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Jan Kuhnert, Geschäftsführer der KUB Kommunal- und Unternehmensberatung GmbH
Aus der Erfahrung als kaufmännischer Geschäftsführer der städtischen Gesellschaft für Bauen und Wohnen Hannover mbH (GBH) (1997-2002) kann ich über das Gebiet Hannover-Vahrenheide berichten. Es wurde als eines der 16 Modellgebiete wegen seiner frühzeitig integrativ konzeptionierten Sanierungsplanung ausgewählt, obwohl keinerlei Bundesmittel in das Gebiet fließen. Jedoch haben wir durch eine Sonderförderung des Landes Niedersachsen - zusammen mit den kommunalen Kofinanzierungsmitteln - immerhin 30 Millionen DM für die nächsten zehn Jahre zur Verfügung, weit mehr als manch anderes Modellgebiet.
Zunächst ist für diese Modellgebiet wichtig - und dies ist das Besondere an der Rolle unseres Wohnungsunternehmens -, dass die Sanierungskonzeption 1997 gemeinsam von dem Stadtplanungsamt und der GBH formuliert und auch als gemeinsame Vorlage von den zuständigen Ratsgremien beschlossen wurde (1). Diese direkte Beteiligung des Wohnungsunternehmens, obwohl in Hannover traditionell das Stadtplanungsamt der Sanierungsträger ist, war Neuland für beide Seiten und hat sich grundsätzlich sehr positiv ausgewirkt. Eine der gemeinsamen Maßnahmen war die Einrichtung eines förmlich nicht bestätigten Sanierungsbeauftragten, der als Neutraler von beiden Hauptakteuren ausgesucht und finanziert wird. Dieser leitet ein Sanierungsbüro, in das sowohl die GBH wie die Stadt Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter delegiert haben, um so vor Ort auf kurzen Wegen Abstimmungsprozesse zu beschleunigen und Informationswege zu bahnen.
Durch meine berufliche Vergangenheit - ich habe mit meiner KUB 1994/95 eine empirische und theoretische Studie über "Ursachen sozialer Spannungen in Großsiedlungen des sozialen Wohnungsbaus" (2) im Auftrag der Naussauischen Heimstätte in Frankfurt durchgeführt - konnte ich in diese Kooperation sowohl Erfahrungen wie Engagement einbringen. Es haben sich aber auch Probleme in der Rolle des Wohnungsunternehmens gezeigt, über die ich gleichfalls berichten will.
So hat sich auf unserer Seite als erhebliches Hindernis herausgestellt, dass eben die großen Wohnungsunternehmen vielfach in der Vergangenheit die Rolle des "Verwalters" der Wohnungen mit technischer Vollversorgung ausgeübt haben und so unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zunächst Probleme mit einer direkten Einbeziehung der Mieterschaft in die wirtschaftlichen Entscheidungen des Unternehmens hatten. Wegen der "Wohnungsvergabe" durch das Wohnungsunternehmen hatte sich im Unternehmen auch noch nicht ein Verantwortungsgefühl für die mit der sozialen Struktur der Mieterschaft verbundenen Konflikte entwickelt, und die Handlungsverantwortung wurde dabei eher in Richtung Stadt delegiert.
Bei den zuständigen städtischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern war zunächst sehr gewöhnungsbedürftig, dass das Wohnungsunternehmen unmittelbar in die Entscheidungsvorbereitung einzubeziehen war, waren doch die bisherigen Sanierungsverfahren ausschließlich durch das Stadtplanungsamt - mit viel Bürgerbeteiligung - gesteuert worden. Auch die Einbringung der konkreten Kenntnisse der Mieterschaft mit der Forderung, diese bei der Wohnungsvergabe des Amtes zu berücksichtigen, musste intensiv diskutiert werden und konnte zu einem neuen gemeinsamen Abstimmungsverfahren über die Wohnungsbelegung unter Einbeziehung unserer Mietervertreter konkretisiert werden.
