Dr. Rolf-Peter Löhr,
Deutsches Institut für Urbanistik, Berlin
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I. Vorbemerkung
Das Programm Soziale Stadt ist mehr als ein reines Städtebauprogramm und soll über die Stadterneuerung hinaus Anstöße für Politik, Verwaltung, Zivilgesellschaft und Wirtschaft liefern. Die Wohnungswirtschaft ist hierbei in besonderem Maße einbezogen und gefordert. Das Difu begleitet das Programm im Auftrag von Bund und Ländern als überregionale Agentur für Beratung, Information und Erfahrungsaustausch für alle an der Umsetzung des Programms Beteiligten. Zum Programmstart hat es in allen Programmgebieten eine Umfrage zur räumlichen Lage, zum Baubestand, zu Problemen und Potenzialen der Gebiete sowie zu den Handlungsansätzen durchgeführt. Eine wichtige Frage war, wer in dem Gebiet an der Umsetzung des Programms beteiligt ist. Dabei stellte sich heraus, dass die Wohnungsunternehmen insgesamt der am dritthäufigsten beteiligte Akteur sind. In den Großsiedlungen sind die Wohnungsunternehmen sogar fast immer involviert. Die Großsiedlungen machen den Wohnungsunternehmen durch Fluktuation und Verhalten der Mieterschaft erhebliche Probleme, umgekehrt können Investitionen, die die Wohnungswirtschaft tätigt, ein bedeutender Motor für die Entwicklung in den Gebieten der Sozialen Stadt sein. Die besonderen Chancen und Möglichkeiten für Wohnungsunternehmen wie Stadtquartiere sollen Gegenstand dieser Fachtagung sein. II. Programmhintergrund
1. Strukturwandel in der Wirtschaft
Die Wirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland ist seit geraumer Zeit einem tiefgreifenden Strukturwandel unterworfen, der mit den Begriffen der Tertiärisierung und Globalisierung grob umschrieben ist. Tertiärisierung bedeutet abstrakt den Übergang von der Industrie- über die Dienstleistungs- hin zur Wissensgesellschaft. Der Wandel ist vor allem verbunden mit dem Wegfall vieler einfacher industrieller Arbeitsplätze, für die an anderer Stelle kein ausreichender und vergleichbarer Ersatz geschaffen wird. Die Globalisierung will ich hier nicht im Einzelnen erläutern, sondern nur darauf hinweisen, dass sie geprägt ist unter anderem durch internationale Wertschöpfungsketten, bei denen Gewinne dort anfallen, wo geringe Steuern erhoben werden, und Verluste dort, wo die Steuern hoch sind: So musste zum Beispiel ein mit seinem Hauptsitz in Deutschland ansässiger weltweit tätiger Chemiekonzern in Kanada wegen dort getätigter Preisabsprachen eine Milliardenstrafe zahlen. Diese Strafe wurde mit dem Gewinn in Deutschland verrechnet, sodass am Sitz der Konzernzentrale keinerlei Steuern mehr zu zahlen waren. Eine Folge dieser Entwicklung ist die zunehmende Spreizung der Einkommen, sodass in Deutschland und in anderen traditionellen Industrienationen nicht mehr von einer Einkommenspyramide gesprochen werden kann, sondern eher von einer Sanduhr: Es gibt nicht mehr wenige Spitzenverdiener über einer breiten Mittelschicht bis hin zu einer noch breiteren Unterschicht, wo . so die eine Sichtweise . die Oberen die Unteren .ausbeuten. oder . so die andere Sichtweise . die Oberen schützend ihren Schirm über die Unteren halten, sondern es gibt ein Wachstum in den oberen Einkommensschichten und ein Wachstum in den unteren Einkommensschichten sowie bei den Empfängern von Transferleistungen, aber die das Steuer- und Sozialsystem des Staates primär tragende breite Mittelschicht dünnt aus. Ein weiterer Effekt der Globalisierung ist allerdings auch der Bedeutungsgewinn des Lokalen, sodass vielfach von .Glokalisierung. gesprochen wird. Gerade wegen der zunehmenden Unübersichtlichkeit in globalen Zusammenhängen gewinnt die Orientierung in lokalen Einheiten für die meisten Menschen an Bedeutung. 2. Kommunale Problemlage
Die Kommunen sind von den Strukturumbrüchen in besonderer Weise betroffen. Zum einen wird ihre Aufgabenlast durch staatliche Aufgabenübertragung ohne gleichzeitige Mittelbereitstellung immer größer. Als Beispiel sei die Einführung des Anspruchs auf einen Kindergartenplatz genannt, der für die Kommunen mit erheblichen finanziellen Belastungen verbunden war, ohne dass es hierfür irgendeine Art des finanziellen Ausgleichs gegeben hätte. Auf der anderen Seite verlieren die Kommunen Aufgaben an die Privatwirtschaft, weil privatrechtliche Aufgabenerfüllung oftmals effektiver und effizienter ist (oder zu sein scheint) als kommunale. So gehören etwa die Stadtwerke einer großen norddeutschen Stadt zu 51 Prozent einem amerikanischen Unternehmen. In vertikaler Hinsicht ist die Kommune für die Erledigung vielfältiger Aufgaben auf der einen Seite zu klein. Dies gilt etwa für Wasserver- oder Abwasserentsorgung, für Energieversorgung, für den ÖPNV, für die Abfallentsorgung und anderes. Auch für den kommunalen Wettbewerb spielt die Region zunehmend eine größere Rolle als die Stadt selbst. Auf der anderen Seite sind die Kommunen für die Erledigung mancher Aufgaben zu groß. Solche Aufgaben sollten auf das Quartier übertragen werden. Auch bürgerschaftliches Engagement ersetzt oder ergänzt in der einen oder anderen Beziehung kommunale Leistungen. Von mancher Seite wird daher schon gefragt, ob nicht die Kommunen im europäischen Staatsaufbau . von der EU über die Nationalstaaten und die Länder bis zu den Regi-onen . überflüssig werden. Ich will hieraus jetzt keine besonderen Schlussfolgerungen ziehen, sondern nur auf die komplexe Problematik in Staat und Wirtschaft hinweisen, die so in früheren Zeiten nicht bestanden hat und neue Ansätze oder die tatsächliche Umsetzung mancher alten