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Moderation und Berichterstattung:
Dr. Heike Herrmann, TU Hamburg-Harburg
Mit dem Leitziel "Arbeit und Beschäftigung" wird innerhalb der Entwicklung der Sozialen Stadt der Versuch unternommen, das in den Quartieren vorhandene oder zu entwickelnde Arbeitskräfteangebot der durch die Wirtschaft gebotenen Nachfrage näher zu bringen. Wie vorliegende Untersuchungen zeigen, bedarf es mehrerer Zwischenschritte, z.B. der passgenauen Qualifizierung von Bewohnerinnen und Bewohnern, bis eine Angleichung von Arbeitskräfteangebot und -nachfrage möglich ist. Manches Mal ist dies über die lokale Ökonomie gar nicht zu erreichen, sind flankierende Maßnahmen etwa der Steigerung der Mobilität von Bewohnerinnen und Bewohnern unabdingbar. Umgekehrt hat die Forschung auch gezeigt, dass gerade größeren Unternehmen Vorteile des Bezugs ihrer Arbeitskräfte zur unmittelbaren Umgebung erst deutlich gemacht werden müssen: Was nützt es, wenn ein großes Werk Arbeitskräfte aus ganz Europa qualifiziert und diese, aufgrund der nicht vorhandenen Ortsbindung, nach dem Beenden ihrer Ausbildung das Unternehmen wieder verlassen?
Am Beginn der Beteiligung der Wirtschaft und damit vor allem der Entwicklung von Konzepten zur Beteiligung wirtschaftlicher Akteure an der Quartiersentwicklung sollte eine gründliche Analyse der Ausgangsbedingungen stehen. Für die kommunalen Akteure bedeutet dies zunächst die Finanzierung eines Gewerbebestands- und -entwicklungsgutachtens, welches die Standorte der Betriebe und deren wirtschaftliche Verflechtungen darstellt. Der Blick auf die Verbindungen des lokalen Wirtschaftsraums mit den umliegenden Stadtteilen und auf die Verflechtungen mit dem gesamtstädtischen Wirtschaftsraum sollte in diesem Gutachten enthalten sein. Gebietsabgrenzungen der Sozialen Stadt erwachsen aus sozialen, administrativen und politischen, nicht aus wirtschaftlichen Erwägungen; entsprechend handelt es sich häufig, etwa im Fall reiner Wohngebiete, nicht um Wirtschaftsräume. Weiter geht es um die genaue Analyse der Arbeitskräftenachfrage (Spektrum und Umfang der geforderten Kompetenzen) einerseits sowie um die Erhebung des vor Ort vorhandenen Arbeitskräfteangebots andererseits.
Bereits vorliegende Ergebnisse von Bestandsanalysen (wer sind die lokalen Akteure, welche Akteure fehlen?) weisen darauf hin, dass bei den einzelnen Gebieten der Sozialen Stadt (und damit auch bei der Erstellung von Konzepten für deren Entwicklung) von sehr unterschiedlichen Voraussetzungen auszugehen ist. In der Arbeitsgruppe wurde entsprechend gefordert, bei der Erstellung von Konzepten zunächst sowohl nach Gebietstypen (Gründerzeitviertel mit einer Mischung von Arbeiten und Wohnen; Gebiet mit Industriebrache; Großwohnsiedlung, meist am Rande der Stadt) als auch nach administrativen Rahmenbedingungen (unterschiedliche Möglichkeiten der Wirtschaftsförderung in den einzelnen Bundesländern, vorhandene oder nicht vorhandene institutionelle Bündelung von Fachressorts etwa in Lenkungsgruppen usw.) zu unterscheiden.
Administrative Strukturen und Faktoren wie die Größe der Stadt spielen auch dann eine Rolle, wenn es um die Einbindung der im Handlungsfeld "Arbeit und Beschäftigung"/"Beteiligung der Wirtschaft" verfolgten Strategie in eine übergeordnete, gesamtstädtische Strategie geht. Gerade in Bezug auf die Förderung und Unterstützung des Einzelhandels und damit der Nahversorgung in den Gebieten wurden diesbezüglich vor allem negative Erfahrungen gemacht. Was nützt es, etwa mit städtebaulichen Maßnahmen die Entwicklung von Einzelhandelszentren zu unterstützen, wenn in mittel- oder unmittelbarer Nähe die Ansiedlung von großen Einkaufszentren forciert wird? Lokale Interessen sind in vielen Fällen mit gesamtstädtischen zu vereinbaren. Von einem positiven Beispiel in dieser Richtung wurde uns aus Aachen berichtet: Hier wurde zunächst über Verhandlungen mit den verschiedenen zuständigen Stellen der Deutschen Bahn AG dafür gesorgt, dass eine nicht mehr genutzte Bahn(gleis)fläche für eine neue Nutzung zur Verfügung stand. In einem weiteren Schritt wurde von Seiten der Stadt ein Investor gefunden, der neben seinem Interesse an der Fläche auch die Bereitschaft bekundete (unter anderem aufgrund seiner persönlichen Verbundenheit mit der Stadt), andere als die vor Ort bereits vorhandenen Sparten/Themenschwerpunkte des Einzelhandels auf der neuen Fläche anzusiedeln. Hiermit wurde den Ängsten und Protesten der anliegenden Einzelhändler entsprochen; gleichzeitig wurden diese motiviert, sich in den nun in dieser Hinsicht beginnenden Quartiersentwicklungsprozess einzubringen. Durch den über die Neuinvestition entstehenden Handlungsdruck bei gleichzeitiger Unterstützung seitens der Kommune (Vermittlung von Förderprogrammen zur Gebäudesanierung und Innenhofgestaltung, Verbesserung der Infrastruktur) könnte eine umfassende Erneuerung des Quartiers, eine Art "Multiplikatoreffekt der Neuinvestition" erreicht werden. Eine so angeregte Imageverbesserung des Quartiers könnte weitere Akteure (ob Bewohner oder Unternehmer) auf das Quartier aufmerksam machen und damit zu einer Stärkung der Kaufkraft in dem Gebiet beitragen.
