soziale stadt - bundestransferstelle

Bund-Länder-Programm "Stadtteile mit
besonderem Entwicklungsbedarf - Soziale Stadt"

Holger Tschense

Bürgermeister und Beigeordneter für Umwelt, Ordnung, Wohnen, Leipzig

Leipziger Erfahrungen mit dem Einsatz von Quartiermanagement

Meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr verehrter Herr Dr. Klimke, sehr verehrter Herr Dr. Feist, auch von städtischer Seite noch ein herzliches Willkommen hier am Rande unseres ersten Sanierungsgebietes in Leipzig-Connewitz, ein Stadtteil übrigens, dem es verglichen mit anderen Stadtteilen gut geht, wo wir eine spannende Entwicklung haben, wo die Bevölkerung sich einbringt und integrationsfähig, aber auch zur Einmischung bereit ist, und wo sich in den letzten zehn Jahren mehr getan hat als in vielen anderen Stadtteilen. Ich denke, Connewitz ist für die Diskussion eine gute Gegend, die wir für diesen Kongress ausgesucht haben. Ich grüße Sie herzlich, auch vom Oberbürgermeister, und versichere Ihnen, dass dieses Thema Herr Dr. Feist hat es bereits angesprochen in Leipzig durchaus eines ist, mit dem wir uns besonders stark beschäftigen. Gerade in den letzten zwei, drei Jahren stand und steht dieses Thema ganz oben auf der Agenda der Stadtpolitik, der Stadtspitze, des Stadtrates.

Herr Tschense

Wir sind gerade vor einer Woche mit der Erarbeitung eines Stadtentwicklungsplans Wohnbauflächen fertig geworden. Der Stadtrat hat ihm per Beschluss sozusagen seinen Segen gegeben. In diesem Zusammenhang ist die Dimension der Herausforderung deutlich geworden. Wie geht man mit dem Problem um, dass 100000 Einwohnerinnen und Einwohner in nur zehn Jahren die Stadt verlassen haben, dass wir zwar am Anfang gute Fortschritte mit der Sanierung der Bausubstanz gemacht haben, aber doch noch ein Viertel bis ein Drittel vor uns steht, dass der Bedarf im Grunde nicht mehr da ist und ganze Stadtteile eine völlig andere Entwicklung nehmen, als wir das am Anfang einmal konzipiert haben. Mit diesem Thema setzen wir uns auseinander. Unser Sanierungsamtsleiter Herr Gerkens nimmt an dieser Tagung, auch auf dem Podium, teil, und wird Ihnen Konkretes zu den Lösungen, die wir versuchen, vortragen können.

Natürlich sind die Rettung der Bausubstanz und die Entwicklung der Infrastruktur durchaus noch Themen in Leipzig. Auch wird es Neubau an der einen oder anderen Stelle geben, und das ist sowohl städtebaulich als auch soziologisch sinnvoll. Aber in der Summe gesehen gilt in fast allen Gegenden Ostdeutschlands und so auch in Leipzig: Neubau brauchen wir nicht mehr. Wir müssen uns auf die sozialen Fragen in den Stadtteilen, die Entwicklung in den Quartieren konzentrieren. Wir haben auch in Leipzig große und schwierige Wohngebiete mit Veränderungen in der sozialen Durchmischung, mit einem Anstieg der Kriminalität, mit starken Verwerfungen in der Alterszusammensetzung. Das spürt die Stadt als Gemeinwesen, das erfahren die Wohnungsunternehmen als Vermieter zunächst einmal am Geldbeutel. Das spüren die Menschen, die in dieser Stadt leben und die diese Quartiere für immer weniger lebenswert halten.

Die Ursache für solche Prozesse, denen wir in Leipzig seit einem knappen Jahr mit drei Pilotprojekten des Quartiermanagements aktiv begegnen, sind sicher vielgestaltig. Es sind natürlich gesellschaftliche Erscheinungen wie Arbeitslosigkeit oder soziale Ausgrenzung, es sind aber z.B. auch unzureichend ausgestattete soziale Systeme wie das Wohngeld oder die zunehmende Belastung der Städte bei der Lösung sozialer Aufgaben, die als Bedingungsfaktoren für diese Entwicklung zu nennen sind. Der Wegzug ist die Hauptursache gerade in einer Stadt wie Leipzig.

In vielen anderen Städten Ostdeutschlands kann man die gleiche Entwicklung beobachten. Ich denke aber, der Zeitpunkt ist noch nicht zu spät, um gerade hier im Osten Deutschlands diesen Entwicklungen entgegenzusteuern und über Maßnahmen, Ideen und Projekte zu reden, die in anderen Städten erfolgreich sind. Instrumente dafür sind das Quartiermanagement und das Programm Soziale Stadt für Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf. Mit Mitteln dieses Programms wird in Leipzig der Osten, insbesondere der Bereich um Volkmarsdorf, unterstützt. Außerdem werden weitere Projekte zur Stabilisierung dieses Gebietes finanziert.

