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Stadt in Angst oder Offene Stadt? |
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John Friedmann |
John Friedmann ist Professor Emeritus der University of California Los Angeles und Honorarprofessor der School of Community and Regional Planning der Universität British Columbia in Vancouver. Sein jüngstes Buch ist The Prospect of Cities, Minneapolis, MN (University of Minnesota Press), 2002.
Wir Amerikaner leben heute in Angst. Wir mussten erleben, wie sich Kriminalität, Drogenhandel und Straßengangs in unseren Städten ausbreiteten; wir sind mit immer neuen Wellen transnationaler Migranten und ihren fremdartigen kulturellen Bräuchen konfrontiert worden, und wir haben unsere eigenen, einheimischen Terroristen hervorgebracht Amok laufende Schüler, Timothy McVeigh, fanatische Abtreibungsgegner, Neonazis. Jeder Einzelne von uns muss mit den wachsenden Risiken von Arbeitslosigkeit, Obdachlosigkeit und dem Abbau öffentlich vorgehaltener Sicherheitsnetze leben. Und nun haben selbsternannte islamische Krieger unsere Städte ins Visier genommen. Zum ersten Mal in unserer Geschichte steht uns ein unsichtbarer, namenloser Feind gegenüber, der unter dem Banner einer Ideologie zu kaltblütig geplanten Massakern fähig ist. Anscheinend hat er sich zwei Ziele gesetzt, erstens die Vereinigten Staaten zu demütigen und zweitens Volksaufstände in islamischen Ländern auszulösen, um bisher säkulare Regierungen durch Regimes zu ersetzen, die sich auf das islamische Recht stützen. Damit, so glaubt er, wird den haltlos in der modernen Welt treibenden Gesellschaften ein moralisches Zentrum zurückgegeben (Lemann 2001; Lewis 2001; Sivan 1985).
Unsere erste, instinktive Reaktion auf die von ausländischen Geldgebern finanzierten terroristischen Akte gegen unsere Städte bestand darin, dem Terrorismus weltweit den Krieg zu erklären, afghanische Städte und Bastionen der Taliban zu bombardieren und alles daran zu setzen, um mit Osama bin Laden den Führer des weltweit agierenden Terroristennetzwerks Al Qaida gefangen zu nehmen oder zu töten. Doch als Nation sind wir beunruhigt und verstört. Angesichts der mannigfachen Gefahren für unsere Sicherheit, von denen der aus dem Ausland operierende Terrorismus lediglich die jüngste Manifestation darstellt, wünschen wir uns Unverwundbarkeit. Wir wollen in einer Sicherheitszone leben, hinter elektronischen Schutzschilden, die das Böse von uns fern halten. Wir haben ganze Armeen von privaten Wachleuten angestellt, um unseren Besitz zu sichern. Wir suchen Zuflucht in ummauerten Wohnanlagen (Caldeira 1999), und nach wie vor fliehen wir aus den Innenstädten in grüne Vororte, in der Hoffnung, den Schreckgespenstern unserer eigenen Phantasie zu entkommen. Doch tief in unserem Innern wissen wir: Wenn wir die Welt aussperren und die Stadt abriegeln, dann schließen wir uns im Gefängnis unserer eigenen Ängste ein.
Dieser verständlichen Neigung, sich hinter Mauern zu verschanzen und die Zugbrücke hinter sich hochzuziehen, möchte ich etwas entgegen setzen: die herausfordernde Idee der Offenen Stadt; einer Stadt, die sich dem Leben öffnet, die Menschen auch dann willkommen heißt, wenn sie nicht so sind wie wir, die unsere gemeinsame Menschlichkeit anerkennt und alle Vorzüge eines Lebens in städtischer Vielfalt bietet. Ich möchte dazu beitragen, dass wir die Angst überwinden, die uns derzeit lähmt.
Der vorliegende Artikel ist für meine Planerkollegen geschrieben, damit wir zusammen an die Realisierung der Vision von der Offenen Stadt gehen können. Ich bin fest davon überzeugt, dass Städte und Stadtregionen die besten Möglichkeiten bieten, den vielfältigen Herausforderungen unserer Zeit zu begegnen. Natürlich sind auch andere Regierungsebenen zu berücksichtigen, so die Bundesstaaten, die Bundesregierung oder internationale Organisationen. Doch vor allem in den Städten und Stadtregionen sind wir den Alltagsproblemen ausgesetzt, auf die wir reagieren müssen. Hier ist der Ort, an dem es die Offene Stadt zu verwirklichen gilt.
Im Folgenden werde ich mich mit vier Themen befassen, die ich für integrale Bestandteile dieser Vision halte: mit der Verringerung des ökologischen Fußabdrucks der Städte, der Formulierung einer Charta der Stadtbürgerschaft, der Befriedigung menschlicher Grundbedürfnisse und dem Entwurf neuer städtischer und regionaler Verwaltungs- und Steuerungsformen.
