Moderation:
Auf dem Podium:
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Meine Damen und Herren, ich begrüße Sie zu unserer Podiumsdiskussion mit dem Thema "Stärken und Potenziale der Stadtteile: Lokale Ökonomie". Die Podiumsteilnehmer arbeiten genau an der Nahtstelle zwischen dem System und den Menschen, die versuchen, ihre eigene Lebenswelt zu organisieren. Ich denke, dass das eine ganz schwierige Aufgabe ist und für die meisten oder für alle von uns auch eine ganz neue Herausforderung. Als erstes jedoch werden sich die Einzelnen kurz vorstellen .
Mein Name ist Diana Stuhr, ich komme aus Leipzig und bin verantwortlich für die Beschäftigungsentwicklung im Rahmen des Bund-Länder-Programms Soziale Stadt und bin angestellt beim Bildungswerk der sächsischen Wirtschaft e.V.
Mein Name ist Sahinder Öztürk, ich komme aus Berlin-Kreuzberg, Kottbusser Tor, und bin Geschäftsmann.
Mein Name ist Rolf-Peter Löhr, ich bin stellvertretender Leiter des Deutschen Instituts für Urbanistik und beteiligt an der Begleitung des Programms Soziale Stadt durch das Institut.
Guten Tag, mein Name ist Gabriela Pohle, ich komme aus Kassel, Standort Soziale Stadt, und bin dort die Stadtteilmanagerin.
Mein Name ist Dieter Begaß, ich bin Mitarbeiter der Aachener Wirtschaftsförderung und teile mir mit einer Kollegin die Projektleitung für das Thema Stadtteilerneuerung.
Ich selber habe diesen Schwerpunkt unseres Projektes, des Deutschland-Projektes, gesetzt - am Anfang war mehr die Beschäftigungsförderung. Das Projekt ist ja auch im Dezernat für Arbeitsförderung, Frauen, Soziales und Gesundheit entstanden. Dort ist unser Projekt entwickelt worden. Und das Gebiet oder der Schwerpunkt Lokalökonomie war damals noch nicht sichtbar. Als ich das Management übernommen habe, waren Lokalökonomie oder lokale Wirtschaftsförderung durchaus schon Thema. Als Modellstandort Kassel sind wir durch die Programmbegleitung-vor-Ort begleitet und unterstützt worden, vor allen Dingen mit dem Schwerpunkt Lokalökonomie. Und ich denke, das war für uns am Standort Kassel maßgeblich für die Fortschritte, die wir jetzt gemacht haben in diese Richtung. Im Rahmen der Erhebungsphase dieser Programmbegleitung haben zwei Stadtteilgespräche mit Unternehmen in der Nordstadt stattgefunden. Das war sozusagen der erste gezielte Kontakt mit Unternehmen im Rahmen des Nordstadt-Projektes. Es konnten auch die ersten Kontakte geknüpft werden mit der Wirtschaftsförderung, mit der Industrie- und Handelskammer, mit der Sparkasse vor Ort, so dass einfach zum ersten Mal auch diese Pole zusammentrafen: die lokale Ökonomie, die es ja auch in der Nordstadt gibt, und andere Institutionen aus der Wirtschaftsförderung. Und durch diese ersten Kontakte und durch diese Sensibilisierung für dieses Thema konnten dann auch die nächsten Schritte getan werden. Und die nächsten Schritte ergaben sich aus den Bedürfnissen, die diese Unternehmer geschildert haben, und aus den Problemen, die sie in dieser kleinteiligen Struktur in der Nordstadt haben.
Aufgrund dieser Analyse, die gemeinsam mit den Unternehmen stattgefunden hat, aufgrund dieser Gespräche sind 60 Unternehmen und Institutionen zu beiden Gesprächen erschienen, das heißt, es hat auch eine Resonanz gegeben, fand dann als Folgeveranstaltung eine Konferenz zum Thema "Lokale Ökonomie - Lokale Wirtschaftsförderung in der Nordstadt" statt. Und wieder kamen über 100 Beteiligte und haben diese Chance genutzt, sich auszutauschen und in Kontakt zu treten, wieder Wirtschaftsförderung und Unternehmen, die bisher diesen Zugang zu der Wirtschaftsförderung nicht hatten, weil einfach die ganz normale Wirtschaftsförderung, wie sie arbeitet, wie die Institutionen arbeiten, so nicht in Kontakt kommt mit den Migrantenbetrieben, vor allen Dingen in der Nordstadt. Und auf dieser Themenkonferenz gab es Beispiele von anderen Standorten, was es schon gibt an Projekten und an Einrichtung, an Beratung. Es kam heraus, da waren sich alle einig, Wirtschaftsförderung wie auch die Unternehmen, dass die Beratung vor Ort angeboten werden muss, einfach um den Zugang zu finden zu den Migranten, die einfach einen anderen Zugang haben und die man anders "greifen" und erwischen muss. Und das war in dieser Vorlaufphase das Ergebnis, dass alle an einem Tisch sitzen und sich alle einig sind und auch schon ein Konzept erarbeitet haben, wie so eine Beratung vor Ort mit den Unternehmen in der Nordstadt aussehen kann. Es gibt also eine Bereitschaft, es gibt eine Einsicht auch von Seiten der Migrantenökonomie in der Nordstadt.
