1

soziale stadt - bundestransferstelle

Bund-Länder-Programm "Stadtteile mit
besonderem Entwicklungsbedarf - Soziale Stadt"
  

10.1 Programmumsetzung - Erfolge, Probleme und Nachbesserungsbedarf

Erfahrungen mit und Einschätzungen zur Programmumsetzung sind auf die zwei zentralen Interventionsfelder des Programms Soziale Stadt zu beziehen: erstens auf den eher umsetzungstechnischen instrumentell-strategischen Bereich mit Fragen nach dem integrativen Gehalt der Handlungskonzepte, den Verfahren ihrer Aufstellung und Fortschreibung sowie ihrer Umsetzung, nach Effekten der Ressourcenbündelung, nach der Leistungskraft von Organisations-, Kooperations- und Managementstrukturen, nach dem Erfolg von Aktivierungs- und Beteiligungsstrategien sowie dem Grad des Engagements der lokalen Akteure, nicht zuletzt nach Eignung der ausgewählten Gebiete hinsichtlich des "besonderen Entwicklungsbedarfs". Das zweite Interventionsfeld betrifft die inhaltlichen Ziele für die Soziale Stadt, die Verbesserung von Lebenslagen und Lebensperspektiven im Stadtteil. Dabei geht es zum einen um die materiell-physischen Bedingungen in den Quartieren, die Verbesserung der individuellen Lebenschancen sowie um Qualitäten des Zusammenlebens und Formationen der Stadtteilöffentlichkeit, zum anderen um atmosphärische Veränderungen, die aus den konkreten Aufwertungen und Verbesserungen sowie aus Effekten einer offensiven Öffentlichkeits- und Imagearbeit resultieren.

Integrierte Handlungskonzepte

In Artikel 2 der Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern wird gefordert, dass die "Probleme der ,Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf' ... mit einem integrierten Konzept im Sinne einer ganzheitlichen Aufwertungsstrategie in einem umfassenderen Zusammenhang zielgerichteter sozialer und ökologischer Infrastrukturpolitik" anzugehen sind. Eine zu Beginn der Programmumsetzung eher skeptisch-negative Haltung bei den kommunalen Ansprechpartnerinnen und -partnern für die Soziale Stadt gegenüber dem Steuerungs- und Koordinierungsinstrument Integriertes Handlungskonzept ist inzwischen breiter Zustimmung gewichen. Die Bewertungsfrage zu Erfahrungen mit Integrierten Handlungskonzepten und ihrer Umsetzung zeigt eine deutlich positive Beurteilung für etwa zwei Drittel aller Programmgebiete. Aus Sicht der Verwaltung handelt es sich bei diesem Instrument um die "notwendige Basis zur Umsetzung des Programms". Inzwischen liegen Integrierte Handlungskonzepte für 84 Prozent der Programmgebiete bereits vor oder werden derzeit erarbeitet.

Integrierte Handlungskonzepte entfalten für die Programmumsetzung vielfältige positive Wirkungen. Dies kommt unter anderem darin zum Ausdruck, dass "neue Bündelungsleistungen" vor allem dann erbracht werden, wenn bereits ein Integriertes Handlungskonzept vorliegt. Die Entwicklung und Fortschreibung von Integrierten Handlungskonzepten bieten eine wichtige Plattform der Verständigung. Sie stoßen Kommunikationsprozesse zwischen den Akteuren an und schaffen Grundlagen für Vertrauensbildung und Planungssicherheit. Wo bereits Integrierte Handlungskonzepte erarbeitet wurden, hat sich aus Sicht der kommunalen Verwaltung die Kooperation zwischen den Ämtern deutlich verbessert.

