1

soziale stadt - bundestransferstelle

Bund-Länder-Programm "Stadtteile mit
besonderem Entwicklungsbedarf - Soziale Stadt"

 

Nordrhein-Westfalen: Lünen, Brambauer


Wohnen plus!

Soziales Management einer Wohnungsbaugesellschaft


Zentral(e) Handlungsfeld(er)

Strategische Handlungsfelder: Aktivierung und Beteiligung
Inhaltliche Handlungsfelder: Soziale Aktivitäten und soziale Infrastruktur, Zusammenleben unterschiedlicher sozialer und ethnischer Gruppen

Der Schwerpunkt liegt im inhaltlichen Handlungsfeld.

Projektbeschreibung

Die Glückauf Wohnungsbaugesellschaft mit Sitz in Lünen-Brambauer wurde 1951 gegründet und ist seit 1975 ein Tochterunternehmen der Treuhandstelle GmbH (THS) in Essen. Die Glückauf bewirtschaftet rund 4.500 Vermietungseinheiten in Lünen und Selm, hiervon befinden sich 2.689 Vermietungseinheiten im Ortsteil Lünen Brambauer. Lünen, insbesondere der Stadtteil Brambauer, ist ein "Kind des Bergbaus". Wie der Bergbau selbst mussten sich auch die Eigentümer der Bergarbeitersiedlungen der Strukturkrise (Einstellung der Kohleförderung des Bergwerks Minister Achenbach im Juni 1992) des Ruhrgebiets stellen und neue Wege gehen. Bestimmend wirkte der Bergbau auf die Sozialstruktur im Lünener Westen. Fast 40% der dort lebenden Menschen sind ausländischer Nationalität und verstärkt sind die hochaltrigen Senioren (Problem der Überalterung) und die "jungen Alten" anzutreffen; jene Gruppe der 50-60jährigen, die aufgrund der Anpassungsmaßnahmen vorzeitig aus dem aktiven Arbeitsleben im Bergbau ausgeschieden sind. Eine hohe Arbeitslosenquote (15% für Lünen), Jugendarbeitslosigkeit, der hohe Ausländeranteil und die Zunahme der Sozialhilfeempfänger erschweren das Zusammenleben der Siedlungsbewohner. Seit 1989 erstreckt sich daher die Geschäftstätigkeit des Unternehmens nicht nur auf das bloße Vermieten von Wohnraum, sondern auch auf eine aktive Betreuung seiner Mieter. Den traditionellen Eckpfeilern der wohnungswirtschaftlichen Aufgaben wurde somit ein weiterer Baustein in Form eines sozialen Managements hinzugefügt.


"Wohnen plus!" setzt sich zum Ziel, die Wohn- und Lebensqualität der in Lünen Brambauer lebenden Menschen zu erhöhen. Es wurde der Anspruch erhoben, ein soziales Netzwerk mit ganzheitlichem Charakter anzustreben, in das alle Personen und Familien der Wohnquartiere integriert sind. Bau- und Sozialprojekte müssen hierbei Hand in Hand gehen. Zum einen bilden Baumaßnahmen die Grundlage zur Schaffung eines Umfeldes, in dem sich die Menschen in ihren Häusern wohl fühlen könne. Zum anderen müssen die Bewohner einer Siedlung aber auch sozial zusammengeführt werden. Ein Wohngebiet, in dem es
  • bedarfsgerechten Wohnraum,
  • funktionierende Nachbarschaften,
  • Gemeinschaftsräume,
  • ein anregendes Wohnumfeld,
  • funktionierende Bewohnerorganisationen,
  • Angebote für verschiedene Alters- und Bevölkerungsgruppen,
  • Hilfestellungen für die Probleme des täglichen Lebens,
  • zeitnahe und problemadäquate Serviceleistungen für alle Mietergruppen
gibt, verfügt über ein Netz, in dem unterschiedliche Probleme entweder gar nicht erst entstehen oder aber so aufgefangen werden können, dass sie nicht zu Problemballungen führen oder gar das Stadtteilleben nachhaltig belasten. "Wohnen plus!" steht für eine Vielzahl unterschiedlicher baulicher Einrichtungen (z.B. Nachbarschaftshäuser, Treffpunkt Konradplatz, Seniorentreffpunkte, Kinderwohngruppen), die im Laufe der letzten Jahre entstanden sind und auch baulichen Maßnahmen, wie z.B. den umfangreichen Um- und Ausbaumaßnahmen in der "Neuen und Alten Kolonie" in Brambauer. Zahlreiche Sanierungsprojekte, ein Bauprojekt und Wohnumfeldgestaltungen wurden mit Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahmen verknüpft. "Wohnen plus" steht darüber hinaus für umfassende Beratung, Betreuung und Förderung der Eigeninitiative der Mieter.