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Die Notwendigkeit gibt es. Wir haben zwar schon eine breite Palette an Angeboten von Wirtschaftsbetrieben, also gerade auch Gastronomiebetrieben, Handwerksbetrieben, immer mehr Dienstleistungsbetrieben. Aber oft sind gerade die Migrantenunternehmen ganz kleine Unternehmen und nicht sehr innovativ und wissen nicht so genau, wie kann man hier sein Geschäft erweitern, wie kann ich Ausbildungsplätze schaffen, was brauche ich dafür. Da ist einfach ein eigener Beratungsbedarf vorhanden. Und leider gehen dadurch auch Betriebe wieder zugrunde, weil sie einfach nicht genau wissen, wie sie mit den Bedingungen in dieser Stadt, auch in Kassel, in Deutschland, umgehen sollen und auch den Kontakt zu den Stellen nicht haben, wo bekomme ich Beratung, wo hilft man mir, wo kann ich Förderung bekommen, kann ich überhaupt Förderung kriegen. Und da ist ein Bedarf. Und das sehen wir leider auch daran, dass immer wieder Geschäfte schließen und nicht lange Zeit durchhalten.
Unsere Erfahrungen speziell aus Leipzig sind, das hab ich auch von Kollegen schon erfahren, dass oftmals die lokale Struktur der Wirtschaft gar nicht so richtig erkannt wurde. Das heißt, wir haben in Leipzig angefangen, eine richtige Analyse zu machen, was für Unternehmen wir vor Ort haben, welche Sozialstruktur die haben, welche Wirtschaftsstruktur sie haben, wie das überhaupt mit Kenntnissen im Bereich Marketing, Dienstleistung aussieht, welche Zielgruppenvorstellungen die Unternehmen haben. Und wir haben erkannt, dass dadurch relativ unterschiedliche Vorstellungen über Realität, Praxis und wie es sein sollte herrschen. Wichtig ist aufgrund dieser Untersuchung, dass man die Bedarfe der Unternehmen analysiert, dass man die Unternehmen fragt, wie sie sich ihre Zukunft in den Stadtteilen vorstellen, und dass von der Stadtverwaltung, vom Amt für Wirtschaftsförderung auch nicht einfach Entscheidungen über die Köpfe der Unternehmen hinweg getroffen werden. Also wichtig, denke ich, ist, dass die Unternehmen eine Hilfe zur Selbsthilfe bekommen, dass sie selber entscheiden können.
Ziel des Projektes Soziale Stadt ist ja auch das Entstehen von Arbeitsplätzen. Und Arbeitsplätze können Unternehmen nicht aufgezwungen werden. Arbeitsplätze entstehen nur, wenn die Wirtschaft funktioniert, wenn die Unternehmen stark genug sind und wenn sie über die betriebswirtschaftliche Voraussetzung verfügen, was in den vielen kleinen Unternehmen nicht der Fall ist. Wir haben eine Unternehmensstruktur im Leipziger Osten, die überwiegend aus kleinen Einzelhändlern und Dienstleistungsunternehmen besteht. Und viele dieser Unternehmen kämpfen täglich ums Überleben. Und für diese Unternehmen muss einfach ein aktives Beratungsangebot realisiert werden.
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Das schafft man mit sehr viel Zeit, sehr viel Geduld. Das schafft man durch permanente Kontakte mit den Unternehmen. Ich war selber überrascht, wir haben jetzt eine Befragung von 100 Unternehmen abgeschlossen mit einem jeweils einstündigen persönlichen Interview, wie offen die Unternehmen einem nach zwei Jahren gegenübertreten, dass man Dinge erfährt, die sie am Anfang nicht preisgegeben haben. Aber es gibt immer noch Unternehmen, wo dieses Vertrauen noch nicht so realisiert ist. Das ist ein schwerer Schritt, dass die Unternehmen wirklich Dinge von sich preisgeben und selber eingestehen, dass sie noch Schwächen haben, dass sie betriebswirtschaftlich wirklich Probleme haben, dass sie Probleme haben mit der Lohnabrechnung und dass sie halt niemanden einstellen. Ich denke, das ist ein weiter Weg, bis es selbstverständlich wird, da ist jemand vor Ort, dem kann ich meine Probleme erzählen, der hilft mir weiter.
Ob ich da so kompetent bin, weiß ich natürlich nicht. Wir haben auch ein kleines Arbeitsteam, bestehend aus der Kollegin des Planungsamtes, der Wirtschaftsförderung und dann eben zwei Quartiermanager in den Stadtteilbüros. Und ich glaube, ganz wesentlich ist, was heute Morgen auch schon gesagt wurde, dass man in die Bestands- und in die Bedarfsanalyse einsteigen muss. Das wird in vielen Fällen schon mal gar nicht gemacht, in anderen aber dann doch. Ich glaube, dass es dieses Prinzip gibt: Auf Ursachen folgen Gegenmaßnahmen. Wenn man das mal auf die Realität anwendet, dann stellt man ja fest, dass die Folgen doch relativ schnell von den Betroffenen vor Ort genannt werden. Und es hat vielfach damit zu tun, dass man als Mensch gerne und auch schnell in der Lage ist, zu meckern, sich über kritische, negative Dinge zu äußern. Die Ermittlung der Ursachen kann man entweder mit eigenen Datenmaterialien durchführen oder man beauftragt einen Gutachter.
