soziale stadt - bundestransferstelle

Bund-Länder-Programm "Stadtteile mit
besonderem Entwicklungsbedarf - Soziale Stadt"
  

Bericht aus der Arbeitsgruppe 10:
Einbindung Integrierter Handlungskonzepte in gesamtstädtische Entwicklungskonzepte

Moderation und Berichterstattung:
Ulrike Meyer, Deutsches Institut für Urbanistik, Berlin


Stadtentwicklungspolitik
Kommunale Leitbilder
Organisation und Management
Gegenstromprinzip
Operationalisierung
Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Arbeitsgruppe

Dem detailscharfen Impulsreferat von Herrn Wermker, in dem verschiedene Probleme und Lösungsstrategien der Stadt Essen darlegt wurden, folgte ein Erfahrungsaustausch der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, der in die Formulierung umfassender Anforderungen mündete.


Stadtentwicklungspolitik

Die aktuelle Situation und die Erfolge von Stadtentwicklungsplanungen werden insgesamt skeptisch beurteilt. In der Vergangenheit wurden zu große Erwartungen in gesamtstädtische Konzepte gesetzt, die oftmals aufgrund einer problematischen Datenlage (fehlende kleinräumige Daten) nicht eingelöst werden konnten. Unterschiedliche Verwaltungsstrukturen erschweren zudem gesamtstädtische Handlungskonzepte; z.B. sind Schulbezirke oftmals geografisch anders eingeteilt als die Stadtbezirke.

Die nahezu akademische Stadtentwicklungsplanung der 70er-Jahre ist dabei jedoch einer Politik gewichen, die Akzente insbesondere durch kommunale Leitprojekte ("Leuchtturmprojekte") setzt. Trotz dieser Feststellung wird die Forderung formuliert, dass gerade Planungen für sozial belastete Gebiete in ein gesamtstädtisches Konzept einzubetten seien. In Hamburg gibt es z.B. so viele Soziale-Stadt-Gebiete, dass die Strategien für diese Quartiere in eine gesamtstädtische Politik integriert sein müssen.

Wenngleich Planungen derzeit aufgrund der wirtschaftlichen und bevölkerungspolitischen Lage äußerst flexibel sein müssten, wird dem Flächennutzungsplan und damit verbundenen kommunalpolitischen Beschlüssen eine große Bedeutung beigemessen. Auf dieser Ebene sind insbesondere Standortfragen, basierend auf der Frage nach der "Begabung von Räumen", raumübergreifend zu lösen. Die Funktionszuweisung an städtische Räume kann lediglich auf gesamtstädtischer Ebene erfolgen.

Die Planungssituation ist jedoch, abhängig von der Stadtgröße, sehr unterschiedlich. In der Stadt Münster wurde eine Stärken-Schwächen-Analyse, in Teilen mit Bürgerbeteiligung, für alle 18 Stadtteile erarbeitet; ein Vergleichsmonitoring sei jedoch aufgrund unzureichender Datenlage äußerst schwierig. Auch aus der Stadt Stralsund, die mit einem Gebiet gefördert wird, wird die problematische Datenlage beschrieben. Es existieren eine Bevölkerungs- und eine Wohnungsprognose bis zum Jahr 2010 für die Gesamtstadt, in denen jedoch nur begrenzt die Arbeitsmarktentwicklung berücksichtigt wird.

Die ungeklärte Frage nach dem Fortbestehen der Werft ist von elementarer Bedeutung auch für das Soziale-Stadt-Gebiet.

In den Niederlanden werden innerhalb von gesamtstädtischen Konzepten alle Stadtteile in verschiedene Kategorien eingeteilt, die von "stabilen Gebieten" bis "bedrohte Gebiete" reichen. Anhand dieser Kategorisierung werden Strategien entwickelt, die gesamtstädtisch aufeinander abgestimmt sind.

Einerseits wird in vielen Beiträgen die unzureichende Datenlage beschrieben, andererseits wird auf die Gefahr von "Datenfriedhöfen" und die Entbehrlichkeit von Prognosen hingewiesen. Groß angelegte Fortschreibungen seien oft unnütz; konzeptionelle Ansätze mit Alternativen seien erforderlich, in denen Entwicklungspotenziale dargestellt werden sollten. Die wichtigsten Determinanten, wie z.B. die Veränderung der Altersstruktur, seien zu beobachten, um auch mit einer eingeschränkten Datenlage bei "Warnsignalen" sofort reagieren zu können. Ein AG-Mitglied beschreibt, dass erst das präzise aufgearbeitete Datenmaterial in einem hoch belasteten Gebiet zu umfassenden politischen Reaktionen geführt hat ("...da brannte dann die Stadt.").

In der Arbeitsgruppe wird teilweise das gänzliche Fehlen von gesamtstädtischen Ansätzen geschildert. Kommunale Handlungsmöglichkeiten werden nicht genutzt; die Kooperation der Fachressorts funktioniert nicht. Neben kommunalen Gesamtkonzepten fehlen gleichermaßen regionale Konzepte. Eklatante Fehlentwicklungen werden hier insbesondere im Bereich von Einzelhandelsansiedlungen genannt.