Unsere Erfahrungen aus einem Jahr Quartiermanagement zeigen, dass sich dieser Prozess, der in der Verwaltung quer zu der üblichen Versäulung bei uns über vier, jetzt sogar über sechs Dezernate getragen wird, als relativ mühsam und kompliziert darstellt. Auch wenn die Verwaltung in den neuen Ländern erst aufgebaut worden ist, sind die Versäulungen doch relativ schnell zustande gekommen; da wieder quer zu denken, macht einige Mühe. Die Stadt hat eine Arbeitsgruppe gebildet, die als ein Akteur an der Lösung der Probleme mitwirkt und intensiv mit den Trägern des Quartiermanagements in den Wohngebieten zusammenarbeitet.

Wer erwartet, dass nach nur einem Jahr bereits blühende Landschaften in diesen Gebieten zu sehen sind und ein Run von Zuzüglern auf diese Gebiete eingesetzt hätte, der verkennt die Realität und vor allem die Tatsache, dass es sich um lang anzulegende Prozesse handelt. Ich hoffe deshalb, dass auch die finanzielle Ausstattung einen langen Atem hat und über die Jahre entsprechend trägt.

Es gibt vielversprechende Aktivitäten und Projekte. Lassen Sie mich Ihnen vielleicht als nebensächlich erscheinende Beispiele nennen, die aber stark zur Identifikation der Bevölkerung mit den Stadtteilen beigetragen haben. So ist z.B. in Leipzig Volkmarsdorf, wo es bisher wenig ehrenamtliches Engagement und Bürgerbeteiligung gab, erst durch das Quartiermanagement ein Bürgerverein gegründet worden, der einen Stammtisch für wichtige Aktionen im Gebiet gebildet hat; dieser Stammtisch trifft sich wöchentlich, berät und entwickelt viele Projekte. Hier werden auch Ideen für die Weiterentwicklung des Quartiermanagements besprochen und über die Verwendung von Projektmitteln mit entschieden.

Im Wohnkomplex 8 des großen Neubaugebiets Leipzig-Grünau lebten zur Wendezeit knapp 100000 Einwohner, heute sind es über 30000 weniger. In Leipzig-Grünau werden auch in Runden-Tisch-Gesprächen Projekte kreiert, an denen vor allem Jugendliche und andere Bewohner mitwirken. Eines dieser Projekte ist ein Rodelberg, der gebaut werden wird und der gleichzeitig in eine Arbeitsförderungsmaßnahme eingebunden ist. Im dritten beteiligten Leipziger Stadtteil, dem Wohnkomplex 7 in Grünau, entstand eine Bürger- und Arbeitsberatung. Solche Aktivitäten tragen auch dazu bei, dass das Miteinander im Quartier lebenswerter wird.

Die Erfahrungen des ersten Jahres haben uns gezeigt, dass nur gemeinsames Denken, Handeln und Lernen aller Akteure letztlich zur Imagehebung und zur realen Verbesserung der Lebenssituation beitragen kann. Dabei ist die Meinung und Mitwirkung der Bewohnerinnen und Bewohner von besonderer Bedeutung. Das Phlegma und die Abwartehaltung, die es in vielen Teilen, auch hier in Leipzig, gibt, sind nur mit großen Anstrengungen zu überwinden aber auch mit guten Beispielen. Ich hoffe, dass diese Tagung dafür viele Ideen vermittelt, dass wir voneinander lernen können und dass wir Ihnen vielleicht auch unsere Erfahrungen vermitteln können. Ich möchte Sie ermutigen, mit uns zu sprechen, die Ideen, die Sie haben, auch auf uns zu übertragen, ein Netzwerk zu gründen und somit ein Podium zu schaffen, die jeweiligen Projekte an die einzelnen lokalen Gegebenheiten anzupassen.

In Leipzig selbst wünsche ich Ihnen einen angenehmen Aufenthalt. Wir haben derzeit eine Vielzahl von Kongressen in unserer Stadt. Sie hätten heute auch zur Denkmalmesse in die Neue Messe gehen können, wenn die nicht ausgebucht wäre, worauf wir sehr stolz sind. Das ist nicht immer der Fall. Und viele andere, auch kulturelle Aktivitäten laden ein, sodass Sie vielleicht heute Abend die Gelegenheit wahrnehmen sollten, sich unsere schöne Stadt anzusehen. Ich wünsche einen guten Verlauf der Tagung.

Plenum

Plenum

Plenum

Soziale Stadt © 2000-2007 Deutsches Institut für Urbanistik
Im Auftrag des BMVBS vertreten durch das BBR. Zuletzt geändert am 14.04.2004