Integrierte Handlungskonzepte haben sowohl in der Praxis als auch in der Fachdiskussion schärfere Konturen gewonnen, dennoch handelt es sich bei ihnen noch um ein Instrument im Entwicklungsstadium. Aus den Befragungsergebnissen und der Programmbegleitung vor Ort in den Modellgebieten lassen sich über die Qualität der Integrierten Handlungskonzepte nur ansatzweise Aussagen ableiten. Wo bisher von Integrierten Konzepten die Rede ist, zeigt sich nach wie vor eine große Variationsbreite: Diese reicht von der Übernahme wenig aktueller Ergebnisse aus Vorbereitenden Untersuchungen als Bestands- und Problemanalyse samt kommentierten Projektübersichten über städtebaulich dominierte und sozial angereicherte Rahmenpläne bis zu umfassenden integrativen Konzepten, die sich auf gesamtstädtische kleinräumige Analysen mit ausgearbeiteten Leitvorstellungen und detaillierten Vorschlägen zur Umsetzung gründen. Unterschiede fallen auch hinsichtlich der Beteiligungsintensität von Bewohnerschaft und Vor-Ort-Akteuren auf.

Ein gravierender Mangel besteht darin, dass die Integrierten Handlungskonzepte noch zu sehr losgelöst bleiben von der Entwicklungspolitik für die gesamte Stadt, sodass von einer systematischen Integration der gebietsbezogenen in die gesamtstädtischen Entwicklungsansätze noch nicht die Rede sein kann. Bei der weiteren Umsetzung des Programms Soziale Stadt wird es wesentlich darauf ankommen, gebietsbezogene Maßnahmen, Projekte, Verfahren und Strategien programmatisch mit der gesamtstädtischen Politik zu verknüpfen und die gesamtstädtischen Wirkungszusammenhänge nicht aus dem Blickfeld zu verlieren, wie dies beispielsweise beim Stadtumbau Ost versucht wird.

Kooperation und Mittelbündelung

Ressourcenbündelung im Sinne des Programms Soziale Stadt erfordert den Aufbau innovativer und leistungsfähiger Organisationsstrukturen in der Verwaltung. In vielen Städten und Gemeinden werden neue ressort- und ämterübergreifende Kooperations- und Managementformen erprobt und Lernprozesse in Gang gesetzt. "Fortschritte in der ämter- und dezernatsübergreifenden Kooperation" werden denn auch im Rahmen der Befragung aus Sicht der kommunalen Verwaltung immerhin für 70 Prozent der Gebiete als Programmerfolg (1) genannt. Dennoch gibt es Hinweise auf Probleme und Schwierigkeiten - vor allem aus den Modellgebieten; insbesondere Ämteregoismen und Konkurrenzverhalten sind durchaus noch nicht überwunden. Weiter zeigt sich Nachholbedarf im Aufbau kooperativer Strukturen vor allem hinsichtlich veränderter Entscheidungskompetenzen und -abläufe. Die Frage der Federführung ist in den vielen inzwischen eingerichteten ressortübergreifenden Lenkungs- oder Steuerungsgruppen noch nicht angemessen gelöst. Es scheint so, als stelle eine gemeinsame Federführung von eher sozial und von eher räumlich ausgerichteten Ressorts einen weiterführenden Ansatz dar.

Angesichts der neuen Herausforderung, eine bisher nicht allgemein übliche Vor- Ort-Nähe zu entwickeln, ist es als ein beachtlicher Erfolg des Programms zu werten, dass die Verwaltung aus ihrer Sicht im Verlaufe der Programmumsetzung eine größere Nähe zum Stadtteil gewonnen hat. Mit Angaben für 85 Prozent der Programmgebiete wird diese Entwicklung als zweithäufigster Erfolg des Programms gewertet.

"Bund und Länder koordinieren und bündeln zur Nutzung von Synergieeffekten alle für die Entwicklung der Stadtteile ... erforderlichen und bereitstehenden Mittel und Maßnahmen des Bundes und der Länder ...", heißt es in der Präambel zur Verwaltungsvereinbarung 2002(2). Die Bündelung der Mittel für Entwicklungen in den Stadtteilen erweist sich aber weiterhin als Achillesferse für die Programmumsetzung. Zwar sind inzwischen beachtliche Bündelungserfolge zu verzeichnen, denn für 90 Prozent aller Gebiete wird Mittelbündelung bestätigt - zu großen Teilen auch im Sinne von neuen Bündelungsleistungen mit Programmen außerhalb der traditionellen Städtebauförderung. Doch erfordert die Akquisition und Koordination dieser Mittel nach wie vor erhebliche Anstrengungen vor allem der Akteure auf Stadt-, Stadtteil- und Projektebene.