Das Konzept der Offenen Stadt setzt an ihrer materiellen Basis an. Studien zum so genannten ökologischen Fußabdruck ein Indikator für die ökologischen Auswirkungen des urbanen Lebens haben gezeigt, dass die Städte in den industrialisierten Ländern weit überproportionale Anteile an den weltweiten Ressourcen beanspruchen und es somit anderen Ländern erschweren, den Lebensstandard ihrer bisher in tiefer Armut lebenden Bevölkerungen zu erhöhen (Rees/Wackernagel 1994; von Weizsäcker u.a. 1997, S. 220222).(1) Konflikte um die Verteilung der zunehmend kostbarer werdenden Ressourcen Öl und Wasser sowie anderer begehrter Bodenschätze sind die Folge. Einige dieser Auseinandersetzungen, darunter die verheerenden Bürgerkriege in Teilen Afrikas, toben bereits seit Jahrzehnten. Der Golfkrieg und nun der Krieg in Afghanistan sind auch mit der Frage gekoppelt, wie sich die Vereinigten Staaten ihren Zugang zu den Gas- und Ölreserven der Region sichern können.
Allgemein gesprochen, läge eine gerechte Lösung dieser Konflikte darin, den Ressourcenverbrauch in Relation zu den jeweiligen Bevölkerungszahlen zu reduzieren, vor allem in den US-amerikanischen Städten, die geradezu unersättliche Konsumenten sind. Internationale Abkommen und nationale Politik mögen nützliche Instrumente auf diesem Weg sein, doch letztlich liegt die Verantwortung für die Entwicklung größerer Nachhaltigkeit und eines geringeren ökologischen Fußabdrucks bei den Städten und Stadtregionen, und wenn wir sichtbare Erfolge erzielen wollen, müssen alle in das Vorhaben einbezogen werden: Bürger, Unternehmen, Planer, Politiker. Wir brauchen spezifische Strategien, um den Wasserverbrauch und alle Formen des Energieverbrauchs, insbesondere den Einsatz fossiler Brennstoffe, zu drosseln, wir müssen unsere Ernährungsgewohnheiten verändern und lokal erzeugten Lebensmitteln den Vorzug vor Importen aus anderen Regionen geben, und wir müssen ständig effizientere Methoden zur Wiederaufbereitung flüssiger wie fester Abfälle entwickeln. Natürlich fällt es schwer, alte Gewohnheiten aufzugeben, doch wenn wir in einer friedlichen Welt leben wollen, bleibt uns nichts anderes übrig, als Lebensstile zu entwickeln, die uns einerseits neue Quellen der persönlichen Befriedigung erschließen und andererseits die legitimen Ansprüche der Menschen in anderen Teilen dieser Welt nicht beschneiden.
Die Forderung, den Verbrauch der natürlichen Ressourcen mit globaler Verantwortlichkeit zu handhaben, mag zunächst utopisch klingen. Doch wir leben in einer zunehmend interdependenten Welt. In den islamischen Ländern, einer Zone, die sich von Indonesien über den Mittleren Osten bis hin zu den Wüstenregionen Nordafrikas erstreckt und die uns gegenwärtig so sehr beunruhigt, lebt der größte Teil der Bevölkerung in unvorstellbarer Armut. Ihr Anteil am Verbrauch der weltweiten Ressourcen beträgt nur einen winzigen Bruchteil des unseren. Und in eben diesen Not leidenden Ländern entsteht die soziale Basis für die terroristische Bedrohung unserer Städte.
Ich will damit nicht behaupten, dass wir als Nation unmittelbar verantwortlich für dieses Elend seien. Doch das Modell der verschwenderischen Entwicklung, das unsere Städte repräsentieren, unser Desinteresse an den Lebensbedingungen der Entrechteten und Machtlosen in den islamischen Ländern, unsere Unterstützung für die korrupten und tyrannischen Regime, die über sie herrschen, und unser Beharren auf uneingeschränktem Zugang zu ihren Ressourcen, um die Befriedigung unserer Bedürfnisse sicherzustellen, haben eine Situation erzeugt, in der die Identifikation der Hegemonialmacht USA mit dem »großen Satan« bereitwillig aufgenommen wird (Lewis 2001, S. 54). Eine Verringerung des ökologischen Fußabdrucks unserer Städte bedeutet noch nicht, dass andere Völker aus ihrer Armut erlöst werden. Doch vielleicht können wir damit ein Zeichen setzen und der Welt zu verstehen geben, dass wir nicht nur Endlichkeit und Unteilbarkeit unserer Umwelt anerkennen, sondern auch gewillt sind, die Ressourcen dieser Erde nach einem gerechteren Modell zu teilen. Das ist die materielle Grundlage der Vision von der Offenen Stadt.
Von dieser Grundlage ausgehend, würde einer der ersten konkreten Schritte darin bestehen, eine umfassende Stadtbürgerschaft (local citizenship) mit den entsprechenden Rechten und Pflichten zu formulieren und in einer Charta der Stadtbürgerschaft niederzulegen.
