Matthias Sauter, Arbeitsgruppe Bestandsverbesserung der Universität Dortmund
Spätestens seit dem Start des Bund-Länder-Programms "Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf - die soziale Stadt" im Jahr 1999 sind Integrierte Handlungskonzepte oder -programme für benachteiligte Stadtgebiete zu einem bundesweit anerkannten Instrumentarium einer sozial orientierten Stadterneuerungspolitik geworden. Konzeptionelle Vorreiter waren hier - neben einzelnen Städten - vor allem das Land Nordrhein-Westfalen mit seinem 1993 beschlossenen ressortübergreifenden Handlungsprogramm "Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf" sowie der Stadtstaat Hamburg mit dem so genannten "Armutsbekämpfungsprogramm" (1994-1998). Andere Bundesländer (vor allem Bremen, Berlin und Hessen) folgten diesen Beispielen mit einem gewissen zeitlichen Abstand.
Abbildung 1: Bund-Länder-Programm "Die Soziale Stadt"
![]() |
Inzwischen sind zahlreiche Städte in Deutschland dazu übergegangen, ihre Aktivitäten zur Stabilisierung und Entwicklung benachteiligter Stadtgebiete mit Hilfe von Integrierten Handlungskonzepten zu koordinieren und die vor Ort verfügbaren Ressourcen in Form so genannter "Mehrzielprojekte" zu bündeln. Allein im Rahmen des nordrhein-westfälischen Landesprogramms werden derzeit 33 solcher Gebiete in 25 Städten mit zum Teil erheblichen öffentlichen Mitteln gefördert. In Bezug auf ihre Organisationsform weisen diese Stadtteilprogramme in der Regel folgende Gemeinsamkeiten auf:
Abbildung 2: Integrierte Handlungskonzepte - eine Definition
![]() |
Bei allen Unterschieden im Detail (z.B. in Bezug auf die Frage, was Stadtteil- oder Quartiersmanagement leisten kann und soll) besteht die wesentliche Aufgabe integrierter Stadtteilprogramme in der gebietsbezogenen Verknüpfung von städtebaulichen, infrastrukturellen, sozialen, ökonomischen, kulturellen und umweltbezogenen Aktivitäten, um auf diese Weise - so die Hoffnung - einen "synergetischen Mehrwert" gegenüber den herkömmlichen sektoralen Handlungsansätzen zu erzeugen und damit die Wirksamkeit der Gesamtmaßnahme entscheidend zu verbessern. Im Idealfall bedeutet dies z.B., dass in den betreffenden Gebieten Qualifizierungs- und Beschäftigungsmaßnahmen mit Projekten der Stadterneuerung und bestandsorientierten Aktivitäten der Wohnungswirtschaft verknüpft werden, dass Schulen mit dem Arbeitsamt und der örtlichen Wirtschaft kooperieren, um "Brücken zum formellen Arbeitsmarkt" zu errichten, dass die kommunale Wirtschaftsförderung die Stärkung lokal-ökonomischer Strukturen als strategisch bedeutsames Handlungsfeld versteht, und dass örtliche Infrastruktureinrichtungen wie Kindertagesstätten und Schulen ihre Räumlichkeiten auch außerhalb der regulären Öffnungszeiten für soziale und kulturelle Aktivitäten der Stadtteilbevölkerung zur Verfügung stellen.
Abbildung 3: Handlungsfelder integrierter Stadtteilprogramme
![]() |
Für eine bundesweite Bewertung der Wirkungen gebietsbezogener Handlungsprogramme ist es noch zu früh. Das Bund-Länder-Programm "Die soziale Stadt" befindet sich erst in seinem dritten Jahr. Dementsprechend ist die Mehrzahl der Erneuerungsprojekte, die in diesem Zeitraum initiiert werden konnten, noch nicht abgeschlossen. Lediglich Nordrhein-Westfalen und Hamburg - sowie mit einigen Abstrichen auch Berlin, Bremen und Hessen - können auf längere Erfahrungen mit integrierten Stadtteilprogrammen zurückblicken. Zu den positiven Veränderungen, die dort zu beobachten sind, zählen insbesondere die bauliche und städtebauliche Aufwertung der betroffenen Gebiete, die Verbesserung der sozialen und kulturellen Infrastrukturangebote, die Schaffung zusätzlicher - in der Regel allerdings zeitlich befristeter - Beschäftigungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten sowie die Beteiligung der Bewohnerschaft an der Planung und Umsetzung der verschiedenen Erneuerungsaktivitäten.
Abbildung 4: Erfolge integrierter Stadtteilprogramme
![]() |
Der Erfolg oder Misserfolg integrierter Erneuerungsansätze hängt von mehreren Faktoren ab. Neben der Rückendeckung durch die gesamtstädtische Politik, dem Umfang der verfügbaren finanziellen und personellen Ressourcen und dem Engagement der beteiligten Akteure ist dabei vor allem die Qualität der jeweiligen Stadtteilprogramme selbst von entscheidender Bedeutung. Gerade hier sind in der Praxis allerdings erhebliche Unterschiede festzustellen. So sind manche Handlungskonzepte kaum mehr als eine additive Zusammenstellung von sektoralen Maßnahmen und Projekten, während sich andere Konzepte durch komplexe und ressortübergreifend angelegte Entwicklungsstrategien auszeichnen. Zu den Merkmalen solcher "Qualitätskonzepte" gehört es in der Regel, dass sie zwischen den analytischen Bezugsebenen "Planung", "Handlung" und "Resultat" unterscheiden und zu jeder der drei Ebenen differenzierte Aussagen machen. Wesentliche Leitfragen für diese Betrachtungsweise sind unter anderem:
Abbildung 5: Integrierte Handlungskonzepte - Bezugsebenen
![]() |
Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen werden im Folgenden die wichtigsten Strukturelemente erläutert, die Integrierte Handlungskonzepte für benachteiligte Stadtgebiete enthalten sollten.
Abbildung 6: Integrierte Handlungskonzepte - Strukturelemente
![]() |
Die sechs genannten Strukturelemente entsprechen im Prinzip - auch wenn sie keineswegs durchgängig Berücksichtigung finden - der "klassischen" Logik eines rationalen und zielorientierten Verwaltungshandelns. Angesichts der Komplexität der Herausforderungen in benachteiligten Stadtgebieten genügt dies jedoch nicht. Notwendig ist vielmehr, dass diese administrative Binnenperspektive systematisch um verwaltungsexterne Sichtweisen und Kompetenzen ergänzt wird.
Quelle: Impulskongress Integratives Handeln für die soziale Stadtteilentwicklung, Dokumentation der Veranstaltung am 5. und 6. November 2001 in Essen (Veranstalter: Deutsches Institut für Urbanistik, Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung des Landes Nordrhein-Westfalen (ILS) in Kooperation mit Viterra, Essen), Deutsches Institut für Urbanistik, Berlin, 2002 |