Mit Blick auf diesen Impulskongress ist allerdings festzustellen, dass die Wohnungswirtschaft - meiner Kenntnis nach - bisher zu wenig in die Ausgestaltung der Richtlinien für das Programm Soziale Stadt des Bundes einbezogen wurde (3). Unsere Erfahrungen wären sicherlich hilfreich für eine stärker zielgerichtete Praxis des Programms.
Ein Defizit möchte ich aus unserer Hannoveraner Erfahrung (4) schon mal ansprechen: Ich vermisse die Verpflichtung für die Kommunen, die aus dem Programm gefördert werden, dass sie über ihr Programmgebiet hinausgehend ein qualitatives und quantitatives Programm auf gesamtstädtischer Ebene vor Bewilligung von Fördermitteln oder nach höchstens einem Jahr beschließen müssen. Ein solches Programm muss klare Auskunft geben, welche Funktion das Gebiet langfristig für die Stadt hat und vor allem - wenn das Gebiet sozial stabilisiert werden soll - wo denn dann künftig die im Gebiet nicht mehr erwünschten benachteiligten Haushalte untergebracht werden (Umverteilung von entsprechenden Bindungen). Da ja häufig eine Überkonzentration von benachteiligten Haushalten in den Programmgebieten beklagt wird, sollte die Stadt dann nachweisen, in welchen anderen, bisher nicht so belasteten Stadtteilen neue Wohnungsbindungen für diese Haushalte im Ausgleich für die weggefallenen gebundenen Wohnungen geschaffen werden. Ein solches kommunales Konzept nimmt dann auch so genannte bessere Stadtteile in die Pflicht, einen Beitrag zur Versorgung der am Wohnungsmarkt benachteiligten Haushalte zu leisten. Ein derartiges Programm nenne ich dann Solidarische Stadt - und das wäre eigentlich überfällig.
Auch aus Sicht eines Wohnungsunternehmens ist ein solcher Programmansatz sehr sinnvoll, weil eine stadträumliche Verteilung der gebundenen Wohnungen die Belastung des Unternehmens aus den Siedlungen des sozialen Wohnungsbaus reduziert und eine mittelfristig bessere Vermietung sichert. Wir haben in der GBH mit Zustimmung der Stadt ein weitergehendes Programm namens GBH 2010 aufgelegt, mit dem wir rund 20 Prozent unserer Siedlungen im Rahmen einer Mieterprivatisierung verkaufen wollen. Den Erlös wollen wir dann - neben notwendigen Herrichtungsmaßnahmen - auch für den Ankauf bzw. Neubau von Mietwohngebäuden in den Stadtteilen Hannovers nutzen, in denen wir noch nicht so stark vertreten sind.
Eine besondere Rolle können die Wohnungsunternehmen bei der Quartiersentwicklung auch für die lokale Ökonomie spielen. Dabei müssen allerdings allzu enge betriebswirtschaftliche Ansichten überwunden werden. Zum Beispiel haben wir mit der GBH in Hannover-Vahrenheide einen Handwerksbetrieb als Tochterunternehmen gegründet, obwohl die meisten Wohnungsunternehmen ihre so genannten Regiebetriebe in den letzten Jahren abgeschafft haben. Dieser Handwerksbetrieb, gegründet durch Aufsichtsratsbeschluss nach einigen Kontroversen mit der Handwerkskammer, beschäftigt nur arbeitslose Mieter aus dem Quartier und ist dadurch mit bis zu 30 Arbeitsplätzen der größte Arbeitgeber in dem Gebiet von rund 3 500 Wohneinheiten (5). Durch diese Mitarbeiter vor Ort wurden nicht nur die Mietzahlungsfähigkeit und der soziale Status dieser Haushalte verbessert, sondern die Mitarbeiter sind faktisch auch soziale Stützpunkte des Unternehmens im Gebiet, da sie durch ihre Präsenz (z.B. Grünpflege, Reinigung, Malerarbeiten) eine Vandalismusschäden reduzierende soziale Kontrolle ausüben. Allerdings ist die Leistungsfähigkeit dieser langjährig arbeitslos gewesenen Mitarbeiter verständlicherweise noch erheblich eingeschränkt, weshalb der Betrieb noch keinen Gewinn erzielt, da er gegenüber dem Wohnungsunternehmen nur nach den - durch Ausschreibungen gewonnenen - Marktpreisen abrechnen darf. Es ist hier die Überzeugungsarbeit einer engagierten Geschäftsführung nötig, um die eingesparten Vandalismusschäden und die Präsenzverbesserung gegen die operativen Verluste zu verrechnen , da sonst das betriebswirtschaftliche Aus durch den städtischen Gesellschafter droht (6).