Ideen fordert. Dies ist das Spannungsfeld, in dem die Kommunen agieren müssen. Es wird noch durch Bevölkerungswanderungen verschärft. Die Ost-West-Wanderung ist nach den ersten Jahren quantitativ deutlich zurückgegangen, jetzt findet eine selektive Wanderung gerade von gut ausgebildeten und vor allem jungen Menschen statt, die in den neuen Ländern nicht mehr die Arbeit und die Perspektive finden, die sie brauchen, und die deswegen in die strukturstärkeren Gegenden gehen. Generell gibt es einen Trend weg von den ganz ländlichen Räumen hin zu den Stadtregionen, verstädterten Räumen und Agglomerationen. Auch die Migration aus dem Ausland trifft auf diese Stadtregionen, im Wesentlichen auf die westlichen. Innerhalb der Regionen findet die Verteilung nicht gleichmäßig statt. Auch hier kommt es zu erheblichen Wanderungsprozessen, z.B. in Form der Suburbanisierung. Betriebe und Familien gehen ins Umland, zunehmend auch Ehepaare ohne Kinder. Konkret bedeutet dies zum Beispiel für das Ruhrgebiet, dass zwar die Anzahl der Kinder in den Kernstädten und den Umlandkreisen im Wesentlichen gleich ist. Doch ist die Sozialhilfedichte in den Umlandkreisen äußerst gering, wogegen sie in den städtischen Räumen exorbitant zunimmt, das heißt, es findet auch insoweit eine selektive Wanderung statt. Die Einkommensstärkeren gehen ins Umland, während die Einkommensschwächeren in den Städten bleiben, was nicht nur für die Siedlungsstruktur, sondern auch für die Steuereinnahmen sehr prekär ist, weil der kommunale Anteil an der Einkommensteuer ja wesentlich von der Zahl der Einwohner abhängt. Aber was bedeutet das für den Staat und für die Städte? Im klassischen Verständnis bedeutet es, dass ihre Aufgaben zunehmen, weil die sozialen Probleme zunehmen, aber zugleich ihre Einnahmen sinken. Durch diese Art, wie wir Sozialstaat im Grunde nach dem Krieg im Westen verstanden haben und wie es im Osten Staatspolitik gewesen ist, hat der Staat sich für alle Lebensrisiken verantwortlich gefühlt und diese aufgefangen. Das hat zur Explosion der Kosten des Sozialstaats geführt, aber auch dazu, dass Selbsthilfepotenziale und soziale Netze der Bürgerinnen und Bürger, die früher soziale Risiken mit abgefangen haben, immer mehr an Bedeutung und Akzeptanz verloren haben. Insgesamt bedeutet dies für die Städte eine erhebliche Problematik, denn es gibt . mehr noch als auf der staatlichen Ebene auch . eine wachsende Divergenz zwischen Ausgaben und Einnahmen. Wie können die Städte dieser Problematik wirksam begegnen? Sie können kaum ihren Handlungsspielraum erweitern, weil dieser durch gesetzliche Vorschriften sehr stark eingeschränkt ist. Man kann versuchen, die Gesetze innovativ zu interpretieren, aber es gibt sehr prekäre Beispiele, wie Rechnungshöfe eine solche innovative Interpretation wieder hinfällig machen; es ist also ein riskantes Feld und eher schwierig. Näher liegt vielleicht die Steigerung kommunaler Handlungskraft, also die Frage nach den Möglichkeiten der Einnahmenerhöhung. Auch dies ist nicht ganz einfach, wenn man sieht, wie die Unternehmen versuchen, Steuern zu vermeiden. Auch .denkt. der Staat, um den Standort Deutschland nicht noch mehr zu schwächen, nur an Steuersenkung und keineswegs an Steuererhöhung, sodass mehr Geld kaum zu erwarten ist. Die Städte müssen also in mehrerlei Hinsicht versuchen, ihre Ausgaben zu senken, aber sie müssen dabei darauf achten, dass es zwar vielleicht weniger Output, aber mehr Outcome gibt: also weniger an Ausgaben und mehr an Ergebnis. Dies kann man nur erreichen, wenn man die Effizienz staatlichen Handelns erhöht, und das ist genau genommen der Ansatz, um den es insgesamt bei der Reform des staatlichen Handelns geht, auch in der Städtebauförderung. 3. Sozialräumliche Polarisierung
Die Stadterneuerung steht vor besonderen Problemen. Der soziale Wohnungsbau ist seit den 80er-Jahren massiv zurückgegangen. Damals hatten wir vier Millionen Sozialwohnungen, heute haben wir weniger als zwei Millionen, und es werden pro Jahr rund 100 000 weniger. Dies ist ein rapider Rückgang, und zugleich ist die Zahl der Arbeitslosen und Sozialhilfeberechtigten enorm gestiegen, sodass sich auch da eine ganz massive Schere entwickelt hat. Für Wohneigentumsförderung werden im Jahr viele Milliarden DM ausgegeben. Man sagt, das sei eine .Dorfförderung", eine Förderung zudem der schon relativ Wohlhabenden. Innerhalb der Städte gibt es eine Segregation in gute und weniger gute Stadtteile. Die gewollte Segregation ist zunehmend möglich, weil der Wohnungsmarkt entspannt ist; man kann sich in den mittleren und oberen Wohnungsmarktsegmenten relativ leicht eine Wohnung an einem genehmen Standort verschaffen. Die Lebensstile der Mittelschicht laufen zunehmend darauf hinaus, sich abzugrenzen und sich nicht mehr .problematischeren Bevölkerungsgruppen" auszusetzen, wie aus ihrer Sicht vor allem Ausländern oder Sozialhilfeempfängern. Diese werden, weil es keinen sozialen Wohnungsbestand mehr gibt, der eine soziale Mischung sicherstellt, in ganz bestimmte Quartiere verdrängt, die für sie übrig bleiben, und das hat besonders für Kinder eine negative Wirkung. Ich habe vorhin darauf hingewiesen, dass die problematischen Familien in den Städten verbleiben, wohingegen die eher besser gestellten Familien ins Umland ziehen. Wer das Ruhrgebiet kennt, weiß, dass bei den großen Städten an der Ruhr von Duisburg bis Dortmund der Süden die schöne Seite ist und der Norden, die altindustrialisierte Region, eher das problematische Gebiet. Die Entwicklung hat sich mittlerweile eher noch verschärft: Im Süden