soziale stadt - bundestransferstelle

Bund-Länder-Programm "Stadtteile mit
besonderem Entwicklungsbedarf - Soziale Stadt"

 

Moderator: Jan Zychlinski, Leipzig

Sprecherin: Helene L. Luig-Arlt, Flensburg

Berichterstatterin: Helga Rake, Hamburg

 

Einführung:

Integrative Stadtteilentwicklung und integriertes Stadtteil-entwicklungskonzept (oder Quartiersentwicklungskonzept - QuEK)

Die vielfältigen Probleme in benachteiligten Quartieren erfordern eine integrierte und koordinierte Handlungsweise. Die integrative Stadtteilentwicklung soll im Zusammenwirken von administrativen Instanzen und selbstinitiierten Gruppen im Stadtteil zu einer Stadtpolitik des sozialen Ausgleichs führen.

Die Arbeitsweise ist auf eine horizontale und vertikale Verknüpfung der Ressorts angelegt. Die integrative Stadtteilentwicklung bezieht alle Fachbereiche und Disziplinen ein: Sanierung und Stadtplanung einschließlich Verkehr, Grün- und Freiflächenplanung, Wohnungswesen, die örtliche Wirtschaft, Sozial- und Beschäftigungspolitik, die kulturellen Belange des Stadtteils sowie Gesundheit. Diese Handlungsfelder sollen quartiersbezogen miteinander verknüpft werden. Die Lebenslagen der Menschen in den Gebieten und die genannten Handlungsfelder bestimmen die Ziele der integrativen Stadtteilentwicklung und damit der Arbeit vor Ort. Da die Stadtteile nicht nur nach innen unter einer Häufung von Problemen, sondern auch nach außen häufig unter einem schlechten Ruf leiden, muss der Änderung des Images viel Aufmerksamkeit gewidmet werden.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Arbeitsgruppe waren sich darin einig, dass ein integriertes Stadtteilentwicklungskonzept (Quartiersentwicklungskonzept) die Voraussetzung für die Arbeit vor Ort ist. Zu Beginn der Arbeit des Quartiermanagers steht ein "Integriertes Quartiersentwicklungskonzept", das gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern sowie anderen Akteuren im Stadtteil erarbeitet werden soll. Durch die gemeinsame Arbeit am Quartiersentwicklungskonzept (QuEK) kann es gelingen, Bürgerinnen und Bürger frühzeitig in den Gestaltungsprozess einzubeziehen. Dies erfordert allerdings eine ergebnisoffene Herangehensweise und setzt die Möglichkeit der Fortschreibung des integrierten Quartiersentwicklungskonzepts voraus. Unter dieser Voraussetzung wird das integrative QuEk als Chance zur Beteiligung verstanden. Es orientiert sich an einem Leitbild für den Stadtteil bzw. bildet das Leitbild für den Stadtteil in seinen Maßnahmenvorschlägen ab.

Bürgeraktivierung und Vernetzung der Aufgaben- und Politikfelder sind im Rahmen der integrativen Stadtteilentwicklung handlungsleitend.

Quartiermanagement

Quartiermanagement wird in der Arbeitsgruppe unterschiedlich definiert. Während ein Teilnehmer den Begriff als Synonym für stadtteilbezogene Sozialarbeit verwendet und dementsprechend kritisiert, dass der Staat das Quartiermanagement nutze, um "diese Lücke zu schließen", sind die übrigen Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Meinung, dass Quartiermanagement nicht als Sozialarbeit verstanden werden dürfe und diese auch nicht ersetzen solle. Eher sei Quartiermanagement zu verstehen als ein Wahrnehmen und Steuern der Geschicke im Quartier, wobei Umsetzungsinstrumente auch außerhalb des öffentlichen Sektors einbezogen werden (Potenziale der Bewohnerschaft, der ortsansässigen Gewerbebetriebe, Sponsoren usw.). Der Quartiermanager übernimmt Koordinierungsleistungen und moderiert die Diskussionsprozesse um Interessengegensätze. Er unterstützt die Entwicklung von Projekten. Hierzu gehört auch das aufeinander Abstimmen von investiven und nicht-investiven Mitteln, das heißt, um investive Mittel für Projekte einsetzen zu können, müssen die Folgekosten für die Projekte geklärt sein. Die Städte behalten sich die Gesamtsteuerung in den meisten Fällen selbst vor, der Quartiermanager hat jedoch Mitspracherecht im Steuerungsprozess.