Mit der Gründung des Glückauf Nachbarschaftshilfe e.V. (1994) wurde ein Schritt vollzogen, der die Idee von der "Hilfe zur Selbsthilfe" konsequent aufgreift und umsetzt. Der Verein für Nachbarschaftshilfe ist das umfassendste von der Glückauf gegründete Organ im Bereich ihrer Sozialaktivitäten. Viele der Aktionen sind in die Hände des Vereins gelegt worden, um den Willen der Selbstverwaltung und Selbstgestaltung der Mitglieder zu fördern. Wesentliche Innovationspotentiale wurden auch darin gesehen, Bürger und Bürgerinnen sowie deren Kinder als auch Wirtschaftsunternehmen für die Wohnquartiere zu aktivieren und in Verantwortung zu setzen. Unter dem Motto Hilfe zur Selbsthilfe wurde ein Katalog von Zielen, Aufgaben und Aktivitäten entwickelt und in folgenden Grundsätzen zusammengefasst:
  • Förderung einer generations- und kulturübergreifenden Nachbarschaftshilfe
  • Aufbau eines sozialen Netzes
  • Beratung und Angebote für Jung und Alt in derzeit drei Kommunikationszentren
  • Durchführung von sozialen Projekten, die als Modellprojekte vom Land NRW anerkannt und gefördert wurden
  • Förderung von Gemeinschaftsprojekten und Selbsthilfegruppen
Um die Ziele zu erreichen, ist in Abstimmung mit den mittlerweile 700 Mitgliedern eine offene Angebotsstruktur entwickelt worden. Sie umfasst folgende Bereiche:
Treffpunkt-, Siedlungs- und Stadtteilarbeit, organisierte Nachbarschafthilfe, Wohnberatung, Beschäftigung und Qualifizierung, Sozialberatung, Neue Medien


Fazit ist, dass die Glückauf nach mehrjähriger Tätigkeit sagen kann, dass sie einen Beitrag zur sozialen Ruhe und Entspannung am Ort leisten konnte. Die zurückliegenden Jahre haben aber auch gezeigt, dass neue und andere Wege zu gehen sind und dass es wichtig ist, Kooperationspartner zu finden, um weitergehende gemeinwesenorientierte Angebote in den Siedlungen einzurichten. Nur mit den zahlreichen Kooperationspartnern war es uns möglich "Wohnen plus!" zu entwickeln und durchzuführen, die einzelnen sozialen Projekte werden z.B. durch unterschiedliche Kuratorien gefördert. Viele kleinere und auch größere Projekte waren und sind bei der Umsetzung des "Wohnen plus!" beteiligt, manche wurden nur einmalig und kurzfristig dem Bedarf nach durchgeführt (z.B. Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für Langzeitarbeitslose im Wohnumfeldbereich), viele jedoch existieren schon seit Jahrzehnten und sind zu einem festen Bestandteil des Unternehmens geworden (z.B. Glückauf Nachbarschaftshilfe e.V. oder Treffpunkt Konradplatz). Die Verknüpfung von wohnungs- und städtbaulichen Maßnahmen mit der Initiierung von Sozialprojekten war für uns als Wohnungsbaugesellschaft ein neues Betätigungsfeld.

