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Achim Großmann, Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Was können wir den Menschen erzählen, wenn wir zurückkommen, wenn die fragen, was war denn da los in Berlin, was habt ihr denn da mitgebracht? Ich will es, wie gesagt, in acht Antworten zu kleiden versuchen. Erstens: Der Kongress hat - so denke ich - gezeigt, dass wir in unserem Einsatz für die Zukunft der Städte nicht alleine sind. Es gibt viele engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Mitstreiterinnen und Mitstreiter. Auf diesem Kongress waren weit über 1 000 Personen aus sehr unterschiedlichen Bereichen. Es waren Männer und Frauen, Vertreterinnen und Vertreter des Bundes, der Länder, der Kommunen, auch Akteure von den Trägern der Wohlfahrtspflege, Sozialarbeit, Mitglieder von Initiativen, Bewohnergruppen. Ich kann das vielfältige Spektrum gar nicht aufzählen. Dieser Kongress war damit ein breit angelegter Erfahrungsaustausch unter Menschen aus Politik, Praxis, Wissenschaft. Hier waren Experten, die für die Stadt auf überregionaler Ebene arbeiten, ebenso wie die Akteure aus den einzelnen Stadtteilen, Fachleute aus Deutschland, und wir hatten auch internationale Gäste. Es verbindet uns alle viel Gemeinsames, die Sorge um die Zukunft der Städte, das Bemühen, die Herausforderungen zu erkennen und darauf eine Antwort zu finden und schließlich auch die Bereitschaft, sich für zukunftsfähige Städte einzusetzen und aktiv an der Bewältigung von Schwierigkeiten und Problemen mitzuarbeiten. In dem Sinne hat der Kongress auch Mut gemacht. Das ist, meine ich, eine wichtige und gute Botschaft, die wir mit nach Hause nehmen können. Die zweite Antwort: Die Probleme in den Städten und Stadtteilen werden nicht unter den Teppich gekehrt oder verschönt. Man erkennt sie und man stellt sich ihnen. Auf diesem Kongress kamen die Schwierigkeiten und die Herausforderungen klar zur Sprache, denen sich die Städte gegenüber sehen und die sie auf mittlere Sicht lösen müssen. Es wurden insbesondere die Auswirkungen des wirtschaftlichen Strukturwandels, der gesellschaftlichen Veränderungen sowie der demographischen Entwicklung und natürlich auch der Wanderungsbewegungen analysiert und diskutiert. Auf der anderen Seite, und das ist mir ganz wichtig, wurden auch die Chancen aufgezeigt, die mit den Veränderungen verbunden sind, denn die Städte sind nicht nur Brennpunkte der Veränderungen und Umbrüche, sie sind und bleiben zugleich Motor für Modernisierung und Fortschritt, für die Bewältigung und Lösung von Problemen. Die Städte sind also Teil des Problems und sind gleichzeitig die Lösung des Problems. Als dritte Antwort schlage ich vor: das Programm Soziale Stadt ist bereits in vielen Städten und Stadtteilen aller Bundesländer in Gang gekommen. In das Programm, wir haben die Zahl ja öfters gehört, konnten bereits 249 Stadtteile in 184 Gemeinden aufgenommen werden, und im nächsten Jahr werden mit der nächsten Tranche neue Stadtteile aufgenommen. Dazu hat auch die Aufstockung der Bundesfinanzhilfen seit dem letzten Jahr beigetragen. Wenn wir gerade zu dem Thema Träume gehört haben, was Herr Metzler ein bisschen resignativ oder zurückhaltend formuliert hat, dann kann ich sagen: die Soziale Stadt haben wir unter drei, vier Leuten in die Koalitionsvereinbarung hineingeschrieben, ohne zu wissen, wie das denn auf den Weg zu bringen ist. Wenn wir heute nach vier Jahren feststellen können, dass wir rund 250 Stadtteile in diesem Programm haben und dass wir weit mehr als 1,5 Milliarden DM für dieses Programm generiert haben, dann, glaube ich, ist das auch schon ein kleines Stück Traum, den wir 1998 im September/Oktober geträumt haben und der jetzt ein Stück Wirklichkeit geworden ist. Wir können heute sagen: das Programm Soziale Stadt hat sich etabliert, wir haben eine erste Etappe der Programmumsetzung erreicht, und es ist dafür gesorgt, dass das Vorankommen des Programms sorgfältig durch das Deutsche Institut für Urbanistik in Berlin, das Difu, beobachtet