Weiterhin bestehen Unsicherheiten über Fördermittel und Antragswege. Von den Antworten auf die offene Frage(3) nach Veränderungsvorschlägen zum Programm, die an die Zuständigen (Bund, Länder, Mittelbehörden) weitergegeben werden sollten, beziehen sich denn auch nahezu drei Viertel (4) auf nicht kompatible Förderprogramme mit unterschiedlichen Laufzeiten und Gebiets- oder Zielgruppenbezug sowie auf komplizierte Bündelungsverfahren mit einer Vielzahl von Ansprechpersonen. Dies deckt sich damit, dass zum einen "Einschränkungen und Vorgaben der Mittelverwendung" am häufigsten als Problem für die Programmumsetzung (für gut die Hälfte der Gebiete) angegeben und zum anderen Defizite auf Landesebene hinsichtlich Mittelkoordination und Förderkonditionen (für 40 Prozent der Programmgebiete) bemängelt werden.

Quartiermanagement

Quartiermanagement ist als Schlüsselinstrument für die erfolgreiche Bewältigung der komplexen Aufgaben integrierter Stadtteilentwicklung allgemein anerkannt, auch wenn Organisation, Aufgaben und Selbstverständnis differieren. Das prozessorientierte Quartiermanagement dient dazu, eine horizontal und vertikal vernetzte Kooperations- und Managementstruktur auf Verwaltungs- und Quartiersebene, zwischen diesen Ebenen sowie mit allen anderen lokal relevanten Akteuren zu gewährleisten. Für 80 Prozent der Programmgebiete ist Quartiermanagement dementsprechend auf allen drei Steuerungs- und Handlungsebenen eingerichtet worden: auf Verwaltungsebene, im Quartier und im intermediären Bereich. Der Einsatz des Quartiermanagements wird aus kommunaler Sicht für gut 80 Prozent der Gebiete als "Erfolg" beurteilt.

In den Ländern Berlin, Hamburg, Hessen und Nordrhein-Westfalen wird auf Quartiermanagement stärker noch als in den anderen Bundesländern Gewicht gelegt. Dies kommt unter anderem in besonders detaillierten Empfehlungen und Vorgaben zur Einrichtung von Quartiermanagement zum Ausdruck.

Verbesserungsbedarf besteht beim Zusammenwirken zwischen den drei Steuerungsund Handlungsebenen - dies zeigen vor allem Erfahrungen in den Modellgebieten. Als ein besonderes Dilemma für Quartiermanagement auf lokaler Ebene zeichnet sich ab, dass durch die zeitliche Befristung vieler Verträge personelle Kontinuität infrage gestellt ist. Für zwei Drittel der Gebiete haben die Verträge eine Laufzeit von maximal drei Jahren, für die Hälfte davon enden sie bereits nach einem Jahr. Unter solchen Bedingungen kann Vertrauen nicht aufgebaut werden, denn dies erfordert erheblich mehr Zeit. Weiter mangelt es häufig noch an einer anforderungsgerechten Sachausstattung der Vor-Ort-Büros, die sich inzwischen als unverzichtbarer Bestandteil des lokalen Quartiermanagements erwiesen haben. Angesichts spezifischer Qualifikationen sowie insbesondere kommunikativer und organisatorischer Fähigkeiten, die die Arbeit des Quartiermanagements erfordert, stimmt es optimistisch, dass inzwischen mehrere Institutionen eigene Fortbildungsund Studiengänge für den Aktionsbereich Quartiermanagement anbieten.