Schwierig und spannend wird es aus meiner Sicht und aus meinen Erfahrungen bei den Gegenmaßnahmen. Die müssen erst mal entwickelt werden. Und wenn die so entwickelt werden sollen, dass nicht wir als Stadtverwaltung, als Wirtschaftsförderung sie vorgeben, sondern dass die Leute vor Ort sie auch wirklich mitleben und tatsächlich umsetzen, dann stellen wir in vielen Fällen fest, dass diejenigen, die vorher gemeckert haben, nicht mehr da sind, um gemeinsam mitzuarbeiten. Das ist die spannende Frage: Wie gewinne ich die, wenn ich den Vertrauensprozess schon mal eröffnet habe, dafür dann auch wirklich aktiv mitzuarbeiten?
Was tun wir in Aachen? Wir haben natürlich auch immer im Hinterkopf, dass auf Ursachen Gegenmaßnahmen folgen, haben uns aber selber in Anbetracht der Vielzahl von Einzelproblemen, von Einzelprojekten, die durchgeführt werden, selber ein Stück weit an die Hand genommen und gesagt, dass wir Schwerpunkte bilden müssen, Schwerpunkte, um uns selber auf Linie zu bringen. Wir können nicht alles und jedes und wir wollen auch gar nicht alles und jedes selber machen.
Ein Schwerpunkt, den wir herausgebildet haben, ist, bestehende Strukturen zu stärken. Zu diesen bestehenden Strukturen gehört in unserem Stadtteil definitiv der Einzelhandel, der sich aber in einem kontinuierlichen Destabilisierungsprozess befindet. Hier müssen Maßnahmen ergriffen werden. Wir sind dies gemeinsam mit der Aachener Hochschule angegangen und haben auch hinsichtlich der Einzelhändler, die wir zu Beginn zusammenbringen konnten, dafür Sorge getragen, dass die sich eingebracht haben, dass die gesagt haben, wo der Schuh drückt, was sie für Maßnahmen und Ideen entwickeln wollen, um dagegen anzugehen. Wir sind jetzt mittlerweile bei einem Schritt, dass die Einzelhändler, die vorher Individuen waren, jeder hat für sich gedacht, sich schon vernetzt haben, sich zusammengetan haben.
Wir verstehen uns nicht als diejenigen, die diesen gesamten Prozess durchführen und leiten, sondern wir verstehen uns als diejenigen, die Hilfe zur Selbsthilfe geben. Wir steuern ein Stück weit schon, aber bieten im Wesentlichen finanzielle Möglichkeiten, damit die Einzelhändler Maßnahmen selber entwickeln und auch umsetzen können. Das sind Maßnahmen, wie, das werden Sie alle kennen, eine gemeinsame Marketingveranstaltung, das sind Maßnahmen, wo wir als Stadt dann auch wieder gefragt sind, z.B. bei der Verschönerung und Attraktivierung der Einkaufsstraßen, bei der Vernetzung der räumlichen Strukturen. Aber wir sind mittlerweile auch so weit, dass sich verschiedene Einzelhändler und auch Hauseigentümer zusammengetan haben. Das Interessante dabei ist, dass das nicht nur Deutsche, sondern auch türkische Geschäftsleute sind. Die haben einen Immobilienfonds gegründet, haben dort ihre Geldmittel zusammengetan und sind momentan dabei, einzelne Gebäude, einzelne Immobilien in diesem Stadtteil aufzukaufen, um sie zu sanieren, um aber auch dafür Sorge zu tragen, dass größere Ladeneinheiten geschaffen werden können, um dort dann auch wieder neue Unternehmen, neue Geschäfte ansiedeln zu können. Ein ganz spannender Prozess, der natürlich jetzt immer noch ein Stück weit in den Kinderschuhen steckt, aber der aus meiner Sicht sehr stark von den Händlern vor Ort selber durchgeführt wird.
Wir haben vor ca. drei Jahren, als das Quartiersmanagement angesiedelt wurde, in unserem Quartier einige Pro-bleme gehabt. Es gibt dort viele kleine Betriebe. Und es ist eine Vertrauenssache gewesen, weil die meisten Leute sich gar nicht getraut haben, ihre Sorgen und ihre Entwicklung den Ämtern oder den zuständigen Stellen weiterzugeben. Als der Quartiermanager bei uns ankam, wurde nach einiger Zeit eine Vertrauensbasis aufgebaut. Und auf dieser Basis haben wir Geschäftsleute im Quartier uns zusammengetan und eine Interessengemeinschaft gegründet, weil wir der Meinung waren, wenn wir zusammenhalten, füreinander leben, dann können wir bessere Projekte entwickeln, um das Quartiersmanagement bzw. die wirtschaftliche Lage zu verbessern. Verbessern heißt, wir müssten eigentlich Kundschaft von außerhalb des Bezirkes anlocken, damit wir dann wirtschaftlich besserstehen. Und mit diesem Ziel haben wir dann einige Projekte entwickelt und die Unterstützung des Quartiersmanagements bekommen. Es sind auch große Betriebe bei uns angesiedelt, Banken, Bibliotheken, Museen, die wir dann nutzen können, um eine bessere wirtschaftliche Situation zu schaffen.
