Klaus Wermker, Stadtentwicklung, Essen
"Bund und Länder messen dem Integrierten Handlungskonzept für die Umsetzung des Programms ‚Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf - die soziale Stadt' strategische Bedeutung zu. Dies wird in Artikel 2, Absatz 4 der von Bund und Ländern geschlossenen Verwaltungsvereinbarungen zur Städtebauförderung (1999-2001) deutlich: ‚Die Probleme der Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf sind mit einem integrierten Konzept im Sinne einer ganzheitlichen Aufwertungsstrategie in einem umfassenderen Zusammenhang zielgerichteter sozialer und ökologischer Infrastrukturpolitik anzugehen. (...) Maßnahmebegleitend ist ein auf Fortschreibung angelegtes gebietsbezogenes integriertes stadtentwicklungspolitisches Handlungskonzept durch die Gemeinden aufzustellen. Das Handlungskonzept (Planungs- und Umsetzungskonzept sowie Kosten- und Finanzierungsübersicht) soll zur Lösung der komplexen Probleme zielorientierte integrierte Lösungsansätze aufzeigen, alle Maßnahmen zur Erreichung der Ziele - auch die anderer Bau- und Finanzierungsträger - erfassen sowie die geschätzten Ausgaben und deren Finanzierung darstellen.' Mit diesen Bestimmungen wird gleichzeitig die Förderfähigkeit eines Gebietes an die Erarbeitung eines integrierten stadtentwicklungspolitischen Handlungskonzepts für das Quartier gebunden." (1)
Diese integrierten Handlungskonzepte sollen eine Antwort auf die krisenhaften Entwicklungen vor allem in großen Städten sein, die sich in sozialräumlichen Dislozitäten darstellen. Zwar sind die lokalspezifischen Ausprägungen unterschiedlich, aber alle Gebiete, die Gegenstand des Programms "Soziale Stadt" sind, haben gemeinsam:
1. eine überdurchschnittlich starke Betroffenheit der jeweiligen Quartiersbevölkerung von Arbeitslosigkeit, Armut und sonstigen Benachteiligungen;
2. den verstärkten Zuzug von Aussiedlern, Kriegsflüchtlingen, Asylsuchenden und anderen unterprivilegierten Personengruppen in bestimmte Stadtquartiere;
3. die Abwanderung einkommensstärkerer Haushalte ("Erosion der Mittelschicht") in statushöhere Wohngebiete oder in die Umlandgemeinden der jeweiligen Kernstadt ("Suburbanisierung").(2)
Diese Entwicklungen sind auch ein Ergebnis der "Unfähigkeit des politisch administrativen Systems, auf diese Entwicklungen vorausschauend (präventiv!) und in koordinierter Form zu reagieren".(3)
Die traditionellen Strategien, Wohnumfeldverbesserung, Stadterneuerung, Sanierung, städtebauliche Entwicklungskonzepte der 70er-/80er-Jahre sind an ihre Grenzen gestoßen. Einige Städte, Essen zählt ebenso dazu wie Hamburg, haben sich schon früher mit diesen Entwicklungen aktiv auseinander gesetzt, etwa seit Mitte der 80er-Jahre. Die Länder Hessen und Nordrhein-Westfalen (mit dem Programm "Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf") folgen seit Beginn der 90er-Jahre. In NRW sind seitdem integrierte Handlungsprogramme der Städte Voraussetzung für die Aufnahme in das Landesprogramm. Typische Merkmale integrierter Handlungsprogramme sind:
Die Handlungsfelder integrierter Stadtteilprogramme entsprechen jeweils den Problemstrukturen in den Gebieten - oder sollten dies jedenfalls tun. Im Wesentlichen geht es um folgende Aktionsbereiche:
Die Älteren unter uns oder diejenigen mit guten Kenntnissen der Geschichte der Stadtentwicklungsplanung wissen, dass die ehrgeizigen Versuche, integrierte gesamtstädtische Entwicklungspläne zu erstellen, samt und sonders gescheitert sind. Sie scheiterten an der Datenfülle, an der mangelnden Vorhersehbarkeit der Entwicklungen und sie scheiterten in der Umsetzung. Letzteres auch deshalb, weil es nicht gelang - wenn denn der Versuch überhaupt unternommen wurde -, alle Akteure der Stadtgesellschaft auf die Umsetzung solcher Pläne zu verpflichten. Man darf ja nicht vergessen, dass viele der Akteure und der notwendigen Ressourcen gar nicht von der planenden kommunalen Selbstverwaltung unmittelbar zu beeinflussen waren. Einige ganz wesentlichen Handlungsfelder, z.B.
