Impulsreferat in der Arbeitsgruppe 8:
Christa Böhme, Deutsches Institut für Urbanistik, Berlin
1. Querschnittsorientierung integrierter Stadtteilentwicklung
Problemlagen und Handlungserfordernisse in den "Stadtteilen mit besonderem Entwicklungsbedarf" weisen weit über baulich-räumliche Aufgaben und entsprechende Lösungen hinaus und erfordern eine integrierte Stadtteilentwicklung. Deren wesentliches Merkmal ist die Querschnittsorientierung, da hier - anders als bei der traditionellen Stadterneuerung - sozial-, beschäftigungs-, bildungs-, umwelt- und kulturpolitische sowie wohnungswirtschaftliche Anforderungen gleichberechtigt neben baulich-städtebaulichen Aufgaben stehen. Alle diese Fachbelange und Handlungsfelder sind unter besonderer Berücksichtigung nicht-investiver Maßnahmen auf Grundlage eines Integrierten Handlungskonzeptes zu berücksichtigen und zu vernetzen. Von integrierter Stadtteilentwicklung kann dann gesprochen werden, wenn alle zur Lösung der Probleme notwendigen Handlungsfelder einbezogen und miteinander verknüpft werden.
2. Zentrale Handlungsfelder
Handlungsfelder können als Konkretisierung der Leitziele integrierter Stadtteilentwicklung verstanden werden. Sie stehen damit zwischen der Zielebene und jener der konkreten Maßnahmen. Die Bestimmung der für die integrierte Stadtteilentwicklung zentralen Handlungsfelder ist daher ebenso wie die Zielformulierung und die Maßnahmenentwicklung wesentliches Element der Erarbeitung eines Integrierten Handlungskonzeptes. Dabei müssen das Handlungskonzept und seine zentralen Handlungsfelder aus dem einzelnen Stadtteil heraus entwickelt werden. Denn sie müssen an den jeweiligen Problemen, Potenzialen und Ressourcen im Gebiet anknüpfen, um die Abwärtsspirale in den benachteiligten Stadtteilen durch eine gezielte Verbesserung der Lebensbedingungen aufzuhalten. Dies bedeutet, dass die zentralen Handlungsfelder von Gebiet zu Gebiet je nach der spezifischen Situation vor Ort variieren können. Während beispielsweise in dem einen Stadtteil eher soziale Handlungsfelder im Vordergrund stehen, bilden in einem anderen Gebiet Maßnahmen aus dem Bereich Wohnen und Wohnumfeld die Handlungsschwerpunkte.
Generelle Aussagen lassen sich daher nur im Hinblick auf einen Katalog von Handlungsfeldern treffen, in denen Maßnahmen je nach der spezifischen Ausgangssituation einen mehr oder weniger großen Beitrag zur integrierten Stadtteilentwicklung leisten können. Ein solcher Katalog muss sich herleiten aus den zentralen Problemen in den Stadtteilen mit besonderem Entwicklungsbedarf. Als solche zentrale Probleme, die in vielen benachteiligten Gebieten zu finden sind, können insbesondere genannt werden:
- Konzentration benachteiligter Bevölkerungsgruppen,
- Mangel an Ausbildungs- und Arbeitsplätzen,
- niedriger Bildungs- und Ausbildungsstand,
- hohe Arbeitslosigkeit,
- Einkommensarmut mit der Folge geringer Kaufkraft,
- städtebauliche Defizite/Defizite im Wohnumfeld,
- mangelhafte Wohnausstattung/schlechte Bausubstanz,
- Leerstand,
- Defizite in der Umweltqualität,
- unzureichende Infrastrukturausstattung,
- konfliktreiches Zusammenleben,
- negatives Image.
Die in dem Katalog enthaltenen Handlungsfelder müssen an diesen Problemen anknüpfen und geeignet sein, einen wesentlichen Beitrag zu deren Reduzierung zu leisten.
Der nachfolgend vorgestellte Katalog von Handlungsfeldern integrierter Stadtteilentwicklung ist ein Vorschlag des Difu, der auf den Grundlagen des Programms Soziale Stadt (ARGEBAU-Leitfaden, Anforderungen der Länder an integrierte Stadtteilentwicklung) sowie den Erfahrungen aus der Programmbegleitung - bundesweit und vor Ort in den Modellgebieten - basiert. Der Handlungsfeldkatalog wird vom Difu unter anderem im Rahmen der Projektdatenbank auf der Internetseite sozialestadt.de verwendet; er wird auch die Systematik für die gemeinsam mit "Empirica" zu erarbeitende "Good-Practice-Analyse" darstellen.