Wir haben die ganze Entwicklung hautnah erlebt. Aber ich denke, es könnte vieles mehr gemacht werden in den Ämtern oder den jeweiligen Behörden, wo alles theoretisch geplant und für die Umsetzung vorbereitet wird. Ich aber bin der Meinung, man sollte das anders angehen, sich an Geschäftsleute, an Anwohner, an das Quartier wenden und gemeinsam ein Konzept entwickeln und die Ideen und Vorstellungen der Bewohner und Geschäftsleute dort einbinden. Ich denke, es könnte wirtschaftlich und auch sozial besser ankommen, wenn man gemeinsam ein Konzept entwickelt, statt auf den Tisch zu hauen und zu sagen, das muss so und so aussehen. Wir erleben das, wie gesagt, tagtäglich hautnah. Und wir haben auch einige Probleme in unserem Quartier, die wir lösen müssen. Es sind auch Geschäftsleute, die dann immer wieder mal Ideen haben, aber nicht in der Lage sind, sie individuell zu realisieren. Bei dieser Realisierung von Ideen bzw. von Konzepten, da brauchen wir dann natürlich Hilfe von zuständigen Behörden und der Politik. Wir wollen, dass die Leute mit uns dann im Quartier kooperieren.
Natürlich veranstalten wir auch Straßenfeste. Wir haben im Quartier letztes Jahr eine Existenzgründergalerie für junge Leute gegründet, die sich eine Existenz - hauptsächlich in der Dienstleistungsbranche - aufbauen und Unterstützung bekommen wollen. Das ist ein Gemeinschaftsbüro, da wird unternehmerische Beratung angeboten und auch zu Fördermittel beraten, vor allem für Migranten und Migrantinnen. Es gibt ja Kommunikationsschwierigkeiten bei den Migranten, die sich dann weniger trauen, sich an der Öffentlichkeit zu wenden, um sich über Selbstständigkeit zu informieren. Dabei unterstützen wir die dann voll. Wir haben in diese Richtung ein Konzept entwickelt, vor allem an Migranten heranzutreten, die sich selbstständig machen wollen, aber sich mit den Gesetzen und der Bürokratie in Deutschland bzw. in Berlin nicht so gut auskennen. Ebenso angesprochen sind Geschäftsleute, die ihren Betrieb vergrößern wollen, die aber wenig Erfahrung mit der Bürokratie und der Branche haben.
Ja, so sehe ich die Sache auch. Und ich denke, es sollte noch einiges mehr getan werden, vor allem in unserem Quartier, es ist wirtschaftlich wirklich nicht in der besten Lage, und es gibt viele Geschäfte, kleine Geschäfte, alle Branchen sind vertreten. Wir wollen ja das Beste daraus machen. Dieses Vertrauen spielt eine große Rolle, dass die Leute über ihre Betriebe bzw. deren Daten, über ihre Schwächen reden wollen. Wir sind über diesen Punkt hinaus: Bei uns ist diese Vertrauensbasis schon vorhanden und wir können schon offen miteinander reden, wo unsere Schwächen liegen. Was Sie eben gerade erwähnt haben mit der IHK, solche Veranstaltungen werden bei uns im Quartier kaum gemacht bzw. die Geschäftsleute bei uns kaum eingeladen. Und das ist eine große Schwäche. Wir wollen einfach mitreden.
