soziale stadt - bundestransferstelle

Bund-Länder-Programm "Stadtteile mit
besonderem Entwicklungsbedarf - Soziale Stadt"

Die soziale Stadt



Franz Müntefering

Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen

Rede anläßlich der Auftaktveranstaltung
zum Bund-Länder-Programm "Die soziale Stadt"

"Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf – Die soziale Stadt – Ziele des Programms"

 

Es gilt das gesprochene Wort!

 

Inhalt


Einleitung

ich freue mich, Sie anläßlich der Auftaktveranstaltung "Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf - Die soziale Stadt" in Berlin begrüßen zu können.

Mit diesem Programm wird in der Stadtentwicklungspolitik eine Etappe eingeleitet, die insbesondere ein integratives Handeln aller Akteure erfordert. Dieses Programm ist ein Zeichen, noch nicht die Lösung. Aber Handeln ist angesagt. Das ist klar.

Die heutige Veranstaltung zum Start des neuen Förderprogramms findet in Berlin an meinem neuen Dienstort statt. Natürlich auch, um die Ziele unserer Stadtentwicklungspolitik in einer Großstadt wie Berlin augenfällig zu machen.

Auch die Berliner Politik hat die aktuellen Fragen der Stadtentwicklung längst im Blick. 15 Gebiete sind hier benannt, in denen aufgrund ihrer sozialstrukturellen, ökonomischen und städtebaulichen Situation zusätzliche integrierte Stadtteilverfahren und Maßnahmebündelungen erforderlich sind. Vom Berliner Senat können wir einiges lernen.

Lassen Sie mich das Anliegen der Bundesregierung näher erläutern:


Probleme durch Verstädterung

Die großen Veränderungen dieser Zeit haben ihre Auswirkungen natürlich auch auf die Städte in Deutschland.

Stichworte:

hohe Arbeitslosigkeit
starke Wanderungsbewegungen sowohl innerhalb Deutschlands als auch Zuwanderungen aus anderen Staaten bei
verhaltenem Wirtschaftswachstum

Ergebnis: hohe Belastungen für Städte und Gemeinden.

Dabei haben wir alles in allem immer noch einen hohen Standard und beachtliche Lebensqualität auch in unseren Städten.

Ein kurzer Blick über den "Tellerrand": Wir müssen uns vor Augen führen: die Hälfte der Menschheit lebt in Städten. Und im Jahr 2025 wird es fast 100 städtische Agglomerationen mit mehr als 5 und bis zu 30 Mio Einwohnern geben.

Das sind zunächst nur Quantifizierungen. Sie warnen uns aber Frühzeitig vor einer Steigerung von Problemen, mit denen wir teilweise und in Ansätzen zu tun haben.


Urbanisierung: Chancen und Risiken

Ich will keine Horrorvisionen verkünden. Schließlich bietet die Urbanisierung auch Chancen. Denn die Städte waren immer auch Kultur- und Bildungsträger für die Menschen. Und sie schufen die besten Voraussetzungen für die unerläßliche Kooperation der wirtschaftlichen Kräfte.

Der fortschreitende Prozeß der Urbanisierung schafft aber auch eine Reihe schwerwiegender Probleme, die sich gegenseitig beeinflussen und damit zum Teil verstärken.

In den Entwicklungsländern wachsen die Slums. Mangelnde oder mangelhafte Trinkwasserversorgung und Abwasserbeseitigung gefährden dort Leben und Gesundheit der Menschen. Immobilität behindert Wachstum. Armut, Kriminalität und soziale Konflikte verschärfen sich. Die soziale Segregation wächst.

Auf unserem großen Kongreß URBAN 21 Mitte 2000 werden wir uns diesen Fragen stellen. Mit Experten aus aller Welt.

Unsere Sorgen in unseren Städten sind von anderer Quantität und anderer Qualität. Leicht nehmen dürfen wir sie aber nicht. Auch in unseren Städten gibt es Stadtteile mit erheblichen gesellschaftlichen Problemen:

führen zu Gewaltbereitschaft, Kriminalität und Drogenkonsum. Auch wir sind deshalb gefordert, dem Qualitätsverlust oder gar der Verwahrlosung einzelner Stadtteile entgegenzutreten.


Politische Prämissen

Welche politischen Prämissen setzen wir für die Entwicklung unserer Städte?

Hierüber herrscht Einigkeit. Aber an was wollem wir uns orientieren?


Die Zukunft der Städte mit dem europäischen Stadtmodell sichern

Wir setzen auf das europäische Stadtmodell:

Hierzu gehören


Von anderen Ländern lernen

Noch sind in Deutschland die sog. "überforderten Nachbarschaften" die Ausnahme. Deshalb müssen wir jetzt handeln. Der Blick nach GB, NL oder die USA zeigt, wie komplex die Ursachen von sozialen Brennpunkten sind. Diese Länder haben bereits reagiert und wir sollten davon lernen.

Gemeinsames Ziel:

Mittel: Integrierte Ansätze unter Beteiligung aller gesellschaftlicher Gruppen

Die Erfahrungen zeigen, daß es nicht das Instrument zur Lösung der Probleme gibt.