Insbesondere Rückbau- oder Schrumpfungskonzepte, in vielen Soziale-Stadt-Gebieten ein dringendes Erfordernis, sind nur in gesamtstädtischem Kontext zu entwickeln. Diese neuen Aufgaben stellen sich nicht nur in den neuen Bundesländern. Zudem würden die Kommunen oftmals aus den Erfahrungen in den Soziale-Stadt-Gebieten nicht lernen oder diese nicht sinnvoll in anderen Teilen der Stadt anwenden.

Einigkeit besteht in der AG darin, dass die Anforderungen an gesamtstädtische Konzepte nicht zu hoch sein sollten. Als bedeutsamer und wirkungsvoller für die kommunale Entwicklung werden sektorale Einzel- oder Teilpläne eingeschätzt, für die Qualitätskriterien erforderlich sind. Insbesondere Standort-, Versorgungs- und Infrastrukturkonzepte sind sinnvoll, die auf abgestimmten Annahmen basieren und mit Leit- und Mehrzielprojekten gekoppelt sind. Bereits die Analysen für die sektoralen Pläne sollten interdisziplinär durch verschiedene Ressorts erstellt werden. Bestandteil derartiger Fachpläne sollten so genannte Stadtteilverträglichkeitsprüfungen sein, in denen die Auswirkungen auf die jeweiligen Stadtteile, insbesondere Soziale-Stadt-Gebiete untersucht werden.


Kommunale Leitbilder

Vor dem Hintergrund umfassender Veränderungen (z.B. Bevölkerungsentwicklung, Globalisierung, Bedeutungsgewinn großer Konzerne, rasante Entwicklung im IuK-Bereich, Versagen von traditionellen Stadtplanungsinstrumenten) gewinnen kommunale Leitbilder, bei deren Entwicklung eine gesamtstädtische Perspektive eingenommen wird, an Bedeutung. In einem groben Rahmen sollten Fixpunkte festgelegt werden, durch die ein "robustes Gerüst" entsteht. Auf der Grundlage politischer Entscheidungen wird eine Art "Entwicklungskorridor" für die nachhaltige Stadtentwicklung bestimmt. Glaubwürdigkeit und auch die Widerspruchsfreiheit derartiger Leitbilder sind den AG-Teilnehmerinnen und -Teilnehmern besonders wichtig. Als bedeutsame Handlungsfelder gerade auch für die Soziale-Stadt-Gebiete werden interkulturelle Konzepte, Integration, Wohnungspolitik, Wirtschaftsentwicklung, Bildung und Kultur genannt. Die Umsetzung des Programms Soziale Stadt erfordert die Wahrnehmung umfassender Querschnittsaufgaben und die Steuerung von großen Aktionen. Hierbei ist die Einbettung in "Politikpläne", kommunale Leitideen und letztlich auch sektorale Pläne unerlässlich.

Den hoch belasteten Stadtteilen stellt sich sozialpolitisch nach wie vor eine anspruchsvolle Integrationsaufgabe ("Stadtteil als Integrationsmaschine"), der sie sich nur mit Unterstützung auf allen Ebenen stellen können. Gerade in diesen Stadtteilen müsste die kommunalpolitische Fokussierung, basierend auf gesamtstädtischen Leitbildern, erfolgen; dort müssten die besten Schulen stehen, dorthin müssten öffentliche Mittel konzentriert fließen - "alles müsste dort zum Besten stehen", damit diese Aufgabe erfüllt werden kann.


Organisation und Management

Für die Einbindung von Stadtteilentwicklungskonzepten in gesamtstädtische Konzepte ist das Verhältnis zwischen Politik, Bürgerschaft und Verwaltung zu klären. Neben ressort- und ebenenübergreifenden Erarbeitungsformen ist hier der eindeutige Sozialraumbezug herzustellen. Mit dem Neuen Steuerungsmodell in den Kommunen, verbunden mit stärkerer Dezentralisierung von Verwaltungseinheiten und Budgetierung, kann dem Sozialraumbezug besser Rechnung getragen werden. Politischer Wille, manifestiert durch entsprechende Beschlüsse, ist nicht nur für Sachstrategien, sondern auch für die Ausgestaltung von Organisations- und Managementstrukturen von großer Bedeutung.


Gegenstromprinzip

Gesamtstädtische Konzepte und integrierte Stadtteilentwicklungskonzepte sollten in einem so genannten Gegenstromprinzip erarbeitet und umgesetzt werden, das heißt, dass sozialräumliche Strategien auf die Gesamtstadt ausstrahlen sollten und umgekehrt. Hierzu ist das Verfahren, der systematische Transfer zu klären und hinreichend transparent zu machen. Der Einsatz von Instrumenten und die Anwendung der Methoden sollten dargelegt werden. Die Anwendung des Gegenstromprinzips sollte sich jedoch nicht nur auf die Gesamtstadt und den jeweiligen Stadtteil beziehen, sondern gleichermaßen die Stadtregion, die Region und die Entwicklungsachsen berücksichtigen, da viele Probleme lokal nicht zu lösen sind. Die Entwicklung von Rückkopplungssystemen wird gefordert.