Aktivierung und Beteiligung

Der Aufbau stabiler nachbarschaftlicher sozialer Netze, die Organisation der Interessen vor Ort, die Vernetzung lokaler Initiativen, Institutionen und Unternehmen, die Einrichtung quartiersbezogener Beteiligungsstrukturen und die Stärkung individueller Problemlösungskompetenzen durch das Handlungsfeld "Aktivierung und Beteiligung" sind grundlegende Voraussetzungen für den Erfolg integrierter Stadtteilentwicklung. In den Modellgebieten finden sich Hinweise, dass dort, wo ein leistungsfähiges Quartiermanagement etabliert werden konnte, am ehesten Aktivierungs- und Beteiligungserfolge zu verzeichnen sind.

Für drei Viertel aller Programmgebiete wird aus Verwaltungssicht die "Aktivierung bisher schwer erreichbarer Bevölkerungsgruppen" als Erfolg angegeben. Skeptischer wurde die Erreichbarkeit der Quartiersbevölkerung allerdings in den Modellgebieten eingeschätzt. Danach müssen Bemühungen um die Aktivierung der Quartiersbevölkerung offensichtlich noch weiter verstärkt und innovativer gestaltet werden. Manche Bevölkerungsgruppen sind kaum erreicht worden (Menschen mit Migrationshintergrund, Langzeitarbeitslose, alte Menschen). Erforderlich sind hier besondere Zuwendung, individuelle Ansprache und auf die jeweilige Lebenssituation zugeschnittene Konzepte. Die teilweise sehr hoch liegenden "Schwellen", ein Angebot überhaupt zu nutzen, müssen gesenkt werden, z.B. durch Angebote, mit denen zwanglose Kommunikations-, Begegnungs- und Erlebnismöglichkeiten geschaffen werden.

"Verbesserte Beteiligungsmöglichkeiten für die Bewohnerschaft" sind mit Nennungen für 90 Prozent der Gebiete der wichtigste Erfolg, der aus Sicht der Verwaltung dem Programm zugeschrieben wird. Doch auch hier sind aufgrund der vertieften Untersuchungen in den Modellgebieten Zweifel angebracht, inwieweit die Quartiersbevölkerung mit den Arbeitskreisen und Workshops, Stadtteilkonferenzen oder -foren, Planungs- und Zukunftswerkstätten wirklich erreicht wird. Teilweise bleiben Beteiligungsangebote und -strategien mittelschichtorientiert; ihre formalisierten Kommunikationsformen und Regularien schüchtern Bevölkerungsgruppen, die eher informell und spontan agieren, ein und schließen diese so von der Teilnahme weitgehend aus.

Als zentral für den Erfolg von Aktivierung und Beteiligung erweist es sich, inwieweit Verwaltung und Politik bereit sind, der Bevölkerung und den lokalen Akteuren auch Entscheidungsbefugnisse einzuräumen. Immerhin sind bereits in mehr als der Hälfte aller Programmgebiete Verfügungsfonds eingerichtet worden; damit wurden Möglichkeiten geschaffen, kleine Projekte und Maßnahmen unbürokratisch, eigenverantwortlich und schnell zu realisieren. Wenn kein Verfügungsfonds vorhanden ist, ist es schwierig und aufwändig, kleinere Beträge - beispielsweise für Sach- und Produktionsmittel oder für die Vermittlung von Wissen und Methoden an lokale Akteure - zu mobilisieren. Dies spiegelte sich unter anderem darin, wofür und wie die "Technischen Hilfen" (5) im Rahmen der Programmbegleitung vor Ort in Anspruch genommen wurden. Dezentralisierte Entscheidungsbefugnisse und Verfügungsfonds oder Stadtteilbudgets erleichtern und motivieren die Arbeit vor Ort. Mit den überdurchschnittlich hoch ausgestatteten Quartiers- und Aktionsfonds in Berlin konnten für Aktivitäten der Bewohnerschaft kräftige Impulse gegeben werden. Zunehmend wird auch Öffentlichkeitsarbeit gezielt als Instrument zur Aktivierung und Beteiligung eingesetzt; beteiligungs- und dialogorientierte Öffentlichkeitsarbeit gewinnt in den Programmgebieten an Bedeutung.