Bei den Beiträgen auf dem Podium ist mir aufgefallen, dass das Thema "Städtebau" oder "Städtebauförderung" gar keine Rolle gespielt hat. Es geht darum, das ist auch der Anlass des Programms Soziale Stadt, eine soziale und ökonomische Entwicklung in den Programmgebieten anzustoßen. Diese Anstoßfunktion erfüllt das Programm, doch der Bereich lokale Ökonomie ist dabei einer derjenigen, wo das aus mehreren Gründen, die heute hier auch sehr deutlich geworden sind, sehr schwierig ist: Zum Teil wird gesagt, lokale Ökonomie ist etwas Kleines, das uninteressant ist, das nur in einem kleinen Zirkel stattfindet und wo es sozusagen lokale Tauschringe gibt und so etwas. Das bringt ja nichts. Wir haben aber gestern schon von Herrn Wiesehügel gehört, dass es gar nicht nur um die ganz großen Probleme geht. Daher möchte ich deutlich machen, dass es auch um die großen Probleme geht. Denn man kann allein auf der Quartiersebene die Ursachen und Folgen des wirtschaftlichen Strukturwandels, der Arbeitslosigkeit nicht lösen. Aber gleichzeitig muss man diese Fragen auch auf der Quartiersebene angehen, weil es eine Reihe von Problemen gibt, die man nur auf der Quartiersebene lösen kann und die man dort lösen muss. Man kann also sagen, es ist ein Mehrebenenansatz erforderlich: Es muss die große Politik auf der Ebene der Stadt, des Landes und der Bundesrepublik aktiv sein, aber eben auch auf der Ebene des Quartiers. Dazu gibt es keine Alternative, hier muss parallel gehandelt werden. Das Nächste ist, dass lokale Ökonomie ein Handlungsfeld ist, das für die Städtebauer neu und schwierig ist. Wir haben zu Beginn des Programms eine Umfrage in allen Programmgebieten durchgeführt, in der nach Problemen und Potenzialen gefragt worden ist und nach Lösungsansätzen und Zielen. In fast allen Gebieten wurde geantwortet, dass ein großes Problem die lokale Ökonomie ist. Dabei werden von den Betrieben her, von den Bewohnerinnen und Bewohnern durchaus auch Potenziale gesehen. Aber die möglichen Ansatzpunkte sind unklar. Das wurde dadurch deutlich, dass bei den Zielen und bei den Maßnahmen nur ganz wenige benannt wurden, die sich auf die Entwicklung einer lokalen Ökonomie bezogen. Das heißt, hier wird gesehen, dass ein Handlungsbedarf feststeht, aber man weiß nicht, was genau getan werden kann und muss. Aber das Nachdenken darüber ist etwas, das das Programm angestoßen hat. Alle Beteiligten müssen lernen, dass hier nicht die Städtebauförderung alleine agieren kann, sondern dass es dazu der Hilfe der Wirtschaftsförderung bedarf, wie dies etwa in Aachen, aber auch in Kassel der Fall ist. Diese Zusammenarbeit ist ganz notwendig, aber auch sehr schwierig.
Eine weitere Schwierigkeit ist, und auch hierzu gibt es einen Anstoß durch das Programm Soziale Stadt, dass es nicht sinnvoll ist, etwas über die Köpfe der Menschen hinweg zu unternehmen, sondern dass nur mit ihnen zusammen ein Erfolg erreicht werden kann. Das hat Herr Öztürk gerade sehr deutlich gemacht und es trat auch in den Analysen aus Leipzig und Kassel sehr deutlich hervor: Wir müssen überhaupt erst einmal wissen, was an Potenzial wirklich genau da ist, um auf die Bedarfe und auf die Möglichkeiten eingehen zu können. Dann muss mit den Potenzialträgern, das heißt den Unternehmen, den Beschäftigten, den Arbeitsuchenden im Gebiet zusammen nachfrageorientiert eine Hilfe zur Selbsthilfe entwickelt und nicht eine fertige Lösung von oben oktroyiert werden. Das alles kostet Zeit, das kostet auch neues Wissen, das in den Stadtverwaltungen oder bei Kooperationspartnern aus der Wirtschaft wie in Leipzig aufgebaut werden muss, Kooperationswissen, aber auch das nötige Wissen für eine fachliche Beratung der Unternehmen oder Unternehmensgründerinnen und -gründer. Die Zusammenarbeit mit Einrichtungen der Wirtschaft, wo dieses Wissen vorhanden ist und vermittelt werden kann, also eine breite Vernetzung in Bereiche hinein, die nicht typisch städtebaulich im klassischen Sinne sind, ist hier notwendig.
Wenn man den Anspruch, den das Programm hat, eine nachhaltige Entwicklung zu erreichen, das heißt eine Entwicklung, die nicht auf öffentliche Subventionierung auf Dauer angelegt ist, dann geht dies nur durch eine vielfältige und die örtliche Wirtschaft einbeziehende Aktivität. Das erfordert Zeit und Umdenken, das kostet auch Geld; aber dafür ist das Geld aus dem Programm Soziale Stadt ja da. Wir hoffen alle, dass dieses Programm, wie es beabsichtigt ist, noch lange fortgeführt wird, denn solche Kooperationsstrukturen und das Vertrauen darin müssen neu aufgebaut werden. Wie unsere erste Umfrage zeigt, ist hier in vielen Städten noch sehr viel zu tun. Ich hoffe sehr, dass wir auch mit dieser Tagung hierbei einen Schritt weiterkommen. Bei unserer zweiten Umfrage, die jetzt in der zweiten Jahreshälfte laufen wird, werden wir sehen, ob sich hier und wo sich hier etwas getan hat.
Die Defizite sind im Leipziger Osten zurzeit vor allem in der Wirtschaftsstruktur erkennbar, weil wir das Problem haben, dass wir Unternehmen haben, die Hilfe brauchen zum unternehmerischen Handeln, zum unternehmerischen Agieren. Wir haben z.B. ein Projekt entwickelt und es gerade zum Abschluss gebracht, das heißt "Qualifizierung und Arbeit statt Sozialhilfe" für Sozialhilfeempfänger nach dem Chemnitzer Modell, wo wir vor einem Jahr über geförderte Arbeitsplätze Sozialhilfeempfänger auf dem ersten Arbeitsmarkt in die Unternehmen integriert haben.