Dabei sind die Probleme, die gelöst werden müssen, und die Potenziale, die ein Gebiet zur Verfügung stellt, sehr verschieden. Während sich in Leipzig und Stralsund (und anderen Städten im Osten) die hohe Fluktuation auf gesamtstädtischer Ebene wohl besonders in den Gebieten der Sozialen Stadt bemerkbar macht und damit auch Leerstand von Wohnungen zum Problem wird, stehen in anderen Gebieten aufgrund hoher Zuwanderungszahlen Probleme mit der Integration von Migrantinnen und Migranten im Vordergrund, in wieder anderen rücken eher die Folgen niedergegangener Industrie ins Gesichtsfeld der Problemwahrnehmung. In vielen Städten überlagern sich die Probleme (z.B. Flensburg: Zuwanderer, Leerstand, Industrielle Veränderungen und damit verbunden hohe Arbeitslosigkeit, z.B. Göttingen: hohe Zuwanderungsraten, hohe Arbeitslosigkeit, hohe Sozialhilfeempfängerzahlen). Deutlich wurde, dass aufgrund der unterschiedlichen Voraussetzungen in den Gebieten das Quartiermanagement sich unterschiedliche Schwerpunkte setzen und an die jeweils örtlichen Gegebenheiten anknüpfen muss. Insofern werden sich die Herangehensweisen von Stadtteil zu Stadtteil unterscheiden. Um diese örtlichen Gegebenheiten zu entdecken und zu nutzen, müssen alle Beteiligten in den Prozess einbezogen werden - dies bedeutet auch, dass Strukturen für Beteiligung und die laufende Arbeit geschaffen werden müssen.

Der Quartiermanager (oder die Quartiermanagerin) bildet die Schnittstelle zwischen den beteiligten Akteuren mit dem Ziel der Vernetzung und Integration, um langfristig eine eigenständig tragfähige Entwicklung des Quartiers herzustellen. Er arbeitet und bewegt sich also im Spannungsfeld zwischen den Bürgerinnen und Bürgern und anderen Akteuren im Stadtteil, der Verwaltung und Politik, Wirtschaft, Sozial- und Beschäftigungspolitik und weiterer Öffentlichkeit. Insofern nimmt er eine intermediäre Rolle ein.

Um diese Aufgaben zu erfüllen, bedarf es eines breiten Qualifikationsspektrums und der Fähigkeit zur integrierten und integrierenden Arbeit. In manchen Stadtteilen ist eine Person allein mit der Aufgabe betraut, in anderen haben sich interdisziplinäre Teams bewährt, in denen Qualifikationen wie Soziologie, Ökonomie und Stadtplanung vereinigt sind. In allen Fällen müssen die Quartiermanager eingebettet sein 1.) in die Strukturen der Verwaltung - hier haben sich in einigen Städten fach- und ressortübergreifende Lenkungsgruppen bewährt - sowie 2.) in Strukturen vor Ort, die der Quartiermanager zum Teil selbst aufbauen muss. In einer vertretenen Stadt (Stralsund) wird das Quartiermanagement mit Kräften aus der eigenen Verwaltung geleistet.

Um den hohen Erwartungen und den schwierigen Aufgaben gerecht zu werden, plädierte die Arbeitsgruppe für eine bessere Ausstattung des Quartiermanagements und für mehr Unterstützung durch die Verwaltung.

