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Kurt Bodewig, Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Bonn/Berlin
Nordrhein-Westfalen hat viele herausragende Beispiele gegeben. Ich denke dabei nicht nur an die IBA. Beispiel gebend ist auch das seit 1993 in NRW laufende Handlungsprogramm für Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf. In diesem Zusammenhang passt ein Zitat des ehemaligen britischen Premierministers Lloyd George: "Am besten, man stellt ein gutes Beispiel auf, indem man einem solchen folgt." Jedenfalls war damals schon die Kooperation mit den Kommunen, den Unternehmen und den Bürgerinnen und Bürgern des Ruhrgebiets gefragt. Auch damals ging es um die Umsetzung "Impulsgebender Projekte" unter anderem in den Bereichen Wohnungsbau und Stadtentwicklung. Es ging um Stadtqualität, um Anregungen für städtebauliche Erneuerungsmaßnahmen. Mit dem Impulskongress gehen wir einen ähnlichen Weg. Nur richtet er sein Augenmerk auf das Bund-Länder-Programm "Soziale Stadt". Mit diesem Programm haben wir einen sehr viel weiterführenden, umfassenderen Ansatz gewählt. Und dies brauchen wir heute dringender denn je! Wir müssen uns immer wieder vor Augen führen: Wir leben in einer Zeit, in der Flexibilität eine wichtige Anforderung an die Menschen ist. Diese Anforderungen müssen die Menschen heute erfüllen. Wie alles hat dies natürlich positive und negative Wirkungen. Wenn wir nicht wollen, dass unsere Gesellschaften auseinander fallen, müssen wir mit unserer Politik zum gesellschaftlichen Zusammenhalt beitragen. Die Menschen brauchen Orte der Identifikation. Und die Wohnung und die Stadt sind Orte der Identifikation par excellence. Dies gilt für alle - natürlich auch für die in Deutschland lebenden Ausländer, auch für die, die noch kommen werden. Es ist ja unbestreitbar sinnvoll, dass wir Zuwanderung haben. Und wenn wir mit den Menschen, die auch in Zukunft zu uns kommen werden, produktiv und friedlich zusammenleben wollen, dann brauchen wir funktionierende Bürgerschaften und Nachbarschaften. Meine These ist: Der Zusammenhalt unserer Gesellschaft hat auch etwas mit dem Zusammenhalt in unseren Städten zu tun. Dort leben die meisten Menschen, und sie werden weiter wachsen. Dies ist der Grund, warum wir das Programm "Soziale Stadt" gemeinsam mit den Ländern und Kommunen machen. Was aber unterscheidet dieses Programm überhaupt von den bisherigen Fördermaßnahmen? Zunächst einmal ist es ja auch Teil der klassischen Städtebauförderung. Die Reparatur der Innenstädte ist das zentrale Ziel der Stadterneuerung. Dies ist heute eine äußerst komplexe Herausforderung, die natürlich komplexe Strategien erfordert. Schon der Impulskongress "Quartiersmanagement" in Leipzig hat deutlich gemacht, dass mit investiven Maßnahmen allein kein entscheidender Durchbruch erreicht werden kann. Wir brauchen integrierte Handlungsansätze. Ansätze, die die komplexe Problematik in den belasteten Quartieren berücksichtigen, und natürlich entsprechende Förderansätze. Der erste Impulskongress hat dies schon deutlich gemacht. Ich will es noch einmal rekapitulieren: Alle Ressourcen der beteiligten Ressorts sollen gebündelt werden. Das ist die Devise - und auf Bundes- und Länderebene ein bereits akzeptiertes Verfahren. Denn man kann nicht alles über einen Kamm scheren. Anders gesagt: Die Schwierigkeiten in belasteten Quartieren sind ganz unterschiedlicher Art. Und so lassen sie sich auch klassifizieren:
