soziale stadt - bundestransferstelle

Bund-Länder-Programm "Stadtteile mit
besonderem Entwicklungsbedarf - Soziale Stadt"

Die soziale Stadt

Dr. R. H. L. M. van Boxtel
Niederländischer Minister für Großstädte und Integrierung der ethnischen Minderheiten

Ansprache zu dem Treffen am 5. Juli in Berlin unter dem Titel "Die soziale Stadt - ein neues Programm"



Meine Damen und Herren,

Zunächst danke ich Herrn Minister Franz Müntefering für die Einladung, heute einen Beitrag zu der Diskussion über die soziale Stadt zu leisten. Zu danken habe ich auch Herrn Senator Peter Strieder, der mir gestern ausgiebig die sozialen und andere Seiten eines Teils von Berlin gezeigt hat.

Sie werden verstehen, daß ich als zuständiger Minister für die niederländische Großstadt- und Integrationspolitik mich von dem Thema des heutigen Tages besonders angesprochen fühle. Ich möchte kurz über die Bedeutung der Städte erzählen und darüber sprechen, was unsere Städte aus dem Gleichgewicht gebracht hat. Ich möchte Ihnen meine Vorstellung von der kompletten Stadt und vor allem auch unseren Ansatz für die Behandlung der städtischen Probleme, bei denen die soziale Infrastruktur eine wichtige Rolle spielt, darlegen.

Nur was sich bewegt, kann gesteuert werden. Das gilt sicherlich auch für unsere Städte. Städte sind der Motor unserer Gesellschaft, ein Motor der Modernisierung, ein Ort, an dem die Modernisierung sich vollzieht, ein Gärtrog voller unvorhersehbarer Möglichkeiten.

Auch im europäischem Rahmen sind die Städte wichtige wirtschaftliche, soziale und kulturelle Kraftzentren. Europäische Städte machen sich gegenseitig immer häufiger Konkurrenz, nicht nur, wenn es um die europäischen Fußballmeisterschaften oder um die Wahl der europäischen Kulturstadt geht, sondern zunehmend auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Die Großstadtpolitik ist darum sicherlich nicht nur Nationalpolitik. Delors stellte bereits fest: "Wenn die Städte versagen, versagt Europa."

Ehe wir jedoch steuern können, müssen wir ein Konzept erarbeiten, müssen wir die Wirklichkeit betrachten, den Status quo. Und diese Wirklichkeit bietet in den meisten Städten, vor allem in den Großstädten, keinen rosigen Anblick. Ich weiß, daß die günstigen wirtschaftlichen Entwicklungen nicht spurlos an den Städten vorübergegangen sind, aber ich sage Ihnen voraus: sobald es etwas schlechter geht, tritt die Unausgewogenheit wieder deutlich zutage.

Die Position der Städte in den Niederlanden und sicherlich auch in anderen europäischen Ländern hat sich in den vergangenen Jahrzehnten drastisch geändert. Eine Kombination von Entwicklungen auf sozialem, wirtschaftlichem und räumlichem Gebiet hat zu einer Häufung von sozialökonomischen Problemen geführt: Abwanderung von Unternehmen, Flucht des wohlhabenden Teils der Bevölkerung in die Vorstädte, Unausgewogenheit auf dem Arbeitsmarkt, Konzentration und Segregation ethnischer Gruppen, drohende Unbewohnbarkeit bestimmter, vor allem vor dem Krieg gebauter Viertel, zunehmende Unsicherheit und Kriminalität, vorzeitige Schulabgänger, das sind nur einige der vielen Großstadtprobleme. Es zeichnet sich eine gewisse Segregation, ein Auseinanderwachsen der Stadt und ihrer Peripherie ab. Die Großstädte sind stark verarmt und stehen als Wohnmilieu in einem immer stärkeren Kontrast zu den relativ wohlhabenden Vorstädten. Die weitaus meisten Großstadtviertel gehören in sozialökonomischer Hinsicht der niedrigsten Klasse an. Ihre Attraktivität ist für viele Wohnungsuchende und auch für viele Unternehmen immer weiter gesunken. Diesem Bild habe ich das Bild der kompletten, vitalen Stadt gegenübergestellt. So ist in manchen städtischen Gebieten die Arbeitslosigkeit unter ethnischen Minderheiten (an die 20%) wesentlich höher als unter den autochthonen Niederländern (durchschnittlich 5%) - dies zur allgemeinen Illustration der Problematik.