Maßnahmen

Einigkeit herrschte darüber, dass Maßnahmen entwickelt werden sollten, die die nachhaltige soziale Integration von Bewohnerinnen und Bewohnern in die Gesellschaft ermöglichen. Infrage kommen sowohl soziale und kulturelle Maßnahmen als auch beschäftigungswirksame Projekte. Aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit in den Gebieten und der damit verbundenen Benachteiligung und Ausgrenzung aus dem gesellschaftlichen Leben wurde Maßnahmen zur Beschäftigung und Qualifizierung ein ausgesprochen hoher Stellenwert zugewiesen. Hierzu gehört auch, die örtliche Wirtschaft zu stärken sowie die Potenziale, die ein Stadtteil zur Entwicklung der örtlichen Wirtschaft bietet, zu entdecken und aufzugreifen (stadtteilbezogene Wirtschaftsförderung). Zwar wird der Handlungsspielraum der Kommunen nach wie vor durch externe ökonomische Entwicklungen eingeschränkt, vor allem in Bezug auf die Schaffung von zusätzlichen Arbeitsplätzen im ersten Arbeitsmarkt, doch sollen örtliche Potenziale verstärkt genutzt werden (z.B. Förderung und Stärkung kleinerer und mittlerer Betriebe, Existenzgründungen, beschäftigungswirksame Maßnahmen).

Abhängig von den Gebieten stehen Projekte an, die sich auf Wohnen, Wohnumfeld, Freizeit und Kultur beziehen. Um das in den Gebieten häufig schlechte Image zu verbessern, wurde vorgeschlagen, vorrangig Maßnahmen durchzuführen, die sichtbar sind. Als besonders erfolgversprechend für eine Imageverbesserung gelten wohnumfeldverbessernde Maßnahmen (Straßen, Plätze, Grün usw.). Diese motivieren die Bevölkerung zudem leichter, sich zu beteiligen.

Die Maßnahmen sollen in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen, sich an den Bedürfnissen, Potenzialen und der Problemwahrnehmung der Menschen vor Ort orientieren und in ein Entwicklungskonzept einmünden.

Beteiligung

In allen Gebieten, die in der Arbeitsgruppe repräsentiert waren, gibt es große Probleme bei der Einbeziehung der Bewohnerschaft. Es herrscht Misstrauen bei den Bürgerinnen und Bürgern gegenüber der Verwaltung und der Politik; befürchtet wird, dass die Belange der Bürger nicht ernst genommen werden. Deshalb müssen klare Ziele im Quartier verabredet werden, müssen die Bürgerinnen und Bürger frühzeitig - bereits am Entwicklungskonzept - beteiligt werden. Um die Glaubwürdigkeit von Verwaltung und Politik zu stützen, sollten solche Maßnahmen schnell umgesetzt werden, an denen die Bürgerschaft beteiligt ist und die möglichst gut "sichtbar" sind. Parallel dazu müssen Strukturen aufgebaut werden, die eine Beteiligung ermöglichen, Entscheidungen transparent machen und Entscheidungskompetenz nach unten abgeben.

Um "stumme" Bewohnerinnen und Bewohner und jene anderer Ethnien in die Entwicklung einzubeziehen - was als schwierig erachtet wird -, sollen über Schulen und Kindergärten der Kontakt zu den Eltern gesucht und in kleineren Gruppen Gespräche mit den verschiedenen ethnischen Gruppen geführt werden.

Welche Methoden zur Beteiligung angewandt werden, muss je nach Bevölkerungsstruktur, Problemwahrnehmung und Fortschreiten des Quartiermanagements (und ggf. in Abstimmung mit den örtlichen Beteiligungsgremien sowie der Verwaltung) festgelegt werden.

