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Moderation:
Auf dem Podium:
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Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie ganz herzlich zur abschließenden Podiums- und Plenumsdiskussion. Wir möchten ein Resümee zur Rolle der Wohnungsunternehmen bei der integrierten Stadtteilerneuerung ziehen. Hinsichtlich des Programms Soziale Stadt wird die zentrale Akteursrolle der Wohnungsunternehmen daran sehr deutlich, dass bundesweit 50 Prozent aller Programmgebiete Großsiedlungen sind. In den neuen Bundesländern beträgt dieser Anteil sogar 70 Prozent.
Aus der gestrigen Debatte und aus Diskussionen in den Arbeitsgruppen ergeben sich aus meiner Sicht zwei Schlüsselthemen: Einmal ging es um den Beitrag der Wohnungswirtschaft zur Stärkung der lokalen Ökonomie, wobei diese ökonomische Entwicklung auf sozialen Netzwerken beruht. Frau Weck hat in ihrem Beitrag hervorgehoben, dass es bei den Investitionen der Wohnungsunternehmen um "Investitionen in ein lebendiges Gemeinwesen" geht; Stichworte waren beispielsweise Vor-Ort-Büros und Nachbarschaftshilfe. In der Arbeitsgruppe 1 wurde die Organisation von Nachbarschaftshilfe sehr plakativ und lebensnah vorgestellt. Dies betrifft viele Handlungsfelder, darunter zentral die Verbesserung des Images der Siedlungen. Es wurde deutlich, dass sich viele soziale Projekte und Maßnahmen auch unter Renditeaspekten als sinnvoll herausgestellt, das heißt, auch "gerechnet" haben. Hierzu gab es einen interessanten Beitrag von der Wohnungsbaugesellschaft Glückauf aus Lünen. Ein wichtiges Handlungsfeld der Wohnungsunternehmen in diesem Zusammenhang besteht darin, den Dialog zwischen Mietern und Wohnungsunternehmen zu verbessern, Serviceleistungen, die sich an den Bedürfnissen des Quartiers ausrichten, anzubieten und gemeinsam zu entwickeln, z.B. betreutes Wohnen, Wohnen Plus, Mieterservice. Nicht zuletzt geht es darum, Arbeitsplätze und Qualifizierungsmöglichkeiten auch seitens der Unternehmen bereit zu stellen, ein schwieriges Verfahren, aber es gibt durchaus erfolgversprechende Ansätze (z.B. die Regiebetriebe der GBH in Hannover).
Ein zweiter Punkt, der sich durch die Debatte zog, betrifft die Tatsache, dass insbesondere die Großsiedlungen städtebaulich überhaupt nicht auf Arbeit ausgelegt sind. Wir alle kennen das damals gültige städtebauliche Leitbild, das stark an der Funktion Wohnen ausrichtet war. Umso wichtiger sind heute Fragen einerseits der Umnutzung z.B. von Erdgeschosswohnungen und andererseits Nutzungsergänzungen z.B. mit räumlichen Angeboten für Existenzgründungen und für Unternehmen (Thema der Arbeitsgruppe 2). Für die Großsiedlungen wurde betont, dass gerade hier bürgerschaftliches Engagement zu wecken und zu stützen ist, was aber dann erschwert wird, wenn - vor allem in den neuen Bundesländern - gleichzeitig die Abrissfrage zur Debatte steht. Hier geht es darum, Entwicklungskonzepte unter Einbeziehung der Bürger zu erarbeiten.
Vor diesem Hintergrund ergeben sich drei übergreifende Fragen. Die erste Frage bezieht sich auf Folgendes: Wie lassen sich die vielen guten Beispiele (ich erinnere nur an den Preis "Soziale Stadt 2000", da gab es viele gute Beispiele für Aktivitäten und Projekte von Wohnungsunternehmen) von der Ausnahme zur Regel machen? Wie kann Breitenwirkung entfaltet werden? Es wird deutlich, dass ein Erfahrungsaustausch über die Entstehungsbedingungen solcher guten Projekte stattfinden sollte. (Ich gestatte mir, hier auf die Projektdatenbank zur "Sozialen Stadt" des Difu hinzuweisen, die wir mit möglichst vielen Beispielen anfüttern wollen; also auch an Sie der Appell, uns Hinweise und Informationen über die Ihnen bekannten Beispiele zu geben, damit wir sie in diese Datenbank aufnehmen und damit zum Erfahrungsaustausch beitragen können.) Als sehr wichtig erscheint in diesem Zusammenhang auch die Frage nach den Restriktionen und nach notwendigen Experimenten (Stichwort "Experimentierklausel").
Mehrfach gab es Hinweise auf Vorurteile gegenüber neuen Verfahrensweisen in den eigenen Unternehmen und auf Ängste davor, Risiken einzugehen. Das sollte aus Sicht der Unternehmen noch einmal kurz angesprochen werden. Kooperation und Kommunikation bilden Schlüsselworte zur Umsetzung des Programms Soziale Stadt. Deshalb die Frage an die Diskutanten hier auf dem Podium: Was sind denn die gegenseitigen Erwartungen von Wohnungsunternehmen und öffentlicher Hand, wo bestehen Missverständnisse? Zum Thema "lokale Ökonomie" fehlt eigentlich ein Vertreter oder eine Vertreterin vom Arbeitsamt, denn es zeigt sich bei den Themen- und Starterkonferenzen in den Modellgebieten der Sozialen Stadt, welche zentrale Rolle die Arbeitsämter haben. Heute Morgen wurde aus Hannover berichtet, wie wichtig es ist, dass die Arbeitsämter ihren Handlungsbereich gebietsorientiert definieren können.
Vor allem aber geht es um das Zusammenwirken der Akteure vor Ort. Hier wäre die Frage: Wie stellt sich aus ihrer Sicht das Zusammenspiel zwischen den Wohnungsunternehmen und z.B. dem Quartiersmanagement in den Gebieten der Sozialen Stadt dar? Es zeichnet sich ab, dass ein ganz wichtiger Beitrag des Programms "Soziale Stadt" darin bestehen kann, dass es auf Verwaltungsseite und auf Akteursseite vor Ort einen Beitrag zur Strukturierung von Kooperation und zur Koordination leisten kann. Das Zusammenwirken der Wohnungsunternehmen beispielsweise in den Großsiedlungen war ein drittes, häufig angesprochenes Thema; das Zusammenwirken auch bei Konkurrenz zwischen den Unternehmen bis zur bestenfalls gemeinsamen Konzeptentwicklung. Herr Jasper hatte Essen-Katernberg und das Beispiel Dortmund-Scharnhorst genannt mit Hinweisen dazu, wie man da zu einer gemeinsamen Konzeptentwicklung kommen kann. Übergreifend stellt sich die Frage nach Chancen und Ansätzen für ein "reformorientiertes anderes Wirtschaften" (Sabine Weck), z.B. "Stadtteilgenossenschaften", "soziale Betriebe". Damit geht es auch um Kreativität und um neue Ideen, um eine andere Form des Wirtschaftens, um dann als Folge zu einer mit mehr Sensibilität für die Besonderheiten von Quartieren ausgestatteten Wirtschaftsförderung zu gelangen.