Die Idee der Stadtbürgerschaft wird in den USA bisher nicht sonderlich ernst genommen. Im Gegensatz zu anderen Ländern, so zum Beispiel Australien, ist die Teilnahme an Wahlen in den Vereinigten Staaten freiwillig, und die Beteiligung an kommunalen Wahlen fällt meist erschütternd gering aus. Kommunale Steuern werden, wenn auch widerstrebend, gezahlt, doch die Vereinigungen der Steuerzahler kämpfen ständig um Steuersenkungen. Der Einberufung in ein Schöffengericht wird oft Widerstand entgegengesetzt, und viele Bürger versuchen sich dieser Pflicht gänzlich zu entziehen. Trotz alledem muss die Idee einer Stadtbürgerschaft, die ausschließlich auf Ansässigkeit beruht, keineswegs ohne Resonanz bleiben. Sie wird zum Beispiel von den Bewohnern der brasilianischen favelas in ihrem Kampf um angemessene Wohnungen gefordert (Holston 1999); sie wurde kürzlich von Dorothy J. Solinger (1999) als Grundlage ihrer eindrucksvollen Beschreibung der Integration ruraler Migranten in den Küstenstädten Chinas verwendet; und Bürger aus Ländern der Europäischen Union können in jedem beliebigen Mitgliedsstaat an Kommunalwahlen teilnehmen, wenn sie dort ihren ständigen Wohnsitz haben.
Staatsbürger einer liberalen Demokratie und damit zugleich Bürger einer kommunalen Einheit zu sein, heisst, einer territorial geschlossenen, politisch aber offenen Gemeinschaft anzugehören. Diese Mitgliedschaft bringt bestimmte Rechte oder Berechtigungen ebenso wie reziproke Pflichten mit sich. Wir können uns die Stadtbürgerschaft als einen Vertrag zwischen der Stadt (als politische Gemeinschaft konstituiert) und ihren Bürgerinnen und Bürgern vorstellen.
Die Kriterien der Mitgliedschaft müssten gesetzlich geregelt werden. Im Falle der Stadtbürgerschaft wäre das Kriterium die Ansässigkeit im Sinne der jeweiligen Meldegesetze und für eine bestimmte Mindestdauer. Eigentliche Staatsbürgerschaft sowie jedes andere persönliche Merkmal wären in diesem Kontext irrelevant. Die grundsätzliche Bedeutung der Stadtbürgerschaft würde in einer Charta niedergelegt und diese allen neu Zuziehenden bekannt gemacht.
Die wichtigste Berechtigung einer umfassenden Stadtbürgerschaft liegt im Recht auf volle Partizipation am politischen Leben der Stadt, einschließlich des Rechts, ein Amt zu bekleiden. Davon leitet sich wiederum das Recht auf uneingeschränkten Zugang zum öffentlichen Raum der Stadt ab. Stadtbürger wären ebenfalls im vollen Besitz der staatsbürgerlichen Rechte, die in entsprechenden Gesetzen in Übereinstimmung mit den verfassungsrechtlichen Bestimmungen niedergelegt werden müssten. Sie hätten das gleiche Recht auf sämtliche öffentlichen Dienstleistungen wie andere Bürger. Und letztlich, wie ich weiter unten noch ausführen werde, hätten alle Stadtbürger ein Recht auf öffentliche Unterstützung, wenn ihr Lebensstandard exakt quantifizierte Niveaus der Befriedigung einzeln aufgeführter menschlicher Grundbedürfnisse unterschreitet.
Diese Rechte sind zum größten Teil unstrittig. Über die Frage jedoch, was zu den reziproken Pflichten gehört, herrscht weit weniger Einigkeit. In der Tat übergeht die Literatur zur Staatsbürgerschaft diesen Punkt weitgehend mit Schweigen. Auf eine bemerkenswerte Ausnahme soll hier näher eingegangen werden. Vor einigen Jahren gab ein Parlamentarischer Ausschuss des Commonwealth of Australia eine Studie in Auftrag, um den Sinngehalt der nationalen Staatsbürgerschaft zu präzisieren (Parliament 1995). Der daraus hervorgegangene Bericht unterstreicht die Bedeutung aktiver Partizipation an einer politischen Gemeinschaft auf der Grundlage von Gerechtigkeit und gegenseitiger Unterstützung und nennt Pflichten ebenso wie Rechte, die sich auch auf die Bereiche Kultur und Umwelt erstrecken. Mit diesem ganzheitlichen Ansatz versuchen die Autoren den von ihnen so genannten »Auswüchsen der ökonomischen Rationalität und des schlanken Staates« entgegenzuwirken sowie die »Bedeutung kommunitaristischer Werte« gegen die »offizielle Rhetorik vom individuellen Wettbewerb« zu verteidigen (Parliament 1995, S. 45). Zum Begriff »Ethik der Verantwortung« führen die Autoren Folgendes aus:
Entscheidend ist der ethische Gehalt der Staatsbürgerschaft, also das Motiv der bürgerlichen Pflicht. Ohne Individuen und Organisationen, die bereit sind, zu partizipieren und Verantwortung zu übernehmen, ohne ein Konzept des öffentlichen Interesses, ohne die Werte von Toleranz und Anteilnahme und ohne ein Gefühl der Solidarität und Zugehörigkeit wäre die Staatsbürgerschaft unmöglich, würden »Demokratien schwer regierbar, möglicherweise sogar instabil« (Parliament 1995, S. 69).