Eine vitale Stadt ist ein Mix von Tugenden und Untugenden, von sozialer, wirtschaftlicher, kultureller und ethnischer Differenzierung. Eine komplette Stadt ist eine Stadt im Gleichgewicht, ohne "harte" physische und psychologische Grenzen, so daß alle Einwohner grenzenlos das Zentrum, die Kultur, die Sporteinrichtungen und alles, was eine Stadt zu bieten hat, genießen können. Das ist eine komplette Stadt, eine Stadt, in der sich's gut wohnen läßt, wo Menschen sich gut verstehen, wo es angemessene Einrichtungen gibt. Eine komplette Stadt ist eine vitale Lebensgemeinschaft, verschiedene Menschen, jung und alt, Unternehmen, Organisationen und gesellschaftlichen Verbänden; ein lebendiges Gefüge, in dem Bewegungen des einen Teils die anderen Funktionen unvermeidlich berühren. Ich spreche von einer Stadt, einem Viertel, einer Nachbarschaft, auf die man als Bewohner stolz ist und wo man sich sicher fühlt.

Das ist das Leitmotiv der niederländischen Großstadtpolitik für die nächsten Jahre: auf der Grundlage eines gesamtheitlichen Ansatzes in die physische Infrastruktur, in die Wiederherstellung von Arbeitsplätzen, in die wirtschaftliche Wiederbelebung und in die soziale Infrastruktur unserer Städte investieren. Um diesem Ansatz Form und Inhalt zu geben und tatsächlich Verbesserungen zustande zu bringen, haben die Großstädte und die Zentralbehörde in den Niederlanden sich im Jahre 1994 miteinander an den Tisch gesetzt.

Von 1994 bis 1998 wurde hieran vor allem projektmäßig gearbeitet. Heute, seit 1998, unter dem zweiten Kok-Kabinett, wurden die Städte aufgefordert, Pläne für zehn Jahre vorzulegen. Diese Pläne werden im Laufe dieses Jahres 1999 beurteilt, wonach die Mittelzuweisung in Form einer sogenannten gebietsorientierten Programmfinanzierung erfolgt.

Damals wurde eine Reihe von Problemen festgestellt, die einem wirklich effektiven Ansatz im Wege stehen. Das erste Problem betraf die Polarisierung innerhalb des Behördenapparats. Die Neigung von Behörden, der sektoralen Politik, für die sie verantwortlich sind, absolute Priorität zu verleihen, ist an sich verständlich. Wenn eine Organisation beispielsweise für Resultate auf dem Gebiet der Beschäftigung verantwortlich ist, wird sie ihre Politik vor allem darauf konzentrieren und anderen Dingen weniger Beachtung schenken.

Die gegenseitige Abstimmung der sektoralen Politik - als Voraussetzung für eine erfolgreiche Implementierung in der Stadt - wurde dadurch erschwert. Entpolarisierung, Zusammenarbeit und ein stärker integrierter Ansatz wurden deswegen erklärte Ziele der Großstadtpolitik.

Ein zweiter wichtiger Punkt war die Erkenntnis, daß es keine schnellen, einfachen Lösungen gibt. Angesichts der komplexen Situation in den Großstädten lassen sich Erfolge nicht innerhalb weniger Jahre erreichen. Bei den Vereinbarungen, die danach zwischen den Städten und der Zentralbehörde getroffen wurden, wurde denn auch von einem Zeitraum von mindestens zehn und möglicherweise sogar noch mehr Jahren ausgegangen.