An die beiden Vertreter des Landes, zuerst an Herrn Bölting für die Abteilung Wohnen und dann an Herrn Jasper für die Abteilung Stadtentwicklung - jeweils im Ministerium für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport -, möchte ich auch die Frage nach den Qualitätsstandards für integrierte Konzepte stellen. Was macht integrierte Stadtteilerneuerung wirklich aus, und inwieweit sollte Förderung an qualitativ hochwertige Konzepte gebunden werden?
Wie Sie dem Programm entnommen haben, gehöre ich nicht zu der Städtebautruppe des Ressorts, das macht Herr Jasper, sondern ich gehöre zu der Wohnungsabteilung, das heißt, ich bin nicht gerade der Prototyp, der hier für integratives Tun reden kann. Das sage ich ganz deutlich und auch selbstkritisch, um meinen Ausgangspunkt zu skizzieren. Es ist die Erfahrung der letzten 50 Jahre, dass die Sachbereiche ihre Aufgaben brav nebeneinander abgearbeitet haben, und es ist sicher auch unstreitig, dass das auf Dauer, auf die nächsten Jahre hin gesehen, der falsche Weg wäre. Ich will mich nicht zur Sozialen Stadt äußern, das überlasse ich Herrn Jasper. Ich möchte einen Gesichtspunkt ansprechen, der in der Arbeitsgruppe 3 diskutiert wurde, und der mir zentral zu sein scheint auch für die Frage nach der Ausnahme und der Regel.
Wenn ich das richtig verstanden habe, sind die hier angesprochenen Beispiele letztlich sehr verschieden. Jeder Fall ist anders, sodass man sich bei dieser Frage, wie man von der Ausnahme zur Regel kommt, nicht so ganz leicht tut. Ich denke, dass wir erst einmal ein Strukturproblem auf unserer öffentlichen Seite sehen müssen, und wenn wir das Problem nicht angehen, dann wird das immer ein Wunsch bleiben. Die Soziale Stadt ist geboren worden auf Landes-, respektive Bundesebene, das heißt, Land und Bund haben sich dieses Thema in den Verwaltungen und in der Politik zu Eigen gemacht. Das ist eine positive und keine kritische Äußerung. Möglicherweise ist es so, dass bei neuen Themen immer zunächst einmal Land und Bund Impulsgeber sein müssen, weil sie einen etwas weiteren Blick haben und unterschiedliche Felder vielleicht genauer überschauen können, als das den Kommunen möglich ist. Umgekehrt ist meine These, dass die kommunale Seite in den letzten 50 Jahren - ich übertreibe jetzt ganz bewusst - von Bund und Land ein bisschen gegängelt worden ist. Die Kommunen waren in den letzten 50 Jahren mit dem Ausgeben von Bundes- und Landesgeldern beschäftigt, das heißt, sie sind auf die Aufgaben, die im Bereich Soziale Stadt anstehen, letztlich nicht vorbereitet. Das Personal auf der kommunalen Ebene - da wurde in Arbeitsgruppe 3 auch Kritik an der Arbeitsverwaltung geübt - ist doch auf die jetzt anstehenden Fragen überhaupt nicht vorbereitet worden, sondern war damit beschäftigt, 50 Jahre lang dafür zu sorgen, dass kein Geld von Land und Bund in einer konkreten Kommune übrig blieb. Meine These lautet: Wenn es uns nicht gelingt, den Kommunen eine Chance zu geben, mit den völlig anderen Herausforderungen und Inhalten - die das Programm Soziale Stadt mit sich bringt - umzugehen, auch unabhängig von dem, was in Bund und Land jeweils dazu gedacht wird, dann wird das schwierig bleiben. Ich glaube nicht, dass man alleine mit Netzwerken und mit Freiwilligeninitiativen auf das Problem reagieren kann. Es bedarf natürlich einer kommunalen Mitverantwortung, und ich sehe im Moment, wenn ich das mal sehr spitz auf Nordrhein-Westfalen oder noch spitzer auf das Ruhrgebiet reduziere, nicht, dass dieses Bewusstsein schon auf der kommunalen Ebene angekommen ist. Auch die Prioritätensetzung zwischen der Frage, baue ich ein weiteres Theater oder schließe ich mein Theater und stelle ein bisschen mehr Geld im sozialen Bereich ein, sehe ich im Moment noch nicht zu Gunsten der Sozialen Stadt entschieden.
Es geht ja auch um Qualitätsstandards für integrierte Handlungskonzepte. Sie haben gefragt, inwieweit denn überhaupt Stadtteile aufgenommen werden können, um die "Segnungen" der Förderung zu erreichen. Bei der Erarbeitung solcher Konzepte wird deutlich, dass die Städte durchaus gefordert sind, weil es nicht nur darum geht, die Sozialraumanalyse statistisch zu belegen, sondern auch deutlich zu machen, mit welchen Maßnahmen und welchen Konzepten, insbesondere mit welchen Partnern und in welcher Zeit, die Problemlage abgearbeitet werden und wie Bewohnerbeteiligung durchgeführt werden soll. Insofern sind die Qualitätsstandards, die sich in Nordrhein-Westfalen im Laufe der letzten Jahre auf sukzessive Weise entwickelt haben, durchaus so, dass nicht jede Kommune, die ein Problemgebiet anmeldet, damit rechnen kann, dass ihr Konzept dem Urteil der Interministeriellen Arbeitsgruppe ausreicht. Insofern hat sich etwas entwickelt, was in die Leitfäden für die Soziale Stadt, die wir mit dem Difu und den anderen Ländern zusammen erarbeitet haben, eingeflossen ist.
Ich möchte jetzt aber von dem administrativen Aspekt wegkommen, weil die Veranstaltung unter dem Thema "Lokale Ökonomie" in den Stadtteilen am Beispiel der Wohnungswirtschaft steht. Die gestrige Veranstaltung und die Arbeitsgruppen haben deutlich gemacht, dass wir in Nordrhein-Westfalen unterschiedliche Sichtweisen im Verhältnis zum Bund haben, weil wir nur in einem Drittel aller Stadtteile Großsiedlungen haben; im Übrigen handelt es sich um gewachsene Quartiere. In allen Stadtteilen stellen wir fest, dass die Wohnungsunternehmen eine sehr verantwortungsvolle Rolle für die Stadtteilentwicklung haben, weil hier nämlich Public-Private-Partnership (PPP) angesiedelt ist. Die Wohnungsunternehmen in die Stadtteilarbeit zu integrieren ist ein wichtiger Bestandteil. Ich habe gestern auf Beispiele wie Dortmund-Scharnhorst hingewiesen, wo es hervorragend gelungen ist, eine Kooperation zwischen den Wohnungsunternehmen zu erreichen; oder auch das Beispiel Heiligenhaus Oberelb, wo die Wohnungsunternehmen aus eigenen wirtschaftlichen Interessen heraus initiativ geworden sind. Deshalb würde ich Ihre Frage, muss es andere Formen der Wirtschaft geben, gleich mit der Gegenfrage beantworten: Muss nicht der normal wirtschaftende Mensch so handeln, dass er die beste Rendite mit zufriedenen Mietern erreicht? Dieter Kraemer hat gestern einige Hinweise dazu gegeben.