Um zu illustrieren, wie die Autoren erstens den erweiterten Staatsbürgerschaftsbegriff fassen, zweitens den Bürgern einen Sinn für das Gemeinwohl im alltäglichen Leben zurückgeben wollen, sind im Folgenden sechs der achtzehn Punkte aufgeführt, die im Bericht die »Pflichten des guten Staatsbürgers« genannt werden (2).
Gute Staatsbürger sollen demnach
Dies sind im Grunde genommen bürgerliche Pflichten, und wenn nicht eine besondere Gesetzgebung Sanktionen vorsieht, können sie nicht rechtlich erzwungen werden. In der obigen knappen Darstellung bleiben sie zudem außerordentlich vage. Dennoch bin ich der Ansicht, dass eine breite öffentliche Debatte über öffentliche und private Bürgertugenden sehr hilfreich wäre. Sie würde nämlich einerseits die Identifikation der Einwohner mit ihrer Stadt fördern und andererseits das ganze Spektrum der Standpunkte zu Wesen und Gehalt der Stadtbürgerschaft entfalten. Trotz vieler Differenzen, so glaube ich, werden im Laufe einer solchen Debatte beträchtliche Übereinstimmungen in Hinsicht sowohl auf die Pflichten wie auf die Rechte zutage treten. Alle Punkte, in denen Übereinstimmung über die Bedeutung der Stadtbürgerschaft erzielt wird, sollten in der Charta niedergelegt werden (3). Die Charta selbst müsste vom Stadtrat ratifiziert werden und die Möglichkeit der periodischen Ergänzung gegeben sein. Und um ihre symbolische Bedeutung zu stärken, könnte ein jährlicher »Tag der Charta« als Stadtfest begangen werden.
Die Offene Stadt ist eine integrative Vision, die allen Ortsansässigen die Stadtbürgerschaft auf der Grundlage von Gleichheit gewährt. Unsere Städte sind jedoch berüchtigt für die Ungleichheit, die in ihnen herrscht, und städtische Armut ist ein weit verbreitetes Phänomen. 50 Millionen unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger vielleicht auch mehr sind noch immer, wie Franklin Delano Roosevelt es vor 70 Jahren ausdrückte, »unzulänglich untergebracht, gekleidet und ernährt« (4). Dass die Stadtbürgerschaft für diese 20 Prozent unserer Bevölkerung in jeder lebenswichtigen Hinsicht bisher keinerlei Bedeutung hat, heißt nichts anderes, als ihnen das Recht auf uneingeschränkte menschliche Entwicklung (human flourishing) zu verweigern.
In den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts versuchte die Internationale Arbeitsorganisation (International Labour Office, ILO) in Genf die vorherrschende Auffassung über den ökonomischen Entwicklungsprozess zu korrigieren, indem sie die Frage nach der Qualität des Wirtschaftswachstums und insbesondere den Vorschlag, die Befriedigung bestimmter menschlicher Bedürfnisse in die nationalen Entwicklungsziele zu integrieren, ins Zentrum einer groß angelegten Kampagne rückte. (5): Trotz langer Diskussionen und einer Weltkonferenz zu diesem Thema erwies sich der Vorstoß der ILO letztlich als fruchtlos, denn am Ende des Jahrzehnts wandten sich die internationalen Akteure dem Neoliberalismus zu und lenkten die Weltwirtschaft in eine Bahn des exportorientierten Wachstums und globalen Wettbewerbs. Gute Ideen verschwinden jedoch nicht einfach; es mag eine Weile still um sie werden, doch wenn der richtige Moment gekommen ist, erwachen sie zu neuem Leben. Ich bin der Überzeugung, dass ein solcher geeigneter Zeitpunkt gekommen ist.
Was sind menschliche Grundbedürfnisse? Vor 30 Jahren wurde endlos über diese Frage debattiert. Wer sollte bestimmen, welche so genannten Bedürfnisse »grundlegende« sind, und an welchem Punkt sollte es zur öffentlichen Verantwortung werden, sie zu befriedigen, sollten sie zu einem Anrecht, einem Bürgerrecht werden? Trotz dieser erkenntnistheoretischen und politischen Schwierigkeiten ist es nicht unmöglich, bestimmte Kernbedürfnisse zu definieren. Da unfreiwillige Obdachlosigkeit die Menschen ihrer elementarsten Ansprüche auf Würde und Sicherheit der Person beraubt, wird angemessener Wohnraum sicherlich zu den höchsten Prioritäten gehören. Das Recht auf angemessene Ernährung, insbesondere für Kinder, das Recht auf medizinische Grundversorgung (einschließlich der geistigen Gesundheit) und das Recht auf Bildung und Ausbildung, die für das Leben in der gegenwärtigen Welt rüsten, wären die nächsten Anwärter auf die Kategorie »Kernbedürfnisse«.
