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soziale stadt - bundestransferstelle

Bund-Länder-Programm "Stadtteile mit
besonderem Entwicklungsbedarf - Soziale Stadt"
  

10.2 Flankierende Strategien auf kommunaler Ebene

Die Umsetzung des Programms Soziale Stadt braucht auf kommunaler Ebene Unterstützung durch flankierende Strategien, mit denen Maßnahmen und Projekte legitimiert und längerfristig abgesichert werden können. Dazu gehören die Organisierung politischer Rückendeckung, Prozessevaluierung für ein kontinuierlich kontrollierendes Qualitätsmanagement, gesamtstädtisches Monitoring als Basis für eine fundierte Gebietsauswahl und als Frühwarnsystem für problematische Entwicklungen in anderen Stadtteilen sowie die Abstimmung der teilräumlichen mit den gesamtstädtischen Entwicklungskonzepten. Darüber hinaus ist es unerlässlich, Strukturen und Strategien zu etablieren, mit denen die erreichten positiven Entwicklungen in den Stadtteilen dauerhaft zu sichern sind.

Einbindung der Politik

Politische Rückendeckung für die Programmumsetzung ist ein grundlegender Erfolgsfaktor der Sozialen Stadt: Dies bedeutet zum Ersten, dass Gebietsauswahl und Integrierte Handlungskonzepte ebenso wie die neuen Kooperations- und Managementformen durch Beschlüsse - zumindest aber Kenntnisnahme - des Stadtrats oder der Stadtverordnetenversammlung legitimiert sein müssen, die Politik sich den Strategien und Konzepten der Sozialen Stadt verpflichtet zeigt. Neben dieser formellen Einbindung des Stadtrats erweist sich die projekt- und maßnahmenbezogene Beteiligung aller Fraktionen der Stadtpolitik auf Ebene des Stadtrats wie auch der Bezirksausschüsse als besonders wichtig, um die öffentliche Aufmerksamkeit für Probleme und Potenziale in den Stadtteilen sowie für die eingeschlagenen Lösungswege zu schärfen.

Die Kommunalpolitik ist mit neuen Entscheidungsstrukturen parallel zu den traditionellen Steuerungsfunktionen des politischen Mandats konfrontiert. Teilweise bestehen weiter Vorbehalte gegenüber der Verlagerung von Entscheidungskompetenzen auf die lokale Ebene, herrscht Angst vor Machtverlust, was Blockaden und Rückfall in autoritäres Politikverständnis zur Folge hat. Dies lässt sich nur mit der Konstruktion von win-win-Situationen und klaren Entscheidungszuständigkeiten abbauen.

Unverzichtbar ist Ortsnähe der Politik, um neue Partnerschaften aufzubauen, Verantwortungsübernahme und Engagement politisch abzusichern. Vor diesem Hintergrund ist es besonders erfreulich, dass aus Sicht der kommunalen Verwaltung für gut 60 Prozent der Gebiete "Mehr Nähe der Politik zum Stadtteil" als "Erfolg" verbucht wird. Von mehreren Seiten wird betont, dass die Einbindung von Kommunalpolitikerinnen und -politikern als Kooperationspartner und Mitstreiter für die Stadtteilentwicklung und alle darin involvierten Bevölkerungsgruppen offensiv und sensibel mit umfassender Information erfolgen sollte.

Prozessevaluierung als Qualitätssicherungssystem

Vor allem von Seiten der Wissenschaft wurde wiederholt bemängelt, dass Fragen nach Wirkungen und Akzeptanz des Programms nicht systematisch untersucht werden. Tatsächlich halten sich Städte und Gemeinden der Sozialen Stadt bei der Umsetzung von Evaluierung noch zurück, obwohl diese als Bestandteil des Integrierten Handlungskonzepts von den Ländern gefordert wird. Zurückhaltung und Skepsis haben zu tun mit Unsicherheit über Methoden und Verfahren der Evaluierung, mit unzureichender Klärung von Zweck und Ertrag, vor allem aber mit starker Ausrichtung an Ergebnisevaluierung, die vielen angesichts der noch kurzen Laufzeit des Programms als verfrüht erscheint.

Für die kommunale Seite sind aber positive Effekte einer Evaluierung im Sinne von Praxistauglichkeit und der Initiierung von Lernprozessen vor allem von der eher diskursiven Prozessevaluierung zu erwarten. Strategisch ausgerichtete Prozessevaluierung ermöglicht es, Strategien, Konzepte und Projekte zu qualifizieren, bei Fehlentwicklungen umzusteuern und Hemmnisse für die Programmumsetzung abzubauen. Projekt- und Maßnahmen-Controlling beispielsweise durch die Abforderung von Status- oder Sachstandsberichten funktioniert aber nur dann, wenn eine kontinuierliche Rückkopplung erfolgt.

Erste evaluationsbezogene statistische Auswertungen auf Basis der Umfrageergebnisse verweisen auf positive Wirkungen der zentralen Instrumente zur Programmumsetzung: Eine aktivere Prozesssteuerung - gemessen daran, ob ein Quartiermanagement auf allen drei Handlungs- und Steuerungsebenen eingerichtet wurde und ein Integriertes Handlungskonzept vorliegt - spiegelt sich in überdurchschnittlich positiven Einschätzungen zu Programmergebnissen, beispielsweise verbesserter Kooperation zwischen den Ämtern, höherer Effektivität der Mittelkoordination, angemessenem Verhältnis investiver zu nicht-investiven Maßnahmen, besserer Leistungsfähigkeit der Handlungskonzepte. Auch Prozessevaluierung - dies zeigen unter anderem die Reaktionen auf die Programmbegleitung vor Ort - kann in diesem Sinne positiven Einfluss nehmen. Stärker als bisher sollten deshalb Begleitsysteme der Evaluierung und des Monitoring - quasi als Routinen der Programmumsetzung - etabliert werden.