Eine dritte Feststellung war, daß keine Stadt die gleichen Probleme - oder Chancen - wie die andere hat. Das klingt selbstverständlich, es ist jedoch wesentlich bei der Ausarbeitung der Politik. Die zentral entwickelte Politik basiert nämlich meist auf allgemeinen Prinzipien, die für alle das Gleiche gelten. In der Praxis zeigt sich, daß in der einen Stadt zum Beispiel viel größerer Bedarf besteht, der Entwicklung der lokalen Wirtschaft Priorität zu verleihen. Eine andere Stadt legt den Akzent dagegen mehr auf das Thema Sicherheit. Die Zentralbehörde mußte also versuchen, für die Städte einen stärker maßgeschneiderten Ansatz zu erarbeiten.

All diese Feststellungen wurden 1995 in einer Vereinbarung mit den vier größten Städten der Niederlande und anschließend mit einer Gruppe von 21 mittelgroßen Städten festgelegt, womit die Zielgruppe der an der Großstadtpolitik beteiligten Städte sich auf 25 Städte stellte.

Die Merkmale der seit 1994 in Gang gesetzten Großstadtpolitik sind also, daß nicht mehr sektorale Politik von oben herab zentral vorgeschrieben wird, sondern daß in Partnerschaft zwischen der zentralen, der regionalen und der lokalen Behörde nach maßgeschneiderten Lösungen gesucht wird. Konkret bedeutet dies, daß sowohl vertikal auf allen Verwaltungsebenen (zentrale, regionale und lokale Behörde, Unternehmen und Bürger) als auch horizontal (Abstimmung der sektoralen Politik beispielsweise auf dem Gebiet der Beschäftigung, der Niederlassungspolitik, des Unterrichtswesens undsoweiter) Vereinbarungen getroffen werden und eine Abstimmung stattfindet.

Bei dem Zustandebringen des zweiten Kok-Kabinetts (einer Koalition von Sozialdemokraten, Liberalen und Sozialliberalen) wurde beschlossen, die Großstadtpolitik einem koordinierenden Minister anzuvertrauen, der speziell mit der Großstadt- und Integrationspolitik beauftragt ist. Der Grund dafür ist einfach. Angesichts der Notwendigkeit, auf zentraler Ebene eine Abstimmung zwischen den für Arbeit, Gesundheitswesen, Unterrichtswesen, Wohnungsbau, Raumordnung, Sicherheit und Wirtschaft verantwortlichen Ministern zu erreichen, muß auf Kabinettebene verhandelt und kommuniziert werden können. Auf den Gebieten, welche die Großstadtpolitik berühren, wurde mir zusammen mit dem Finanzminister außerdem die Befugnis erteilt, neue sektorale Politik vorab im Hinblick auf die Elemente zu prüfen, die für eine erfolgreiche Großstadtpolitik wichtig sind. Ich bin also finanziell mitverantwortlich für die Etatplanung der Kabinettskollegen in diesem Zusammenhang. Hierfür wurde auch eine nicht unter den Haushalt fallende gesonderte Übersicht aufgestellt. Dadurch wird also auch der finanziellen Polarisierung entgegengewirkt.

Ich sagte es bereits: unsere Großstadtpolitik basiert heute auf einem gesamtheitlichen Ansatz von Investitionen in die physische Infrastruktur, in die Wiederherstellung der Arbeitsplätze, in die wirtschaftliche Wiederbelebung und in die soziale Infrastruktur unserer Städte.

Da ist erstens der physische Bereich. Hier werden die politischen Programme und die Mittel, die mit der materiellen Seite der städtischen Entwicklung zusammenhängen, gebündelt. Zum Beispiel mit der Frage, wie in den kommenden zehn Jahren in den 25 großen niederländischen Städten auf dem Gebiet des Wohnungsbaus verfahren wird. Werden gerade neue Viertel gebaut? Oder werden statt dessen alte Viertel renoviert und für Bewohner und Unternehmen wieder attraktiv gemacht?