Abschließend möchte ich auf ein großes Problem des Programms Soziale Stadt - vor allem in Niedersachsen - hinweisen, welches das Engagement der Wohnungswirtschaft deutlich bremst: Noch immer wird von den kommunalen oder Landesbehörden das Programm wie ein Städtebauprogramm verstanden, was in Hannover dazu führt, dass viel zuwenig manpower finanziert wird. Wir brauchen zwar auch Investitionshilfen, aber in diesen schwierigen Stadtteilen steht die Mobilisierung der Selbsthilfepotenziale der Anwohnerschaft im Mittelpunkt. Hierfür müssen - neben den üblichen Beteiligungsverfahren und Kleinprojekten - auch langjährige soziale Betreuung und Finanzierung von Bürgervereinen ausreichend möglich sein. Es kann nicht erwartet werden, dass hier die Wohnungsunternehmen in die Lücke springen und dann, nach Auslaufen einer Startfinanzierung, auf dem Weiterbeschäftigungsrisiko alleine sitzen bleiben.
Natürlich tragen wir durch Verstärkung der sozialen Mieterbetreuung, einer umfassenden Mieterbeteiligung und durch erhebliche Investitionen unseren Teil an der Quartiersentwicklung, aber die "Reparatur" der durch die kommunale Zuweisungspraxis entstandenen einseitigen Bewohnerstruktur und deren weit über jedes normale Maß hinausgehende Betreuungsaufwand können nicht allein der kommunalen Wohnungswirtschaft aufgebürdet werden. Dies ist auch aus Sicht einer "solidarischen Stadt" nicht vertretbar.
Diese nachträgliche Korrektur kommunaler Entscheidungen sollte aus Steuermitteln getragen werden, sie sollte nicht aus den Mieteinnahmen der kommunalen Wohnungsunternehmen bezahlt werden müssen, die schon große Integrationsleistungen hinsichtlich benachteiligter Haushalte erbringen.
(1) Vgl. Kuhnert, Jan; Fabich, Matthias, Aktionsprogramm integrierte Sanierung Vahrenheide-Ost - Ansätze für eine soziale Stadterneuerungspolitik. Beschlussvorlage, Hannover Mai 1997.
(2) Vgl. Kuhnert, Jan, Ursachen sozialer Spannungen in Großsiedlungen des sozialen Wohnungsbaus. Endbericht, Nassauische Heimstätte Frankfurt 1995 sowie Fürst, Hans; Kuhnert, Jan, Quartiersmanagement als wohnungswirtschaftliche Kernaufgabe? In: Mitteilungen der Landesentwicklungsgesellschaften und Heimstätten, Bonn März 1996, S. 8-14.
(3) Dies wurde in Hessen zumindest anders angegangen; für die Umsetzung auf Landesebene wurde HEPNEST gebildet, An dem die Ministerien, Kommunen, Wohnungsunternehmen und Fachberater beteiligt sind.
(4) Vgl. Kuhnert, Jan, Die Großsiedlung der Zukunft als solidarische Stadt - Integrierte Sanierung von Stadtteilen in Hannover. In: Der Städtetag, August 2000, S. 32-36.
(5) Vgl. Kuhnert, Jan, Integrierte Sanierung - Ziel des Quartiersmanagements in Vahrenheide. In: vdw (Hrsg.), Soziales Management, Hannover 1998, S. 46-50.
(6) Vgl. Kuhnert, Jan, Integrierte Sanierung - Ziel des Quartiersmanagements in Vahrenheide. In: vdw (Hrsg.), Soziales Management, Hannover 1998, S. 46-50.