gibt es nur noch wenige Kinder, es gibt in Essen z.B. einen Stadtteil, in dem es überhaupt kein Kind mehr gibt. Im Norden dagegen gibt es viele Kinder. Hier aber sind viele Quartiere benachteiligt, weil sich dort alte und billige Wohnungen finden, die aber häufig schlecht instand gesetzt sind. Aber wenn man dort erst einmal wohnt, ist es auch ganz schwer, wieder in ein besseres Gebiet zu ziehen, weil diese Gebiete auch benachteiligend wirken. Die Adresse als solche ist bereits ein Hindernis, wenn es darum geht, einen Arbeitsplatz oder eine andere Wohnung zu finden. Hinzu kommen gesundheitliche Probleme, Arbeitsplatzprobleme sowie Schul- und Bildungsprobleme. Die Schulen in den Gebieten haben eine ganz besondere Verantwortung, weil sie die Grundlage dafür schaffen, dass die Kinder im späteren Berufsleben überhaupt eine Chance haben. Diese Verantwortung können sie nicht wahrnehmen, wenn sie sich verhalten (müssen) wie alle anderen Schulen auch; stattdessen müssen sie in besonderer Weise auf diese Gebiete und die Situation der Kinder in ihnen ausgerichtet sein und dafür mit Personal und Fähigkeiten ausgestattet werden. Es findet also eine Ausgrenzung der Menschen statt, die dort wohnen, und manche Stadtsoziologen sagen, dass diese Menschen überflüssig seien. Die bräuchten wir gar nicht, weil sie nur etwas kosten und der Gesellschaft keinerlei Nutzen brächten. Dies sind ganz böse Worte, und ich denke, dort muss man unbedingt ansetzen, um bei diesen Menschen wieder Selbstvertrauen und auch das Vertrauen Dritter aufzubauen. Außerdem findet natürlich soziales Lernen statt. Wenn man in so einer Umgebung niemanden mehr kennt, der normal arbeiten geht, der sein Geld durch eigener Hände Arbeit oder Kopfarbeit verdient, dann verlernt man, dass man morgens aufstehen muss, man sieht, dass es andere Quellen gibt, über die man an Geld kommt, dass es ausreicht, wenn man tagsüber Sozialhilfe empfängt und dafür nachts Türsteher in einer Disco ist, was vielleicht noch ein bisschen Spaß macht. Solche Erwerbsbiographien entstehen dort und führen dazu, dass es einfach schwierig ist, sich wieder in ein normales Leben einzugliedern. Um hier etwas zu bewegen, sind Geld, Fürsorge und bauliche Maßnahmen völlig unzureichend. Es muss dafür gesorgt werden, dass die strukturellen Probleme gelöst werden und dass eine Kultur der Selbständigkeit und nicht der Abhängigkeit gefördert wird. III. Das Bund-Länder-Programm Soziale Stadt
1. Entstehung
Die soziale Problematik wurde in der Stadterneuerungspolitik als Thema schon immer diskutiert, war aber lange Zeit oft nicht praktisch bedeutsam. Begonnen hat die Sanierungspolitik mit der Flächensanierung 1971, als ganze Stadtteile und Häuserzeilen abgerissen wurden, um neu zu bauen. Dabei stand der Bau ganz eindeutig im Vordergrund. Für die Menschen gab es einen Sozialplan, der eine möglichst sozialverträgliche Unterbringung vorsah, aber ihre Interessen wurden nicht angemessen berücksichtigt. Dann gab es 1987 ein erstes Aufflackern einer anderen Strategie, die IBA in Berlin, die Vorbild für die IBA Emscherpark gewesen ist. Es wurde behutsam erneuert und versucht, sich an den Interessen der Menschen zu orientieren. Es war ein langsamer und beschwerlicher Weg, bis in Nordrhein-Westfalen das Programm Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf und in Hamburg das ursprünglich so genannte Armutsbekämpfungsprogramm aufgelegt wurden. Es ist allerdings schon schwierig, solche Quartiere zu benennen. Von der einen Seite bekommt man den Vorwurf, man würde stigmatisieren, wenn man sagt, es seien Problemquartiere, eine solche Benennung würde die Quartiere erst recht schlecht machen. Sagt man aber, es seien Quartiere mit vielen Potenzialen, bekommt man aus der anderen Ecke zu hören, man beschönige die Probleme. Also muss ein Weg dazwischen gefunden werden, und Erfahrungen zeigen, dass sich dieses Außenimage durchaus wandelt, wenn man mit diesen Gebieten arbeitet, weil die Nachrichten aus dem Gebiet sich ändern und nicht mehr so viel über die Probleme berichtet wird, sondern über das, was an Positivem geschieht. Wenn dies gelingt, schafft man insgesamt auch, das Image und die Chancen dieser Gebiete zu verbessern. Die rot-grüne Regierung hat nun 1998 aus diesem Ansatz ein eigenes Programm gemacht. Die .Philosophie. dieses Programms ist eine ganz alte und leider längere Zeit vergessene Einsicht. Sie stammt von Augustinus, etwa 400 nach Christus, und besagt, dass Städte nicht aus Häusern und Straßen bestehen, sondern aus Menschen und ihren Hoffnungen. Das Entscheidende ist die Orientierung an den Menschen, an deren Bedürfnissen, an deren Möglichkeiten und an deren Potenzialen. Das soll mit diesem Programm versucht werden und führt im Grunde dazu, dass man ein sehr vielfältiges und sehr komplexes Feld vor sich hat. Die Menschen haben vielfältige Bedürfnisse und Möglichkeiten, es gibt vielfältige Ansatzpunkte; aber das Wichtigste, das die Menschen für ihr Leben brauchen, sind eine Wohnung und ein Arbeitsplatz. Dazu kommen die Ermöglichung von wirklicher Partizipation, die Verbesserung des sozialen und des Wohnumfelds und der öffentlichen Räume, die Stärkung der sozialen Milieus. Es ist über lange Zeit nicht genügend berücksichtigt worden, dass es nicht nur bauliches und finanzielles Kapital gibt, sondern auch soziales Kapital, das, was in einem Gebiet an Nachbarschaftsbeziehungen, an Verbindungen, an Vereinen, an all diesen Strukturen entsteht, die die Menschen dazu befähigen, mit ihrem Leben überhaupt fertig zu werden. Solches Kapital besteht in diesen Siedlungen vielfach nur in Ansätzen und muss gefördert und entwickelt werden. Hierzu müssen alle Akteure mit ihrer je spezifischen Leistung beitragen. 2. Aufgaben des Deutschen Instituts für Urbanistik