Es brennt mir natürlich auf der Seele, etwas auf Herrn Dr. Bölting zu antworten. Also, es ist nicht so, dass die Kommunen insbesondere im Ruhrgebiet geschlafen haben. Eigentlich ist das, was wir heute diskutieren - wenn ich das als Sozialfachfrau sagen darf -, etwas Uraltes. Die Gemeinwesenarbeit kommt aus der Sozialarbeit und ist uralt. Alle Studenten der Sozialarbeit wurden in ihr ausgebildet, und es war wichtig, dass man den Sozialraum kennt. Es hat dann in den 70er-Jahren Bewegungen in der Sozialarbeit und Sozialpädagogik hin zur Professionalisierung, zur Zentralisierung gegeben. Heute sind wir - wieder im Gegenstromverfahren - dabei, mit einem professionellen Blick zurückzugehen in das Gemeinwesen, und ich halte das für den richtigen Weg. Nur, es reicht nicht. Es reicht nicht, wenn ich als Sozialarbeiter oder als Vertreter der Wohnungswirtschaft komme oder, wie ich es bei einer Difu-Veranstaltung in Berlin erlebt habe, als neuer Quartiersmanager komme und die Welt neu erfinde. Wichtig zu sehen ist, wer ist denn eigentlich schon da? Wer hat die Kenntnis dieses Quartiers? Das ist in der Regel der Sozial- und Jugendbereich wie beispielsweise Kindergärten, Jugendzentren, Kirchengemeinden, Schulen. Das sind alles Institutionen im Quartier, die soziale Infrastruktur darstellen, wo es Professionelle gibt, die ihren Stadtteil sehr gut kennen.
Ich war vor meiner Zeit in Bochum lange Zeit in Hamm auch für den Stadtteil mit besonderem Erneuerungsbedarf zuständig. Für mich besteht die zentrale Aufgabe der Kommunen darin, diese unterschiedlichen Profis miteinander zu vernetzen, aber mit ihrer Berufsrolle, die darf nicht verwischt werden. Ich will als Sozialfachfrau nicht zurück zu einem Feld-, Wald- und Wiesensozialarbeiter, und ich denke, auch die Wohnungswirtschaft will nicht zurück zu früheren Zeiten, als es viele private Vermieter gegeben hat. Es geht um den professionellen Blick von Kirchen, von Stadtverwaltung, von Stadtplanern, von Polizei, von Wohnungswirtschaft auf das Quartier und natürlich mit Blick auf die Bewohner und Bewohnerinnen.
Lokale Ökonomie kann sich nur entwickeln mit der Frage: Was fragt denn der Markt nach? Was ist in dem Stadtteil angesagt, ist es Kinderbetreuung, ist es eine Nähstube, ist es - das kenne ich z.B. aus der eigenen Anschauung - eine Wäscherei im Stadtteil? Ist es Gastronomie? Das Wichtigste ist die Vernetzung: sich gemeinsam den Stadtteil und die Daten für den Stadtteil anzusehen, sich in unterschiedlichen Rollen zu begegnen und den anderen wahrzunehmen, damit es gerade nicht passiert, dass ein Quartiersmanager kommt und sagt, er bräuchte jetzt Sozialarbeiter, weil es gäbe ja auch soziale Probleme im Stadtteil. Die gibt es schon, die Stadtverwaltung hat Sozialarbeiter, und die reagieren im Ruhrgebiet. Ich finde, die Verwerfungen durch den Strukturwandel in den letzten Jahren sind relativ gut über die Bühne gegangen, nicht zuletzt auf Grund des sozialen Reparaturbetriebs, und das gehört mit einbezogen.
Zur Frage Trennung von Sozialem und Wirtschaft: Auch die Wirtschaftsförderung gehört für mich in diesen Bereich. Duisburg-Marxloh ist als Beispiel bekannt, wo es gelungen ist, auch die Wirtschaftsförderung als einen Akteur im Stadtteil mit einzubeziehen. Das ist ohne Frage mühsam, das ist auch sehr komplex, aber das gehört dazu. Ich glaube, dass die Kommunen in NRW dies teils mehr, teils weniger begriffen haben. Sicher gehört auch ein Theater dazu. Das ist eine Frage der Imagepflege für die einzelnen Städte, aber ich denke, auch der andere Bereich kommt nicht zu kurz.
Die TreuHandStelle ist ein eigenständiges Unternehmen, das 80 Jahre alt ist. Es ist ein sehr großes Unternehmen, - damals für den Bergbau begonnen - mit fünf Tochterunternehmen, eine davon ist die Glückauf, Lünen-Brambauer. Vielleicht darf ich etwas zu der Philosophie sagen, wie man solche Unternehmensgruppen organisiert. Es gibt die eine Möglichkeit, dass man sie alle zu einem riesigen Unternehmen zusammenfasst. Das ist in betriebswirtschaftlichen Teilen zurzeit sehr beliebt, eine gewisse Gigantomanie. Oder aber, man lässt alle Unternehmen mit ihren Mitarbeitern, ihrer Geschichte, mit ihrem Markt und ihren Kunden bestehen. Zentralisieren kann man den Backoffice-Bereich, den nicht der Kundenseite zugewandten Bereich.
Die Effizienz von Wohnungsunternehmen ist so groß, wie sie Stadtteilakzeptanz besitzen. Sobald sie diese nicht mehr besitzen, weil sie irgendwo zentralisiert sind, sind sie mental aus dem Stadtteil raus. Die Kunden nehmen sie nicht mehr wahr, und die Unternehmen nehmen ihre Kunden nicht mehr in dem Maße wahr, wie es notwendig ist. Wichtig ist, was Herr Jasper eben gesagt hat: Nur wirtschaftlich gesunde Unternehmen können auch sozial orientierte Unternehmen sein. Insofern schließt das eine das andere nicht aus.
Als wir vor zehn bis fünfzehn Jahren die ersten Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen einstellten, da hat man das unter Sozialromantik abgetan. Das war die Zeit, in der man glaubte, dass Wohnungsbau eine reine Bauaktivität ist, genau wie Städtebau heute noch. Architekten bauen Wohnungen, Städtebauer bauen Städte, nur das werden keine Städte. Die Wohnungen sind in der Regel auch nicht bewohnbar, denn Architekten alleine können keine Wohnungen bauen, sie können nur ihre eigene bauen. Sie kennen nur ihre eigenen Vorstellungen vom Wohnen, alles Weitere sind Vorstellungen, die sie anderen aufoktroyieren. Also müssen wir jemanden haben, der sagt, wie Stadt funktioniert, wie Wohnung funktioniert. Heidegger hat in den 50er-Jahren einen sehr schönen Vortrag gehalten. Er hat gesagt, Wohnen kommt vom Althochdeutschen und bedeutet "sich wohl fühlen", ist also mehr als nur behaust sein, ist Leben schlechthin. Wenn Sie von daher den Auftrag eines Wohnungsunternehmens ableiten, dann hat das Wohnungsunternehmen die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Mieter, die bei ihm Geld fürs Wohnen bezahlen, sich wohl fühlen; insofern ist das, was jetzt an sozial orientierter Arbeit gemacht wird, nichts Neues, sondern man hat es nur viele Jahre nicht gemacht.
Die Arbeitersiedlungen waren sozial orientiertes Wohnen, waren sozial orientierter Städtebau; das zeigt sich darin, dass sie heute noch lebendige Wohnquartiere sind, in denen auch Netzwerke existieren, auf denen man aufbauen kann. Die Sozialwissenschaftler haben das lange Jahre nicht gewollt. Als ich in den 60er-Jahren Städtebau und Architektur studiert habe, hat man uns den Nachbarschaftsgedanken aus den Kleidern gehauen. Man hat auch geglaubt, die Menschen könnten gestapelt leben - und das ging nicht. Heute schütteln alle mit dem Kopf, ich habe die Schriftenrolle aber noch da, wo das drin steht.
