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Berlin: Bülowstraße/Wohnen am Kleistpark
Image und Öffentlichkeitsarbeit, Stadtteilkultur, Stärkung der lokalen Wirtschaft Das Quartier Bülowstraße/Wohnen am Kleistpark befindet sich im Innenstadtbezirk Tempelhof-Schöneberg und liegt zentral in der Nähe zur City West im Nordwesten und zum Potsdamer Platz im Nordosten. Es handelt sich um ein Gebiet mit heterogener Baustruktur (überwiegend Neubauten aus den 60er- bis 80er-Jahren, daneben gründerzeitlicher Altbau) und einem hohen Anteil Sozialwohnungsbau mit großen zusammenhängenden Wohnkomplexen. Im Osten des Gebietes bilden S-Bahntrasse und brachliegende Bahnflächen eine stadträumliche Barriere. Im Westen markiert die Wohnanlage "Wohnen am Kleistpark" ("Pallasseum"), die sich wie ein Riegel über die Pallasstraße spannt, eine sichtbare Grenze zum angrenzenden Wohnquartier um den Winterfeldtplatz.
Im Quartiersmanagement-(QM-)Gebiet leben etwa 17 000 Einwohner. Davon sind 44 Prozent Ausländer, die zu 46 Prozent türkischer Abstammung sind (Stand: 30.6.2001).
Zentrale Achse des Quartiers ist die Potsdamer Straße. Sie verlor mit dem Bau der Mauer 1961 ihre zentralörtliche Bedeutung, erlangte diese mit der Grenzöffnung als überörtliche Verbindungsstraße zurück. Die verkehrliche Belastung des Quartiers Bülowstraße/ Wohnen am Kleistpark nahm infolgedessen stark zu. Zentrale Defizite bestehen in der städtebaulichen Struktur (Fehlen von Grün- und Freiflächen, Straßenraum) und der geringen Aufenthaltsqualität des öffentlichen Raums. Die Potsdamer, Bülow-, Pallas- und Goebenstraße zerschneiden das QM-Gebiet in mehrere kleinräumige Quartiere (Pallaskiez, Frobenkiez, Kulmerkiez, Bülowbogen). In Teilbereichen des Gebietes gibt es deutliche Übernutzungserscheinungen durch Müll, Vandalismusschäden und Graffiti. Das Gebiet hat ein extrem negatives Image, das insbesondere von den städtebaulichen Missständen, der Drogenkriminalität und Prostitution bestimmt wird. Das QM-Gebiet umfasst das ehemalige Sanierungsgebiet "Bülowstraße". Die Sanierung wirkte sich entscheidend auf die Gewerbestruktur im Gebiet aus. In Folge der weitgehenden Aufhebung der Mischnutzung haben sich der zentrale und nördliche Bereich des Bülowbogens, der nördliche Frobenkiez und der Pallaskiez fast zu reinen Wohnquartieren entwickelt. Ehemalige Produktionsstandorte in Hinterhöfen existieren nach der Sanierung nur noch in geringem Umfang. Diese konzentrieren sich in zwei Gewerbehöfen im Bereich des Bülowbogens östlich der Bülowstraße. Ansonsten sind produzierendes Gewerbe und gewerblich orientiertes Handwerk nur vereinzelt im Quartier eingestreut. Die Gewerbehöfe sind vornehmlich Standort von unternehmensorientierten Dienstleistern im Quartier.
Handel und personenbezogene Dienstleistungen konzentrieren sich in der Potsdamer Straße und entlang der Bülow- und Goebenstraße. Das Zentrum Potsdamer Straße ist aufgrund des Erscheinungsbildes (kaum Straßenbegrünung, vier bis sechs Straßenspuren), der zunehmenden Ansiedlung von Billigläden, des Drogenkonsums im öffentlichen Raum und der Prostitution abgewertet. Während in der Potsdamer Straße zum Teil auch Betriebe mit einem überörtlichen Einzugsbereich ansässig sind (Kreuzungsbereich Potsdamer Straße/ Bülowstraße als Standort von Banken), dominieren in der Goeben- und Bülowstraße Geschäfte mit einem lokalen Einzugsgebiet und einem sehr einfachen Angebot (unter anderem An- und Verkaufläden). Leerstehende Ladenflächen sind vor allem. im Kulmerkiez ein Problem. Der Anteil des ausländischen Gewerbes im Quartier (überwiegend türkische Gewerbetreibende) ist hoch.