Auch in diesem Zusammenhang wird erneut die Frage nach Qualitätsstandards von Konzepten und nach der Einbeziehung der Bevölkerung gestellt. Die Schaffung von Bürgernähe und die Erreichbarkeit der politischen Mandatsträgerinnen und -träger stellen insbesondere auf regionaler Ebene ein großes Problem dar. Oftmals werde die Bevölkerung auch nicht ernst genommen, dies müsse sich ändern.


Operationalisierung

Die Einbindung integrierter Stadtteilentwicklungskonzepte in gesamtstädtische Entwicklungskonzepte erfolgt lediglich fragmentarisch, soweit derartige Konzepte überhaupt vorhanden sind. Die Notwendigkeit wird von der AG differenziert beschrieben. Die bereits formulierten Forderungen werden abschließend nochmals wie folgt akzentuiert und ergänzt:

Angesichts dieser hochkomplexen Materie betonen die Diskussionsteilnehmerinnen und -teilnehmer abschließend die unbedingte Notwendigkeit, eine größtmögliche Transparenz der Verfahren vor Ort auf allen Ebenen herzustellen. Auch dies ist eine elementare Voraussetzung für die Bürgerbeteiligung. Die Erarbeitung und Umsetzung der Konzepte, akzentuiert durch Prioritätensetzung, sollten mit einem kontinuierlichen Monitoring verbunden sein. Die Ergebnisse der Erfolgskontrolle auf Stadtteilebene sollten dann mit dem gesamtstädtischen Monitoring rückgekoppelt werden und umgekehrt.


Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Arbeitsgruppe 10

Name

Vorname

Institution

Ort

Biehler, Dr.

Hermann

IMU-Institut München

München

Dörnemann

Axel

EG DU Entwicklungsgesellschaft Duisburg mbH

Duisburg

Fedrowotz

Micha

 

Dortmund

Fielenbach

Michael

Stadt Dormagen, Amt für Stadtentwicklung, Vermessung und Bodenordnung

Dormagen

Gottwald

Marc

 

Essen

Hilbert

Mario

Hansestadt Stralsund, Bauamt, Abt. Planung und Denkmalpflege

Stralsund

Horch

Claudia

Kommunalverband Ruhrgebiet

Essen

Keil, Dr.

Andreas

Universität Dortmund, Institut für Geographie

Dortmund

Koch-Heite

Birgit

Stadt Münster, Stadtplanungsamt

Münster

Kolkau

Anette

Regionale 2006 Agentur GmbH

Wuppertal

Krapp

Stefan

Ministerium für Stadtentwicklung,, Wohnen und Verkehr des Landes Brandenburg

Potsdam

Kucera

Katerina

 

Essen

Lüken-Isberner, Dr.

Folckert

Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft Hessen mbH (FEH)

Frankfurt/Main

Manzke

Brigitte

Stadt Essen, Jugendamt

Essen

Mehlin

Marco

adrian-mehlin.prozessnavigation

Berlin

Nagel

Heidrun

Senatsverwaltung für, Stadtentwicklung

Berlin

Nyhues

Jens

 

Dortmund

Rahs

Rüdiger

Planungsbüro Rahs

Duisburg

Schulz

Karl Heinz

Ev. Aktionsgemeinschaft f. Familien fragen e.V., Landesarbeitskreis

Frankfurt/M.

Schwippe, Dr.

Heinrich

Büro für Stadtforschung

Ahlen

Sinz

Roswitha

Deutsches Volksheimstättenwerk e.V.

Berlin

Spiegel, Prof. Dr.

Erika

 

Heidelberg

Thuer

Barbara

Stadtforschung-Stadtplanung, Junker u. Kruse

Dortmund

Trautmann

Marion

LEG, Landesentwicklungsgesellschaft Nordrhein-Westfalen GmbH

Düsseldorf

Völlriede

Jochen

 

Dortmund

Weimann

Meike

 

Witten

Wermker

Klaus

Stadt Essen, Büro Stadtentwicklung

Essen

Wilbrand

Söhnke

Stadt- u. Regionalplanung, Dr. Paul G. Jansen

Köln


  
 

Quelle: Impulskongress Integratives Handeln für die soziale Stadtteilentwicklung, Dokumentation der Veranstaltung am 5. und 6. November 2001 in Essen (Veranstalter: Deutsches Institut für Urbanistik, Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung des Landes Nordrhein-Westfalen (ILS) in Kooperation mit Viterra, Essen), Deutsches Institut für Urbanistik, Berlin, 2002

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