Erste Schritte ins Gebiet

Als Einstieg in die Beteiligung bietet sich das Gespräch mit den Akteuren vor Ort an. Zu den Akteuren vor Ort zählen außer bereits aktiven Bewohnerinnen und Bewohnern soziale und kulturelle Einrichtungen wie Schulen, Kindergärten, Beschäftigungsträger, örtliches Gewerbe und örtliche Wirtschaft, Wohnungsbaugesellschaften. Überdies müssen Gespräche mit Experten außerhalb der Stadtteile geführt werden (Verwaltung, Politik, Träger öffentlicher Belange). In einem Stadtteil in Karlsruhe, in dem vorbereitende Untersuchungen laufen, wird eine Totalerhebung durchgeführt. Man verspricht sich hiervon genauere Informationen über die Probleme und die Problemwahrnehmung vor Ort. In anderen Stadtteilen haben aktivierende Befragungen und Workshops stattgefunden.

Um Projekte anzuschieben und zu entwickeln, wurde in der Arbeitsgruppe der Wunsch geäußert, Programmsteckbriefe zu verfassen, die in anderen Quartieren Anregungen geben können. Programmsteckbriefe können auch der Kommunikation innerhalb des Gebiets dienen.

Gleichzeitigkeit

Deutlich wurde ein weiterer Konflikt, der sich aus dem Anspruch der Bürgerbeteiligung bereits in der Konzeptphase ergibt: Bürgerbeteiligung braucht häufig mehr Zeit, als der Politik und den Fördergebern recht ist. Diese möchten schnell ein Konzept vorliegen haben und auch Erfolge sehen. In der Diskussion wurde deshalb empfohlen, parallel zur Entwicklung des Konzepts bereits Projekte anzuschieben und kleinere Maßnahmen umzusetzen, die unter Mitwirkung der Bewohnerschaft entstanden sind, um Vertrauen zu schaffen.

Finanzierung

Schwierigkeiten in der Umsetzung ergeben sich dadurch, dass für die investiven Maßnahmen in den Gebieten, die aus dem Bund-Länder-Programm Soziale Stadt finanziert werden, auch die Folgekosten gewährleistet werden müssen. Das Bund-Länder-Programm sieht einen investiven Anteil sowie einen Anteil für die Steuerung und Koordination des Programms vor. Projektkosten, die z.B. durch Personal entstehen, müssen anderweitig gesichert werden.

Hilfreich ist hierbei ein Wegweiser durch die Programme und Fördermöglichkeiten, wie ihn z.B. das Land Niedersachsen aufgestellt hat. Ebenso hilfreich und notwendig ist eine Anpassung von Förderrichtlinien (Kompatibilität) und Programmstrukturen an die komplexen Probleme. Es wurde kritisiert, dass aufgrund der Sparpolitik einiger Kommunen die Bemühungen um eine Verbesserung in den Quartieren von vornherein eingeschränkt seien.

Dennoch wurde das Programm als Chance und Herausforderung gesehen, vor allem auch deshalb, weil es die Strukturen des kommunalen Systems betrifft und städtische bzw. stadtteilbezogene Potenziale aktiviert werden können.

Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Arbeitsgruppe 12

Name

Vorname

Institution

Beer

Ingeborg

 

Diebler

Peggy

PG "Soziale Stadt", Neu MEPS/Leipzig

Ebert

Hildegard

 

Eckert

Josef

FH Köln

Gall

Kerstin

Amt für Stadtsanierung Leipzig

Henrich

S.

 

Hilbert

Marlo

QM Stralsund

Hintz

T.

 

Kaiser

 

Stadtteilteam Marburg-Richtsberg

Kempe

D.

 

Klikar

 

Stadtplanungsamt Göttingen

Liebmann

Heike

IRS Erkner

Luig-Arlt

Helene

Stadtteilbüro Flensburg

Mählmann

 

FH Magdeburg

Mansdörfer

Otto

Amt für Stadtentwicklung Karlsruhe

Mayr

 

Stadtplanungsamt Frankfurt

Meyer

 

 

Noack

Bernd

Bauamt Ebersbach

Raabe

 

 

Rake

Helga

plankontor, PvO Flensburg Neustadt

Zychlinski

Jan

Caritas Leipzig Grünau

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