Auswahl der Programmgebiete

Der "besondere" Entwicklungsbedarf, der die Aufnahme ins Programm Soziale Stadt begründet, setzt den gesamtstädtischen Vergleich voraus. Es muss nachgewiesen werden, dass für die ausgewählten Gebiete im Vergleich zu anderen Stadtteilen ein dringlicherer Handlungsbedarf besteht, ihrer Entwicklung deshalb eine höhere Priorität einzuräumen ist und Ressourcen verstärkt in diese Gebiete gelenkt werden sollen. Deshalb muss das Auswahlverfahren transparent und nachvollziehbar sein, um auch kommunalpolitisch legitimiert werden zu können.

Das dafür nötige kleinräumig detaillierte statistische Bestandswissen ist erst in wenigen Städten vorhanden. Als zentrale Auswahlkriterien werden Indikatoren der Einkommensarmut angesetzt: Die Programmgebiete sind erheblich stärker als die jeweilige Gesamtstadt von Arbeitslosigkeit und Sozialhilfebedürftigkeit betroffen. Teilweise sind die Gebiete vom Erwerbsleben weitgehend abgekoppelt. "Hohe Arbeitslosigkeit und Sozialhilfeabhängigkeit" gehören neben "Defiziten im Wohnumfeld" sowie "Modernisierungs- und Instandsetzungsbedarf" zu den Hauptproblemen, auf die sich der "besondere Entwicklungsbedarf" in den Gebieten gründet. Die Programmgebiete in den alten Bundesländern sind außerdem stärker multikulturell geprägt; durchschnittlich ein Viertel der Bevölkerung sind Migrantinnen und Migranten.

Beim Zuschnitt der Programmgebiete haben die integrativen Ansprüche des Programms dazu geführt, dass insgesamt größere Gebiete ausgewiesen worden sind, bei denen einerseits wichtige Infrastruktur wie z.B. Schulen, Kultureinrichtungen, Nahversorgungszentren mit ihren Einzugsbereichen, andererseits räumliche Problemüberlagerungen Berücksichtigung gefunden haben. Die Gebiete der Sozialen Stadt sind hinsichtlich ihrer Fläche durchschnittlich zwölfmal so groß wie die der traditionellen Stadterneuerung. Für nahezu 80 Prozent der Programmgebiete werden ihre Abgrenzungen aus kommunaler Sicht als "richtig" beurteilt, vor allem weil die Problemschwerpunkte berücksichtigt seien.

Zentrale inhaltliche Handlungsfelder

Bei den konkreten Maßnahmen und Projekten zur Verbesserung von Lebenslagen und Lebensperspektiven in den Gebieten der Sozialen Stadt nähern sich baulichräumliche und sozial orientierte Handlungsfelder in ihrer Bedeutung schrittweise einander an. Zwar wird das Handlungsfeld "Wohnumfeld und öffentlicher Raum" für 81 Prozent der Programmgebiete in der zweiten Umfrage am häufigsten genannt, aber Handlungsfelder wie "Imageverbesserung und Öffentlichkeitsarbeit" (77 Prozent), "Kinder- und Jugendhilfe", "Sport und Freizeit" (jeweils 70 Prozent) sowie "Soziale Aktivitäten und soziale Infrastruktur" (68 Prozent) folgen nach Häufigkeiten in dichtem Abstand. In einer schriftlichen Befragung der für die Programmplattform E & C zuständigen Jugendämter, die sich ebenfalls auf die Programmgebiete der Sozialen Stadt bezieht, wurde ermittelt, "dass aus Sicht der Jugendämter jugend-, bildungs- und beschäftigungspolitische Themen neben wohnungsund städtebaulichen Maßnahmen nahezu den gleichen Stellenwert haben" (6).