Eine Strategie der Stadtentwicklung, die der Befriedigung menschlicher Grundbedürfnisse Rechnung trägt, zielt in erster Linie darauf ab, die Barrieren der sozialen Ausgrenzung beseitigen und damit die Grundlage für die volle politische Partizipation des Individuums zu schaffen. Wenn auch die Mittel der Bedürfnisbefriedigung von Stadt zu Stadt variieren werden, müssen wir beginnen, diese neuen Anrechte einzuführen, und zwar nicht um der Wohltätigkeit willen, sondern weil sie integraler Bestandteil einer Konzeption der Stadtbürgerschaft sind, der die uneingeschränkte menschliche Entwicklung (human flourishing) als höchstes Gut gilt. Um in den vollen Besitz dieses Gutes zu gelangen, müssen Individuen Zugang zu angemessenem Wohnraum, guter Ernährung, ausreichender medizinischer Versorgung und der notwendigen Ausbildung haben. Doch es gibt noch weitere Grundbedürfnisse, zu denen als wichtigstes möglicherweise die Autonomie durch produktive Arbeit zählt. (6)
Menschliche Grundbedürfnisse, darunter der Wunsch nach produktiver Arbeit, können nur dann befriedigt werden, wenn die Gesamtentwicklung von Städten und Regionen ständig für quantitative und qualitative Verbesserungen sorgt. Solange sie nicht in eine Entwicklungsstrategie integriert sind, werden alle Bemühungen, die Grundbedürfnisse zu erfüllen, lediglich wie eine Einkommensumverteilung von den Wohlhabenden zu den Armen erscheinen und folglich auf erbitterten Widerstand stoßen. Im Kontext einer sich ständig fortentwickelnden regionalen Ökonomie dagegen wird der Abbau der Barrieren, die zu sozialer Ausgrenzung führen, vermutlich eher als Teil eines umfassenderen Katalogs politischer Strategien akzeptiert, von denen letztlich die gesamte Bevölkerung profitiert.
Dies ist nicht der Ort für eine Debatte zur lokalen ökonomischen Entwicklung und die Schaffung von Arbeitsplätzen. Doch eines sollte festgehalten werden: Städten und Regionen, die sich der Investition in ihr endogenes Potenzial dauerhaft verweigern, wird es nicht gelingen, externe Investoren anzuziehen, (7) und damit besiegeln sie ihren eigenen Niedergang.
Die Idee der Offenen Stadt entwirft eine unabhängige, jedoch nicht autarke Stadt, die mit ihren nächsten Nachbarn in regionalen Zusammenschlüssen und mit den weiter entfernten Nachbarn in kooperativen Netzwerken verbunden ist. Bisher sehen sich die US-amerikanischen Städte dagegen eher als in ein Nullsummenspiel um externes Kapital verwickelte Rivalen. Doch, wie ich im vorangegangenen Abschnitt ausgeführt habe, wird externes Kapital eher von solchen Orten angezogen, die in ihre eigenen Stärken investieren. Interkommunale Kooperation ist also eine weit sinnvollere Strategie auf dem Weg zur Offenen Stadt als angstbesetzte Konkurrenz.
Diese allgemeinen Feststellungen lassen sich anhand von Entwicklungen innerhalb der Europäischen Union belegen (Friedmann 2001; Keating 2001). Zwar waren europäische Städte in Hinsicht auf die Bildung regionaler Regierungen nicht erfolgreicher als die amerikanischen (Lefèvre 1998), sie haben jedoch bereitwilliger nach Kooperationsmöglichkeiten gesucht. Insgesamt gesehen ist der »lokale Staat« in Europa heute stärker ausgebildet und vereinheitlicht, als es in den USA der Fall ist; darüber hinaus hat er nun in Brüssel einen Partner, der auf den politischen Druck von Städten und Regionen aus der gesamten EU reagieren muss.
Die fragmentierten Lokalverwaltungen in den USA müssen theoretisch, aber auch praktisch neu konzipiert werden. Vielleicht wird es auch eine Folge des 11. September sein, dass wir in unserem Bemühen, neue Lösungen zu finden und unsere Angst zu bewältigen, endlich zu einer solchen kritischen Bewertung fähig sind und neue Formen lokaler und regionaler Selbstverwaltung zu entwickeln beginnen. Wir können uns nicht allein auf die Märkte oder auf freiwillige, von Privatunternehmen ins Leben gerufene Initiativen wie das Joint Venture des Silicon Valley (Henton 2001) verlassen. Planung auf der regionalen Ebene ist unverzichtbar geworden, seit sich die Städte weiter und weiter ausdehnen, seit sich extensive und intensive räumliche Nutzungen vielfältig miteinander verflechten und es zu einer drängenden Notwendigkeit geworden ist, den ökologischen Fußabdruck der Städte zu verringern, Stadtbürgerschaften zu entwerfen und menschlichen Grundbedürfnissen gerecht zu werden (Orfield 1997). Dennoch sind regionale Formen der Selbstverwaltung in den USA bisher recht selten anzutreffen.