Das Programm Soziale Stadt fordert von fast allen an seiner Umsetzung beteiligten Akteuren, auch von den Bürgerinnen und Bürgern, neues Denken und neues Handeln. Der Kommunikation unter den Beteiligten kommt aus diesem Grund besondere Bedeutung zu. Bund und Länder haben daher das Difu mit der Programmbegleitung beauftragt, deren Elemente das beigefügte Schaubild verdeutlicht (vgl. Abbildung 1). Wichtigste Aufgabe des Difu bei der Begleitung der Programmumsetzung ist die Organisation des Erfahrungsaustauschs durch zentrale und dezentrale Veranstaltungen, durch eine Informationszeitschrift für alle Programmgebiete und sonstigen Interessierten und eine Schriftenreihe mit Arbeitspapieren zum Programm Soziale Stadt. Weiterhin dient das Internetforum sozialestadt.de dem Informationsaustausch unter allen Akteuren im Programm. Der zweite Tätigkeitskreis ist die Programmbegleitung-vor-Ort, die in 16 Modellgebieten, das heißt in einem Modellgebiet pro Land, vorgenommen wird, wobei das Difu in vier Städten diese Programmbegleitung selbst durchführt und in 12 Städten Unterauftragnehmer gewonnen hat. Hier sollen die Erfahrungen mit der Umsetzung des Programms in besonderer Weise begleitet und dokumentiert werden, zugleich aber sollen die Städte, wenn nötig, durch die Programmbegleitung-vor-Ort unterstützt und aktiviert werden. Der dritte Tätigkeitsbereich sind Good Practice-Analysen, mit denen besonders lehrreiche Beispiele für Interessierte aufbereitet werden. Als Basis für diese Good Practice-Analysen dient die vom Difu aufgebaute und über das Internetforum allgemein zugängliche Projektdatenbank, die inzwischen 137 Projekte, die in etwa den Ansprüchen des Programms Soziale Stadt genügen, enthält. Die Handlungsfelder sind aus der Aufstellung in der Abbildung 2 ersichtlich. Die Schwerpunkte bei der Good Practice-Analyse sind entsprechend dem Hauptziel des Programms die Bündelung der Ressourcen, Fragen des Managements und der Organisation sowie die Aktivierung der Quartiersbevölkerung. Diese Aktivitäten des Difu dienen insgesamt auch der Vorbereitung einer Programmevaluierung, die von einer externen Einrichtung vorgenommen werden soll. Die Vorarbeiten hierzu haben begonnen. Dabei wird es sich nicht um eine ex post durchzuführende summative Evaluation handeln, sondern um eine während der Laufzeit des Programms erfolgende formative und nur in Teilen summative Evaluation, die die Erfahrungen mit der Programmumsetzung aufbereitet und zugleich Erkenntnisse für eine Weiterentwicklung des Programms zur Verfügung stellt.
Abbildung 2: Handlungsfelder der Projektdatenbank zum Bund-Länder-Programm "Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf - die soziale Stadt"
3. Gebietstypisierung
50 Prozent der in das Programm Soziale Stadt aufgenommenen Gebiete befinden sich in Städten mit über 100 000 Einwohnern, 40 Prozent in Städten zwischen 20 000 und 100 000 Einwohnern und zehn Prozent sogar in noch kleineren Städten. Soziale Stadt ist also keineswegs ein Großstadtprogramm, sondern die von ihm aufgegriffene Problematik, diese soziale Segregation zeigt sich auch in vielen kleineren Städten und Gemeinden, und der Handlungsansatz ist deshalb überall gefordert. Von der baulichen Struktur her handelt es sich bei den Gebieten um Großsiedlungen am Stadtrand, Altbauquartiere eher in Innenstadtnähe, zum Teil auch gemischte Quartiere. Der Ausländeranteil und der Anteil an Sozialhilfeberechtigten ist vielfach doppelt so hoch wie in der Gesamtstadt; dies gilt auch für den Anteil an Kindern und Jugendlichen. Das liegt zum Teil an den ausländischen Haushalten, aber auch daran, dass deutsche Familien mit vielen Kindern ebenfalls besonders armutsgefährdet sind und häufig nur in solchen benachteiligten Quartieren eine Wohnung finden. 4. Ziel und Handlungsansätze
Ziel des Programms Soziale Stadt ist, die Abwärtsspirale in den benachteiligten Quartieren zu stoppen und eine positive, selbsttragende Entwicklung einzuleiten. Um diesem Ziel näher zu kommen, verfolgt das Programm drei Ansätze: Der erste Ansatz hat einen Verwaltungs- und Politikbezug, das heißt, es muss sich etwas in der Verwaltung und der Art der Politik ändern. Es wird nicht so sein, dass man mit den Mitteln wie bisher weiterarbeiten kann, deswegen sind das Entscheidende die Querschnittsorientierung, die Ressortkooperation, die Mittelbündelung, ein integriertes Handlungskonzept. Da die Menschen im Mittelpunkt stehen und sie komplexe Probleme haben, muss auch die Antwort darauf eine komplexe sein. Man muss in besonderer Weise zusammenarbeiten, und es ist nicht damit getan, mit spezialisierten Angeboten für enge, spezielle Zwecke etwas zu bewegen. Zum Beispiel müssen Schulen, die ja eine ganz wichtige Rolle haben, aber in vielen dieser Gebiete an der Entwicklung nicht beteiligt sind, unbedingt einbezogen werden. Dasselbe gilt für Gesundheitsfragen, für Umwelt, für soziale Arbeit, Jugendhilfe, Barrierefreiheit. Bemerkenswert ist, dass es in anderen Politikbereichen eine ähnliche, auf Integration und Kooperation angelegte Entwicklung gibt. Im Bereich Gesundheit gibt es die Ottawa-Charta der Weltgesundheitsorganisation von 1987, die Gesundheit als Wohlergehen, als Wohlbefinden definiert, das heißt, es kommt darauf an, dass man nicht nur manifeste Krankheiten in den Blick nimmt, sondern die gesamte Lebenssituation des Menschen