Schlüsselprojekte haben besondere Bedeutung für die Stadtteilentwicklung erlangt: Durch sie werden kräftige Impulse für das Quartiersleben und -image gegeben, und sie entfalten Signalwirkung für Atmosphäre und Stimmung im Stadtteil. In der Umfrage wurde für fast 90 Prozent aller Programmgebiete die Frage nach solchen Projekten bejaht. Das Handlungsfeld "Wohnumfeldverbesserung und öffentlicher Raum" nimmt auch im Rahmen der Schlüsselprojekte den ersten Rang ein, gefolgt von "Soziale Aktivitäten und soziale Infrastruktur" sowie mit größerem Abstand "Lokaler Wohnungsmarkt".

Die noch kurze Laufzeit des Programms ist Grund dafür, dass auf die Frage nach Veränderungen im Stadtteil, die statistisch oder empirisch erfassbar sind, erst für 27 Prozent der Gebiete Antworten gegeben wurden oder gegeben werden konnten(7). Bei den Erfolgsnennungen spielen erst wenige inhaltliche Handlungsfelder eine Rolle: "Verbesserung der Atmosphäre/Stimmung im Gebiet" (für 77 Prozent der Programmgebiete), "Verbesserung der Infrastruktur" (73 Prozent), "Imagegewinn" (67 Prozent), "Verbesserungen im Zusammenleben" (64 Prozent) und "Verbesserung von Beschäftigung und Ausbildung" (allerdings nur für 29 Prozent der Programmgebiete).

Immer stärker kristallisiert sich heraus, dass bei den Handlungsfeldern der Sozialen Stadt noch deutlichere Prioritäten gesetzt werden sollten. Dies gilt zum einen für die vorsorgeorientierten Handlungsfelder "Schulische und berufliche Ausbildung" sowie "Gesundheitsförderung". Schulen erweisen sich immer mehr als Schlüsselinstitutionen in den Gebieten der Sozialen Stadt, als die Institutionen, mit denen eine soziale Isolierung von Kindern und Jugendlichen in eher demotivierenden Armutsmilieus durchbrochen werden kann. Mit Sprachförderung und Konfliktmanagement, mit dem Abbau von Vorurteilen gegen das Fremde werden in den Schulen Kompetenzen vermittelt, mit denen auch günstigere Voraussetzungen für das Zusammenleben im Stadtteil geschaffen werden. Um dies leisten zu können, brauchen die Schulen aber zusätzliche Unterstützung. Eine problematische Situation in den Schulen hat Wegzüge gerade jener Haushalte zur Folge, die zu einer positiven Stadtteilentwicklung besonders viel beitragen könnten.

Das bisher im Rahmen der integrierten Stadtteilentwicklung noch zu wenig beachtete Handlungsfeld "Gesundheitsförderung" gewinnt gegenwärtig mit Recht an Aufmerksamkeit. Insbesondere mit den an Frauen gerichteten Angeboten - teilweise auch in den Schulen - können Multiplikatoreffekte erzielt werden, denn vor allem die Frauen tragen entscheidendes Handlungs- und Alltagswissen in die Familien und Nachbarschaften.

Die Stärkung der Lokalen Ökonomie spielt bei den Zielen - mit Nennungen für 61 Prozent der Gebiete - zwar nach Häufigkeiten eine vorrangige Rolle, doch spiegelt sich diese ihnen zugeschriebene Bedeutung noch nicht in den konkreten Maßnahmen und Projekten. Weit abgeschlagen ist das der Lokalen Ökonomie zuzurechnende Handlungsfeld "Wertschöpfung im Gebiet", in dem nur für 29 Prozent der Stadtteile Maßnahmen und Projekte realisiert werden. Als "Erfolge" rangieren "Verbesserung von Beschäftigung und Ausbildung" (genannt für 29 Prozent der Gebiete) und "Engagement der privaten Wirtschaft" (für 23 Prozent) auf den hinteren Plätzen. Die Stärkung der Lokalen Ökonomie wird demnach bisher noch mehr diskutiert als erfolgreich umgesetzt. Offenbar ist es bisher noch nicht gelungen, die Wirtschaftsförderung auf die kleineren lokalen Unternehmen umzulenken. Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern und auch die Arbeitsämter sind in die Strategien der Sozialen Stadt noch viel zu wenig eingebunden. Dies gilt auch für die örtlichen Betriebe. Erforderlich ist eine intensivere Berücksichtigung der sozial, kulturell und lebensweltlich geprägten Arbeitswelten der Stadtteil- und Quartiersbetriebe.