Wohnungsbau ist Städtebau, aber das ist zu wenig. Wir brauchen Wohnungswirtschaft, insbesondere auch im Rahmen von Stadtentwicklung und Stadtmanagement. Stadtteilmanagement kann nur im Zusammenhang mit Stadtmanagement funktionieren. Soziale Stadt ist ein guter Weg, ist mir aber noch zu eng gefasst, nämlich zu sehr Reparaturbetrieb. Was wir brauchen ist ein Paradigmenwechsel, dass man die Stadt wieder als ein soziales Geflecht von unterschiedlichen Ansprüchen versteht, von unterschiedlichen Befindlichkeiten sowie von unterschiedlichen Möglichkeiten und Chancen. Nur wenn wir diesen Paradigmenwechsel hinkriegen, schaffen wir es auch, dass die Unternehmen sich in ihrer Struktur wandeln, dass die Kommunen sich in ihren Verwaltungsstrukturen ändern bis hoch zum Land und dass wir irgendwann nicht einen Städtebauminister, sondern einen Stadtentwicklungsminister haben. Wenn das nicht funktioniert, funktioniert alles andere auch nicht, auch Wirtschaft nicht.
Die so genannten weichen Faktoren der Sozialarbeit in Wohnquartieren, im Gegensatz zu den harten Faktoren, da habe ich meine Bedenken. Wir haben uns lange Jahre damit befasst, uns über das Bauen zu unterhalten, über die Kosten des Bauens, über die Kosten der Unterhaltung des Gebauten. Wir haben riesige Aufwendungen gemacht, um festzustellen, wie viel Quadratmeter rote Ziegel wir haben, wann die repariert werden müssen und wann die Fenster ausgewechselt werden müssen usw. Nur: Jetzt verlassen uns die Bewohner, weil sie nicht mehr hier wohnen wollen. Dann stellen wir fest, dass eine nicht bewohnte Wohnung ein mehr oder weniger unbrauchbar gemachter Haufen Material ist. Demnach ist wirtschaftliches Handeln im Unternehmen das Verhindern von Kapitalvernichtung - umgesetzt durch das "sich Befassen" mit Bewohnern, so einfach ist das. Das wird viel zu wenig beachtet. Ich möchte denen mehr Selbstbewusstsein geben, die sich um die soziale Komponente von Stadt und Wohnen kümmern, und ich möchte denen eine Absage erteilen, die sich nur um das formalisierte ästhetisierte Erstellen von Behausungen kümmern und dafür Preise verlangen.
Ich habe das angenehme Vergnügen, im Windschatten von Herrn Dr. Cox zu argumentieren. Vieles von dem, was er ausgeführt hat, kann ich nur unterstreichen. Es gibt aber eine Besonderheit, was das Unternehmen Viterra betrifft: Viterra ist das wohl am meisten kapitalgetriebene Wohnungsunternehmen in Deutschland. Das hängt damit zusammen, dass wir mit der E.on einen sehr bedeutenden Stakeholder haben. Wer sich die Werbung der E.on vor Augen führt, wird sich wahrscheinlich wundern, dass E.on eine Tochtergesellschaft Viterra hat. E.on hat sie wahrscheinlich nicht mehr sehr lange. Wir werden kapitalmarktfähig gemacht, das ist die offizielle Aussage. Dieser Begriff der Kapitalmarktfähigkeit beschäftigt natürlich auch einen Mitarbeiter dieses Unternehmens.
Wenn ich mir jetzt den Begriff Wohnungsunternehmen vor Augen führe, so liegt in diesem Begriff auch eine Zweigesichtigkeit. Da sind die Wohnungen auf der einen Seite, und da ist das Unternehmen auf der anderen Seite. Auf der Seite der Wohnungen haben wir immer eine gewisse Sozialpflichtigkeit. Wir sind verantwortlich für die Mieter, das Gut Wohnen ist ja nicht substituierbar. Ich kann mir überlegen, ob ich Cola trinke oder Wasser, aber Wohnen muss ich gleichwohl. Auf der anderen Seite ist das Unternehmen, und da haben wir einen Stakeholder, der sagt, eure Rendite ist okay, aber im Grunde müsste noch mehr an Rendite zu erwirtschaften sein. Das heißt, die Mutter sagt schon, guckt mal, wie ihr noch ein bisschen an der Schraube dreht. Das sind Dinge, die einen Wohnungswirt, also nicht nur mich, sondern auch andere in der Branche, natürlich beschäftigen. Das unternehmerische Handeln ist das eine Thema.
Das andere Thema ist, wie das unternehmerische Handeln auf die Quartiere wirkt. Wie kann man unternehmerisch so handeln, dass eine auskömmliche Rendite erwirtschaftet wird, und gleichzeitig dazu beitragen, dass diese Rendite sich in den Quartieren auch darstellt? Wie sorgt man dafür, dass der Leerstand nicht weiter ansteigt (und er steigt in vielen Städten des Ruhrgebiets weiter an), wie sorgt man dafür, dass der Anteilseigner immer noch zufrieden gestellt wird? Das heißt, wir haben das Dilemma, auf der einen Seite z.B. Quartiersentwicklung zu machen und gleichzeitig auch in einem gewissen Umfang Wohnungen verkaufen zu müssen, also Eigentumsbildung im Bestand zu fördern. Solche Faktoren stören natürlich Diskussionen, wie zum Beispiel eine Ökonomie im Quartier gefördert werden kann, wenn gleichzeitig diese Quartiere in der Eigentümerstruktur wesentlich buntscheckiger werden.
Soziale Stadt als Programm: Wir sind ein sehr großes Wohnungsunternehmen mit 125 000 Mietwohnungen, davon etwa 110 000 allein im Ruhrgebiet. Ich frage im Unternehmen: Machen wir etwas im Programm Soziale Stadt? Dann gucken mich die Leute an und sagen, Soziale Stadt, was ist das? Wie kommt das eigentlich zu Stande? Wohnungsunternehmen ist es ziemlich egal, ob das Programm Soziale Stadt heißt oder anders. Die Hauptsache ist, dass es ein Programm ist, das sich gut in die Logik des unternehmerischen Handelns einarbeiten lässt. Unternehmerisch handelnde Menschen haben Probleme mit solchen Programmen, weil da etwas administriert wird. Es gibt sehr viele Formulare, Projektevaluation usw. Die Logik des unternehmerischen Handelns ist viel zu kurzweilig und umtriebig, als dass man sich lange mit dieser anderen Logik auseinander setzen könnte. Da stoßen aus meiner Sicht zwei Logiken zusammen, die man schwerlich miteinander verbinden kann. Aus dem Grund handeln die Investoren unabhängig davon, ob es nun das Programm Soziale Stadt gibt oder nicht. Sie handeln in Form konkreter Projekte, die die soziale Kontrolle in den Quartieren verbessern.
Die Viterra wurde z.B. in Katernberg tätig - zum einen mit dem Projekt "Hausbetreuer", zum anderen mit dem Modell "Kirche Katernberg", wo versucht wird, durch eine Aufwertung der Kirche einen neuen Identifikationspunkt für dieses Quartier zu bilden, um auf diese Art und Weise dazu beizutragen, dass Mieter sich wohl fühlen und weiterhin wohnen bleiben. Die Frage ist nur, ob solche Handlungsweisen, deren Rendite ja erst über einen sehr langen Zeitraum überzeugend sein kann, ob solche Handlungsweisen nicht durch Erwartungshaltungen konterkariert werden, die von außen an das Unternehmen herangetragen werden. Ob wir die Zeit dafür haben, diese Rendite in bestimmten Quartieren noch einzufahren, das wird man sehen.