Ich möchte kurz auf zwei Aspekte einer gemeinsamen Selbstverwaltung von Stadt und Region (8) eingehen, und zwar erstens die Bildung regionaler Städtekoalitionen und zweitens die Notwendigkeit, die aktive Beteiligung einer aufgeklärten Bürgergesellschaft an der städtischen Selbstverwaltung zu stärken und zu vertiefen. Ungeachtet wiederholter Vorstöße in diese Richtung scheint es in den Vereinigten Staaten wenig Enthusiasmus für die Errichtung regionaler Verwaltungen zu geben. Offenbar ziehen wir Kommunalverwaltungen vor, die klein, leicht zugänglich und schwach sind. Diese Vorliebe sorgt geradezu dafür, dass die städtischen Verwaltungen dem Druck unterschiedlichster Partikularinteressen nachgeben. Obwohl die Vernunft für eine effektive Planung auf regionaler Ebene plädiert, sind wir also in den meisten Fällen nicht in der Lage oder nicht gewillt gewesen, die angemessene institutionelle Regelung dafür zu finden. (9)
Es gibt durchaus Möglichkeiten, einige der befürchteten Nachteile regionaler Verwaltungen zu vermeiden, so zum Beispiel die Bildung regionaler Koalitionen von Kommunalverwaltungen. Auf diese Weise bleibt die kommunale Autonomie erhalten, und dennoch können regionale Probleme aufgegriffen, untersucht und kooperativ gelöst werden. Tatsächlich unterscheidet sich dies kaum von dem bereits vorhandenen Rahmen, den die seit mehreren Jahrzehnten existierenden Regionalräte (councils of government) geschaffen haben. Wo diese Rahmenstruktur schon vorhanden ist, braucht es nicht mehr, als die Regionalräte mit neuem Leben zu erfüllen und an den Erfordernissen der Offenen Stadt zu orientieren, wie sie weiter oben ausgeführt wurden.
Die Idee einer Charta der Stadtbürgerschaft wird jedoch nur dann Bedeutung gewinnen, wenn die bürgerlichen Pflichten ernst genommen werden, und das wiederum kann nur geschehen, wenn die Bürger überzeugt sind, dass sie tatsächlich Einfluss auf Entscheidungsprozesse ausüben können. Die Gründung von Foren der Offenen Stadt, zunächst auf Nachbarschaftsebene etabliert, wäre vielleicht ein Ausgangspunkt, um die Alltagsprobleme der Einwohner anzugehen. Sie könnten insofern einen Lernprozess in Gang setzen, als die Menschen entdecken würden, dass nicht alle lokalen Probleme auch auf lokaler Ebene gelöst werden können, sondern häufig die Auseinandersetzung mit einer Reihe von Sachverhalten erfordern, für die höhere Verwaltungsebenen zuständig sind. Ein Grund für die traditionelle Schwäche und die unterschiedlichen Erfolgsbilanzen der Regionalräte liegt in ihrem relativ undemokratischen Charakter, ihrer Unfähigkeit, Bürger aus dem gesamten Spektrum der lokalen Gemeinschaften in ihre Arbeit einzubeziehen. Zweifellos ist das eine schwierige Aufgabe, doch sicherlich kein unüberwindliches Hindernis.
Ich habe mich in diesem Beitrag absichtlich auf die kommunale und die regionale Ebene beschränkt, und zwar nicht, weil sie die einzigen Bereiche möglichen Handelns darstellen, sondern weil es die Ebenen sind, mit denen sich Stadtplaner befassen müssen. Laut einer UN-Studie (1998) gibt es in den Vereinigten Staaten 78 städtische Agglomerationen mit mehr als 500 000 Einwohnern. Zusammen genommen machen sie 61 Prozent der städtischen und 42 Prozent der Gesamtbevölkerung des Landes aus. Nach Regionen berechnet fällt der prozentuale Anteil dieser urbanen Gebiete an der Gesamtbevölkerung noch weit höher aus. Jede einzelne dieser Ballungen ist eine Herausforderung, bestimmte, letztlich gesellschaftliche Experimente durchzuführen, um die Grundlagen für die Planung der Offenen Stadt zu präzisieren.
Diese Experimente lassen sich in drei Phasen gliedern, in denen die Planer jeweils spezifische politische Auseinandersetzungen führen sollten. Die erste, vorbereitende Phase eröffnet den lokalen Diskurs zur Offenen Stadt und den verschiedenen Möglichkeiten, dieses Projekt zu voranzutreiben. Die zweite befasst sich mit der strategischen Planung und ist auf einen Zeitraum von etwa 20 Jahren angelegt, in dem alternative Szenarien zur öffentlichen Debatte gestellt werden. Die dritte, programmatische Phase umfasst konkrete Schritte der Realisierung derjenigen Teile des strategischen Plans, die als politisch realisierbar erscheinen. In jeder einzelnen Phase werden sich die Gründe sowohl für Opposition als auch für Zustimmung zeigen.
An diesem Punkt stehen den Planern verschiedene Optionen offen. Eine würde darin bestehen, »mit dem Strom zu schwimmen«, also den Weg des geringsten Widerstands einzuschlagen und alle die Szenarien aufzugeben, die vermutlich auf politischen Widerstand träfen. Oder sie könnten sich mit den bereits mobilisierten Teilen der Bürgergesellschaft verbünden, die bereit sind, das eine oder andere Szenario der Offenen Stadt oder bestimmte Aspekte eines Szenarios zu unterstützen. Als dritte Option bietet sich an, in einer Reihe von Verhandlungen zwischen Gegnern und Befürwortern zu vermitteln und einen politischen Kompromiss herzustellen.