Anfang der 80er-Jahre gründete sich angesichts zunehmender Konflikte zwischen gebietsansässigen Gewerbetreibenden und der Hausbesetzer- und Drogenszene die "Interessengemeinschaft Potsdamer Straße e.V.", die jedoch seit 1996 nur noch formal existierte. Eine Gewerbeanalyse wurde vom Quartiersmanagement als Anlass genommen, eine Veranstaltung "Wie weiter mit der Potsdamer Straße?" zusammen mit dem Bezirk zu organisieren, um das lokale Gewerbe zusammenzubringen und die Rekonstituierung der Interessensgemeinschaft (IG) anzuregen. Auf Initiative des Quartiersmanagements konstituierte sich die IG Potsdamer Straße im Oktober 2000 neu. Die Stärkung der Interessengemeinschaft ist ein Schwerpunkt des Quartiersmanagements in dem Handlungsfeld "Lokale Wirtschaft". Erstes gemeinsames Projekt der IG Potsdamer Straße und des Quartiersmanagements war die Öffentlichkeitsmaßnahme "Bärenrummel". Ziel des Projektes war, das Image des Quartiers durch Kunstfiguren im öffentlichen Raum zu verbessern und die Potsdamer Straße wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken. Zuerst wurden lebensgroße Kunststoffbären von Künstlern und Politikern in der Öffentlichkeit bemalt. Sie wurden dann auf einem Straßenfest prämiert und an Gewerbetreibende im Quartier verkauft oder in Patenschaft gegeben. Im Sommer 2001 wurden die Bären dann vor Geschäften entlang der Potsdamer Straße und Goebenstraße aufgestellt. Abschließend wurden die Bären öffentlich versteigert.
Das Quartiersmanagement hat die Aktion in enger Zusammenarbeit mit der IG Potsdamer Straße initiiert und organisiert. Weil der "Bärenrummel" die erste gemeinsame Aktion gewesen ist und sich Organisationsfähigkeit und Aufgabenteilung in der IG Potsdamer Straße erst entwickeln mussten, hat das QM-Team eine entscheidende Initiator- und Organisatorenrolle übernommen.
Die Gewerbetreibenden haben sich durch die Bereitstellung ihrer Räumlichkeiten für Veranstaltungen (Pressekonferenz zum "Bärenrummel", Versteigerung der Bären) und für eine Ausstellung zur Bärenaktion am "Bärenrummel" beteiligt (1). Insgesamt wurden 20 Bären von den Gewerbetreibenden in Patenschaft genommen oder gekauft. Beim Straßenfest zur Prämierung und Verteilung der Bären haben einige Gewerbetreibende Stände vor ihren Geschäften aufgebaut. Das Quartiersmanagement hat intensiv Öffentlichkeitsarbeit für die Aktion geleistet. Ein Flyer "Potsdamer Straße - Bärenstark" wurde entworfen und im Stadtteil verteilt, eine Pressekonferenz wurde organisiert und die Aktion in den Berliner Printmedien bekannt gemacht. Auf Initiative des Quartiersmanagement wurden Bezirkspolitikerinnen und Die Beteiligung von ausländischen Gewerbetreibenden an der Aktion war zwar gering, aber immerhin hat ein ausländischer Gewerbetreibender die Patenschaft eines Bären übernommen. Zur Finanzierung wurden Mittel aus dem Bund-Länder-Programm "Soziale Stadt", Mittel des Bezirksamtes und zusätzliche Mittel der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung bereitgestellt. Durch den Kauf oder die Ersteigerung der Bären unter anderem durch Wohnungsunternehmen sind auch Mittel Privater gebunden worden. Standortmarketing und -profilierung ist ein wesentlicher Aufgabenbereich im fortgeschriebenen Integrierten Handlungskonzept des Quartiersmanagements. Im Handlungskonzept wird allgemein der Erhalt bestehender Arbeitsplätze als Indikator zur Messung der Zielerreichung der Maßnahme angegeben. Es werden jedoch keine konkreten Angaben in Bezug auf die Maßnahme gemacht. Die bunten Bären haben die