Die Ergebnisse unserer bisherigen Erfahrungen haben wir in zehn Schlussbemerkungen und Thesen formuliert:

I. Die Nachhaltigkeit der Projekte kann nur sichergestellt werden, wenn
  • Vereine, Verbände, Unternehmen und Siedlungsbewohner mit in die Entwicklung und Erneuerung der Stadtteile einbezogen werden und verantwortlich für den Stadtteil aktiviert wurden,
  • durch öffentliche Anschubfinanzierungen eine Geburtshilfe der Projekte ermöglicht wird und grundsätzlich das Engagement anderer Personen für den Stadtteil vorhanden ist (Beispiel: Vorstand NHV: Vertreter aus Gewerkschaft, Unternehmen, Bewohner, Verbände),
  • kooperative und partnerschaftliche Beziehungen zwischen den Akteuren des Stadtteils, auch Kommune und Unternehmen, verlässlich aufgebaut wurden und regelmäßig gepflegt werden (Beispiele: Kuratorium TK und NHV, Stadtteilkonferenzen, Gemeinschaft Brambauer Vereine).
II. Die Schaffung ergänzender sozialer Infrastruktur im Stadtteil für unterschiedliche Zielgruppen erhöht die Attraktivität der Quartiere und führt zu einer Weiterentwicklung des Wohnraumangebotes (Beispiele: Kommunikationszentren, Fahrradreparaturwerkstatt, barrierefreie Kommunikationsflächen im Wohnumfeldbereich, Gewächshausanlagen).
III. Ein breites Netzwerk verschiedener sozialer und kultureller Einrichtungen im Stadtteil ermöglicht ein langes Leben und Wohnen in den Quartieren und erhöht die Wohn- und Lebensqualität (Beispiele: Tageswohngruppe für Kinder/ Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe, Zentrum für ambulante Dienste und Tagespflegeeinrichtung der AWO, Seniorenzentren, Seniorenwohnanlagen mit Serviceangeboten, multikulturelle Kindergärten, Treffpunkt Konradplatz/ multikulturelle Bildungseinrichtung und Beratungs- und Bildungsangeboten).
IV. Der traditionelle Nachbarschaftsgedanke muss heute generations- und kulturübergreifend durch Nachbarschaftshilfevereine wieder mit Leben gefüllt werden. Persönlichkeiten/Sprecher der Stadtteile müssen aktiv das Vereinsleben mit gestalten (z.B. durch eine Vorstandstätigkeit).
V. Eine Wiederbelebung und Förderung der Nachbarschaftshilfe ist notwendig, weil sonst ein menschenwürdiges Altern im Stadtteil nicht mehr möglich ist.
VI. Ergänzende Nachbarschaftshilfen fördern das selbstständige Leben und Wohnen der Siedlungsbewohner.
VII. Siedlungsfeste fördern das Zusammenleben (z.B. Sommerfest, Weihnachtsmärkte).
VIII. Stadtteile brauchen Leitbilder und Stätten der regionalen Identifikation (Beispiel: Bergarbeiterwohnmuseum).
IX. Die Integration der Migranten in den Quartieren gelingt durch Nähe, ein Abbau der Angst vor Fremden kann durch eine Beschäftigung mit dem Fremden erreicht werden (z.B. Studienreisen/ Mieterreisen, gegenseitige Wahrnehmung der religiösen Feierlichkeiten).
X. Das multikulturelle Zusammenleben wird in der Zukunft eine noch größere Herausforderung auch für Wohnungsbaugesellschaften darstellen.


Auch in der Zukunft wird es für uns wichtig sein, Defizite aufzudecken, entsprechend neue Bereiche aufzubauen und vorhandene fortzuentwickeln. Innovationspotentiale können durch eigene Ideen, Beratungen und Fortbildungen, Anregungen durch Anbieter sowie Zielgruppen aufgebaut werden. Der von uns beschrittene Weg ist sicherlich nur einer von vielen anderen möglichen Wegen. Aus der Sicht eines Wohnungsunternehmens halten wir ihn jedoch für gut geeignet, um die individuelle mit der gesellschaftlichen Verantwortung zusammenzuführen.