Im Unterschied zur klassischen Städtebauförderung stehen also nicht bauliche Fragen im Vordergrund, sondern die Frage, ob und wie künftig unsere Städte funktionieren. Diese Frage ist allerdings von elementarer Bedeutung für das Funktionieren des Gemeinwesens.


Unser Lösungsansatz

Wir wollen die Lebensqualität der Städte insbesondere mit drei Ansätzen erhalten helfen:

Alle drei Ansätze dieses Dreiecks haben positive Beschäftigungswirkungen. I.d.R. gilt, daß 1 Mrd DM an Investitionen etwa 10.000 Arbeitsplätze schaffen oder sichern (gilt auch für Verkehreinvestitionen).

Sozialer Wohnungsbau: Wir brauchen den Sozialen Wohnungsbau, um ein Wohnungsangebot für die Haushalte zu haben, die sich nicht selbst am freien Markt versorgen können. Das ist allerdings nicht mehr in der Breite notwendig, wie bisher. Der Schwerpunkt muß jetzt auf der Bestandssicherung liegen. Deshalb können wir die Mittel im Rahmen der Haushaltssanierung darauf konzentrieren.

Wohngeld: Wenn der Verlust von Einkommen und steigende Mieten nicht auch zum Verlust der Wohnung führen soll, brauchen wir das Wohngeld. Für die Städte ist auch wichtig, daß hiermit die Wohnkaufkraft gestärkt wird. Deshalb werden wir eine Wohngeld-Novelle durchführen, die zu einer deutlichen Verbesserung des sog. Tabellen-Wohngeldes ab 01.01.2001 führen wird. Die Verlagerung des Wohngeldes für Sozialhilfeempfänger (sog. Pauschal-Wohngeld) ist akzeptabel. Für die Haushalte ändert sich wenig und die Kommunen werden z.B. durch den Abbau von Steuervorteilen kompensiert.

Städtebauförderung: Sie behält hohe Bedeutung. Sie ist das zentrale Instrument zur Erneuerung und Entwicklung der Städte und Gemeinden in Deutschland. Sie führt mehrere investive Infrastrukturbereiche zusammen (vor allem Wohnungsbau und Verkehr) und hat hohe Beschäftigungseffekte sowie Anstoßwirkungen auf private Investitionen. Dies gilt insbesondere für mittelständisches Handwerk, Handel und Gewerbe mit einer hohen sektoralen, regionalen und lokalen Zielgenauigkeit.

Deshalb werden wir die Städtebauförderung auch der Höhe nach mit jährlich 600 Mio DM fortführen.


Die soziale Stadt

Bisher haben wir mit den "klassischen" Programmen der Investitionsförderung gearbeitet: z.B. Städtebauförderung und Sozialer Wohnungsbau, mit ihren meist hohen Beschäftigungswirkungen und Folgewirkungen auf private Investitionen.

In diesem Jahr legen wir erstmals das Programm Die soziale Stadt auf, um Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf vor einer Abseitsstellung zu bewahren.

Bund und Länder haben sich auf einen Verteilungsschlüssel geeinigt, der neben den Parametern der Städtebauförderung auch die landesbezogene Arbeitslosenquote umfasst. Damit können die Mittel zielgerichtet in solchen Gebieten eingesetzt werden.

Zielsetzung: Stabilisierung von Stadtteilen, in denen sich die eingangs beschriebenen sozialen, wirtschaftlichen und städtebaulichen Probleme verschärfen.

Diese komplexen Probleme sind mit den herkömmlichen Instrumenten und Verfahren nicht zu lösen.

Deshalb brauchen wir einen umfassenden Förderansatz, der investive und nichtinvestive Maßnahmen mit dem Schwerpunkt der städtebaulichen Erneuerung zusammenfaßt: Die Soziale Stadt.

Wir brauchen für das Gelingen Engagement vor Ort. Den Willen und die Fähigkeit, die Kraft aller Fachbereiche zu bündeln und zu nutzen für das eine gemeinsame Ziel.

Die Situation analysieren, ein Konzept entwickeln und dieses umsetzen – darum geht es. Unser Programm Soziale Stadt kann dafür Anstoß und wertvolle Hilfe sein.

Ein solches Konzept zielt beispielsweise auf

Aber auch

Die Soziale Stadt kann der Fokus werden für die längst fällige Debatte über die Situation und die Zukunft unserer Städte, an der so vieles hängt. Letztlich müssen wir die Menschen selbst erreichen. Nur wenn sie sich engagieren und aktivieren lassen, kann die Soziale Stadt ein voller Erfolg werden.

Zu erwartendes Ergebnis:

Das Programm gibt mit dem Anteil meines Hauses zuallererst Anstoß für bauliche und städtebauliche Verbesserungen – d.h. auch:

In der Abstimmung mit anderen Fachbereichen sind auch im Blick:

Trotz angespannter Haushaltslage hat die Bundesregierung beschlossen, dafür Bundesfinanzhilfen in Höhe von jährlich 100 Mio. DM bereitzustellen. Mit den Komplementärmitteln der Länder und Gemeinden stehen dann jährlich 300 Mio. DM bereit.