und ausgewertet wird. Auch das ist notwendig, denn wir wissen auch aus anderen europäischen Ländern, dass dort Stadtumbauprogramme, Stadtentwicklungsprogramme aufgelegt worden sind, die auch Fehlentwicklungen aufgezeigt haben - davor ist man nie sicher, und man muss es im Auge behalten. Eine mögliche vierte Antwort könnte lauten: die ersten Ergebnisse des Programms können sich sehen lassen und machen Mut. Bei aller Zurückhaltung, die wegen der kurzen Laufzeit des Programms geboten ist, lassen die Erfahrungen mit den ersten drei Jahren der Programmumsetzung eine positive Bilanz zu. Vieles ist in den Stadtteilen vor Ort in kommunaler und staatlicher Verwaltung sowie in der Politik in Bewegung geraten. Bei der Programmumsetzung wurden bereits wichtige kurzfristige Ziele erreicht. Das gilt beispielsweise für die Aktivierung von Bürgerinnen und Bürgern, die Einleitung des Aufbaus effizienter lokaler Strukturen und für die Zusammenarbeit zwischen den Bundesressourcen. In den beteiligten Kommunen sind neu geschaffene Organisations- und Managementstrukturen für integrierte Stadtentwicklung entstanden, angefangen von ressortübergreifenden Arbeitsgruppen auf Verwaltungsebene bis hin zu Stadtteilbüros in den Quartieren. Noch findet diese Zusammenarbeit, das weiß ich aus vielen Besuchen auch vor Ort, nicht überall und noch findet sie nicht überall gleich gut statt. Aber wir sind auf einem guten Weg und haben auch hier die Möglichkeit gehabt, über gute Entwicklungen und auch über Defizite informiert zu werden. Eine fünfte Botschaft: das Programm Soziale Stadt findet breite Unterstützung im politischen Raum. Das Programm wird von den Politikern aller Parteien mitgetragen. Es genießt hohe Akzeptanz und breite Unterstützung auf den staatlichen Ebenen, bei den kommunalen und wohnungswirtschaftlichen Spitzenverbänden sowie bei den Wohlfahrtsverbänden und den sonstigen sozialen Institutionen und Einrichtungen. Hinsichtlich der Politik gilt das sowohl für die Bundesebene als auch für die Länder und Kommunen. Im Bereich des Bundes wurde dies zuletzt bei der Beratung des Bundeshaushalts für das Jahr 2002 sichtbar. Alle Fraktionen des Deutschen Bundestages sprachen sich für die Fortführung der Bundesfinanzhilfen auf dem erhöhten Niveau von 77 Millionen Euro aus. Dass der Bundeskanzler gestern auf dem Kongress gesprochen hat, unterstreicht den Stellenwert dieses Programms für die Bundesregierung. Sie können davon ausgehen, dass das Programm Soziale Stadt auf diesem hohen Niveau auch fortgeführt wird. Es gibt immer - da wird auch im Vorwahlkampf ein bisschen "gezündelt!" - die Befürchtung, das Programm Soziale Stadt könne nur auf einige wenige Jahre angelegt sein; für diese Befürchtung gibt es keinen Grund. Zum einen sind die Aufgaben, die wir mit diesem Programm lösen wollen, nicht kurzfristig zu lösen, zum anderen hat die Politik das Programm von Anfang an als langfristiges Programm konzipiert. Für den Bund ergibt sich das insbesondere daraus, dass die mittelfristige Finanzplanung für ihren gesamten Zeitraum, also für alle fünf Jahre, vorsieht, dass die Bundesregierung Finanzhilfe für das Programm Soziale Stadt bereitstellt. Bis jetzt ist die mittelfristige Finanzplanung immer fortgeschrieben worden. Das heißt, im nächsten Jahr werden wir dafür sorgen, dass die nächste mittelfristige Finanzplanung dies beinhaltet, sodass wir immer diesen Fünfjahreszeitraum an Sicherheit vor uns "herschieben" werden. Wir wollen ein langfristiges Programm. Eine sechste Botschaft, die mir wichtig ist: das Instrumentarium für den Umgang mit den Problemen der Stadt wurde in den letzten Jahren an die neuen Ausgaben angepasst. Es ist eine Reform der Städte- und Wohnungspolitik in Gang gekommen. Der Kongress hat deutlich gemacht, dass der Bund und die Länder in den letzten Jahren die rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen für die Städte verbessert haben. Es wurde nicht nur 1999 das Programm Soziale Stadt bundesweit auf den Weg gebracht und in den letzten beiden