betrachtet und wie man ihm hier helfen kann. Und man stellt fest, dass viele Menschen zwölfmal im Jahr oder öfter zum Arzt gehen, es ihnen aber nicht besser geht, weil die Bedingungen, unter denen sie krank werden, nicht geändert werden. Es geht um mehr als Krankheitsbehandlung; integrierte Gesundheitsförderung tut Not, wie sie die Weltgesundheitsorganisation WHO unter anderem mit ihrem Programm .Gesundheit 21. fordert. Sie knüpft damit schon von ihrem Titel her an die bekannteste Forderung eines integrierten Ansatzes an, nämlich an die Agenda 21, die eine nachhaltige Entwicklung nur bei einer Zusammenschau und Kooperation der drei Handlungsbereiche Ökonomie, Ökologie und Soziales als möglich ansieht. Der zweite Ansatz ist der Quartierbezug, also die Orientierung an einem bestimmten Gebiet, das in irgendeiner Weise abgegrenzt ist, und nicht die Beschränkung auf eine bestimmte Zielgruppe. Diese Gebietsabgrenzungen stellen ein Problem dar, und wir sind damit nicht immer sehr glücklich: Manchmal sind die Gebiete viel zu groß, haben an die 100 000 Einwohner, andere dagegen sind sehr klein und haben nur 3 000 oder noch weniger Einwohner. Irgendwo dazwischen sollte die Einwohnerzahl schon liegen, da man sonst gar keine eigenständige lokale Entwicklung initiieren kann. Der lokale Bezug wird viel diskutiert. Es gibt viele Soziologen, die sagen, dass die Menschen heute in den Städten nicht mehr auf ein Quartier, auf einen Stadtteil bezogen sind, sondern in der ganzen Stadt leben und diese im Grunde wie Touristen konsumieren. Wo sie gerade wohnen und leben, ist eigentlich egal. Wenn man sieht, wie häufig Familien und viele Haushalte umziehen, dann könnte man denken, dass man dahin zieht, wo es gerade .in" ist, wo es modern ist, aber eine Beziehung zum Quartier hat man nicht. Stadtentwicklung müsse daher immer gesamtstädtisch oder gar regional ansetzen. Dies ist sicherlich eine richtige Beobachtung, die aber nur für einen Teil der Bevölkerung gilt. Für die Menschen in den Quartieren der Sozialen Stadt ist es zum großen Teil ganz anders, weil sie gar keine Möglichkeit haben, in ein anderes Gebiet zu ziehen. Sie kommen aus ihrem Gebiet häufig nicht hinaus, vor allem die Kinder, aber auch viele Erwachsene, besonders viele Mütter. Das ist ihre Lebenswelt, und wenn man für die Menschen etwas tun will, dann muss man etwas für das Quartier tun. Nur auf Quartiersebene lassen sich zum Beispiel Bürgermitwirkung und der Aufbau des für eine positive Quartiersentwicklung so wichtigen sozialen Kapitals organisieren. Auch der Aufbau lokaler Ökonomie, um den Menschen in den benachteiligten Quartieren eine Chance auf dem Arbeitsmarkt zu geben, bedarf der örtlichen Fokussierung. Es ist der traditionelle Ansatz der Wirtschaftsförderung, Gewerbegebiete bereitzustellen und besonders Hightech zu fördern. Ein anderer, viel mühsamerer, schwierigerer und für viele Wirtschaftsförderer ungewohnter Weg ist es, etwas für die vielen kleinen, unscheinbaren Unternehmen mit zehn oder weniger Beschäftigten zu tun, Existenzgründung in diesem Feld zu fördern. Das passt zu der Sanduhr, von der ich vorhin sprach: Auch im unteren Bereich wachsen trotz einer hier nicht hilfreichen Arbeitsmarktpolitik Tätigkeiten, einfache Tätigkeiten, mit denen man sicherlich nicht reich wird, aber durchaus seinen Lebensunterhalt verdienen und zufrieden sein kann. Aber auch hier bedarf es der Beratung und der Förderung der Unternehmen wie der Menschen selbst. Der dritte Ansatz ist die Bürgermitwirkung, die im Mittelpunkt des Programms steht und mit der herausgehobenen Rolle, die sie den Bürgerinnen und Bürgern zukommen lässt, das wirklich Neue darstellt. Bürgerbeteiligung im traditionellen Sinn ist ein sehr unzulänglicher Ansatz, es bedarf vielmehr der Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger bei der Zielentwicklung, Planung und Entscheidung. Dies ist ein Prozess, der oft einen langen Vorlauf erfordert und für den es mehr braucht als nur eine Postwurfsendung, die zur Bewohnerversammlung einlädt. Damit erreicht man nur die .Berufsbürger" und die anderen gar nicht. Werden innovative Methoden wie etwa Planungszelle oder Bürgergutachten eingesetzt, stellt sich heraus, dass die Menschen erstens vielfach bereit sind mitzumachen, und zweitens sehr gute Ideen haben. Sie wissen sehr gut, welche Probleme es in ihrem Gebiet gibt, und haben keineswegs, wie immer gesagt wird, illusorische oder egoistische Vorstellungen, sondern wissen oft ganz genau, was möglich und machbar ist. Ein wichtiges, über das Programm Soziale Stadt finanzierbares Instrument zur Aktivierung der Bürgerinnen und Bürger und zu ihrer Einbeziehung in die lokalen Entscheidungsstrukturen ist das Quartiermanagement. Die Bedeutung der Bündelung der vielfältigen Ressourcen und von Management und Organisation verdeutlicht die beigefügte Grafik, die Prof. Staubach für die Dortmunder Nordstadt entwickelt hat (Abbildung 3). Sie sehen hier eine Vielzahl von Akteuren, die in diesem Gebiet des Programms Soziale Stadt tätig sind. Wirtschaft und Polizei etwa fehlen dabei noch. Diese Vielfalt macht aber deutlich, dass es darauf ankommt, die Akteure für ein koordiniertes und kooperatives Vorgehen zu gewinnen, nicht aber sie durch eine von außen aufgedrückte Organisationsstruktur zu verprellen. In Dortmund ist dieses Problem gut gelöst, weil sich die Soziale Stadt hier als eine solidarische Stadt und als Gemeinschaftsinitiative mit vielen Partnern versteht, die Vielfalt und neue Wege der Kommunikation und Kooperation als Stärken des Programms ansieht und einsetzt.