Wir wollen gemeinsam dagegenhalten. Wir stellen uns den Herausforderungen, die als Folge starker sozialer und wirtschaftlicher Veränderungen auf uns zukommen. Die Situation in den Städten ist dadurch gekennzeichnet, dass sich hier teilweise soziale, wirtschaftliche und - damit zusammenhängend - auch städtebauliche Probleme aufgetan haben. Sie wissen dies alles, denn wir sind mit diesem zweiten Impulskongress ja schon mitten in der Diskussion. Ausgangspunkt für die Umsetzung des Programms "Soziale Stadt" ist also die Bündelung baulicher und sozialer Prozesse. Wir machen große Anstrengungen, um das voranzubringen. Koordination ist ein wichtiger Ansatz: Wir haben deshalb die Ressorts gebeten, bei ihren Maßnahmen die Gebiete des Programms "Soziale Stadt" möglichst bevorzugt zu berücksichtigen. Information ist die ideale Ergänzung dazu: Hinweise auf "Die soziale Stadt" in den Bestimmungen für die Ressortprogramme wären schon hilfreich. Auch dies haben wir angeregt. Die Bündelung der Ressourcen kommt voran: Ich nenne beispielhaft das Programm "Entwicklung und Chancen junger Menschen in sozialen Brennpunkten". Die Fördergebiete sind mit denen der "Sozialen Stadt" identisch. Besonders am Herzen liegt uns die Verbesserung der Beschäftigungssituation. Deshalb setzen wir auch auf eine enge Zusammenarbeit mit der Arbeitsverwaltung. Wenn wir mit dieser zusammen die Wirtschaft für schwierige Stadtteile gewinnen, dann sind wir wieder einen Schritt weiter. Für den Erfolg sind nicht in erster Linie die Finanzhilfen entscheidend. Das Programm lebt auch von der Bereitschaft aller Akteure, die Entwicklung im Stadtteil kooperativ mitzugestalten. Und so gehörten zu den meist genannten Schlagwörtern des ersten Impulskongresses die Begriffe "Mitarbeit" und "Beteiligung"! Da bauliche, wirtschaftliche, ökologische und soziale Themen in den Stadtteilen ein weites Feld eröffnen, heißt dies auch: Wir brauchen eine möglichst breite Beteiligung des Bundes, der Länder, der Städte sowie der Bürgerinnen und Bürger. Wir brauchen das Engagement der Wirtschaft und der Verwaltung, der Vereine und vieler anderer Institutionen. Auch daran ist der Erfolg des Quartiermanagements gekoppelt. Und dieses Management ist der Motor der Problemlösungen. Ich werde heute noch in Berlin mit jungen Menschen diskutieren. Sie beteiligen sich dort bereits in den 15 Berliner Gebieten des Programms. Und ich freue mich darüber, dass sie mitwirken und mitentscheiden, auch über die projektbezogene Vergabe von Geldern. Aber bürgerschaftliche Aktivitäten versanden, wenn sie nicht umgesetzt werden. Dann können Vorschläge zu Makulatur werden. Hier ist die Einrichtung von Fonds ein außerordentlich probates Mittel. Nordrhein-Westfalen und Berlin haben solche Verfügungsfonds bereits eingerichtet. Diese Mittel kann man Bürgerforen für Projekte zur Verfügung stellen. In beiden Ländern können sie nach den Vorstellungen der Bürgerinnen und Bürger eingesetzt werden. Überhaupt: Ohne finanzielle Hilfen können meiner Ansicht nach integrierte Handlungskonzepte und Maßnahmen gar nicht Erfolg versprechend umgesetzt werden. Und das Wort "integriert" dominiert offensichtlich diesen Impulskongress ebenso stark wie der Begriff "Beteiligung". Natürlich kostet dies alles Geld. Wir sind mit 150 Mio. DM im Jahr dabei, ebenso wie Länder und Gemeinden. Und auch im Jahr 2002 wollen wir das so beibehalten. Und da ich von Bündelung der Ressourcen gesprochen habe, bietet es sich an, die Palette der finanziellen Hilfen für die Stadtentwicklung zu ergänzen: Investitionen sind unerlässlich für lebenswerte und zukunftsfähige Städte. Dies ist ein zentraler Punkt unserer Politik. Dabei müssen wir Wohnungs- und Städtebau gemeinsam denken. Nur so kommen wir zu tragfähigen Lösungen. Dies gilt vor allem für die neuen Länder, denn hier gibt es bei einem Leerstand von einer Million Wohnungen noch viel zu tun. Diese Aufgabe können wir nur gemeinsam schaffen. Wir müssen hier alle an einem Strang ziehen. Die Bundesregierung hat für eine zukunftsfähige Stadtentwicklung drei Instrumente zu einem Gesamtkonzept verknüpft. Hier fließen ab 2002 jährlich fast 1,1 Mrd. DM in entsprechende Investitionen - fast doppelt soviel wie noch 1998 unter der alten Regierung. Durch die Kofinanzierung von Ländern und Kommunen werden ab 2002 jährlich knapp 3 Mrd. DM an öffentlichen Mitteln mobilisiert. Mit diesen öffentlichen Mitteln werden zusätzliche private Investitionen von etwa 6 Mrd. DM ausgelöst. Ich will ergänzend zur "Sozialen Stadt" noch die beiden anderen Instrumente kurz nennen: Erstens: Die klassische Städtebauförderung wird auf hohem Niveau