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soziale stadt - bundestransferstelle

Bund-Länder-Programm "Stadtteile mit
besonderem Entwicklungsbedarf - Soziale Stadt"
  

3.4 Typisierung und Bedeutung der Programmgebiete für die Gesamtstadt

Die Gebiete der Sozialen Stadt der Programmjahre 1999, 2000 und 2001 sind auf den ersten Blick äußerst heterogen; verbindendes Merkmal ist in erster Linie eine gegenüber der Gesamtstadt überdurchschnittliche Problemdichte. Zwei Gebietstypen werden schon länger als "Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf" identifiziert: zum einen verdichtete - häufig gründerzeitliche, auch altindustrialisierte - Altbaugebiete, manchmal auch mit einem vielfältigen Nebeneinander kleinteiliger Siedlungsstrukturen, und zum anderen überwiegend industriell gefertigte Neubausiedlungen der Sechziger- bis Achtzigerjahre (die westlichen Großtafelund die östlichen Plattenbausiedlungen).

Dies wird durch die Befragungsergebnisse bestätigt: Reine Altbauquartiere (45 Gebiete = 20 Prozent) und vom Baualter gemischte Quartiere (46 Gebiete = 21 Prozent) machen zusammen zwei Fünftel aller Programmgebiete aus, Neubaugebiete sogar mehr als die Hälfte (55 Prozent). In den neuen Bundesländern liegt der Anteil Letzterer mit 68 Prozent noch deutlich höher. Der insgesamt große Anteil an Neubau-Großsiedlungen verweist auf die besondere Bedeutung, die den Wohnungsunternehmen als Trägern und Akteuren der integrierten Stadtteilentwicklung zukommt.

Die Vielfalt der Programmgebiete allein aufgrund zweier städtebaulicher Kriterien zu typisieren, erscheint eher unbefriedigend. In der Verbindung mit den jeweiligen Mittelwerten von ausgewählten Sozialdaten bildet sich Folgendes ab: In den hinsichtlich der Nutzung homogenen Neubaugebieten leben überdurchschnittlich viele junge und sozialhilfebedürftige Menschen. Die nutzungsgemischten Altbauquartiere sind durch höhere Arbeitslosigkeit und eine Bevölkerung mit multikulturellem Hintergrund geprägt. In den weniger charakteristischen bezüglich Baualter und Nutzung gemischten Quartieren lebt ein durchschnittlich höherer Anteil von älteren Menschen. Wenn es gelänge, hier im Wege der Zwischenevaluierung unter Einbeziehung der von dem Evaluierungsteam vorgeschlagenen zusätzlichen Kategorien (ökonomischer Problemdruck, Funktion für die Gesamtstadt, Tradition lokaler Initiativen und bürgerschaftlichen Engagements) zu einer differenzierteren tragfähigen Typologie zu kommen, könnten vor allem Erkenntnisse zu jeweils charakteristischen Ziel- und Strategieprofilen für die Programmumsetzung gewonnen werden.

Tabelle 6: Städtebauliche Gebietstypen und soziale Indikatoren* (Zweite Befragung Difu 2002)

Gebietstyp nach Baualter und Nutzung

Mittelwerte

Gesamt

Arbeitslosen-quote

Sozialhilfe-quote

Migranten-anteil

Anteil der bis zu 18-Jährigen

Anteil der über 60-Jährigen

abs.

%

%

n

%

n

%

n

%

n

%

n

Nutzungsgemischtes Altbaugebiet

  43

  19,6

18,4

  26

13,0

  23

25,0

  36

18,7

  35

15,8

  34

Neubaugebiet, reines Wohngebiet

  79

  36,1

15,6

  29

21,1

  42

21,9

  65

24,8

  68

18,3

  62

Nutzungsgemischtes Neubaugebiet

  42

  19,2

14,1

  24

12,0

  27

19,5

  37

21,3

  33

19,9

  31

Nach dem Baualter und der Nutzung gemischtes Gebiet

  42

  19,2

15,0

  20

10,2

  28

18,7

  36

19,3

  31

20,5

  30

Sonstige Gebiete

  13

    5,9

17,0

    5

12,1

    6

26,2

  12

19,7

  12

18,0

  12

Gesamt

219

100,0

15,9

104

14,8

126

21,7

186

21,7

179

18,5

169

* Graphisch hervorgehoben sind die Gebietstypen mit dem jeweils höchsten Mittelwert (sonstige Gebiete ausgenommen).

Deutsches Institut für Urbanistik 

Nicht nur aus den Erfahrungen in den Modellgebieten, sondern auch aus Diskussionen und Veröffentlichungen ist erkennbar, dass den Programmgebieten der Sozialen Stadt vor allem in zwei Bereichen besondere Bedeutung in Bezug auf die Gesamtstadt zukommt: Einerseits übernehmen sie entlastende Funktionen, indem sie den Lebensraum für viele Menschen bilden, die sonst nicht oder noch unbefriedigender "unterzubringen" wären; andererseits können sie als "Impulsgeber für Entwicklungen" (1) fungieren und damit auch Modellfunktionen übernehmen.

Die hohe Integrationsleistung der Programmgebiete, insbesondere hinsichtlich verschiedener Kulturen sowie abweichender Lebensformen und Verhaltensweisen, wird zwar von mehreren Seiten betont, doch: "dies offen zu formulieren, stellt einen politischen Kraftakt dar" (2) - wohl vor allem deshalb, weil sich daraus die Notwendigkeit ergibt, verstärkt Ressourcen bereitzustellen und dafür zu sorgen, dass Stigmatisierung und Diskriminierung vieler Programmgebiete abgebaut werden.

Die Experimentierfeldfunktion der Gebiete der Sozialen Stadt und die besonderen Erwartungen (und Anforderungen) hinsichtlich der Entwicklung in den Stadtteilen kamen auf dem Kongress "Die Soziale Stadt - Zusammenhalt, Sicherheit, Zukunft", auf dem eine erste Zwischenbilanz zum Programm Soziale Stadt gezogen wurde, deutlich zum Ausdruck: Bundeskanzler Gerhard Schröder sah Städte und Quartiere als "Laboratorien für neue Formen der sozialen Integration", die deshalb auch bei dieser "schwierigen und für unsere Gesellschaft so wichtigen Integrationsarbeit" unterstützt werden müssen; Klaus Selle charakterisierte die Gebiete der Sozialen Stadt als "Testfelder für eine Stadtpolitik der Zukunft" (3) . Diese Schlüsselfunktion der Quartiere ist in mehreren Endberichten der Programmbegleitung vor Ort bestätigt worden.

(1) Ingeborg Beer und Reinfried Musch, "Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf - die soziale Stadt" Modellgebiet Kottbusser Tor, Berlin-Kreuzberg, Endbericht im Rahmen der Programmbegleitung- vor-Ort, Berlin Mai 2002, S. 164 f.

(2) Klaus Wermker, Einbindung der Integrierten Handlungskonzepte in gesamtstädtische Entwicklungskonzepte. Impulsreferat, in: Deutsches Institut für Urbanistik (Hrsg.), Impulskongress Integratives Handeln, S. 159.

(3) Abgedruckt in: Deutsches Institut für Urbanistik (Hrsg.), Kongress "Die Soziale Stadt - Zusammenhalt, Sicherheit, Zukunft", S. 15 und S. 98.

  
 

Quelle: Soziale Stadt - Strategien für die Soziale Stadt, Erfahrungen und Perspektiven – Umsetzung des Bund-Länder-Programms „Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf – die soziale Stadt", Deutsches Institut für Urbanistik 2003

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