Monitoring als Basis für fundierte Gebietsauswahl und Prävention

Mit Monitoring wird der bewertende Ansatz von Evaluierung um die begleitende indikatorengestützte Beobachtung und Beschreibung ergänzt. In vielen Städten fehlt bisher eine kleinräumige Datenbasis unter anderem zur sozialräumlichen Differenzierung nach Indikatoren der sozialen Lage, der Wohnverhältnisse hinsichtlich Wohndauer, Fluktuation und Leerstand, der Gesundheitssituation, Lokalen Ökonomie usw. Eine fundierte Auswahl von "Stadtteilen mit besonderem Entwicklungsbedarf" erfordert aber detailliertes Bestandswissen für die gesamte Stadt. Da kontinuierliche sozialräumliche Berichtssysteme aber erst in wenigen Städten aufgebaut worden sind, erfolgte eine systematische indikatorengestützte Gebietsauswahl nur in Ausnahmefällen.

Auf Basis von Monitoring-Systemen als kontinuierlicher kleinräumiger Raumbeobachtung könnte nicht nur die Auswahl der Gebiete besser begründet werden; ermöglicht würde auch ein Wandel des Programmansatzes von der Reaktion zur Prävention. Mit Monitoring lassen sich problematische Entwicklungen in Teilräumen rechtzeitig signalisieren; so können frühzeitig auch Maßnahmen der Gegensteuerung eingeleitet werden. Die permanente Fortschreibung des Bestandswissens ließe sich längerfristig koppeln mit der Untersuchung von Gebietstypologien unter Einbezug zusätzlicher qualitativer Merkmale und auch hinsichtlich charakteristischer Problemlösungen und Strategieprofile.

Integration teilräumlicher in gesamtstädtische Konzepte

Dass mit dem Programm Soziale Stadt unmittelbar an den Problemen und Potenzialen in der räumlichen Lebenswelt angesetzt wird, erweist sich nicht nur als richtig, sondern auch als unverzichtbar. Kritik wird dort geäußert, wo der Gebietszuschnitt zu eng erfolgt ist, sodass beispielsweise wichtige Infrastruktur oder Orte der Lokalen Ökonomie nicht berücksichtigt wurden.

Allerdings sind Erfolge der gebietsorientierten Ansätze dann infrage gestellt, wenn Verbesserungen in den Quartieren der Sozialen Stadt mit sozialräumlichen Problemverschiebungen wie beispielsweise Verdrängung von benachteiligten Bevölkerungsgruppen in andere Stadtteile verbunden sind oder wenn sich gesamtstädtische Politiken kontraproduktiv auf die erreichten Standards im Gebiet auswirken. Dies betrifft vor allem die Politikbereiche Schule und Bildung, Arbeitsmarkt und Beschäftigung, Wohnungsversorgung und Infrastruktur. Daraus folgt, dass stadtteilbezogene Politik die ganze Stadt im Auge behalten muss.

Die programmatische Verknüpfung gebietsbezogener Maßnahmen, Projekte, Verfahren und Strategien mit gesamtstädtischen Entwicklungskonzepten bleibt aber bisher noch weitgehend Lippenbekenntnis. Wie der gesamtstädtische Bezug rein praktisch-organisatorisch herzustellen ist, wird kaum thematisiert. Hierfür ist die Entwicklung zusätzlicher organisatorischer Strukturen nötig - beispielsweise von Beiräten auf gesamtstädtischer Ebene oder von Stadtentwicklungskonzepten wie im Rahmen des Stadtumbau Ost -, mit denen in einem wechselwirkenden Prozess Entwicklungen im Stadtteil und in der Gesamtstadt aufeinander abgestimmt werden können. Solche Strukturen werden erst in wenigen Städten geschaffen.

Strategien zur Verstetigung auf kommunaler Ebene

Was schon in der traditionellen Städtebauförderung zur Debatte stand: die "Nachsorge", das heißt die langfristige Sicherung der durch die Maßnahmen erreichten Verbesserungen, spielt auch in den Gebieten der Sozialen Stadt eine tragende Rolle. Vor allem in den nordrhein-westfälischen Programmgebieten, die vor dem Auslaufen der Förderung stehen, wird diese Debatte seit längerem geführt. Daraus folgt, dass diese Frage sehr viel stärker als bisher von Beginn an im Zuge der Programmumsetzung thematisiert werden sollte.

Vor allem geht es dabei um die längerfristige Sicherung von für das Quartier wichtigen Einrichtungen und Angeboten, insbesondere durch Überleitung in selbsttragende Strukturen. Dies braucht mehr Zeit als bisher angenommen. Für die weit weniger komplexe überwiegend baulich-städtebauliche Sanierung im Rahmen der Städtebauförderung waren durchschnittlich 15 Jahre Laufzeit erforderlich. In diesem Zusammenhang geht es auch um die häufig aufgeworfene, aber noch kaum beantwortete Frage nach Fristigkeit oder Dauerhaftigkeit einer institutionellen Verankerung beispielsweise des Quartiermanagements. Es zeichnet sich ab, dass Vor-Ort-Büros als Anlauf- und Koordinierungsstelle für bürgerschaftliches Engagement sowie Rückgrat der Akteursvernetzung für die längerfristige Perspektive des Stadtteils unverzichtbar sind und deshalb mit Personal- und Sachmitteln ausgestattet werden müssen.

  
 

Quelle: Soziale Stadt - Strategien für die Soziale Stadt, Erfahrungen und Perspektiven – Umsetzung des Bund-Länder-Programms „Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf – die soziale Stadt", Deutsches Institut für Urbanistik 2003

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