Jahren mit zusätzlichen Mitteln aufgestockt. Hinzu kommen andere Bausteine zur Verbesserung des Instrumentariums. Als Beispiele seien genannt die Erhöhung des Wohngeldes - darüber ist gesprochen worden -, die Reform der sozialen Wohnraumförderung, eine Mietrechtsreform, das Modernisierungsprogramm der Kreditanstalt für Wiederaufbau, das Programm der energetischen Sanierung von Gebäuden, die Anhebung der Städtebauförderung auf das Doppelte ihres früheren Niveaus, das neue Programm Stadtumbau Ost für die neuen Länder und ein Pilotprojekt Stadtumbau West, in das wir fünf, sechs Pilotstädte aufnehmen werden. Wir wollen dort, wo sich - durch strukturelle Leerstände und strukturelle Probleme bedingt - die Städte im Westen in eine Sackgasse zu bewegen drohen, versuchen, mit diesem Pilotprojekt erste Erfahrungen zu sammeln, wie das verhindert werden kann. Gleichzeitig haben wir versucht, die Instrumente der Wohnungspolitik neu zu justieren. Früher gab es einen Instrumentenkasten, in dem wir Instrumente hatten, die nur für die Wohnungspolitik da waren, und andere, die sich nur um den Städtebau kümmerten. Wir haben festgestellt, wenn wir ein integriertes Programm Soziale Stadt machen, dann müssen wir auch versuchen, den Instrumentenkasten, den wir 1998 vorgefunden haben, umzusortieren. Deshalb war es uns ganz wichtig, die Programme oder auch die Gesetze, die wir geändert haben, integrativ zu ändern. Wir haben z.B. beim Stadtumbau Ost einen Zusatz zur Eigenheimzulage gefunden, der eben nicht als Gießkanne wirkt, sondern nur in bestimmten Stadtteilen und in bestimmten Gebäudealtersklassen greift. Bei der Investitionszulage beim Stadtumbauprogramm Ost sind wir weggegangen von der Gießkannenförderung und geben eine deutlich höhere Förderung für Sanierung und Instandsetzung des Mietwohnungsbaus, der in einer bestimmten Stadtkulisse, sprich Innenstadt oder Sanierungsgebiet, und eben auch in einer bestimmten Gebäudekulisse eingesetzt wird. Wir haben es mit der Reform des sozialen Wohnungsbaus in eine soziale Wohnraumförderung geschafft, dass wir Gelder für den sozialen Wohnungsbau erstmals nicht mehr nur für den Neubau ausgeben. Wir lenken sie vielmehr auch in den Bestand und schaffen gleichzeitig die Voraussetzung und die Bedingung, dass diese Förderung in städtebauliche Programme integriert wird. Mit dem Stadtumbau Ost haben wir darauf gedrängt, dass wir nur dorthin Geld geben, wo es integrierte Stadtentwicklungsprogramme gibt. Das heißt, wir haben uns überall Mühe gemacht, integrierte Programme zu schaffen und auch die Instrumente, die Einzelinstrumente, die wir hatten, miteinander zu verzahnen. Auch das, denke ich, sollte an dieser Stelle noch einmal deutlich herausgehoben werden. Die siebte Botschaft könnte heißen: wir sind bei dem neuen Programmansatz der Bündelung und der integrierten Förderung auf dem richtigen Wege. Das Programm Soziale Stadt - und jetzt komme ich speziell auf dieses Programm - hat der Städtebauförderung eine neue politische Dimension gegeben. Es zielt auf Kooperation und auf die Bündelung verschiedener Förderungen ab. Es will so verschiedene Politikfelder wie die Wohnungs-, die Wirtschaft-, die Arbeits- und Sozialpolitik zusammenführen, um eine integrierte Stadtentwicklungspolitik zu erreichen. Integrierte Programme sind zukunftsweisend, effizienter und stärken die Partizipation. Wir müssen weitere Anstrengungen unternehmen, um bei der Bündelung, der Förderung und bei der Integration der verschiedenen Politikbereiche voranzukommen. Das Programm Soziale Stadt ist dabei, über ein Programm zur Stadterneuerung deutlich hinaus zu wachsen und zu einem Programm für Politikerneuerung zu werden. Denn der Ansatz der Vernetzung und Kooperation sowie die Überwindung des Ressortdenkens sind ein genereller Anstoß für Politik und Verwaltung. Effektivere, effizientere und bürgernähere Strukturen müssen auch in anderen Politikbereichen geschaffen werden. Darüber hinaus kann auch der gebietsbezogene Ansatz des Programms Soziale Stadt, also der