Kritisch angemerkt wurde jedoch auch zu diesem positiven Beispiel einer Verknüpfung von Interessen, dass es keinerlei Garantie dafür gibt, dass der Investor - etwa nach fünf Jahren - nicht doch in die vom umliegenden Einzelhandel angebotenen Sparten wechselt, sodass die kleineren Unternehmen sich lediglich verspätet in ihrer Existenz bedroht sehen.
Das Projekt Soziale Stadt braucht eine breite Unterstützung in der Öffentlichkeit, die auch durch eine entsprechende symbolische Politik herzustellen ist - der lokale Einzelhandel und das lokale Gewerbe verfügen in der Regel nicht über eine eigene Lobby, die diese Aufgabe übernehmen könnte. Es wurde darüber berichtet, dass ein Aufeinander-Zugehen häufig leichter zu erreichen ist, wenn etwa der Bürgermeister als Einladender für einen hohen politischen Nachdruck sorgt. Im konkreten Vermittlungs- oder Aushandlungsprozess fehlen dem Quartiersmanagement häufig die nötigen Kompetenzen und Ressourcen, um von großen Unternehmen wie kleinen und mittleren Gewerbetreibenden ernst genommen zu werden. Akteure, die ökonomische Akteure beteiligen könnten, sind ebenso sorgfältig auszuwählen wie die Methoden der Aktivierung.
Schließlich erfordert die Entwicklung der Sozialen Stadt - auch im Hinblick auf die Beteiligung der Wirtschaft - ein umfassendes "Bündelungsmanagement" von Förderprogrammen unterschiedlicher Ressorts, aber auch unterschiedlicher politisch-administrativer Ebenen. So sind hinsichtlich der angestrebten Beschäftigungseffekte bisher personen- und nicht ortsspezifisch gebündelte Programme der Arbeitsämter mit möglichen lokalen Förderungen zu verknüpfen, brauchen investive Mittel der Städtebauförderung häufig nichtinvestive Mittel anderer Programme oder auch Akteure. Hierbei sind die unterschiedlichen Zeiten, Fristen und Förderräume zu berücksichtigen. Diesbezüglich ist fraglich, ob ein vor Ort tätiges Quartiersmanagement diese Aufgabe übernehmen kann, oder ob nicht vielmehr innerhalb der Verwaltungsorganisation Lenkungsgruppen oder Ähnliches installiert werden müssen (und dies wiederum auf den verschiedenen Ebenen), die Abstimmungsprozesse einleiten, auf die das Quartiersmanagement dann wiederum zurückgreifen kann.
Der erste Schritt in einem Aufeinander-Zugehen, darin waren sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Arbeitsgruppe einig, ist die Beantwortung der folgenden Frage: Warum sollte sich das Unternehmen X für soziale Stadtentwicklung interessieren? Was kann den Unternehmen angeboten werden, wie sind ihnen Vorteile zu verschaffen? Hierbei ist zu bedenken, dass Kooperationen mit wirtschaftlichen Akteuren zeitnahe Produkte erfordern, langfristige Planungen entsprechend lohnende Ergebnisse erbringen müssen. Wie in der Kooperation mit den Bewohnerinnen und Bewohnern auch, stehen unterschiedliche Zeithorizonte (Bewohner - planende Verwaltung; Unternehmen - planende Verwaltung usw.) einer Kooperation häufig von vornherein entgegen.