In jedem urbanen Verdichtungsraum werden die Planer aller Wahrscheinlichkeit nach Unterstützung für solche Szenarien finden, die mehr Demokratie und soziale Gerechtigkeit, verbesserten Umweltschutz sowie weniger Ausgrenzung versprechen. Fortschrittliche Planer werden Verbündete für das Konzept der Offenen Stadt zum Beispiel in religiösen Organisationen finden, die verschiedene Glaubensrichtungen vertreten, bei politischen Gruppierungen wie den Grünen, bei Gruppen, die ehrenamtliche Arbeit mit Immigranten leisten, sowie bei afroamerikanischen Gemeinschaften. Und da die Szenarien zur Offenen Stadt sich mit zentralen Themen des städtischen Lebens befassen, werden möglicherweise sogar die Massenmedien über diese Aktivitäten berichten und sie unterstützen.
Bent Flyvbjerg (2001) hat kürzlich in einer Antwort an seiner Kritiker festgestellt, dass »Hoffnung der Fluch unserer Profession« ist (S. 292). Er bestärkt uns in dem Gedanken, unsere Hoffnungen durch Macht zu unterstützen. Er weiß, ebenso wie wir auch, dass jegliche Abweichung von den eingefahrenen Routineabläufen der Planung nur mit realer Macht durchgesetzt werden kann. Und im Gegensatz zum weit verbreiteten Glauben sind Planer alles andere als machtlos. Abgesehen von den vielfältigen Möglichkeiten des Planungsrechts besitzen sie die Macht, Ja oder Nein zu sagen. Sie haben die Macht, Informationen weiterzuleiten oder zurückzuhalten. Sie haben die Macht, einen öffentlichen Diskurs über die Stadt zu initiieren. Sie haben die Macht, die Öffentlichkeit einzubeziehen und so die Einwohner zum Voneinander-Lernen zu bewegen. Sie haben die Macht, die politische Tagesordnung zu bestimmen. Und sie haben die Macht, Positionen zu verteidigen, die sorgfältig entwickelt wurden, sowohl in ethischer wie in praktischer Hinsicht. Diese Macht darf man nicht unterschätzen, und sie sollte genutzt werden, um das Projekt der Offenen Stadt voranzutreiben.
Ich habe mich auf die amerikanischen Städte konzentriert, doch meine Vorstellungen gehen über unsere nationalen Grenzen hinaus. Die Offene Stadt als Projekt hat beträchtliche Bedeutung für die übrige Welt. Aller Augen, auch aus den abgelegensten Dörfern, richten sich auf uns in den Vereinigten Staaten; was immer wir tun, wird genauestens beobachtet und sorgfältig analysiert. Manche verurteilen und hassen uns sogar für das, was sie zu sehen glauben, aber an anderen Orten wird vieles nachgeahmt, was wir tun, selbst wenn der spezifische historische Kontext nicht immer verstanden wird. Unsere Städte jedoch werden von anderen nicht als Modell herangezogen. Sie werden als potenzielle Märkte angesehen, doch keinesfalls als Beispiel, wie man Städte nach menschlichem Maß baut, selbstregulierte und nachhaltig wirtschaftende Gebilde, die wahrhaft Städte für Bürger sind (Douglass/Friedmann 1998). Vielleicht ist für uns alle, Planer eingeschlossen, der Zeitpunkt gekommen, Amerikas Städte aus dem Griff derer zu befreien, die George Soros (1998) als Marktfundamentalisten bezeichnet, um sie dann neu zu gestalten, und diesmal als Vorbilder für die ganze Welt.
Danksagung: Ich danke Rebecca Abers, Bob Beauregard, Neil Brenner, Tony Dorcey und Leonie Sandercock für ihre Diskussion einer früheren Fassung dieses Beitrags.
(1) Ein knapper Vergleich soll das Problem illustrieren. Auf die 5 Prozent der Weltbevölkerung, die in Nordamerika (den USA und Kanada) leben, entfallen 28 Prozent des weltweiten gewerblichen Energieverbrauchs. Wenn wir Europa und Ozeanien beide charakterisiert durch hohen Energiekonsum aus unserer Berechnung ausschließen, verbraucht Nordamerika mit nur 6 Prozent Bevölkerung, bezogen auf diese Populationsbasis, sogar 41 Prozent der gewerblich genutzten Energie. Der gewerbliche Energieverbrauch Nordamerikas pro Kopf der Bevölkerung beträgt das 25fache des Verbrauchs in Afrika, das 2,2fache des europäischen und das 9fache des Verbrauchs auf dem asiatischen Kontinent (The World Resources Institute u.a. 1998). Da der größte Teil der Energien aus nicht regenerierbaren Ressourcen stammt, kommen die langfristigen Ungerechtigkeiten der gegenwärtigen Verbrauchsmuster in diesem Vergleich dramatisch zum Ausdruck.
(2) Zwar veröffentlichte der Ausschuss die Studie; sie wurde jedoch nicht handlungsleitend. Für die Ansichten eines amerikanischen Politologen zur Frage der Staatsbürgerpflichten, die er in die vier Kategorien gesetzliche, politische, soziale und partizipatorische Pflichten unterteilt, siehe Janoski (1998), insbesondere Kap. 3.