"Aktivierung hat viel zu tun mit Wahrnehmung", lautete ein Schlüsselsatz auf der Starterkonferenz zum Programm Soziale Stadt im März 2000. Auch vor diesem Hintergrund dürfen die emotionalen Folgen der Verwahrlosung und physischen Vernachlässigung von Stadtteilen nicht unterschätzt werden. Lieblos gestaltete Räume erzeugen lieblosen Umgang mit ihnen. Die räumliche Umwelt ist fester Bestandteil der "Adresse" und bildet eine wichtige Ressource für das Selbstbewusstsein der Bevölkerung. Dem Verfall und der Vernachlässigung frühzeitig zu begegnen, schränkt das Aufkommen von Unsicherheits- und Minderwertigkeitsgefühlen ein. Dies verweist auch auf die große Bedeutung der öffentlichen Räume in den Quartieren der Sozialen Stadt.

Wie sehr das Image die Wahrnehmung beeinflusst, wird unter anderem daran deutlich, dass Bewohnerinnen und Bewohner in mehreren Gebieten über massive Unsicherheitsgefühle berichten, in denen sich aber eher subjektive Ängste und Reaktionen auf das belastete und belastende Image spiegeln, als dass diese Unsicherheitsgefühle beispielsweise durch Befunde entsprechender Statistiken bestätigt würden. Eine Korrektur des bereits bestehenden Negativimages in vielen Gebieten des Programms Soziale Stadt und die Förderung der Herausbildung von Positivimages erfordern nicht nur handfeste Verbesserungen in den Quartieren, sondern auch die Entwicklung umfassender Konzepte offensiver Öffentlichkeitsarbeit.

Das breite Maßnahmenspektrum, mit dem das Quartiersimage verbessert werden soll, zeigt offenbar bereits Wirkung: Für fast 80 Prozent der Programmgebiete werden eine "verbesserte Atmosphäre" in den Quartieren und für fast 70 Prozent "Imagegewinn" als Erfolge konstatiert. Aus den recht positiven Einschätzungen zur bisherigen Öffentlichkeitsarbeit wird ersichtlich, dass Verbesserungen des Innenimages, der Identifikation mit den Gebieten und der Presseberichterstattung für jeweils etwa zwei Drittel der Gebiete erreicht werden konnten; hinsichtlich des Gebietsimages nach außen wird allerdings eher Skepsis deutlich. Erst für 42 Prozent der Gebiete wurden hier positive Veränderungen konstatiert.

(1) Im Rahmen der zweiten Befragung durch das Difu wurden bei den kommunalen Ansprechpartnerinnen und -partnern auch Einschätzungen zu den Erfolgen und Problemen der Programmumsetzung abgefragt.

(2) Vgl. Anhang 10.

(3) Es waren keine Antwortkategorien vorgegeben.

(4) 70 Prozent von insgesamt 175 Nennungen.

(5) Vgl. Kapitel 2.2 .Programmbegleitung vor Ort..

(6) Wolfgang Mack, Ausgewählte Ergebnisse der Befragung der Leiterinnen und Leiter der für die Programmgebiete von E & C zuständigen Jugendämter. Kurzbericht auf der Sitzung des Fachbeirats E & C am 15.1.2003, S. 1 (unveröffentlichtes Typoskript).

(7) Die meisten Angaben kamen aus Nordrhein-Westfalen, Bayern und Sachsen.

  
 

Quelle: Soziale Stadt - Strategien für die Soziale Stadt, Erfahrungen und Perspektiven – Umsetzung des Bund-Länder-Programms „Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf – die soziale Stadt", Deutsches Institut für Urbanistik 2003

Soziale Stadt © 2000-2007 Deutsches Institut für Urbanistik
Im Auftrag des BMVBS vertreten durch das BBR. Zuletzt geändert am 24.03.2005