Dr. Heidede Becker
Abschließend hat Herr Eisenberg von der LEG Nordrhein-Westfalen das Wort, und danach auch das Plenum. |
Ich möchte das Thema noch einmal aus der Sicht des Praktikers aufbereiten. Für die Wohnungsunternehmen gilt von jeher das Primat des Handelns, weil wir das Problem haben, Leerstand, Fluktuation und Vandalismus verarbeiten zu müssen. Wir sind Wirtschaftsunternehmen, und die gerade von mir genannten Faktoren schmälern den Ertrag und sind letztlich für ein Unternehmen schädlich. Insofern gibt es nur drei Dinge, die die Gesamtproblematik lösen können: permanente Präsenz vor Ort, Verbesserung der Produktqualität und Service, wobei wir als LEG bereits seit Jahren die Kundennähe vor Ort pflegen. Wir haben schon seit 1973 Niederlassungen in den einzelnen Bereichen und seit 1985 zusätzliche Außenstellen. Heute haben wir acht Niederlassungen, 18 Mieterzentren und pro rund 500 Wohneinheiten einen Hauswart vor Ort, der sich um die Belange der Mieter kümmert. Ein wesentlicher weiterer Punkt ist die Mieterbetreuung, die Mieterbeteiligung und - die Kollegen werden es bestätigen können - mittlerweile auch wieder die Mieterakquisition, weil wir ausreichend Wohnungen haben, aber leider zu wenig Nachfrage.
Zum Thema Quartiersmanagement möchte ich einen eindringlichen Appell an alle Beteiligten richten, die vorhandenen funktionierenden Ressourcen zu nutzen, um nicht im Rahmen von "predigendem Quartiersmanagement" von kommunaler Seite etwas künstlich zu initiieren, was eigentlich vor Ort schon hervorragend läuft.
Ich möchte noch einmal aufgreifen, was Dr. Bölting zu Anfang gesagt hat und was so ein bisschen im Widerspruch untergegangen ist, ob das Programm wirklich bei den Städten angekommen ist. Ich habe da auch meine Zweifel. Natürlich gibt es Städte, die sich bewerben und in denen sehr viel läuft. Aber wenn ich die verantwortliche Politik in den Städten betrachte, dann haben wir in Hessen die Erfahrung, dass in vielen Fällen die Städte sagen: Dies ist ein Problem, wir steigen in dieses Programm ein, aber wir delegieren es an das Quartiersmanagement, an Trägerverbünde oder an irgendetwas anderes. Ich bezweifle, ob in den Köpfen der Politik angekommen ist, dass Quartiersmanagement nicht nur ein neues Handlungsinstrument ist, sondern auch im entsprechenden Denken auf Magistratsebene verankert werden muss. Da habe ich erhebliche Bedenken, sowohl bei den Städten als auch bei einem erheblichen Teil der Wohnungswirtschaft. Ich habe da also ähnliche Bedenken wie Herr Dr. Bölting.
Es reizt mich, doch noch einmal an die Äußerung von Ihnen, Herr Dr. Cox, anzuknüpfen. Ich sehe an dem Programm, das ich für sehr lobenswert halte, zwei Mängel. Einen haben Sie als Frage gestellt, Frau Dr. Becker, aber nicht beantwortet bekommen. Das ist die Frage nach den Kriterien. Ich kenne eine Vielzahl von Standorten, bei denen ich zum Teil nicht so recht nachvollziehen kann, nach welchen Kriterien sie zu Modellgebieten gewählt wurden. Besser kenne ich mich bezüglich des Themas der Integration aus: Mängel der öffentlichen Verwaltung, Mängel in unseren Unternehmen - hier brauchen wir uns gegenseitig nicht viel vorzumachen. Aber im Kern der Überlegungen nach geeigneten Kriterien stellt sich für mich doch die Frage von Ihnen, Herr Cox: Was ist eigentlich das Bild der Stadt?
Die bestehenden Programme sind Partialprogramme mit unheimlicher Akribie, mit viel Phantasie. Aber was ist die Zukunft des Quartiers, das da entwickelt werden soll? Insbesondere, wenn es um Quartiere geht, die von der Öffentlichkeit, der Politik und dem Stadtraum eigentlich abgegrenzt und abgeschrieben worden sind. Deswegen brauchen wir noch einen neueren Ansatz, denn wir müssen den Bewohnerinnen und Bewohnern in den Quartieren sagen, was ist eure Zukunft? Seid ihr auf Dauer das künftige Einwanderungsquartier der Stadt und jede Einwanderungswelle geht durch euch hindurch? Oder wird sich das aufteilen und das nächste Mal kommt die nächste Welle in einen anderen Stadtteil? Das sind doch die Fragen, die die Leute im Kern bewegen, die die Perspektive ihres Quartiers betreffen. Daran können wir dann anknüpfen und auch das Thema lokale Ökonomie anfassen - das hat sehr viel mit Ethnien zu tun. Da sehe ich einen gewissen Mangel des Programms.
Zur Frage nach dem Mangel am Programm und dem Bild der Stadt: Was mir am Programm, an seinem Namen gefallen hat, ist, dass es einen Hinweis für die Definition von Stadt gibt, und zwar nicht einer neuen Stadt, sondern der eigentlichen Stadt, die ein bisschen übertüncht worden ist durch die Architekturstadt, durch die Addition von Gebäuden, von Straßen, von Plätzen, durch die Gestaltung, ohne sich darüber Gedanken zu machen, wer wie in solchen räumlichen Gebilden lebt, die wunderschön sind. Da hat man irgendwelche mittelalterlichen Städte, oder die europäische Stadt, im Gegensatz zur amerikanischen Stadt, im Kopf. Man will etwas zurückholen von dem, was man im Urlaub so gern erlebt. Das möchte man dann auch in Castrop-Rauxel haben. Manche meinen, man könnte das mit Architekturwettbewerben oder mit Modernisierungsprogrammen machen. Das geht nicht.
Deswegen meine ich, wir müssen auch die Frage nach dem Selbstbewusstsein der Leute in den Quartieren der Stadt stellen. Das ist für mich kein Problem, das Bauleute, Architekten, Planer, Raumplaner usw. lösen können - ich spreche gegen meine eigene Zunft als Architekt -, aber ich weiß aus der Erfahrung in einem Wohnungsunternehmen: Das müssen die Leute untereinander regeln, das können sie nur dann regeln, wenn sie eine gewisse Selbstsicherheit haben. Zu dieser Selbstsicherheit muss man Ihnen verhelfen, weil sie sehr stark verunsichert worden sind, und da sehe ich auch einen Großteil der Arbeit für unser soziales Management. Dies gilt auch für Fragen der Integration ethnischer Minderheiten und Migranten. Unsere Unternehmensgruppe hat einen Ausländeranteil von 17 Prozent. Wir können nicht davon ausgehen, dass sich dieser Anteil normalisieren wird. Irgendwann werden es 20 Prozent oder 22 Prozent sein. Das ist ein fester Bestandteil unserer Stadtbevölkerung in der Zukunft und damit auch unserer Wohnbevölkerung in den Unternehmen.