Ein zweiter Schritt in einem konkreten (Beteiligungs-)Verfahren ist der persönliche Kontakt, ein Aufsuchen, in dem an die konkreten Bedarfe des einzelnen Unternehmens/des Gewerbetreibenden angeknüpft werden kann. Die Formen der Kontaktaufnahme sind dabei so unterschiedlich wie die Akteure der Wirtschaft selbst. Die Beratung und Unterstützung eines türkischen Händlers des kleineren und mittleren Gewerbes sieht gänzlich anders aus als ein Einbeziehen eines weltweit agierenden Großunternehmens. Aus Hamburg kommt aus diesem Grund der Vorschlag, eine stadtweit agierende Institution (der Wirtschaftsförderung/Beratung) einzurichten, auf die einzelne Quartiersmanagements zurückgreifen können (vgl. Gonzalez/Herrmann 2001) (1) . So könnte notwendiges Know-how "passgerecht" an die lokalen Akteure vermittelt werden, wären in der näheren Umgebung oder auch stadtweit agierende, sich für eine Kooperation anbietende Akteure mit ihrem Potenzial in das Quartier vermittelbar. Traditionell arbeitende Einrichtungen der Wirtschaftsförderung sind zudem - um den genannten Anforderungen gerecht zu werden - aufgefordert, von einer zentralen Angebotspolitik zu einer dezentralen Nachfragepolitik überzugehen oder die angebotene Dienstleistung in diesem Sinne zu ergänzen. Dabei sollte die Wirtschaftsförderung "weniger als Motor, denn als Lenkrad der Entwicklung" fungieren: Der Motor sind die angesprochenen Unternehmen selbst, die Wirtschaftsförderung, die IHK und ähnliche Einrichtungen steuern lediglich die Vermittlungsprozesse.
Wirtschaftliche Akteure sind mit anderen - zu beiderseitigem Vorteil (!) - zu verknüpfen, wenn es beispielsweise darum geht, Beschäftigungs- oder Qualifizierungsbündnisse herzustellen: Betriebe können sich in der Ausbildung eines Schulabsolventen zusammenschließen, können Kooperationen mit Schulen eingehen, die einen begleiteten Übergang von der Schule in den Beruf ermöglichen usw. Nur so lassen sich in Zeiten raschen gesellschaftlichen Wandels Qualifizierungsprojekte installieren, die in ihren Inhalten nachfrageorientiert sind. Hier ist vor allem das Quartiersmanagement gefragt. Bezüglich der zu gewährleistenden Kontinuität in der Förderung von Qualifizierung in den Gebieten sind es jedoch die kommunalen Akteure/Institutionen, die sicherstellen, dass einmal Gefördertes nicht im leeren Raum verpufft. Für die Unternehmen geht es dabei zum einen um ein passgenaues Arbeitskräfteangebot, auf das sie leicht zugreifen können, und zum anderen um eine Stärkung der Kaufkraft in dem Gebiet. Die Stärkung der Kaufkraft durch Lohneinkommen statt Transfereinkommen ist der beste Weg, um Wirtschaftsansiedlungen zu fördern - hierin ist sich die Arbeitsgruppe einig.
(1) Gonzalez, T.; Herrmann, H. (2001), Soziale Stadtentwicklung in Hamburg-Altona-Lurup: Voraussetzungen und Handlungsperspektiven in einer Großwohnsiedlung am Rande der Stadt. In: Arbeitskreis Stadterneuerung (Hrsg.), Jahrbuch Stadterneuerung. Opladen.
Name |
Vorname |
Institution |
Ort |
Becker |
Christine |
Wirtschaftsförderung Region Kassel GmbH |
Kassel |
Begaß |
Dieter |
Stadt Aachen, Fachbereich Wirtschaftsförderung und Europäische Angelegenheiten |
Aachen |
Bernhardt |
Jürgen |
Stadtteilbüro Mettenhof |
Kiel |
Claussen |
Wiebke |
Stadt Hamm, Stadtplanungsamt |
Hamm |
Hayden |
Jacqueline |
FHVR Berlin, Studiengang Public Management |
Berlin |
Henkel |
Knut |
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung |
Berlin |
Herrmann, Dr. |
Heike |
TU Hamburg-Harburg |
Hamburg |
Klehn |
Kirsten |
Inst. für Wohnpolitik und Stadtökologie |
Hannover |
Merz, Dr. |
Wiltrud |
Arbeitsgemeinschaft Sozialplanung |
Marburg/ Lahn |
Schmidt |
Christoph |
Stadt Fulda, Fachstelle für besondere städtebauliche Aufgaben |
Fulda |
Schuchert |
Karl |
Landeshauptstadt Hannover, Stadtplanungsamt |
Hannover |
Seiffert |
Marieluise |
Stadt Hamburg, Wirtschaftsbehörde MK/M 1 |
Hamburg |
Sondermann |
Klaus |
LEG, Landesentwicklungsgesellschaft Nordrhein-Westfalen GmbH |
Düsseldorf |
Ulbrich |
Bettina |
Bezirksamt Lichtenberg, Gleichstellungsbeauftragte von Frauen und Männern |
Berlin |
Vogt |
Christoph |
Gesellschaft für Innovation und Unternehmensförderung mbH (GIU) |
Saarbrücken |