Die Problematik einerseits und die notwendige komplexe und sensible Vorgehensweise andererseits macht die Aufgabenstruktur des Quartiermanagements deutlich, wie sie in dem beigefügten Schaubild idealtypisch dargestellt ist (Abbildung 4). Dabei ist dieses Schaubild nicht ein theoretisches Konstrukt, sondern basiert auf zahlreichen praktischen Erfahrungen bundesweit, insbesondere des Instituts für stadtteilbezogene soziale Arbeit und Beratung der Universität Essen und des Deutschen Instituts für Urbanistik mit dem Programm Soziale Stadt und vergleichbaren Vorläuferprogrammen, vor allem in Nordrhein-Westfalen mit dem Programm Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf. Hier wird deutlich, dass das Quartiermanagement im Regelfall drei Funktionen zu erfüllen hat, nämlich eine Funktion auf der Ebene der Gemeinde, bei der eine Gebietsbeauftragte oder ein Gebietsbeauftragter die Koordination und Gesamtprojektsteuerung übernimmt und für die Ressourcenbündelung verantwortlich ist, dann die Funktion einer Fachkraft, die im Stadtteilbüro vor Ort die Bewohnerinnen und Bewohner und die sonstigen lokalen Akteure unterstützt, beteiligt und gegebenenfalls aktiviert. Dazwischen bedarf es zumindest in größeren Gebieten einer intermediären Ebene, auf der die Vernetzung der Akteure und die Abstimmung der Projekte erfolgen. Dies kann durch Stadtteilforen oder sonstige Einrichtungen geschehen, die es in vielen Städten gibt und die eine auf die jeweiligen konkreten örtlichen Bedingungen zugeschnittene Strukturierung erfahren haben.
Wichtig ist dabei immer, dass die Wirtschaft und der dritte Sektor, also die Wohlfahrtsverbände und Einrichtungen der Gemeinwesenarbeit, ebenso beteiligt werden wie die örtliche Politik. Vor allem diese sieht in solchen Strukturen eine Gefahr, weil sie hier einen Machtverlust für sich und einen Machtgewinn für die Verwaltung befürchtet. Auch die Wohlfahrtsverbände sehen die Gefahr einerseits von Entprofessionalisierung, weil zu viel .Laienarbeit. oder ehrenamtliche Tätigkeit die fachlichen Standards absenke, und andererseits von Mittelschichtorientierung, weil die Anforderungen an solche Bürgerbeteiligung nicht von allen Bürgerinnen und Bürgern bewältigt werden könnten. Gerade deshalb aber ist es wichtig, dass eine Aktivierung vor Ort stattfindet und dabei mit allen Bürgerinnen und Bürgern das Gespräch gesucht und ein Verfahren entwickelt wird, das auch sie in die Entscheidungs- und Entwicklungsprozesse im Gebiet einbezieht und sie hierzu befähigt (Empowerment). Wenn dies wirksam geschieht, dann ist die demokratische Legitimation des Verfahrens gesichert, dann ist ein Reputationsverlust für die Politik vermieden und Klientelpolitik erschwert worden. Auch zeigt die Erfahrung, dass die Bürger durchaus in der Lage sind, singuläre Interessen zu überwinden und an gemeinschaftlich zu tragenden Projekten und Zielen mitzuwirken. Politik wie Verwaltung sind hierbei ein wichtiger Partner der Bürgerinnen und Bürger und können und müssen diese unterstützen. Die Chancen für die Politik liegen insbesondere darin, dass sie mit dem politischen Grundsatzbeschluss eines integrierten Handlungskonzepts auf der Grundlage eingehender Bürgermitwirkung selber die Richtlinien der Entwicklung in dem Gebiet bestimmt, dass sie in die örtliche Willensbildung einbezogen wird und diese mitgestaltet, dass sie eine gesamtstädtische Sicht und Solidarität einbringen und die Prozesse als konstruktive Ergänzung repräsentativer Demokratie betrachten kann. Politikverdrossenheit der Bürgerinnen und Bürger kann so abgebaut werden, und auf diese Weise können sogar Anstöße für eine Politikveränderung im Großen erfolgen, wie sie etwa bei der Arbeitsförderung und Wirtschaftsförderung, der Wohneigentumsförderung oder der Wohnungsbauförderung notwendig sind. Bei Letzterer ist durch die Fortentwicklung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes in ein Gesetz zur sozialen Wohnraumförderung schon ein wichtiger Erfolg gelungen. Für die Verwaltung bedeutet die interne Kooperation nicht nur einen fachlichen Kompetenzzuwachs, sondern auch einen Effektivitäts- und Effizienzgewinn, der die Erfüllung öffentlicher Aufgaben kostengünstiger gestaltet und zugleich das Ziel der Bürgernähe und der Unterstützung durch die Bevölkerung näher rückt. Dafür sind Verfügungsfonds von Bedeutung, wie sie z.B. hier in Nordrhein-Westfalen, aber auch in vielen anderen Ländern zum Einsatz kommen. Den Bürgerinnen und Bürgern wird .freies. Geld an die Hand gegeben, was einige Länder als Gefahr sehen, weil man nicht weiß, was diese damit machen. Die Erfahrungen haben jedoch gezeigt, dass die Beteiligten sehr verantwortlich mit dem Geld umgehen und das Gefühl haben, ernst genommen zu werden. Die Bürgerinnen und Bürger haben die Möglichkeit, selbst unmittelbar etwas zu bewegen, und das führt sie an die Mitwirkung an lokalen Entscheidungs- und Planungsprozessen heran und fördert ihre Motivation zur Mitwirkung. Diese korrespondierenden Entscheidungsstrukturen und Verwaltungsorganisationen sind sehr wichtig. Es gibt viele unterschiedliche Modelle: Es kann ein Verein oder ein Bürgerforum sein. Wichtig ist, dass die örtliche Politik, die Verbände, die Wirtschaft, vor allem die Wohnungswirtschaft, und auf der anderen Seite natürlich die Verwaltung einbezogen werden. Was in dem Forum beschlossen wird, muss eine gewisse Verbindlichkeit für den Stadtrat haben, damit es auch wirklich umgesetzt wird. IV. Kritik am Programm Soziale Stadt