Zweitens der wirtschaftliche Bereich. Ein wichtiges Beratungsorgan der Niederlande, der Sozialökonomische Rat, hat vor kurzem in einer Empfehlung zur Großstadtpolitik dargelegt, daß "Arbeit in unserer Gesellschaft der Integrationsrahmen par excellence ist. Die beste Art und Weise, Defizite in Vierteln und Städten zu bekämpfen, besteht also in einer Verstärkung und Nutzung des wirtschaftlichen Potentials auf Viertel- und Stadtebene. Lebensqualität ist dann ein wichtiges Ergebnis der Politik".

Diesem Ausgangspunkt stimme ich voll und ganz zu: Arbeit steht nicht nur für Geld, finanziellen Spielraum, sondern auch für Ansehen und Befriedigung, Kollegen und Akzeptierung. Ein wirtschaftlicher Startpunkt, der zu einem sozialökonomischen Endpunkt führt. Deshalb müssen wir in den kommenden Jahren erheblich investieren in die Schaffung von Arbeitsplätzen, in die Förderung der Wirtschaftsaktivität auf Stadt- und Viertelebene und insbesondere in die Gründung von Unternehmen durch Angehörige ethnischer Minderheiten.

Denn die Städte sind auch im wirtschaftlichen Sinne aus dem Gleichgewicht geraten. Die Änderung der wirtschaftlichen Funktion und der Beschäftigungsstruktur hing mit der Abwanderung insbesondere der Industriebetriebe aus den Städten in Randgebiete zusammen. Die Städte haben ihre Funktion als Motor der Wirtschaft, als Industrie- oder Handelsschwerpunkt, zum Teil verloren. Nicht zuletzt dadurch sind viele Arbeitsplätze für niedrigqualifizierte Arbeitskräfte aus der Stadt verschwunden, und gerade das Angebot an diesen Arbeitskräften ist in den Städten nach wie vor groß.

Aber auch der kleine Supermarkt, der Gemüseladen, der Milchmann und der Bäcker sind aus vielen Stadtvierteln verschwunden. Das hatte nicht nur Konsequenzen für die Lebensqualität und die Lebendigkeit des Viertels, sondern auch für das Beschäftigungsangebot. Die Arbeitslosigkeit, vor allem Langzeitarbeitslosigkeit, hat in den Großstädten sehr schnell um sich gegriffen und ist auch heutzutage - nach einigen wirtschaftlich guten Jahren - noch immer viel zu hoch, zumal in den alten Vierteln, den Problemvierteln, wo eine Kultur der Armut entstanden ist, wo die Defizite sich selbst zu reproduzieren drohen.

Zum Glück können wir feststellen, daß in den Niederlanden der Trend der stetig zunehmenden Arbeitslosenziffer mit insbesondere Langzeitarbeitslosen nach 1995 umgebogen worden ist. Der Prozentsatz der registrierten Arbeitslosen betrug Ende 1995 in den vier größten Städten noch 13,2 Prozent der Erwerbsbevölkerung. Im Rest der Niederlande betrug dieser Satz nur 6 Prozent. In den anschließenden zwei Jahren ging die Arbeitslosenquote in den vier größten Städten bis Ende 1997 um fast vier Prozentpunkte auf 9,3 Prozent der Erwerbsbevölkerung zurück. In den anderen Städten betrug die Verringerung "nur" 1,5 Prozentpunkte. Außerdem ist der Anteil der Langzeitarbeitslosen an der Gesamtzahl der Arbeitslosen in den vier größten Städten gleich geblieben, während er in den anderen Städten etwas zugenommen hat.