Das heißt, wir hatten bei diesem Projekt nicht nur das Problem, dass bei den Teilnehmern des Projektes, den Sozialhilfeempfängern, die Schlüsselqualifikationen gefehlt haben, dass die Leute wieder lernen mussten, pünktlich auf Arbeit zu kommen, dass man seinen Arbeitgeber nicht bestiehlt und andere Verhaltensverweisen. Wir haben aber auch gelernt, dass die Unternehmen an sich betreut werden mussten, dass die Unternehmen Defizite im Personalmanagement hatten, dass wir den Unternehmern erklären mussten, wie funktioniert eine Lohnabrechnung, wie gehe ich mit dieser zusätzlichen Arbeitskraft um, wie löse ich auch zwischenmenschliche Konflikte.
Ich denke, dadurch sind ganz neue Handlungsfelder entstanden - und zwar auch unabhängig davon, dass lokale Beschäftigung sich in vielen Bereichen nur auf die Arbeitnehmerseite konzentriert. In vielen Städten sieht es so aus, dass lokale Beschäftigungsentwicklung in klassischen Qualifizierungsmaßnahmen endet, wo Teilnehmer geschult werden, und zwar in Berufen, die nicht den Anforderungen der Wirtschaft gerecht werden. Das heißt, es werden Pflegekräfte ausgebildet, Hauswirtschaftler, Sachbearbeiter, aber das Personal, das die Wirtschaft an sich gefördert haben möchte, diese Qualifikationen, die fehlen teilweise. Wir haben jetzt die Unternehmen gefragt, was möchtet ihr, was verlangt ihr von euren Arbeitnehmern? Wir versuchen, im Rahmen der Sozialen Stadt auf die Bedürfnisse der Unternehmen einzugehen. Ich denke, das ist ein ganz wichtiger Punkt, dass man mit den Unternehmen redet, dass man sie fragt, was braucht ihr überhaupt, und dass man nicht über die Köpfe der Unternehmer hinweg versucht, ihnen Menschen aufzuzwingen, wenn man sagt, wir haben diese Leute, ihr müsst sie jetzt einstellen.
Es ist eine Gratwanderung, weil wir auf der einen Seite eine verdammt hohe Arbeitslosigkeit haben. Es sind Sozialhilfeempfänger, es sind Leute mit sehr niedrigem Bildungsniveau, auf der anderen Seite haben wir Unternehmen mit sehr hohen Ansprüchen. Und jetzt ist die Kunst der lokalen Beschäftigungsentwicklung, diese beiden Gruppen, die sehr weit voneinander entfernt sind in ihren Vorstellungen, in ihren Denkweisen, zusammenzubekommen. Ich denke, das ist auch eine wichtige Aufgabe für die Zukunft, dieses Problem zu lösen.
Da kann ich direkt anschließen. Wir haben zurzeit die Möglichkeit, auch europäische Fördergelder in Anspruch zu nehmen, weil Kassel jetzt auch Standort der Gemeinschaftsinitiative Urban 2 ist. In dem Rahmen haben wir ein neues Projekt des Kulturzentrums bei uns im Stadtteil, und zwar ein Projekt zur Förderung der Ausbildungsplatz- und Arbeitsplatzpotenziale in der Nordstadt. Das Projekt hat bereits begonnen und die ersten Schritte einer Sozialarbeiterin waren ebenfalls, in Kontakt zu kommen mit den Unternehmen, mit den Betrieben. Sie selber sagt, sie macht Streetwork und baut erst mal Vertrauen auf, um die Bedürfnisse herauszufinden und dann zu sehen, wie müssen die Menschen sein, die dann auf diese möglichen freien Plätze - wenn zum Beispiel eine Kassiererin fehlt oder eine Bürokraft fehlt, das findet sie raus in diesen feinfühligen Gesprächen - passen.
Und das Wunderbare an diesem Projekt ist, dass es bei einem Träger liegt, der einfach schon viele andere Maßnahmen, Projekte, Qualifizierungen anbietet, unter anderem Berufsorientierung für Migrantinnen oder ein Projekt "Migrantin in Arbeit", oder Jugendberatungsqualifizierung, und einfach diese Projekte miteinander verbinden kann. Zum einen ist der Kontakt da zu den Bürgern über dieses Kulturzentrum, aber auch über die anderen Bereiche, die es abdeckt. Diese Sozialarbeiterin hat zum Beispiel auch schon die ersten Vermittlungen hergestellt, direkt vor Ort. Es gibt einen neuen Unternehmer, einen größeren, etwas professionelleren Unternehmer in der Nordstadt, auch ein Migrant, der ein bisschen anders arbeitet als die ganz Kleinteiligen im Quartier und bei ihm war klar, es fehlen zwei Kassiererinnen. Und er sagt, ich gehe nicht zum Arbeitsamt, mit denen kann ich nicht, da weiß ich gar nicht, was geben die mir, wie kann ich mit denen reden. Diese Sozialarbeiterin wusste aber schon von dem Projekt "Frauen, Immigranten und Arbeit", dass da ein Potenzial an Frauen ist, die wirklich gut drauf passen würden. Und nach Rücksprache mit diesem Projekt war es überhaupt keine Schwierigkeit, dort sofort zwei qualifizierte Frauen unterzubringen, die dahin passten und zu denen er auch Vertrauen hatte, ohne das Arbeitsamt einzuschalten. Das ist natürlich eine wunderbare Chance für uns im Projekt, das zu verknüpfen.
