanierungssatzung mit Erweiterungsoption bei der Abrissplanung.

    1999/2000:

    Pilotmaßnahme Abriss von 484 WE in der Leverkusener Straße, Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen, Umzugsmanagement.

    1999:

    Antrag auf Aufnahme ins Programm, Vorbereitende Untersuchung

    2000:

    Arbeitskreis "Soziale Stadt".

    2001:

    Bürgerforum, Stadtteilmanagerin, Außenanlage Kita 24 fertiggestellt, Stadtteilladen Eröffnung, Skaterbahn Baugbeginn.


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    Leerzug Schillerring


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    Abrissmaßnahme


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    Leerstand


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    "Temporäre Stadt"


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    Sanierungsmaßnahme


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    Wohnumfeldverbesserung


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    Neubaumaßnahme


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    Neubaumaßnahme


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    Neubaumaßnahme


Akteure der Stadtentwicklung

Folgende Akteure sind beteiligt: die Stadt Schwedt - federführend Amt für Stadtentwicklung, Bauverwaltungsamt, der Stadtplaner, Wohnbauten GmbH, Wohnungsbaugenossenschaft Schwedt eG, Kommunalpolitiker, Schulen, Uckermärkischer Bildungsverein (UVB), Bewohnerschaft, Aussiedler, Gewerbetreibende, Kirchen.

Stadtteilmanagement

Seit Juni 2001 ist die Stelle der Stadtteilmanagerin mit einer ABM-Kraft besetzt (2). Träger der Stelle ist der Uckermärkische Bildungsverein (UBV). Mittelfristig soll die Stadtteilmanagerin gemeinsam mit den anderen Akteuren im Stadtteil zum Motor des Programms werden, sodass sich die Stadtverwaltung zurückziehen kann. Zu den wesentlichen Aufgaben der Stadtteilmanagerin gehören die folgenden Bereiche:

  • der Aufbau eines Stadtteilbüros und dessen tägliche Besetzung,
  • das Führen von Einzelgesprächen mit den unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen,
  • Kontaktstelle zwischen Bürgern, Verwaltung sowie den Wohnungsunternehmen,
  • Information der Bewohnerschaft über Entmietung und Abriss,
  • Aktivierung zur Selbsthilfe,
  • Bewohnerbeteiligung,
  • Unterstützung der Nachbarschaften,
  • Ideen- und Jobbörse,
  • Informationen über Fördermittel,
  • Darstellung des Entwicklungsprozesses für Besucher,
  • Imageverbesserung,
  • Qualifizierung von Bewohnern,
  • Integration von Spätaussiedlern usw.

Fazit, Perspektiven

Der Stadtumbau in Schwedt/Oder kann mit dem zusätzlichen Mitteleinsatz der "Sozialen Stadt" auf bereits erprobten Strategien aufbauen. Beim künftigen Abriss im Gebiet Am Waldrand stehen nun die Nachnutzung der frei werdenden Flächen und die Umgestaltung der Infrastrukturressourcen im gesamten Stadtgebiet zur Debatte.

Eingesetzte Mittel und Bündelungsansätze

Der Gesamtumfang der Städtebauförderung liegt in 2002 bei rund 680 000 Euro. Künftig sollen eingesetzt werden: Städtebaufördermittel "Soziale Stadt", ZIS, ABM und SAM, VVN-Fördermittel (Verwaltungsvereinbarung Neubaugebiete), Stadtumbau-Ost.

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Organigramm Schwedt/Oder- Obere Talsandterrassen
Quelle: empirica, eigener Entwurf.



(1) Inklusive einer Reserve von 860 WE.

(2) Eine ABM-Stelle wurde deshalb eingerichtet, weil bislang keine Fördermittel zur Verfügung standen. Die Stelle läuft im Juni 2002 aus, man hofft bis dahin die Anschlussförderung mit Mitteln aus dem Programm "Soziale Stadt" finanzieren zu können.

 

  

Quelle: Good Practice in Neubauquartieren. Eine Analyse im Rahmen des Bund-Länder-Programms "Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf - die soziale Stadt", von empirica - Qualitative Marktforschung, Stadt- und Strukturforschung GmbH, Arbeitspapiere zum Programm Soziale Stadt Bd. 9, Berlin, 2003

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Im Auftrag des BMVBS vertreten durch das BBR. Zuletzt geändert am 31.05.2005