Ansatz, politische Initiativen und die Förderung nicht flächendeckend anzulegen, sondern auf bestimmte Regionen und Gebiete zu konzentrieren, Vorbild für andere Politikbereiche sein. Die Jugendpolitik hat diesen Ansatz bereits ein Stückweit übernommen. Er sollte auch auf andere Bereiche übertragen werden, ich denke z.B. an die Arbeitsmarktförderung, an die Wirtschaftsförderung und natürlich auch an die Wohnungspolitik. Denn mit dem eben schon beschriebenen Gesetz zur sozialen Wohnraumförderung haben wir den Ländern die Möglichkeit gegeben, auch regional präzise Wohnungsbauförderung anzuregen und gleichzeitig durch begleitende Ländergesetzgebung für stabilere soziale Nachbarschaften zu sorgen. Meine achte und letzte Antwort: die Arbeit für die Zukunft der Städte ist eine der packendsten und lohnendsten Aufgaben. Es macht Spaß, daran mitzuarbeiten. Dieser Kongress hat auch deutlich gemacht, in welchem generellen Zusammenhang unsere tägliche Arbeit steht. Es geht um die Zukunft der Städte, um die Bewältigung des wirtschaftlichen und sozialen Wandels, um die Unterstützung der Menschen in Zeiten des Umbruchs, der uns alle verunsichert. Bundespräsident Johannes Rau hat den Auftrag der Architekten und aller anderen, die an der Zukunft der Stadt bauen, vor kurzem wie folgt beschrieben. Es gehe um menschliche Städte, um Städte, die etwas anderes sind als in Beton gesetzte Flächennutzungspläne, Städte, in denen man Kind sein kann und Kinder haben möchte, Städte, in denen Junge und Alte, Gesunde und Kranke, Gesellige und Einsame miteinander leben und die Chance bekommen, dass ihr Leben gelingt. Wie eng und mit wie vielfältigen Menschen wir dabei zusammenarbeiten, machte auch gestern Abend noch die Veranstaltung deutlich, zu der nicht alle, aber einige geblieben sind. Es gibt wohl nur wenige Aufgabenbereiche, in denen man so unmittelbar mit den Veränderungen unserer Zeit, mit den Menschen und ihren Problemen zu tun hat. Es gibt auch nur wenige Aufgabenbereiche, bei denen man den Menschen so unmittelbar helfen und sie so wirkungsvoll unterstützen kann. Und es gibt nur wenige Aufgaben, bei denen so viel Engagement gefordert ist, aber sich Engagement auch in so hohem Maße lohnt und, wie wir heute gesehen haben, auch so viel Engagement gezeigt wird. Deshalb ist und bleibt die Arbeit für die Zukunft der Städte und für die Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf eine wichtige und interessante Tätigkeit, welche uns alle fordert. Sie ist hart und befriedigend zugleich, sie ist anschaulich und konkret, sie geht auf die Menschen zu und ist damit im wahrsten Sinne sozial. Wir sollten deshalb froh sein, dass wir an dieser Aufgabe arbeiten dürfen. Das ist eine Erkenntnis, die in der täglichen Arbeit manchmal zu kurz kommt. Lassen Sie uns deshalb alle von diesem Kongress auch ein Stück Motivation ziehen aus dem Erfahrungsaustausch, um dann mit neuem Mut und Schwung an unsere Arbeit zurückzukehren. Zum Schluss - und das gehört sich nicht nur so, das mache ich mit gutem Herzen - möchte ich all denen danken, die zum Gelingen dieses Kongresses beigetragen haben. Mein Dank gilt allen Mitwirkenden, den Referentinnen und Referenten ebenso wie den Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Ich danke für die offenen Diskussionen und die wertvollen Impulse, ich danke auch denen, die im Hintergrund für diesen Kongress gearbeitet haben, denn um so etwas vorzubereiten, müssen sich viele Hände bewegen, müssen viele Köpfe zusammengesteckt werden. Mein besonderer Dank gilt dem Deutschen Institut für Urbanistik für die tatkräftige Vorbereitung dieser Veranstaltung. Ihnen allen wünsche ich, dass Sie ein ähnlich positives Fazit von diesem Kongress ziehen können wie ich selbst. Ich wünsche Ihnen einen guten Nachhauseweg. |
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Quelle: Kongress Die Soziale Stadt - Zusammenhalt Sicherheit, Zukunft, Dokumentation der Veranstaltung am 7. und 8. Mai 2002 in Berlin, Deutsches Institut für Urbanistik, Berlin, November 2002 |