Ich kann auch da wieder direkt anschließen. Ich glaube, wir werden alle die Zielrichtung vertreten, dass man ganz konkret an den Bedarfen der Unternehmen, aber sicherlich ganz konkret an den Bedarfen und den Stärken der Zielgruppen, der Personen, die in Arbeit gebracht werden sollen, ansetzen muss. Ich denke aber, dass es da auch ein paar strukturelle Probleme gibt, die auch immer wieder genannt werden, aber die letzten Endes auch nicht gelöst werden. Alle wissen, dass die Städtebauförderung erwartet, dass wir ein integriertes Konzept vorlegen, dass wir auch in der Umsetzung unterschiedliche Maßnahmen miteinander verknüpfen, um so mehrere Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Dabei stellen wir natürlich Folgendes fest: In erster Linie liegt es nahe, hier Maßnahmen durchzuführen, die Qualifizierungen zum Bauhelfer generieren, die also in dem Themenfeld angesiedelt sind, wo letzten Endes dann auch die Städtebaufördermittel hineinfließen. Wenn das geschieht, ist zum Zweiten erforderlich, dass für diese Maßnahmen arbeitsmarktpolitische Fördermittel eingeworben werden.
Wir haben das natürlich auch gemacht. Das liegt auch insofern nahe, als die Stellen, die in diesem Bereich "Bauhelferqualifizierung" geschaffen werden können, niederschwellig sind und damit relativ deutlich bei der Zielgruppe ansetzen können. Wir stellen aber fest, dass zwar die Städtebauförderung das begrüßt, die Arbeitsmarktförderung uns hingegen dann vorwirft, dass wir in den Feldern tätig sind, in denen kaum Vermittlungschancen bestehen, weil die Baukonjunktur am Boden liegt. Und das ist natürlich ein strukturelles Problem, bei dem wir uns hier ein Stück weit auch zur Wehr setzen müssen. Was können wir da an Alternativmaßnahmen auf den Weg bringen? Wir haben versucht, mit den dann beschränkten Mitteln, die wir als Kommune bei Sicherungskonzept, Haushaltssperre und dergleichen mehr haben, verschiedene kleinere Maßnahmen auf den Weg zu bringen. Wir haben zur Zeit ein Projekt, in dem Jugendliche, Sozialhilfeempfänger oder Personen, die bis zu 25 Jahre alt sind, wenn sie zum ersten Mal zum Sozialamt kommen, unmittelbar eine Arbeitsstelle angeboten bekommen, eine Arbeitsstelle im ersten oder im zweiten Arbeitsmarkt, so dass sie gar nicht erst in die Sozialhilfe hineingeraten. Diese Stellen, die wir hier zur Verfügung stellen können, das mittlerweile insgesamt im Schnitt immer 90 Stück, sind so aufgebaut, dass sie sehr verschiedene Themenbereiche abdecken. Da kann der Jugendliche, der sich gemeldet hat, im baulichen Bereich tätig werden, im Büro tätig werden, er kann den Gabelstaplerführerschein machen, er kann hier direkt einen Ausbildungsplatz antreten. Es sind sehr unterschiedliche Stellen. Man kann mit diesem Konstrukt sehr deutlich bei den persönlichen Fähigkeiten und Interessenlagen der Jugendlichen ansetzen. Wir haben aber im Vorhinein natürlich auch mit den Unternehmen, die diese Stellen bereitstellen, insofern Abstimmungen durchgeführt, dass sie genau wissen, was auf sie zukommt, dass auch hier der Bedarf erfasst worden ist.
Das ist ein Vorgehen, das wir derzeit erproben, was auch relativ gut funktioniert. Es funktioniert aber auch nur deswegen gut, weil wir hier mit arbeitsmarktpolitischen Trägern und mit Unternehmen zusammenarbeiten, die die Bereitschaft haben, hier tätig zu werden. Und das bedeutet auch ein Umdenken, auch wieder ein strukturelles Problem, ein Umdenken dahingehend, dass die arbeitsmarktpolitischen Träger nicht mehr die Komplettmaßnahme für 20 oder 30 Personen anbieten können, die alle angebotsorientiert das Gleiche machen, letzten Endes aber vielleicht gar nicht vermittelbar sind. Die Träger müssen hier auch dahingehend umdenken, dass sie einzelne Personen in verschiedene Maßnahmen mit hineinnehmen, dass sie auch modulartig tätig werden und nicht mehr Komplettmaßnahmen über ein oder anderthalb Jahre hinweg betreiben. Auch dieses strukturelle Problem stellt sich bei der Stadtteilerneuerung, wird hier deutlich, und wir schlagen uns natürlich auch dann im eigentlichen Prozess der Stadtteilerneuerung mit diesen größeren strukturellen Problemen herum. Ich muss ganz ehrlich sagen, bei diesen beiden jetzt von mir aufgezeigten strukturellen Problemen würde ich mir manchmal wünschen, dass auch von außen oder auch von oben mehr Unterstützung erfolgen würde.
