Der ExWoSt-Schwerpunkt "Stadtteile mit Entwicklungspriorität" richtet sich auf strategische Programme der integrierten Stadtteilentwicklung mit baulich- städtebaulichen, sozialen, ökonomischen, ökologischen und kulturellen Handlungsfeldern. Im Mittelpunkt stehen innovative Ansätze zur programmatischen, förderungstechnischen und organisatorischen Bewältigung der vielschichtigen und gesellschaftspolitisch brisanten Aufgabe Stadtteilentwicklung. Entsprechend den Städtebauförderungsbedingungen stellen dabei Quartiere die Ausgangs- und Bezugspunkte dar.
Aus den Ergebnissen der Falluntersuchungen und der Auswertung vorliegender Erfahrungsberichte über entsprechende Maßnahmen lassen sich die folgenden Aspekte als Grundbedingungen für eine richtungweisende und erfolgreiche Bündelung von Ressourcen herauskristallisieren:
1. Fundierte Identifizierung von Stadtteilen mit Entwicklungspriorität:
Voraussetzung für den problemadäquaten und wirkungsvollen Einsatz von Strategien ist die genaue Kenntnis der gebietlichen Situation, der Stärken und Schwächen, der Entwicklungspotentiale und Gefährdungen. Die Städte setzen verschiedene Methoden und Beobachtungssystemen ein, um Problemlagen quantitativ und qualitativ in ihrer jeweils quartiersspezifischen Ausprägung zu erfassen. Dabei stellt die Abgrenzung der Quartiere ein besonderes Problem dar, damit nicht einerseits zu kleine inselartige Zuschnitte, andererseits zu große Gebiete betrachtet werden, in denen die Besonderheiten durch die Dimension nivelliert sind. Darüber hinaus erfordert die Definition von "Entwicklungspriorität" präzises Wissen über die gesamtstädtische Situation; nur so läßt sich eine Priorität für Teilgebiete ableiten. Der besondere Handlungsbedarfs (die Entwicklungspriorität im Vergleich zu anderen Stadtteilen und zur gesamtstädtischen Situation) wird meistens mit Problemindikatoren wie Sozialhilfebedürftigkeit, Arbeitslosigkeit, Ausbildungsstand, Kriminalität, Daten zur sozialräumlichen Entmischung usw. begründet. Noch zu wenig Beachtung finden bisher Argumentationen, bei denen die potentiellen Verbesserungs- und Veränderungsmöglichkeiten stärker ins Gewicht fallen.
2. Kommunaler Konsens über Leitprogramme und Handlungsstrategien:
Der gebündelte Einsatz von Mitteln und Maßnahmen sowie das Zusammenspiel von vielen beteiligten Akteuren erfordern Konsens über die wesentlichen Entwicklungsrichtungen sowie über Qualitätsanforderungen und über die Einschätzung der Wirksamkeit von vorgeschlagenen Projekten und Maßnahmen. Je nach Stadtteilsituation sind unterschiedliche inhaltliche Akzente hinsichtlich gesamtstädtischer, zielgruppenorientierter und projektbezoger Vorgehensweisen zu vereinbaren, und es geht um einen Ausgleich zwischen kurzfristig zu erzielenden und damit schnell erlebbaren Ergebnissen und längerfristigen Entwicklungszielen. Wegen der größeren Verbindlichkeit erscheint es angeraten, die Verfahren an politische Beschlüsse kommunaler Entscheidungsträger zu binden.
3. Koordinierung der ressortübergreifenden Förderung auf Bundes- und Landesebene:
Als zentrales Problem erweisen sich gegenwärtig die kaum abgestimmten Förderreglements der Bundes- und Landesressorts, die den Einsatz für integrierte Maßnahmenkonzepte erheblich erschweren. Dadurch werden Abstimmungs- und Steuerungsprobleme auf die Gemeinde- und/oder Projektebene verlagert. Besondere Schwierigkeiten betreffen die Kombination von investiven und nicht-investiven Förderungstatbeständen. Die Kompatibilität der verschiedenen Fördertöpfe ist bisher begrenzt, da beispielsweise häufig schon unterschiedliche Laufzeiten eine zeitgleiche Bündelung der Fördermittel erschweren. Antrags- und Bewilligungsverfahren müssen bisher noch über- wiegend sektoral erfolgen, womit die Koordinierung auf die Quartiers- oder Projektebene verlagert wird. Auch hier ist ein politischer Beschluß erforderlich, wie das beim nordrhein-westfälischen Handlungskonzept "Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf" bereits der Fall ist.