Das Programm Soziale Stadt erfährt aus allen mit seiner Umsetzung in irgendeiner Weise beteiligten Bereichen von der Politik bis zur Wirtschaft, von der Verwaltung bis zu den Verbänden, viel Zustimmung und Unterstützung. In vielen Gebieten ist es gelungen, eine Aufbruchstimmung zu erzeugen. Man kann fast schon von einer .Bewegung. sprechen. Gleichzeitig aber gibt es auch erhebliche Kritik am Programm. Hierauf will ich im Folgenden näher eingehen. 1. Beschränkung auf Investitionen
Häufig ist als Kritik zu hören, das Programm Soziale Stadt sei deshalb unzureichend, weil es auf Investitionen beschränkt sei und daher wichtige Elemente der Stadtteilentwicklung nicht umfasse. Hierauf ist zu entgegnen, dass die Beschränkung auf Investitionen aus dem Grundgesetz folgt. Art. 104 a Abs. 4 Grundgesetz beschränkt den Bund darauf, Finanzhilfen für Investitionen der Länder zu leisten. Allerdings wird der Begriff der Investition in der Städtebauförderung traditionell weit ausgelegt. So fallen hierunter alle Maßnahmen, die in einem notwendigen Zusammenhang mit der Investition stehen oder zu ihrer Vorbereitung erforderlich sind. Dies gilt insbesondere auch für die Bürgerbeteiligung, da lange schon erkannt ist, dass die nachhaltige Wirksamkeit einer Investition nur sichergestellt werden kann, wenn diese mit einer intensiven Bürgerbeteiligung verbunden war. Aus diesem Grund sind die Mittel für Quartiermanagement und Verfügungsfonds, die wesentlich zur Aktivierung und Mitwirkung der Bürgerschaft an der Quartiersentwicklung beitragen, aus dem Programm Soziale Stadt finanzierbar. Weitere Maßnahmen, etwa aus den Bereichen Jugendhilfe oder Sozialarbeit, lassen sich unmittelbar mit Mitteln aus der Sozialen Stadt nicht finanzieren. Hier kommen aber der integrative Charakter und die Aufforderung zur Kooperation und Mittelbündelung, die das Programm prägen, zum Tragen. Mir erscheint es viel sinnvoller, wenn Maßnahmen in anderen Politiksektoren auch von den dafür zuständigen Behörden und Verbänden und sonstigen Einrichtungen geleistet werden, weil nur auf diese Weise auch das notwendige fachliche Know-how in die Leistungserbringung einbezogen wird. Keinesfalls darf es so weit kommen, dass die Städtebauförderung nun etwa selbst die Jugendhilfe macht. Auch die Ressourcen und Netzwerke, die von den anderen Fachverwaltungen und Fachverbänden über lange Jahre aufgebaut wurden und die für eine optimale Leistungserbringung unentbehrlich sind, könnte die Stadtentwicklung allein nicht fruchtbar machen. 2. Unzureichende Mittelausstattung
Eine weitere Kritik am Programm lautet, es sei mit zu wenig Mitteln ausgestattet. Investitionsmaßnahmen seien in viel größerem Maße erforderlich, als dies das Programm ermöglicht. Hierzu ist zum einen wieder auf die mögliche Bündelung mit Mitteln aus anderen Investitionsprogrammen hinzuweisen, auch auf die klassische Städtebauförderung, die Wohnungsbauförderung oder die Verkehrswegefinanzierung, die mit dem Programm Soziale Stadt verbunden werden können. Auch ist hier wieder auf die Notwendigkeit der Kooperation mit anderen Ressorts und deren Mitteln und Kompetenzen hinzuweisen. Zudem liegt in dieser Struktur des Programms auch ein Anreiz zur Änderung in Denken und Handeln von Politik und Verwaltung in Richtung eines integrierten Vorgehens und vor allem einer substanzielleren Bürgermitwirkung. Diese aber erhöht die Zielgenauigkeit des Mitteleinsatzes und ermöglicht weitergehende Effekte als eine .bloße. Investition. Es kommt also nicht auf mehr Mittel an, sondern auf mehr Innovation. 3. Kaschierung des Abbaus von Sozialleistungen
Hinter der Kritik, das Programm Soziale Stadt diene nur der Kaschierung des Abbaus sozialstaatlicher Leistungen, steht meines Erachtens vielfach ein wesentlich auf finanzielle Maßnahmen verengter Begriff des Sozialstaats. Die Diskussion über eine Reform des Sozialstaats ist schon alt. Bereits in den 70er-Jahren wurden die Grenzen des Sozialstaats diskutiert, in den 80ern war die Rede vom Umbau des Sozialstaats, und in den 90er-Jahren war der schlanke Staat, der sich auf seine Kernaufgaben reduziert und alles andere privaten Marktakteuren überlässt, im Gespräch. Derzeit ist aktuell der Ansatz des aktivierenden Staats, mit dem eine Diskussion aufgegriffen wird, die schon Ende der 70er-Jahre geführt wurde. Schon 1979 legte etwa Johanno Strasser in seinem Buch .Grenzen des Sozialstaats?. genau die Probleme offen, die wir heute diskutieren. Er sah in der effektiven Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger an der Erbringung sozialstaatlicher Leistungen einen wichtigen Beitrag zur Demokratisierung des Staates und in der hierin liegenden .Koproduktion. ein wesentliches Element zur Erhöhung der Zielgenauigkeit