Vor allem bei den ethnischen Minderheiten zeichnete sich ein anderes Bild ab. Die Arbeitslosigkeit betrug bei Türken 20 %, bei Marokkanern 21 % und bei Surinamern 22 %. Hier wird angestrebt, den großen Unterschied hinsichtlich der Arbeitslosigkeit zwischen Autochthonen und Allochthonen (durchschnittlich 5% beziehungsweise 20%) zu halbieren.

Drittens der soziale Bereich. Er ist der schwierigste Schwerpunktbereich, denn er ist mit den beiden anderen Bereichen eng verbunden und von ihnen abhängig. Die Diskussion darüber, was in diesem sozialen Schwerpunktbereich zu tun ist und wie es zu geschehen hat, ist heute in den Niederlanden in vollem Gange. So wurde in den vergangenen Monaten auf Kabinettebene ausgiebig über die soziale Infrastruktur diskutiert. Diese Diskussion hat noch kein Endergebnis gebracht, so daß ich Ihnen heute noch nicht mit einer definitiven Lösung nach dem Vorbild des niederländischen Poldermodells aufwerten kann. Ich kann Ihnen dagegen wohl unsere Dilemmas schildern und heute hoffentlich auch umgekehrt von Ihnen lernen und hören, wie die soziale Stadt in Deutschland Gestalt gewinnt. Wir haben bereits damit angefangen, eine große Anzahl von Subventionsregelungen (Jugend und Sicherheit, vorläufige Aufenthaltsgenehmigungen, Sprachunterricht für ethnische Minderheiten und Lebensqualität) in einem umfassenden Leistungsprogramm in Höhe von 600 Millionen Gulden zusammenzufassen.

Wie gesagt, verschiedene Aktivitäten für die Verstärkung des sozialen Zusammenhangs. Ich sage immer: Wer mitmacht, der gewinnt. Dazu soll sowohl der Allochthon als auch der Autochthon sich viel Mühe geben. Beim Allochthon soll wirklich der Wille zur Integration bestehen. Der Autochthon muß die existierende "Weiße Gesellschaftsstruktur" durchbrechen. Partizipation ist der Superlativ von Integration.

Mit den 25 an der Großstadtpolitik beteiligten Städten wurde vereinbart, Anfang 1999 einen offenen Dialog über das genaue Konzept für den sozialen Schwerpunktbereich zu starten. Bei diesem offenen Dialog geht es darum, zu überlegen, auf welche Art und Weise bestehende und neue Etats effektiver verplant werden können, und wie das Lenkungsinstrumentarium der Städte auf diesem Gebiet verbessert werden kann.

Die beteiligten Parteien - öffentliche und private - sollen in dem Dialog dazu angeregt und in den Stand gesetzt werden, die Probleme im sozialen Bereich offensiv anzufassen und das verfügbare soziale Kapital so gut wie möglich zu nutzen. Unsere Zielsetzung dabei ist es, den Städten im Rahmen der Großstadtpolitik bei ihrer Programmentwicklung eine Handhabe dafür zu bieten, den gewünschten gesamtheitlichen Ansatz tatsächlich in einem breiten sozialen Feld zu realisieren.

Welches sind nun die Engpässe, die wir bisher festgestellt haben? Hier sind global fünf Kategorien zu unterscheiden:

Pluralität: Die Städte beherbergen viele verschiedene Gruppen, die einigermaßen verwundbar sind oder Defizite haben. Jede dieser Gruppen verlangt eine "eigene" Vorgehensweise. So ist für Obdachlose und Suchtkranke eher die Organisation eines Fangnetzes von Einrichtungen und Aktivitäten erforderlich, während die Anstrengungen für Jugendliche mit Problemen eher auf eine Zukunftsperspektive ausgerichtet sein müssen. Außerdem sind diese Bevölkerungsgruppen nicht in allen Städten gleich stark vertreten.

Komplexität: Für jede der soeben genannten Zielgruppen gilt, daß ihre Probleme komplex und vielschichtig sind, und daß ihnen nicht mit einfachen Lösungen beigekommen werden kann.

