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soziale stadt - bundestransferstelle

Bund-Länder-Programm "Stadtteile mit
besonderem Entwicklungsbedarf - Soziale Stadt"
  

Teil II: Von der Sozialen Stadt zur umfassenden Nachbarschaftsentwicklung - Anregungen zur Veränderung der Programmkonzeption.

Fallstudien "Soziale Stadt": Kurzfassungen

Detmold-Herberhausen (Nordrhein-Westfalen)

Der Stadtteil Herberhausen (bis vor kurzem: Hakedahl (1)) liegt in Hanglage am nordöstlichen Stadtrand von Detmold. Das Gebiet wurde in den 70er-Jahren mit drei- bis sechs-geschossigen Wohnblocks und drei acht-geschossigen Hochhäusern bebaut und diente als Wohnsiedlung für britische Soldaten (Kasernen im benachbarten Stadtteil Hohenloh). Verkehrsmäßig ist Herberhausen vom restlichen Stadtgebiet abgeriegelt. In die frei gewordenen Wohnungen der Briten (1994-95) zogen vor allem Aussiedler ein. Viele erwarben dabei Wohneigentum (2). Die Konzentration von Aussiedlern und später zunehmend auch Ausländern, in erster Linie Kurden, hat das Image von Herberhausen weiter verschlechtert. Die Arbeitslosigkeit (für 1998 auf 32 Prozent geschätzt) und die Sozialhilfequote (25 Prozent) sind höher als in allen anderen Teilen der Stadt (3).

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Abbildung 11: Lage des Programmgebietes Detmold-Herberhausen
Quelle: ILS, Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung des Landes Nordrhein-Westfalen, Dortmund

Hinzu kommt eine ebenfalls deutlich überdurchschnittliche Kriminalitätsrate. Einige spektakuläre Übergriffe (Kinder- und Jugendbande auf dem Gelände des Ritterguts Herberhausen) haben den Stadtteil überregional in die Schlagzeilen gebracht. Die undifferenzierte Darstellung in Presse und Rundfunk hat das Ghetto-Image Herberhausens bei der Detmolder Bevölkerung verstärkt.

Probleme


  • Wohnen: Isolierte und bis 1994 unzugängliche Wohnanlage, ungenutzte Gutanlage, abgewohnte Gebäude, Vielzahl von Einzeleigentümern.
  • Wohnumfeldqualität: keine Wegenetze, keine gestalteten Grünflächen, trister Charakter, viele Straßen- und Parkplatzflächen, Sperrmüll.
  • Bevölkerung: 60 Prozent Spätaussiedler, 30 Prozent Ausländer, in der Regel Kurden, zehn Prozent Einheimische, hohe Transferabhängigkeit bei Jugendlichen, ethnische Konflikte, niedriges Bildungsniveau bei Kindern und Jugendlichen, Zukunftsangst und Hoffnungslosigkeit bei den Bewohnern.
  • Infrastruktur: Fehlen von Freizeitflächen, Fehlen von Versorgungseinrichtungen.
  • Image: Ethnische Konflikte, Vandalismus, Kriminalität haben negatives Image zur Folge.

Strategien, Ziele, Maßnahmen

Für die Entwicklung im Gebiet wurden sechs Handlungsbereiche definiert. Eine zeitliche Befristung soll eine Erfolgskontrolle und die Weiterentwicklung des Konzeptes möglich machen.

  • Maßnahmen zur Wohnqualität: Baumpflanzaktion, Aufräumaktion, Spielplatzgestaltung, Gestaltung einer Gemeinschaftsfläche (Kleingartenanlage).
  • Maßnahmen zur Wohnumfeldqualität: Wegeanbindungen, Ankauf Gut Herberhausen, Teichsanierung, Skateranlage, Allwetterspielplatz, Bolzplatz, Offener Unterstand, zentrale Haltestelle.
  • Nicht-investive Maßnahmen: Jugendtreff, Drogenberatung Lippe e.V., Kulturnetz Herberhausen, Neugründung Sportverein, Förderung der lokalen Ökonomie, "Frühjahrsputz" in Hakedahl, Hausaufgabenbetreuung, Öffentlichkeitsarbeit.