(3) Die Frage der bürgerlichen Pflichten erfordert eine angemessene politische Theorie. Als wichtigste theoretische Arbeit zu diesem Thema erscheint mir Carole Patemans (1979) Theorie der relationalen Demokratie, wie sie in der folgenden Passage zusammengefasst ist: Die Vorstellung »politischer« Pflichten als horizontale Beziehung zwischen Bürgern & lässt sich nur mit einem revidierten Demokratiekonzept [der liberalen Theorie] vereinbaren und setzt eine substaatliche politische Gemeinschaft als politischen Verband oder als Vielzahl politischer Verbände voraus. Die Mitglieder der Gemeinschaft sind Bürger vieler politischer Verbände, die durch horizontale und vielseitige Beziehungen miteinander verflochten sind, wie sie aus freiwillig übernommenen politischen Pflichten erwachsen. Wesentliches Merkmal des »Politischen« ist, dass es nicht länger vom Alltagsleben abgetrennt existiert. Die politische Sphäre ist eine Dimension, nämlich die kollektive Dimension, des gesellschaftlichen Lebens als Ganzes. Sie ist der Bereich der gesellschaftlichen Existenz, in dem Bürger freiwillig miteinander kooperieren und ihr gemeinsames Leben sowie ihr gemeinsames Projekt erhalten und weiterführen. (S. 174) In anderen Worten, auf einen Katalog der bürgerschaftlichen Pflichten kann man sich nur in intensiven öffentlichen Debatten über den akzeptablen Mindeststandard im Verhalten einigen, der für Bürger einer gegebenen politischen Gemeinschaft, wie einer Stadt oder einer Stadtregion, bindend sein soll. Bereits die öffentliche Debatte über dieses Thema würde dazu beitragen, die Umrisse eines »gemeinsamen Lebens und Projektes« zu skizzieren sowie die entsprechenden Praktiken zu definieren, die entweder dem individuellen Gewissen überlassen bleiben oder auch von kleineren politischen Verbänden als der politischen Gesamtgemeinschaft sanktioniert werden.
(4) Die ärmsten 20 Prozent der US-Bevölkerung leben von $ 5 800 KKP (Kaufkraftparität) pro Kopf. Zum Vergleich: In Deutschland beträgt dieser Wert $ 6 594 und in Schweden $ 7 160. Etwa 19,1 Prozent der US-amerikanischen Bevölkerung leben unterhalb einer Armutsschwelle, die auf 50 Prozent des Median-Einkommens der Gesamtbevölkerung festgesetzt ist. Für Deutschland beträgt der entsprechende Wert 5,9 Prozent, für Schweden 6,7 Prozent. Schließlich sind 20,7 Prozent der US-Bevölkerung funktionale Analphabeten, während deren Anteil in Deutschland 14,4 Prozent und in Schweden 7,5 Prozent beträgt. Alle Daten stammen aus jüngeren Erhebungen. Siehe United Nations Development Programme 1999, Tabelle 5.
(5) Für eine allgemeine Diskussion siehe Friedmann 1992, Kap. 4.
(6) Diese Formulierung wirft die Frage auf, welche Arbeit als »produktiv« anzusehen ist. So könnte zum Beispiel die Arbeit der Kindererziehung von der Geburt bis zum Schulalter als gesellschaftlich produktive Arbeit bewertet werden, die vom Staat in Form eines Familienzuschusses entlohnt werden könnte.
(7) Investitionen in sieben miteinander verflochtene Ressourcenkomplexe werden die regionale Entwicklung stimulieren und neue Arbeitsplätze schaffen:
(8) Der Autor verwendet hier den Begriff »governance«. »Für den aus dem Englischen übernommenen vieldeutigen Begriff existiert im Deutschen keine eindeutige Entsprechung. Am ehesten lässt sich :Governance9 mit Steuerung, Leitung übersetzen. Dabei wird überall dort in Staat, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft von :Governance9 gesprochen, wo individuelle Interaktionen und soziale Transaktionen systematischen Handlungsmustern und Regeln folgen. Während :Government9 formelles, durch Recht, Gesetz und Verfassung bestimmtes Handeln umschreibt, zielt :Governance9 auf Mechanismen informellen und nichtinstitutionalisierten Handelns.« (Der aktuelle Begriff, Kurzinformation der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, Nr. 2, 22.01.2001) (Anmerkung der Übersetzerin).
(9) Eine bemerkenswerte Ausnahme stellt Portland Metro dar, ein regionaler Planungsverband, der 1978 gegründet wurde und aus einer direkt wählbaren Exekutive und einem Rat besteht. Die Region Portland, Oregon, hat sehr erfolgreich eine »kompakte Metropole« aufgebaut und städtische mit Umweltinteressen zu vereinbaren verstanden.
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Der Beitrag von John Friedmann wurde unter dem Titel »City of Fear or Open City« für das »Journal of American Planning Association JAPA« (Ausgabe Sommer 2002) verfasst. Mit freundlicher Genehmigung von JAPA wurde der Beitrag für diese Veröffentlichung aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt (Übersetzerin: Gisela Schillings). Die Verantwortung für die Übersetzung liegt beim Deutschen Institut für Urbanistik.