fortgeführt. In die neuen Länder fließen jährlich 420 Mio. DM, in die alten Länder 180 Mio. DM - dies soll auch 2002 so bleiben. Zweitens: Aufgrund der besonderen Situation in den neuen Ländern hat die Bundesregierung das Programm "Stadtumbau Ost" auf den Weg gebracht: Hier stehen zunächst 300 Mio. DM jährlich zur Verfügung, die von Ländern und Gemeinden kofinanziert werden. Mit diesem Programm werden die Städte lebenswerter, die Innenstädte aufgewertet und dauerhaft leer stehende Wohnungen vom Markt genommen. Ich denke, auch hiervon werden viele Fördergebiete der Sozialen Stadt erfasst. Wie ich schon sagte: auf die Bündelung kommt es an! Sie sehen: Das Engagement von Bund, Ländern und Gemeinden für die Städte und die Wohnungswirtschaft in den neuen Ländern ist groß. Wenn man alles zusammennimmt, dann hat die Politik in dieser Legislatur mit einer gemeinsamen Kraftanstrengung über 10 Mrd. DM für die Städte mobilisiert! Die Investitionen in die Städte in den neuen Ländern haben damit ein hohes Niveau erreicht. Ich will dies kurz zusammenfassen, weil man es oft aus den Augen verliert: das Programm "Stadtumbau Ost" mit insgesamt etwa 5 Mrd. DM bis 2009; hinzu kommt das Eigentumsprogramm für die Modernisierung/Instandsetzung bei der Bildung von Wohneigentum in Innenstädten mit 300 Mio. DM bis 2004 und die Investitionszulage für die Modernisierung von Wohnraum mit etwa 4 Mrd. DM bis 2004. Übrigens alles sehr gute Beispiele dafür, wie wir Wohnungs- und Städtebaupolitik miteinander verzahnen. Bündelung und Kooperation, Integration, Investitionen und Geld sowie Bürgerbeteiligung: Dies ist zweifellos die Basis, auf der Fachressorts und Ämter integrierte Handlungskonzepte erarbeiten. Solche Handlungskonzepte sind der Orientierungsrahmen, mit dem die Programmumsetzung zum Erfolg gesteuert wird. Es wäre überlegenswert, sich dabei die langjährigen Erfahrungen Nordrhein-Westfalens zunutze zu machen. Stadtteilentwicklung hat hier Tradition. Ein Erfolgsrezept ist hier die Erarbeitung und Fortschreibung von Handlungskonzepten in "ämterübergreifenden Arbeitsgruppen". Allerdings muss auch ein Leithammel benannt werden, der federführend koordiniert und moderiert. Dies hat sich bewährt und ist nachahmenswert. Man muss nicht immer bei Null anfangen. Dies gilt auch für die Verwaltungen. Dennoch: was spricht dagegen, den "integrativen Programmansatz" zum Ausgangspunkt einer Reform der Verwaltung zu machen. Die meisten von Ihnen kennen das. Ich nenne nur die Stichworte: verbesserte Vernetzung, Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements. Hinsichtlich der Verfügungsfonds machen Berlin und NRW derzeit die Probe aufs Exempel. Lassen Sie uns über all dies nachdenken. Unser Impulskongress kann einen Bogen schlagen: zu den verschiedenen Aspekten der sozialen Stadtentwicklung. Einen solchen Spannungsbogen schlagen wir z.B. zum Kongress "Armut und Gesundheit" vom 30. November bis 1. Dezember 2001 in Berlin. Höhepunkt soll die Konferenz "Soziale Stadtentwicklung" am 7. Mai 2001 sein, auf dem der Bundeskanzler sprechen wird. Hier geht es vor allem um die Perspektiven der sozialen Stadtentwicklung. Damit wollen wir nicht nur die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf das Programm "Die soziale Stadt" lenken. Wir wollen auch zeigen, wie das Programm vorankommt. Zurzeit laufen 249 Maßnahmen in 184 Städten und Gemeinden. Wir wollen deutlich machen, dass das Programm Teil eines breiten politischen Ansatzes ist; wollen verdeutlichen, wie die Bürgerinnen und Bürger an lokalen Prozessen mitwirken können. Denn dies alles geht die Bürgerinnen und Bürger unmittelbar etwas an. Es geht um ihr Lebensumfeld, ihre Perspektiven. Der Bundeskanzler sprach in diesem Zusammenhang von den vielfältigen Möglichkeiten zivilgesellschaftlicher Beteiligung. Alles in allem: Die Neuerungen integrativer Stadtentwicklungspolitik finden zunehmend Beachtung, und sie werden den Nachweis ihrer Effektivität erbringen. Für den zweiten Impulskongress wünsche ich uns allen nun weiterführende Ergebnisse. |