"Good-Practice"-Maßnahmen


  • "Räume baulich und sozial besetzen": Die von Kinder- und Jugendbanden vereinnahmten Orte ("Angsträume", "Vandalengebiete") sollen mittels alternativer, attraktiver Angebote für die Kinder und Jugendlichen, neuer Wegeverbindungen und des Anschlusses über Hohenloh an die Stadt für die Bewohner des Gebietes wieder nutzbar gemacht und "zurück gewonnen" werden.
  • "Arbeit für Alle" Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahmen in Herberhausen: Im Rahmen der Kooperation zwischen dem Arbeitsamt Detmold und dem Netzwerk Lippe GmbH (4) wird mehr als ein Drittel aller Beschäftigungsmaßnahmen im Gebiet durchgeführt, ein Viertel aller Teilnehmenden stammt aus Herberhausen.
  • Freizeitflächenprojekt: Die Stadt hat eine Fläche im Gebiet erworben und sie dem Bürgerverein überlassen. Mit der Anlage von 59 Gärten konnten vor allem ausländische und ausgesiedelte Bewohnerinnen und Bewohner zur Arbeit im Stadtteil aktiviert werden. Das Interesse ist enorm, eine neue Anlage derzeit im Gespräch.
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Sperrmüll


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Gut Herberhausen


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Gut Herberhausen


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Freizeitflächenprojekt


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Freizeitflächenprojekt


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Freizeitflächenprojekt


  • Entwicklungsstand:

    1995:

    Basiskreis Hakedahl, Bürgerverein.

    1997:

    Aufnahme in das NRW-Programm "Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf", Stadtteilbüro, Stadtteilmanager.

    1998:

    Stadt kauft Rittergut Herberhausen, Freizeitflächenprojekt.

    1999:

    Aufnahme in das Programm "Soziale Stadt", Sozialraumanalyse und -konzept, erste Baumaßnahmen, Zukunftswerkstatt mit Jugendlichen.

    1999-2000:

    Beginn der Baumaßnahmen auf dem Gut Herberhausen.

    1999:

    Sonderpreis für Integration von Neubürgern in die Dorfgemeinschaft im Rahmen des Wettbewerbs "Unser Dorf soll schöner werden".

    02/2001:

    Eröffnung neuer Jugendtreff "Domizil" auf dem Gut Herberhausen.

    2002:

    Fertigstellung der Jugendwerkstatt im Gut Herberhausen.

    2002:

    Baubeginn für eine Beratungseinrichtung im Gut Herberhausen.

    10/2002:

    Umzug des Stadtteilbüros in das Gut Herberhausen.

    10/2002:

    Auslaufen des Programms, aber Verlängerung um ein Jahr bis 10/2003.

Akteure der Stadtentwicklung

Folgende Akteure sind beteiligt: die Verwaltung mit dem "Arbeitskreis Stadtteilprogramm Hakedahl" unter Federführung des Fachbereiches Jugend, Senioren und Kultur, Stadtteilmanager, Schule, Kindergarten, Polizei, Kirche, Bürgerverein, Parteien und Beschäftigungsträger.

Stadtteilmanagement

Der Stadtteilmanager ist beim federführenden Fachbereich angestellt und verfügt über einen großen Handlungsspielraum. Mittlerweile ist der Stadtteilmanager Leiter dieses Fachbereichs (Jugend, Senioren und Kultur). Neben der Erarbeitung von Beschlussvorlagen und den Auftritten im Haupt- und Finanzausschuss hat er weitere Aufgaben:

  • Organisation von Veranstaltungen
  • Beratung und Vernetzung der sozialen Träger
  • Aktivierung und Einbindung der Bewohnerschaft
  • Koordination und Steuerung der Projekte und Baumaßnahmen