Alle Abbildungen zu diesem Beitrag
Bau eines Nachbarschaftshauses im Rahmen einer Qualifizierungsmaßnahme

Bau eines Nachbarschaftshauses im Rahmen einer Qualifizierungsmaßnahme
Copyright: Glückauf Wohnungsbau GmbH

Autor der Projektbeschreibung

Christiane Neuhaus

Zielgruppe

Bewohnerinnen / Bewohner, Ausländerinnen / Ausländer, Initiativen / Vereine, Unternehmen / Gewerbetreibende

 

Genderaspekt

nein

Finanzierung

Wohnungsbauförderungsmittel (Bund), Mittel der Bundesanstalt für Arbeit (nach (AFG/SGB III), sonstige Städtebauförderungsmittel, Sozialhilfemittel nach BSHG, Mittel aus Landesprogrammen, Kommunale Mittel, Mittel der Wohnungsbauunternehmen, Sponsoring / Spenden, sonstige private Mittel

Erläuterungen Finanzierung

Mittel aus Landesprogrammen:
  • Zuwendungen des Landes NW
  • Sozialpolitische Föderprogramme (Förderung bürgerlichen Engagement, Alternative Wohnformen im Alter, Altenhilfe)
  • 80% Landesmittel, 20% Eigenmittel
  • dreijährige Modellfördungen

Kommunale Mittel:
  • Zuschuss zum Unterhalt der integrativen Einrichtung "Treffpunkt Konradplatz"
  • Pauschalbetrag

Mittel der Wohnungsbauunternehmen:
  • jährliches Sozialbudget, Sponsoring, Spenden: Geschäftspartner, Privatpersonen
  • sonstige private Mittel: Vereinsbeitrag (19,00 Euro Jahresbeitrag)

 

Projektträger

Glückauf Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft mbH

Projektbeteiligte

  • Treuhandstelle GmbH (THS)
  • Ministerium für Frauen, Jugend, Familie und Gesundheit des Landes NW
  • Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung
  • Arbeitsamt Lünen
  • Landschaftsverband Westfalen-Lippe und Kreisverband Unna
  • Kreis Unna
  • Revierarbeitsgemeinschaft für kulturelle Bergmannbetreuung e.V. (REVAG e.V.)
  • Arbeiterwohlfahrt-Bezirk westliches Westfalen
  • Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE)
  • Werkstatt Unna
  • Diakonisches Werk Lünen
  • Polizei
  • Schulen und Kindergärten in Lünen-Brambauer
  • Türkischer Arbeiterverein Brambauer
  • Firmen und Geschäftspartner
  • Glückauf Nachbarschaftshilfe Verein

Laufend seit

erste soziale Projekte ab 1985

 

Literaturhinweise / Zeitungsartikel / Websites

  • Klaus Pfitzenreuter: Sicher Wohnen, ein Leben lang, die Glückauf Gemeinnützige Wohnungsbau GmbH in Lünen, in: Bürgergesellschaft und Gemeinwohl. Opladen: Leske und Budrich Verlag 1999
  • Klaus Pfitzenreuter: Solidarisches Wohnen und Leben bei der Glückauf Wohnungsbau GmbH in Lünen-Brambauer, in: Bürgerengagement in Deutschland: Bestandaufnahme und Perspektiven. Opladen: Leske und Budrich Verlag 2001
  • FernUniversität, Gesamthochschule in Hagen, Studienbrief "Wohnen im Alter", Beitrag: Glückauf Nachbarschaftshilfe e.V., September 2003
  • Ministerium für Frauen, Jugend, Familie und Gesundheit des Landes NW: Neue Wohnprojekte für ältere Menschen. Gemeinschaftliches Wohnen in NW, 1999, Gemeinschaftsleben in einer Wohnsiedlung, Lünen
  • www.glueckauf.de

Ansprechpartner


Projektebene Gebietsebene
Frau  Krane
Glückauf Wohnungsbau GmbH
Brechtener Str. 42
44536 Lünen
Telefon: +49 (0)0231/987077-35
Telefax: +49 (0)0231/987077-55
E-mail:
WWW: www.glueckauf.de

Frau  Christiane Neuhaus
Glückauf Wohnungsbau GmbH
Brechtener Str. 42
44536 Lünen
Telefon: 0231/987077-25
Telefax: 0231/987077-23
E-mail:
WWW: www.glueckauf.de

Stand: 15.06.2004

Soziale Stadt © 2000-2008 Deutsches Institut für Urbanistik
Im Auftrag des BMVBS vertreten durch das BBR. Zuletzt geändert am 14.12.2007