und damit Sparsamkeit staatlicher Leistungen. Auch heute wird die Modernisierung der Verwaltung in Richtung stärkerer Bürgerorientierung und damit Effizienzsteigerung diskutiert. So spricht etwa Kurt Beck, Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz, von der Notwendigkeit einer .Streetworking bureaucracy., die auf die Bürger zugeht und deren Mitwirkungsbereitschaft ermöglicht und einfordert. Quartiermanagement und Empowerment, wie sie vom Programm Soziale Stadt gefordert und gefördert werden, sind wichtige Elemente, nicht nur Kosten zu sparen, sondern um die Qualität und Akzeptanz der Leistungserbringung deutlich zu erhöhen. Mit Neoliberalismus, wie manche argwöhnen, hat dies also gerade nichts zu tun. Allerdings darf die Verantwortungsteilung, wie sie das Konzept des aktivierenden Staats zwischen unter anderem Staat und Gesellschaft vorsieht, nicht zu einer Verantwortungsabschiebung missbraucht werden, bei der sich der Staat aus seiner Verantwortung völlig verabschiedet. Wird aber die Verantwortungsteilung ernst genommen, sind auch die Bürgerinnen und Bürger zur Verantwortungsübernahme bereit und schaffen so mit die Basis für einen funktionierenden und nachhaltigen Sozialstaat. 4. Bloßer Stadtteilbezug statt gesamtstädtischer Orientierung
Die Kritik, das Programm sei auf einzelne Stadtteile beschränkt und vernachlässige die notwendige gesamtstädtische Perspektive, ist richtig und falsch zugleich. Richtig ist auf der einen Seite, dass ohne einen hinreichenden gesamtstädtischen Bezug weder eine zutreffende Gebietsauswahl erfolgen noch die Solidarität der Gesamtstadt mit den benachteiligten Quartieren eingefordert werden kann. Wichtig ist vor allem auch die Prävention in anderen Stadtteilen durch eine vorsorgliche .Quartierspflege., um die Eskalation von Problemen dort zu vermeiden und von vorneherein die Entwicklung .sozialen Kapitals. und von Mitwirkungsstrukturen zu fördern. Auf der anderen Seite ist der Stadtteil gerade für Menschen in den benachteiligten Quartieren ihr eigentlicher Lebensraum. Das für die Stabilisierung dieser Quartiere notwendige .soziale Kapital., also die Vernetzungen untereinander und die gegenseitige Hilfe und Unterstützung, lässt sich nur in räumlich begrenzten Quartieren, in Sozialräumen aufbauen. Zudem würde ein räumlich umfassender Ansatz Politik und Verwaltung noch mehr überfordern, als es vielfach mit dem Programm Soziale Stadt ohnehin schon der Fall ist. Das Programm Soziale Stadt kann daher durchaus als ein Pilotprojekt für eine Reform der Stadterneuerungspolitik und auch der Stadtpolitikerneuerung angesehen werden. Es ist ein wichtiger Anstoß für Politik und Verwaltung, Bürgerschaft und Wirtschaft einschließlich der Wohnungswirtschaft, für Verbände und Initiativen, neue, effiziente und nachfragegerechte Strukturen und Angebote zu entwickeln. 5. Zeitliche Begrenzung
Der Begriff Programm und die Jährlichkeit der Mittelansätze verleiten viele Kritiker dazu, von einer zeitlichen Begrenzung des Programms Soziale Stadt auszugehen. Soziale Stadt ist aber ein Bestandteil der Städtebauförderung, die es bereits seit 1971 gibt. Ebenso wie dieses Grundprogramm soll auch Soziale Stadt als ein stetiges Programm entwickelt werden, da gerade in den Gebieten der Sozialen Stadt nicht zu erwarten ist, dass die Probleme in kurzer Zeit gelöst werden können. Auch klassische Sanierungsgebiete hatten bei aller notwendigen Zügigkeit der Durchführung eine Maßnahmedauer von zehn bis 15 Jahren. Das mit dem Programm auch verfolgte Ziel einer Stärkung der Demokratie und eines Abbaus von Politikverdrossenheit ist nur zu erreichen, wenn mit dem Programm nicht ein kurzfristiger Aktionismus gefördert wird, sondern mit langem Atem eine ernsthafte Verhaltens- und Verwaltungsänderung angestrebt werden. Dies hat die Bundesregierung erkannt und setzt sich für eine Verstetigung ein. 6. Simultanpolitik
Es ist zutreffend, dass durch das Programm die Strukturen anderer Politikfelder, die mit sehr viel mehr Mitteln und Macht ausgestattet sind, nicht unmittelbar verändert werden. Aber durch seinen integrativen Charakter, seine starke Bürgerorientierung und die große politische Aufmerksamkeit, die das Programm errungen hat, deutet sich auch an, dass andere Politikfelder sich strukturell wandeln. Von dem Programm gehen daher durchaus auch Anstöße für eine Änderung gesamtstaatlicher Politik aus. Alle, auch und besonders die Wohnungsunternehmen, die an der Umsetzung des Programm auf die eine oder andere Art beteiligt sind und davon nicht unbeträchtliche Vorteile haben, sollten daher mit dazu beitragen und daran mitwirken, auch die Politik und die Gelder in Bereichen wie Arbeitsmarktförderung, Wohneigentumsförderung oder Wirtschaftsförderung zu einem relevanten Teil für das Politikfeld der Sozialen Stadt fruchtbar zu machen. Dann kann aus dem Programm Soziale Stadt mehr als ein Programm zur Stadterneuerung werden, nämlich ein Anstoß zur Politikerneuerung, auch und gerade im Interesse der Menschen in Stadtteilen mit besonderem Entwicklungsbedarf. |
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