4. Flexibilisierung des Mitteleinsatzes:
Die relativ starren und unflexiblen Konditionen der Mittelvergabe mit engen Laufzeiten und Zweckbindungen gefährden die Umsetzung von integrierten Maßnahmekonzepten. Aus änderungen im Projektverlauf ergeben sich häufig unvorhersebare Finanzierungserfordernisse. Hierfür ist die Bereitstellung von quartiersbezogenen (Teil-)Budgets ohne Maßnahmen- und enge Zeitbindung notwendig. Außerdem sollten änderungen des Verwendungszwecks auf Antrag zulässig sein.
5. überwindung fach- und ressortspezifischer Barrieren und Egoismen:
Bisherige Erfahrungen verweisen auf die Notwendigkeit, das (bisher nur in Einzelfällen zum Tragen kommende) Prinzip der ressortübergreifenden Zusammenarbeit deutlich zu stärken, um Reibungsverluste auszuschließen und Ressortegoismen zu überwinden. ämterübergreifende Kooperation auf Länderebene und auf kommunaler Ebene sind bisher überwiegend auf das Engagement von Einzelpersonen zurückzuführen und nicht strukturell angelegt. Langwierige Abstimmungsprozesse, bürokratische Hürden, unklare Kompetenzverteilungen, personelle überforderung haben zur Folge, daß Initiativen vor allem auf Quartiersebene erlahmen. Ressortübergreifende Arbeitsgruppen stellen einen Lösungsweg dar, wobei die Federführung im Konsens vereinbart sein muß.
6. Intermediäre Instanzen:
Intermediäre Organisationen - seien es Projektträger, Steuerungsgruppen, maßnahmenbezogene Vereine, Nachbarschaftsagenturen o.ä. - können größtmögliche Kooperation, Koordination und Kommunikation gewährleisten. Insoweit erfüllen sie Schlüssel- und Motorenfunktion zur Umsetzung integrierter Konzepte. Für ihre Arbeit benötigen sie ein eigenes Budget zur Abdeckung der kontinuierlich anfallenden Personal- und Sachkosten.
7. Stadtteilmanagement und Public Private Partnership:
Die Kooperation von öffentlichen und privaten Akteuren und der Aufbau lokaler Partnerschaften erweisen sich auch auf Stadtteilebene zur Umsetzung von quartiersbezogenen Schlüsselprojekten als nützlich. Dazu gehören zum Beispiel die Kooperation mit Wohnungsbaugesellschaften und privaten Unternehmen unterschiedlicher Branchen, Projektentwicklern, Banken, Sparkassen usw. (soziales Sponsoring, Community Corporate Involvement).
8. Beteiligung und Motivierungsstrategien vor Ort:
Die Initiierung und Sicherung nachhaltiger Entwicklungsprozesse in den Stadtteilen erfordert die Aktivität und Mobilisierung der Menschen vor Ort. Voraussetzungen für Teilnahme und Engagement sind unter anderem verschiedene Angebote des Sozialmanagements und der Lebenshilfe (Beratung, Organisation von Tauschbeziehungen, Informationsbörsen, Kriminalprävention), mit denen besondere Belastungen abgebaut und Kräfte freigesetzt werden können. Unerläßlich sind darüber hinaus unkomplizierte und transparente Verantwortungs- und Zuständigkeitsstrukturen.
9. Offensive Vermittlungs- und öffentlichkeitsarbeit:
Insbesondere bei Gebieten, denen ein Problemstatus zugeschrieben wird, klaffen Selbst- und Fremdimage häufig auseinander. Stigmatisierungen von Quartieren als Problemgebiete werden über die Medien oft noch verstärkt und führen vor Ort zu Resignation oder auch Aggression. Von vielen Seiten wird die Entwicklung von positiven Leitbildern und Orientierungen für die Quartiere gefordert, die durch spezifische öffentlichkeitsstrategien und die Medien als Multiplikatoren zur Korrektur und Profilierung ebenso eingesetzt werden wie zur Förderung von Akzeptanz vor Ort.
10. Längerfristige Sicherung integrierter Stadtteilentwicklungsprozesse:
Die Wirksamkeit und Leistungsfähigkeit von Strategien läßt sich unter anderem an Indikatoren wie Stabilisierung und Verbesserung der Lebensverhältnisse (hinsichtlich Wohnsicherheit, soziale Integration, Beschäftigungsquote, positivem Gebietsimage, Quartiersidentität usw.) und dem Aufbau längerfristig sich selbst tragender Strukturen (Netzwerke, Nachbarschaftsbeziehungen) bemessen. Haushaltssperren oder Gesetzesänderungen mit Auswirkungen auf die Förderstruktur gefährden Projektabschlüsse oder Anschlußfinanzierungen. Die Umsetzung integrierter Programme setzt jedoch Kontinuität der Förderung voraus.