Die Verwaltungsvereinbarung wird derzeit erarbeitet.

Wenn wir es schaffen, diese Mittel zu verstetigen, wie geplant einzusetzen und auf kommunaler Ebene Aktivitäten zu initiieren, dann wird dieses Programm ein Erfolg werden. Ich werbe dafür.

Beispiel Berlin

Für Berlin stehen aus dem Programm Die Soziale Stadt etwa 5 Mio DM allein aus dem Bundestopf zur Verfügung.

Die Situation in einem Stadtteil Berlins – in Wedding-Sparrplatz / Sprengelkiez und die Anstrengungen dort zeigen, wo entsprechender Entwicklungsbedarf vorhanden ist und wie erfolgversprechend angesetzt werden kann: nicht schematisch, sondern je nach Situatiuon.

Was war die Situation:

Was waren die Lösungsansätze:

Lokale Akteure ergriffen die Initiative, um der Abwärtsentwicklung im Stadtteil zu begegnen. Im Juni 1998 wurde als "örtliche Unterstützungseinrichtung" ein Nachbarschaftsladen gegründet. Es wurde ein integriertes gebietsbezogenes Handlungskonzept "Arbeit und Nachbarschaft" erarbeitet, bei dem es vor allem um die Stärkung des Selbsthilfepotentials und der Erschließung des lokalen Arbeitsmarkts geht.

Maßnahmen gegen eine weitere Verdichtung und die Initiierung integrierter Quartiersentwicklung mit den Elementen Quartiersmanagement, Aktionsfonds und Evaluierung sind weitere Hauptziele.

Über die "Lokale Partnerschaft Wedding" wurde ein Bündnis für Beschäftigung, Lebensqualität und sozialen Zusammenhalt ins Leben gerufen, in dem der öffentliche, der private und der gemeinnützige Sektor eng zusammenwirken. Unterstützt durch die Bezirksverwaltung und den Senat wurde zur Koordinierung und Steuerung dieser quartiersorientierten, integrierten Stadtteilentwicklung ein "Quartiersmanager" eingesetzt, der insbesondere

Der Berliner Ansatz zur Steuerung der integrierten Stadtteilentwicklung macht deutlich, welche Voraussetzungen für das Gelingen des neuen Bund–Länder-Programms wichtig sind.

Wir starten heute ein Programm, für dessen Erfolg nicht in erster Linie die Höhe der Finanzhilfen entscheidend sein wird. Das Programm lebt von der Bereitschaft aller Akteure, den Entwicklungsprozeß im Stadtteil kooperativ mitzugestalten. Dafür stellen wir finanzielle Hilfen bereit.


Die Soziale Stadt im Kontext mit anderen Programmen und Initiativen

Andere Bundesressorts haben auf unsere Initiative bereits positiv reagiert und konkrete Angebote gemacht. Sie beziehen sich auf Maßnahmenbereiche, die sich für

eignen.

Beispiele:

BMA will die bereits in den neuen Ländern praktizierten Lohnkostenzuschüsse für Langzeitarbeitslose im Rahmen von Strukturanpassungsmaßnahmen auch in den alten Ländern möglich machen.

BMFSFJ plant im Bereich der Jugendhilfe auf örtlicher Ebene ein Programm Entwicklung und Chancen junger Menschen in sozialen Brennpunkten.


Anstoß- und Beschäftigungswirkungen der klassischen Städtebauförderung

Die Städtebauförderung und der neue Programmansatz Die soziale Stadt haben nicht nur städtebauliche und strukturpolitische Wirkungen.

Auch die ökonomischen Effekte auf Investitionen und Beschäftigung sind spür– und messbar.

Untersuchungen zeigen: Die Mittel von Bund und Ländern stoßen etwa das 8–fache an sonstigen Investitionen an. Bei einem permanenten jährlichen Programmvolumen der Städtebauförderung von Bund und Ländern in Höhe von 600 Mio DM werden dadurch etwa 60.000 Arbeitsplätze im Baugewerbe und den sekundären Bereichen gesichert und geschaffen.


Schlußwort

Ich freue mich über die positive Resonanz auf das Programm bei den Verbänden und freien Trägern. Für deren Mitwirkungsbereitschaft und Anregungen bin ich dankbar.

Es zeigt sich, daß hinsichtlich Diagnose und Therapie weitgehend Übereinstimmung herrscht.

Mit dem Programm Soziale Stadt und der Städtebauförderung haben wir Instrumente, die regional und lokal zielgenau eingesetzt werden können. Die Mittel kommen dann vor allem dem örtlichen Mittelstand und Handwerk zugute.

Gleichzeitig sichern wir die Zukunft unserer Städte. Das ist ein entscheidender Beitrag für die Zukunft Deutschlands.

Wie so oft stand eine gute "politische Idee" am Anfang. Die Umsetzung in die Praxis wird viel Zeit in Anspruch nehmen. Das kennen wir alle.

Diese Veranstaltung wird ein weiterer Baustein zur Lösung der anstehenden Aufgaben sein.


- E n d e -

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Im Auftrag des BMVBS vertreten durch das BBR. Zuletzt geändert am 14.04.2004