breiten, unbegrünten Gehwege entlang der Potsdamer Straße und Goebenstraße sichtbar aufgewertet. Dass Bewohner und Passanten sich über die Aktion bei den Gewerbetreibenden, die einen Bären in Patenschaft genommen hatten, erkundigten, zeigt, dass die Aktion Interesse geweckt hat. Insbesondere bei Kindern und Jugendlichen waren die Bären sehr beliebt. Bei der Versteigerung der Bären wurden insgesamt 8 600 Euro eingenommen, die einem Jugendtheater im Stadtteil zugute kommen. Von der Eigentümergemeinschaft "Wohnen am Kleistpark" wurde ein Bär erworben, der jetzt im Eingang der Wohnanlage aufgestellt ist und zur nachhaltigen Aufwertung des Wohngebäudes beiträgt. Der "Bärenrummel" war den befragten Gewerbetreibenden bekannt, aber vielfach wurde diese Aktion nicht mit der Potsdamer Straße, sondern mit einer ähnlichen Aktion in der Innenstadt Berlins ("Buddybären") in Verbindung gebracht. Insbesondere ausländischen Gewerbetreibenden fehlte das Verständnis für die Wirkungen einer derartigen Aktion. Inhalt und Ziel der Maßnahme hätten also mehr im Stadtteil kommuniziert und bekannt gemacht werden müssen. Hier zeigt sich, dass das Verschicken von Projektinformationen und Beteiligungsaufrufen vor allem bei ausländischen Gewerbetreibenden nicht ein Erfolg versprechender Weg zur Aktivierung ist. Mittels intensiver Face-to-face-Kontakte gelingt unter Umständen die Beteiligung von ausländischen Gewerbetreibenden bei Nachfolgeprojekten. Die positive Berichterstattung zum "Bärenrummel" in den überregionalen Printmedien ("Erste Bären sind schon bunt bemalt", "Sechs bunte Bären haben neue Besitzer", "Bär reist zum Tegernsee") hat entscheidend dazu beigetragen, dass sich das Image des Quartiers in der öffentlichen Wahrnehmung verbessert hat. Das Projekt ist ein Good-Practice-Beispiel für eine aktive Imagewerbung und positive Außendarstellung von Quartieren. Das Projekt ist grundsätzlich auf andere Quartiere übertragbar. Grundlegend ist das Finden von stadtteilspezifischen Symbolen, die öffentlichkeitswirksam nach innen und außen "vermarktet" werden. Den Berliner Bären als Symbol für das Quartier Bülowstraße/Wohnen am Kleistpark zu instrumentalisieren, war nur unzureichend identitätsstiftend, wie die mangelnde räumliche Verortung der Aktion zeigte. Öffentlichkeitsmaßnahmen für die Potsdamer Straße und den Stadtteil werden von den befragten Einzelhändlern und personenorientierten Dienstleistern als ein sinnvolles Instrument zur Imageverbesserung erachtet. Im Quartier besteht die Bereitschaft, sich an weiteren Maßnahmen im öffentlichen Raum zu beteiligen (z.B. Anleuchten von gründerzeitlichen Gebäuden bei Nacht, großes Straßenfest). Der "Bärenrummel" hat dazu den entscheidenden Anstoß gegeben: "Endlich passiert hier wieder was" (Unternehmer).
Weitere Informationen s.a. Projektdatenbank: Bärenrummel - Potsdamer Strasse bärenstark!
(1) Gewerbebefragung von Reuschke im Rahmen der Diplomarbeit im Sommer 2001. Insgesamt wurden 22 Gewerbetreibende im QM-Gebiet Bülowstraße/Wohnen am Kleistpark zu den Wirkungen und der Akzeptanz der Maßnahmen und Instrumentarien des QM-Teams zur Stärkung, Aktivierung und Einbindung des Gewerbes befragt. |
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Quelle: Good Practice in Neubauquartieren. Eine Analyse im Rahmen des Bund-Länder-Programms "Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf - die soziale Stadt", von empirica - Qualitative Marktforschung, Stadt- und Strukturforschung GmbH, Arbeitspapiere zum Programm Soziale Stadt Bd. 9, Berlin, 2003