Ich kann das nur willkommen heißen, was ich hier alles höre, was durchgeführt wird an Projekten in anderen Städten und anderen Bezirken. Ich würde mich natürlich sehr freuen, wenn solche Projekte auch bei uns im Quartier durchgeführt werden könnten, für die jugendlichen Arbeitslosen, die wir im Quartier haben, ungefähr 800 Jugendliche. Zum Glück haben wir keine Banden und keine Cliquen von Jugendlichen, sie sind sehr friedlich. Wir haben einen multikulturellen Kiez, da wohnen überwiegend Migranten, die kommen aus allen Städten und Ländern. Und wir kommen sehr gut klar miteinander. Was wir brauchen, das sind Fachkräfte, qualifizierte Fachkräfte aus allen Branchen. Unter einem Dach sind wir 70 Gewerbeeinheiten, man kann sich vorstellen, wie viele Branchen sich unter diesem einen Dach befinden. Wir haben doch so viele Gewerbeeinheiten und Geschäftsleute im Quartier. Wir haben Personalmangel, sei es bei Kassiererinnen oder Kellnerinnen oder sonst was, wir haben in allen Branchen einen Mangel an Personal, das qualifiziert ist. Und Jugendliche, die sich dafür interessieren, brauchen heutzutage ein bisschen mehr Fürsorge. Man muss schon offen zu dem Jugendlichen hingehen und sagen, komm' mit, mach' mit, füreinander, miteinander. Dann machen die auch mit. Ich denke, so kann man einzelne Stadtteile dann auch stärker unter dem Aspekt Soziales und Wirtschaft beleben, beides muss man da zusammen in einen Topf tun, und unter diesen beiden Aspekten sollte man das Ganze dann durchführen. Und "beleben" heißt ja nicht nur Grünanlagen und Spielplätze für Kinder usw., das wäre dann "nur" sozial, man sollte den wirtschaftlichen Teil mitberücksichtigen.
Wir haben gestern gehört, was kritisiert wird an dem Programm: "Der Staat zieht sich zurück und überlässt die Arbeit den Quartiermanagern". Ich denke, was heute deutlich wird, ist, dass das so pauschal nicht stimmt. Zunächst haben wir gelernt, dass es nicht alleine auf Geld ankommt, sondern auf eine ganz andere Art des Umgangs mit den Menschen und mit den Betrieben in den Quartieren. Das heißt, der alte Sozialstaat, der im Wesentlichen nur Geld verteilt hat, wird ersetzt durch einen aktivierenden Staat, der sich den Menschen und den Unternehmen, auch kleinen und kleinsten zuwendet. Und diese Zuwendung, das heißt das Hören auf ihre Probleme und das Sehen ihrer Potenziale, ist das, was den Menschen oder den Betrieben gerade in den benachteiligten Quartieren bisher fehlt. Die vielfach durchgeführten Themenkonferenzen zur lokalen Ökonomie sind oftmals der erste Zugang zur Wirtschaftsförderung, wie das Beispiel Kassel zeigt.
Dies aber bedeutet, dass die Aufgaben des Staates überhaupt nicht weniger, nur ziemlich anders werden, als sie es in der Vergangenheit waren. Und es bedeutet auch, gemessen an alten Vorstellungen, eine Abgabe von Macht für Professionelle, für Sozialarbeiter, für Stadtplaner, eine Abgabe von Macht an die Bevölkerung, an die Unternehmen, und nicht im Sinne von Wegschieben, sondern von dafür sorgen, betreuen, unterstützen, Hilfe zur Selbsthilfe leisten, um so das Potenzial, das in den Gebieten da ist, zu aktivieren. Dieser andere Denkansatz, der ist es, der durch dieses Programm angestoßen wird, und der ist noch überhaupt gar überall angekommen. Den gibt es partiell und gibt's bei vielen Einzelnen, aber doch keineswegs als gesamte Politik. Wenn Herr Begaß sagt, er braucht die Unterstützung von oben, um Wirtschaftsförderung in diesem Sinne wirkungsvoll betreiben zu können, dann werden leider noch bestehende Defizite deutlich. Auch die örtliche Politik muss umlernen, muss dazu kommen, solche Arten von Verwaltung, von Verwaltungskooperation, von Bürgerbeteiligung, Bürgermitwirkung und Bürgerentscheidung wirklich zu unterstützen und nicht als einen Machtverlust anzusehen, sondern als eine Möglichkeit, wieder Bürgernähe und damit eine steigende Bedeutung zu gewinnen, indem man sich in all diese Partizipationsprozesse produktiv einbringt.
Quelle: Kongress Die Soziale Stadt - Zusammenhalt Sicherheit, Zukunft, Dokumentation der Veranstaltung am 7. und 8. Mai 2002 in Berlin, Deutsches Institut für Urbanistik, Berlin, November 2002 |