Ich weiß nicht, ob Ihnen Ernst May, der große Wohnungsbaupapst früherer Jahre, bekannt ist. Er hat, als er schon sehr alt war, zu uns Studenten in Hannover, als wir alles integrieren wollten (hoch, niedrig, arm, reich, Ausländer, Nichtausländer, alles ein riesiger Integrationskompott), gesagt: "Meine lieben Kommilitoninnen und Kommilitonen, ich kann Ihnen nur eins sagen, die beste Form der Integration ist die konsequente Segregation." Wir haben natürlich pflichtschuldigst gepfiffen wie verrückt. Ich habe spät gelernt, was das in unseren Siedlungen heißt, in denen wir 90 Prozent Türken haben. Als wir diese Siedlungen modernisierten und feststellten, dass auch Deutsche gerne in modernisierten Siedlungen leben, trafen unterschiedliche Wohngewohnheiten aufeinander. Es war gewöhnungsbedürftig, dass Türken Ihre Schuhe nicht in den Wohnungen tragen - das machen nur wir. Türken gehen nicht mit den Dreckschuhen in ihre Wohnungen rein, die lassen sie draußen stehen. Das stört uns natürlich furchtbar, da muss deutsche Ordnung geschaffen werden, und das verunsichert die Leute. Da wurde vorgeschlagen, wir integrieren sechs Wohnungen in einem Haus, ein Türke, fünf Deutsche. Hierzu hat es eine wissenschaftliche Untersuchung gegeben mit dem Ergebnis, dass das nicht klappt. Sowohl die Deutschen als auch die Türken sind verunsichert. Wir haben deshalb - im Rahmen der IBA - neben einer modernisierten Siedlung mit 90 Prozent Türken eine neue Arbeitersiedlung gebaut, 250 Wohnungen mit 90 Prozent Deutschen. Beide fühlen sich in ihren Wohnumfeldern sicher und treffen sich auf dem Platz in der Mitte.
Es ist also unsere Aufgabe - ebenso wie die Aufgabe der Stadt - unseren Mietern Sicherheit zu bieten. Nur Leute, die sich sicher fühlen, können auch mit anderen Leuten kommunizieren, und in diese Richtung müssen wir "Stadt" definieren: Soziale Stadt. Ich habe die Befürchtung, dass das notwendige Reaktive für einzelne Stadtteile sich so ausweitet, dass man den eigentlichen Paradigmenwechsel nicht schafft. Alle machen ein bisschen Soziale Stadt, aber kein Unternehmen denkt ernsthaft daran, sich so umzustrukturieren, dass es die Soziale Stadt mittragen kann, und keine Kommune würde sich so umstrukturieren. Deswegen mein Plädoyer dafür, Soziale Stadt als einen Auftrag zu nehmen, der weit über das hinausgeht, was wir im Rahmen von Sozialer Stadt zurzeit diskutieren.
Dr. Heidede Becker
Dieses Plädoyer ist überaus wichtig und weiterführend. Es bedeutet auch, sich nicht auf den engen Gebietsblick zu beschränken, sondern die gesamte Stadt mit zu bedenken. |
Das ist sehr richtig und der Ansatz - so wie er auch in Nordrhein-Westfalen praktiziert wird - geht davon aus, dass aus der gesamtstädtischen Betrachtung heraus die akuten Handlungserfordernisse auch für Stadtteile entwickelt werden. Wir leben in einem sehr dichten Ballungsraum, sodass man auch sagen kann, die regionale Betrachtung aus der Rhein-Ruhr-Schiene erfordert ein Handeln, das dann in konkreten Punkten ansetzt. Aus diesen konkreten Projekten muss man dann allerdings auch wieder Lehren für die Region ziehen - denn eines hängt vom anderen ab. Hier sehe ich Ansätze aus dem Programm Soziale Stadt. Diese sind Bestandteil einer integrierten Stadtentwicklung, die auf das Gesamtstädtische und den Ballungsraum Ruhrgebiet durchaus Wert legt.
Ein zweiter Punkt, den ich ansprechen möchte, betrifft die Haltung der Kommunen. Auch wir haben Erfahrungen mit Kommunen gesammelt, die sich anfangs nur zögerlich mit dem Problem auseinander gesetzt haben. Dafür spielten unterschiedliche Aspekte eine Rolle. Es geht weniger darum, Geld "abzuräumen", es geht zum Teil darum, dass die Stadt darunter leidet, wenn sie durch ein bestimmtes Viertel stigmatisiert zu werden droht. Deshalb haben einige Städte deutliche Zurückhaltung an den Tag gelegt. Andererseits haben gerade die großen Städte in Nordrhein-Westfalen flächendeckend Sozialraumanalysen in Auftrag gegeben oder auch schon durchgeführt, um auch eine gesamtstädtische Strategie für das Thema Soziale Stadt zu entwickeln. Wir haben für alle Stadtteile mittlerweile Ratsbeschlüsse, die in der Regel von allen im Rat vertretenen Parteien mit getragen werden. Das war vor fünf oder sechs Jahren noch anders. Da gab es Differenzen, die auch in der Politik der Einzelschritte immer wieder auftauchen, aber das ist nun einmal gelebte Demokratie. Damit können wir gut zurechtkommen.
Jedenfalls haben wir den Eindruck, dass die kommunale Verantwortung für das Gemeinwesen Stadt wesentlich höher einzuschätzen ist, als dies aus Einzelerlebnissen negativer Art geschlussfolgert werden kann. Das betrifft gerade auch das Quartiersmanagement. Es ist gestern zu Recht darauf hingewiesen worden, dass die sozialen Kompetenzen in den Stadtteilen aufgegriffen werden müssen. Wenn ich mich nicht an den Kirchenmieterräten, Unternehmen usw. und an dem orientiere, was an Leben im Stadtteil schon vorhanden ist, sondern von außen einen so genannten Quartiersmanager oder ein Management überstülpe, dann prognostiziere ich ein Vor-die-Wand-Fahren. Deshalb plädieren wir ausdrücklich dafür, die im Stadtteil vorhandene Kompetenz unbedingt aufzugreifen. Die Soziale Stadt ist ein auf Prozesse und nicht so sehr auf fertige und gebaute Ergebnisse angelegtes Unternehmen.
Es ist richtig, dass die Soziale Stadt bei den Städten angekommen ist, aber es gibt auch ein Problem. Wenn wir Soziale Stadt wirklich ernst nehmen, muss das Thema Partizipation eine ganz zentrale Rolle spielen, und das läuft unseren Spielregeln der repräsentativen Demokratie diametral entgegen. Wenn Sie sich z.B. die Strukturen zur Lokalen Agenda in den einzelnen Städten angucken, dann können Sie feststellen, dass die Teilnehmer sich entweder nicht ernst nehmen, sich totlaufen lassen oder sich gegenseitig delegieren. Diese Problematik finden Sie auch bei der Sozialen Stadt. Wenn sich die Leute wirklich engagieren, wenn sie ihr Leben, ihr Quartier im Rahmen von Empowerment selbst in die Hand nehmen, werden sie mit den Bezirksvertretungen Stress kriegen. Da gibt es natürlich ein Problempotenzial. Für mich ist das ein Prozess und auch eine Frage des Miteinander-Aushandelns.