Fazit, Perspektiven

Die Verwaltungsmodernisierung und das Engagement des Stadtteilmanagers haben in der Anfangsphase ein hohes Umsetzungstempo bewirkt, was kommunalpolitisch allerdings nicht durchgehalten werden konnte. Die durchgeführten Maßnahmen im Gebiet greifen ineinander und verstärken sich gegenseitig ("Projekt Gut Herberhausen"). Besonders erfolgreich ist jedoch die Aktivierung der Aussiedler und Ausländer durch das Freizeitflächen-Projekt. Trotz Vorbereitung auf eine folgende Selbstverwaltung im Gebiet ist allen Beteiligten klar, dass das Stadtteilbüro vorerst unverzichtbar ist. Aus diesem Grund ist das eigentlich im Oktober 2002 auslaufende Programm um ein Jahr verlängert worden.

Eingesetzte Mittel und Bündelungsansätze

Der Gesamtumfang der bisher bewilligten Mittel beträgt rund 4,1 Mio. Euro (acht Mio. DM). Zudem kommen noch Landesförderungen für soziale Projekte (Drogenberatung, Krisenmanagement), Bundesmittel für die Aussiedlerarbeit und EU-Mittel in einer Höhe bis zu 1,5 Mio. Euro. Die sieben Mio. Euro für Beschäftigungsmaßnahmen (August 1997 bis Februar 2001) stammen aus dem Etat der kommunalen Beschäftigungsförderungsgesellschaft Netzwerk Lippe (setzt sich zusammen aus kommunalen Mitteln plus Landes- und EU-Mittel). Allerdings beziehen sich nur rund 25 Prozent der Maßnahmen auf Bewohner des Stadtteils (Stand: 2002).

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Organigramm Detmold-Hakedahl
Quelle: empirica, eigener Entwurf.



(1) Die Umbenennung des Stadtteils erfolgte im Jahr 2000 aus historischen, sicher aber auch aus Image-Gründen. Mit dem Namen "Herberhausen" verbinden die Detmolder eher das Rittergut Herberhausen als die in ihren Augen problematische Wohnsiedlung.

(2) Die Eigentümerstruktur in Herberhausen ist sehr zersplittert. Während der Anwesenheit der Briten gehörten die meisten Wohnungen Privatanlegern im ganzen Bundesgebiet. Die Wohnungen wurden vom Bundesvermögensamt gepachtet und an die Briten weitervermietet. Viele der damaligen Eigentümer sind heute noch im Besitz ihrer Wohnungen. Hinzu kommen die Bewohner, die seit 1994 Wohneigentum erworben haben. Die fragmentierte Eigentümerstruktur erschwert Maßnahmen an den Häusern selbst, da die Einzeleigentümer in der Regel den geforderten Eigenbeitrag nicht aufbringen können. Einen Verkauf der Wohnungen verhindern die deutlich gesunkenen Immobilienpreise.

(3) Aktuelle Daten liegen für den Stadtteil nicht vor, da kleinräumige Daten der Arbeitslosen- oder Sozialhilfestatistik nur durch mühsame Aktendurchsicht generiert werden können. Angesichts der Haushaltslage wurde bislang auf diese kostenintensive Erhebung und Aktualisierung der Daten verzichtet.

(4) Kommunale Gesellschaft für Beschäftigungs- und Qualifizierungsförderung.

 

  

Quelle: Good Practice in Neubauquartieren. Eine Analyse im Rahmen des Bund-Länder-Programms "Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf - die soziale Stadt", von empirica - Qualitative Marktforschung, Stadt- und Strukturforschung GmbH, Arbeitspapiere zum Programm Soziale Stadt Bd. 9, Berlin, 2003

Soziale Stadt © 2000-2007 Deutsches Institut für Urbanistik
Im Auftrag des BMVBS vertreten durch das BBR. Zuletzt geändert am 31.05.2005