Anschluß zwischen Regelsetzung und gesellschaftlicher Wirklichkeit: Gesetzgebung und Regelsetzung, auch diejenige in bezug auf die Finanzierung der sozialen Einrichtungen, sind im allgemeinen sektorgebunden und als solche meist ziemlich adäquat. Probleme entstehen vor allem dann, wenn auf lokaler Ebene, bei der praktischen Arbeit, individuelle Arrangements wegen starrer Regeln innerhalb der Sektoren nicht oder nicht gut möglich sind. Das steht einer guten Organisation und einer effektiven Zusammenarbeit im Wege.

Der Wille und die Fähigkeit der (städtischen) Verwaltungen, innovative Lösungen zu finden: Mut auf Verwaltungsgebiet, Tatkraft und die für die Schaffung von Commitment bei gesellschaftlichen Gruppen erforderliche Autorität sind noch nicht in ausreichendem Maße vorhanden. Viele Ausführende kennen zum Beispiel nicht die Möglichkeiten in bezug auf eine flexible Handhabung der Regelungen, die durchaus bestehen. Oft weiß man nicht, welche Lösungswege in anderen Städten beschritten werden.

Unterschiede der Bedingungen und der Weise der Beurteilung und Rechenschaftslegung: Hier geht es sowohl um den Prozeß selbst als auch um die materielle Seite. Zum Beispiel um das Dilemma zwischen der Beaufsichtigung der Durchführung der Politik und der Mittelverwendung einerseits und einem effektiveren Mitteleinsatz andererseits.

Aus der Aufzählung dieser fünf Punkte geht hervor, daß die von der Zentralbehörde und den Städten gewünschte Verstärkung der städtischen Regiefunktion nicht ausschließlich durch Maßnahmen im Bereich der Regelsetzung und der Finanzierung erreicht werden kann. Dafür ist vielmehr auch die Nutzung bestehender Möglichkeiten für die Organisation von Zusammenarbeit und die Durchbrechung überkommener Strukturen und fest verwurzelter Kulturen notwendig.

Der zweite Weg, den wir eingeschlagen haben, ist auf konkrete Vereinbarungen auf kürzere Sicht abgestellt. Dafür wollen wir zum Thema "Perspektiven für die Jugend in der Stadt" die Probleme und Engpässe inventarisieren, Lösungsrichtungen formulieren und darüber auf kurze Sicht mit den Städten Vereinbarungen treffen.

Die Entscheidung für die Konzentration auf die Jugend hat zwei Gründe. Erstens sind die inhaltlichen Probleme rund um gefährdete Jugendliche, Jugendgesundheitspflege und Jugendarbeitslosigkeit par excellence zukunftsbezogen und langfristig. Wenn wir bei der Jugend Erfolg haben, wirft das auch in Zukunft Früchte ab. Zweitens kann die Verstärkung der städtischen Regiefunktion auf lokaler Ebene gerade hier Gewinn bringen.

Auf dem Gebiet der Jugendpolitik stehen die folgenden Themen im Vordergrund:

Auf diesen Gebieten muß die städtische Regie verstärkt werden. Die Moral unseres Ansatzes auf dem Gebiet der sozialen Stadt oder der Bekämpfung des sozialen Ausschlusses ist, daß auch wir sicherlich noch nicht das Ei des Kolumbus gefunden haben, daß auch wir noch keine schnellen und einfachen Lösungen zu bieten haben.

Allerdings herrscht Einigkeit über die Vorgehensweise. Eine Vorgehensweise, die viel stärker als in der Vergangenheit auf Zusammenarbeit zwischen den Verwaltungsebenen abgestellt ist. Sowohl zentral und dezentral als auch zwischen den Sektoren der Politik sowie zwischen den städtischen Einrichtungen.

Damit bin ich am Schluß meiner Ausführungen. Ich bin gespannt, von Ihnen zu erfahren, wie Sie diese komplexe Materie sehen.

Ich danke Ihnen.

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