Wir dürfen Stadt nicht definieren - darüber würde ich mich auch gerne mit Ihnen streiten -, denn das interessiert die Leute im Quartier nicht. Für sie ist nicht von Interesse, was ihr Quartier im nächsten Jahr macht und ob es integriert oder nicht. Diese Leute wollen wissen, ob ihre Wohnung in Ordnung ist, ob sie saniert ist, ob sie mit den Nachbarn leben können, ob es Schulen gibt usw. Das heißt, wir haben einen Metablick auf die Stadt - und ich erinnere mich daran, dass Professor Dangschat beim Difu einmal gesagt hat: "Wir stehen an den Lichterketten und fordern Integration, und dann kehren wir zurück in unsere Stadtteile, in die großen Häuser mit viel Freiraum. Wir reden über andere, die unsere Vorstellung von Stadt verwirklichen sollen."
Somit stellt sich die Frage: Wie soll Beteiligung aussehen und was erwarten wir von dieser Stadt? Was erwarten wir von unserem Stadtteil? Entwicklung muss auch im Quartier stattfinden und nicht wieder eine Definition der Architekten, der Wohnungsgesellschaft, des Sozialbereichs, der Stadtplaner sein. Das ist mir wichtig und ein zusätzliches Fenster - das bedeutet nicht, dass ich polarisieren möchte. Ansonsten würde ich Ihnen, Herr Cox, voll zustimmen: Im Sozialbereich ist bekannt, dass die Leute in ihrer Besonderheit stabilisiert werden müssen, um sich dann integrieren zu können. Bei der Population der Sinti und Roma z.B. wird das sehr deutlich. Wenn Sie es zulassen, dass sie in dem Areal, wo sie unter sich sind, sich selber stabilisieren und nach ihren eigenen Regeln leben können, dann sind sie auch bereit, mit der Mehrheitsbevölkerung Regeln auszuhandeln. Dafür gibt es Beispiele und Projekte. Nur so kann es funktionieren. Es kann nicht funktionieren, dass ich ihre Sozialstruktur zerschlage, um hinterher zu sagen, werdet so deutsch, wie ich deutsch bin. Das ist keine Form der Integration, da brauchen wir nur unsere Landsleute in New York oder anderswo zu sehen, die tun das auch nicht.
Dazu ein Aspekt aus der Arbeitsgruppe, die sich mit Existenzgründung und dem Zur-Verfügung- Stellen von Räumen beschäftigt hat, den wir allerdings am Ende nicht mehr richtig diskutieren konnten. Wenn sich ein Wohnungsunternehmen engagiert, z.B. einen Handwerkerhof betreibt, inwieweit kann oder auch muss das ohne öffentliche Subvention funktionieren? Oder ist bei einem solchen Projekt nicht gerade die befristete Subvention, das Anstoßen ein ganz wichtiger Aspekt? Das betrifft gerade auch die Frage nach dem Zustandekommen von Kooperationsprojekten zwischen Wohnungsunternehmen und öffentlicher Hand - zum einen das Unternehmen, das sich im Sinne seines Wohnungsbestands und seiner Mieter engagiert, und zum anderen die öffentliche Hand, die natürlich auch ein entsprechendes Interesse daran hat.
Ganz kurz zu Frau Graebsch-Wagener: Bezüglich der Integrationsphase unterstütze ich Ihre Argumentation. Ich möchte jedoch anmerken, dass ich - auch nachdem ich vorhin zwanzig Minuten in der AG "Gründerzentren in Wohngebieten" war - den Eindruck habe, dass wir hier kein Patentrezept verkünden werden. Scheinbar glaubt man hier, man könnte andere wirtschaftliche Voraussetzungen schaffen, um etwas zu ermöglichen. Natürlich kann man subventionieren, und es entsteht der Eindruck, dass sich hier mit einem Gründerzentrum Selbstständigkeit in irgendeinem Dienstleistungs- oder Produktionsbereich entwickelt. Dieser Bereich benötigt jedoch nur Subvention, wenn er nicht nachgefragt wird, wenn er nicht gebraucht wird und somit sonst nicht entsteht. Dann mache ich eine Beschäftigungsgesellschaft daraus, und wenn der Hahn abgedreht wird, fällt alles in sich zusammen.
Wir müssen vorsichtig sein, dass wir nicht die normalen Regeln der Wirtschaftlichkeit und der Ökonomie auf den Kopf stellen, es muss sich rechnen. Man darf nicht Sand in die Augen streuen und sagen: Wir geben dir einen Raum, den musst du nicht bezahlen, den subventionieren wir dir, und dann besorgen wir auch noch öffentliche Mittel und ein paar ABM-Kräfte. Das läuft eine gewisse Zeit - nur, was ist danach? Wir haben das mit Handwerksbetrieben und mit ABM-Kräften erlebt. Wenn Sie einen guten Arbeitsamtleiter haben, können Sie alles machen. Sie müssen nur immer den Punkt im Auge haben: Wenn die ABM-Kräfte nicht mehr zur Verfügung stehen, was machen Sie dann mit den unerfüllten Erwartungen?
Das betrifft auch die Frage der Nachbarschaftshilfe. Wir haben in Lünen-Brambauer einen Nachbarschaftshilfeverein gegründet und versucht, ihn über das Punktesystem zu organisieren. Heute Morgen ist diese Tauschbörse angesprochen worden: Ich gebe eine Dienstleistung ein und bekomme dafür soundso viele Punkte, und wenn ich später eine Dienstleistung abfordere, kann ich sie mit den vorher erreichten Punkten bezahlen. Das geht prinzipiell hervorragend. Die jungen Leute sagen allerdings: Bis ich so weit bin, dass ich die Punkte abbezahlen kann, da habe ich lieber ein bisschen Cash in der Tasche, damit kann ich mehr machen. Sie können also mit dem Punktetausch nichts anfangen. Es hat sich herausgestellt, dass die Frage der Nachbarschaftshilfe, auch der ehrenamtlichen Nachbarschaftshilfe, auf Gegenseitigkeit beruht. Das ist auch Tauschen im weitesten Sinne. Das muss sich hier in unseren westlichen Breiten erst einmal entwickeln. Wir haben dasselbe in den neuen Bundesländern in einem Unternehmen in Leuna gehabt, wo wir das 1:1 übernommen haben, und es hat sofort funktioniert. Bei denen hat Einander-Helfen, Miteinander-Arbeiten einen anderen Stellenwert als in unserer versorgten Gesellschaft. Dies hat seinen Ursprung in der "Zeit der Nischen", in der sie Tätigkeiten in den privaten Bereichen selbst organisierten.
Diese Form des Wirtschaftens im Quartier halte ich für sinnvoll, alles andere sind ganz normale Wirtschaftsförderungsbereiche, die nicht unbedingt etwas mit dem Quartier zu tun haben. Es sei denn, es kommt die "Pantoffelmentalität" mit rein, sodass man nicht nur zu Fuß, sondern auch noch in Pantoffeln zum Arbeitsplatz hingehen kann. Dann wird es natürlich schwierig mit der Wirtschaftlichkeit.
Ich möchte an die Vertreter der Wohnungsunternehmen eine Frage stellen. Sie haben in den Großwohnsiedlungen, und nicht nur da, Probleme mit den gewerblichen Vermietungen. Wir in Hamburg haben in Lurup, aber auch in anderen Siedlungen (Hoorner Geest, Mümmelmannsberg) immer ein kleines Einzelhandelszentrum, meistens sogar noch ein Waschhaus, gebaut, und das funktioniert nicht mehr.