werden von Externen bestimmt, und es gibt in der Regel keine umfassenden gesamtstädtischen Konzepte und ebenso wenig eine Raumorientierung, oder Es herrscht eine sehr institutionen-/organisationsspezifische Sicht vor.
Die Arbeit der Wohlfahrtsverbände und die der Träger von Kinder- und Jugendarbeit sind über die Planungsverfahren nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) institutionell eingebunden, tun sich aber häufig schwer mit der Sozialraumorientierung.
Wenn es schon aus guten Gründen keine gesamtstädtischen integrierten Stadtentwicklungskonzepte gibt, so sollte es doch eine Entwicklungsstrategie der Städte geben, die sich nicht nur auf die wachstumsträchtigen Gebiete/Themen konzentriert, sondern zeitgleich die Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf bearbeitet. Und wenn die Einbindung der integrierten Handlungskonzepte für eben diese Stadtteile in gesamtstädtische sektorale Entwicklungskonzepte stattfindet, wie z.B. Jugendfreizeitstättenplan, Schulentwicklungsplan, Bibliothekskonzept usw. - wie das in Essen geschieht -, dann müssen die gesamtstädtisch gültigen Standards und Richtwerte dieser Planungen zugunsten der "schwachen" Stadtteile aufgegeben werden, das heißt, diese müssen besser gestellt werden. Dazu gehört eine politische Schwerpunktsetzung, die auf einer klaren Funktionszuweisung für diese Stadtgebiete basiert. Wenn diese Räume für die Gesamtstadt eine Integrationsfunktion haben - dies offen zu formulieren, stellt einen politischen Kraftakt dar -, dann müssen sie auch entsprechend mit Ressourcen ausgestattet werden. Und dies nicht nur für fünf Jahre, sondern so lange, wie ein Beobachtungssystem Defizite feststellt. Grundlage für eine solche Vorgehensweise sollte ein gesamtstädtisches kleinräumiges statistisches Raumbeobachtungssystem/Monitoring sein, wie wir es etwa in Essen seit Mitte der 80er-Jahre regelmäßig durchführen.
Eine bessere Lösung könnte so aussehen, dass gesamtstädtische Rahmenkonzepte durch sozialraumbezogene partizipative (Bürger/Akteure) erstellte Konzepte ausgefüllt werden. Dies wäre Teil einer "Raumorientierung der Verwaltung". Ein mögliches Konzept dafür haben wir im Soziale Stadt info, Heft 6/2001 skizziert.
Die Kernpunkte dieser Raumorientierung hat Matthias Sauter (5) so formuliert:
Eine solche Raumorientierung, die, wie wir es vorschlagen, wissenschaftlich evaluiert in einigen Gebieten erprobt werden müsste, ist meines Erachtens eine erfolgversprechende Möglichkeit, die Stadtteile mit Erneuerungsbedarf langfristig zu stabilisieren.
(1) Becker, Böhme, Meyer, Integriertes Handlungskonzept, in: Soziale Stadt info, Heft 6 (Oktober 2001), S. 2.
(2) Sauter, Integrierte Stadtteilentwicklung, in: Wohnbund Informationen, 2/2001, S. 7
(3) Sauter, a.a.O.
(4) Sauter, a.a.O.
(5) Sauter, a.a.O.
Quelle: Impulskongress Integratives Handeln für die soziale Stadtteilentwicklung, Dokumentation der Veranstaltung am 5. und 6. November 2001 in Essen (Veranstalter: Deutsches Institut für Urbanistik, Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung des Landes Nordrhein-Westfalen (ILS) in Kooperation mit Viterra, Essen), Deutsches Institut für Urbanistik, Berlin, 2002 |