Wir haben in dieser Arbeitsgruppe auch noch den Bereich Bestandssicherung und Bestandsentwicklung bearbeitet. Beides zusammen geht meiner Erfahrung nach nur, wenn man das um Existenzgründungsförderung ergänzt. Ich sage da bewusst Förderung, weil ich da nicht Ihrer Meinung bin, Herr Jasper. Man muss schon ein Stück weit anschieben und auch unterstützen, weil sich sonst die Leute allein gelassen fühlen und im Regen stehen - sehr schnell ist dann eine Betriebsidee hinfällig.
Außerdem ganz konkret die Frage: Wie gehen Sie mit dem Wohnungsleerstand um? Ich habe es bei Herrn Eisenberg vor vier Wochen in der Siedlung Hannibal erlebt, deren Erdgeschosszone teilweise leer stand, um es harmlos auszudrücken. Was tun Sie mit Ihren Mietern, die im gewerblichen Bereich in solchen Siedlungen tätig sind? Unterstützen Sie diese? Gibt es da Hilfen, gibt es Verständigung zwischen dem Einzelhandel und den einzelnen Wohnungsunternehmen? Ich glaube nicht, dass diese Einzelhandelszentren in den Großwohnsiedlungen aufgegeben werden dürfen, weil wir dann zusätzlich einen erheblichen Qualitätsverlust in den Siedlungen haben.
In Lurup erleben wir es gerade, dass die dortige Einkaufspassage wieder einen Aufschwung dadurch erhält, dass wir unser Quartiersentwicklungsbüro dort ansiedelten. Die Leute werden wieder mehr zu diesem kleinen Einzelhandelszentrum hingeführt. Noch einmal die Frage: Sind Sie mit den Einzelhändlern im Gespräch, bieten Sie Räume an, oder ist das für Sie kein Thema?
Ich darf darauf gleich antworten und muss Ihnen mitteilen, dass wir kein besonderes Leerstandsproblem haben. Von 13 Gewerbeeinheiten stehen im Moment, glaube ich, zwei leer. Das Problem mit dem Standort Hannibal in der Dortmunder Nordstadt ist, dass die Innenstadt in sieben Minuten erreichbar ist.
Der Grundgedanke der Vermietungsfähigkeit einzelner Bereiche als Gewerbeobjekte ist ja nicht neu. Anfang der 70er-Jahre haben wir generell Gewerbe ins Erdgeschoss reingebaut und versucht, dort höhere Mieten zu erzielen. Wie sich dann herausgestellt hat, kann man diese Mieten gar nicht mehr erreichen. Dies bedeutet im Gegenzug nicht, dass prinzipiell kein Gewerbe in diese Bereiche mit einbezogen werden sollte, aber aus meiner Erfahrung lässt sich feststellen, dass die Nachfrage dort eigentlich nicht vorhanden ist.
Das ist ein Dauerbrenner in Wohngebieten, und es gibt keinen Wettbewerb, bei dem nicht im Erdgeschoss Läden eingeplant werden, um Urbanität zu schaffen. Das war auch bei der IBA so. Wir haben die Läden eingeplant - nur, kein Mensch hat sich Gedanken darüber gemacht, wie groß so eine Fläche eigentlich sein muss, damit sie wirtschaftlich betrieben werden kann. Das waren dann Vorstellungen von einem etwas größeren Tante-Emma-Laden.
In den Innenstädten haben wir hier im Ruhrgebiet in den 70er-, Anfang der 80er-Jahre eine große Bebauung mit öffentlich gefördertem Wohnungsbau gemacht, ergänzt durch Einzelhandel in den Erdgeschossen. In diese kleinen Läden passen keine großen Betriebe, aber Eignershops. Sie müssen sich überlegen, wer den Laden nutzen soll. Heute wohnen in den Gebäuden Menschen, die ihre Miete nicht selber bezahlen können. Was sollen die da unten machen? Diejenigen, die aus anderen Quartieren normalerweise im Eignershop kaufen, fahren nach Düsseldorf und kaufen dort ein. Das ist ein überspitztes Bild, aber es ist die Realität. Diese kleinen Ladenflächen sind Spezialläden, die aber in den Gebieten nicht nachgefragt werden. In den Gebieten werden andere Läden nachgefragt, die aber nicht in diese Gebiete passen. Wir haben also auch das Problem, was wir dann mit diesen Ladenflächen machen. Wir subventionieren sie und gehen mit der Miete runter. Wir schreiben sie ab. Aber selbst wenn Sie die Läden verschenken, sagt der potenziell Beschenkte, ich kann in diesem Laden nicht arbeiten, ich kann nicht anliefern, ich kann keine Lagerhaltung machen. Und die Leute, die hier wohnen, kaufen hier auch nicht ein. Das bisschen, was sie an Tagesbedarf kaufen, reicht nicht, um hier eine Kraft zu bezahlen, weil die Leute ihren Wochenbedarf nämlich irgendwo anders kaufen. Diese Grundstruktur gilt heute auch für die Innenstädte und in kleinerem Maßstab, aber genauso stark, für die Wohnquartiere.
Mit Sicherheit müsste man, wenn man solche Quartiere heute plant, von der Einzelhandelsstruktur ausgehend die Anforderungen an solche Läden definieren, das wird aber nicht gemacht. Wir haben z.B. in Gelsenkirchen Wohnquartiere mit Läden im Erdgeschoss in ein Stadtquartier gebaut, das mit kleinen Eigentümerläden hervorragend besetzt ist. Dort werden keine zusätzlichen Läden gebraucht, aber die Planer haben damals die Augen verschlossen, unter Missachtung des Umfelds nur diese 300 Wohnungen gesehen und gesagt, die Leute müssen einen Laden für Sowieso, für zweitens, drittens, viertens ... haben. Heile Welt, drum herum ist Wüste, also kaufen alle ihre Brötchen in dem Laden, den wir planen. Dabei haben sie aber nicht gesehen, dass es im engeren Umkreis fünf Bäckereien gibt.
Beide Tage haben gezeigt, dass vor allem zwei Bereiche existieren, in denen Wohnungsunternehmen für die wirtschaftliche Entwicklung in den Stadtteilen bedeutsam sein können. Erstens, dass sie ihre Rolle so verstehen, wie sie Dr. Cox dargestellt hat. Ich habe Angst davor, wenn rendite- oder kapitalmarktfähig heißt, dass der Aktienkurs steigt, je mehr problematische Mieter entlassen sind. In anderen Bereichen haben wir diese Entwicklung gesehen, dass der Aktienkurs steigt, sobald ein Großunternehmen Arbeitskräfte freistellt. Wenn das die Entwicklung der Wohnungswirtschaft wäre, könnte ich damit nicht gut leben.
Deshalb präferiere ich ein Wirtschaften in dem Sinne, dass kein Instandsetzungsstau passiert, sodass laufende Unterhaltungen durch Handwerksunternehmen damit auch ein Netzwerk bilden können. Wenn sich dann die günstige Gelegenheit ergibt, dass man in Wohnsiedlungen neue Betriebe einrichtet, dann ist das ein gewünschter Nebeneffekt. Allerdings sollte man sich erst einmal auf die originäre Rolle konzentrieren, und wenn diese gut und in Partnerschaft ausgefüllt wird, dann ist das auch für die wirtschaftliche Existenz in den Stadtteilen ein deutliches Plus.
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