Im Folgenden werden die Handlungsfelder mit ihren Zielen und typischen Maßnahmen erläutert (1). Grundsätzlich kann dabei zwischen eher bereichsorientierten und eher querschnittsorientierten Handlungsfeldern unterschieden werden.
2.1 Bereichsorientierte Handlungsfelder
Der überwiegende Teil der zentralen Handlungsfelder integrierter Stadtteilentwicklung lässt sich im weitesten Sinn den Bereichen Ökonomie, Soziales, Bildung, Kultur, Wohnen und Ökologie zuordnen.
Wertschöpfung im Gebiet
- Ziele: Im Mittelpunkt dieses Handlungsfelds stehen die Stärkung der lokalen Betriebe sowie die Förderung von Betriebsgründungen im Stadtteil, mit anderen Worten: lokale Wirtschaftentwicklung und Existenzgründungsförderung. Dadurch sollen die Zahl der Arbeitsplätze im Gebiet für die Quartiersbevölkerung stabilisiert und erhöht, die Versorgung des Gebietes mit wesentlichen Gütern und Dienstleistungen gewährleistet und eine wettbewerbsfähige Unternehmensstruktur erhalten oder geschaffen werden.
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- Typische Maßnahmen: Einrichtung eines Quartierbüros für lokale Wirtschaftsentwicklung, Aufbau von Interessenvertretungen und Unternehmensnetzwerken, unternehmensorientierte aufsuchende und individuelle Beratung, Beratungs- und finanzielle Unterstützungsangebote für Existenzgründer.
Beschäftigung, Qualifizierung und Ausbildung
- Ziele: Mit Beschäftigungs-, Qualifizierungs- und Ausbildungsmaßnahmen sollen die Arbeitsmarktchancen der Bewohnerinnen und Bewohner, insbesondere von Langzeitarbeitslosen, arbeitsfähigen Sozialhilfeempfängern sowie Jugendlichen im Stadtteil erhöht werden. Gleichzeitig wird durch diese Maßnahmen auch die lokale Wirtschaft stabilisiert: Quartiersbewohnerinnen und -bewohner, die in Arbeitsmarktprojekte eingebunden sind, tragen durch ihr höheres Einkommen zur Steigerung von Kaufkraft und Nachfrage im Stadtteil bei.
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- Typische Maßnahmen: Beschäftigungs-, Qualifizierungs- und Ausbildungsmaßnahmen im Rahmen von Stadterneuerungsprojekten im Stadtteil, Beschäftigungsgesellschaften, "Freiwilliges Soziales Trainingsjahr" (E&C-Programm), lokale Jobvermittlung, Arbeitsläden, Reparaturbetriebe im Auftrag der Wohnungsunternehmen, Einrichtung "sozialer Unternehmen", wie z.B. Stadtteilwerkstätten, Stadtteilcafés, Stadtteilküchen, Tauschringe.
Soziale Aktivitäten und soziale Infrastruktur
- Ziele: Zentrales Ziel dieses Handlungsfelds ist zum einen die Erweiterung sozialer Aktivitäten sowie die Ergänzung von Infrastruktureinrichtungen im Stadtteil. Der Bedarf in diesem Bereich ist in den Stadtteilen mit besonderem Entwicklungsbedarf besonders hoch, da ein großer Teil der Quartiersbevölkerung aufgrund nicht ausreichender Ausbildung, des Fehlens von Beschäftigungsmöglichkeiten, geringer sozialer Vernetzung, mangelnder Kaufkraft und Mobilität benachteiligt und daher ein sozialer Ausgleich erforderlich ist. Zum anderen sind neben neuen Aktivitäten und Einrichtungen auch stärker an den örtlichen Problemen und den unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen orientierte niedrigschwellige Angebote zu entwickeln. Dies erfordert häufig eine qualitative Neuausrichtung der bestehenden sozialen Aktivitäten und Infrastruktureinrichtungen.
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- Typische Maßnahmen: Stadtteilhäuser, Bürgertreffpunkte und Begegnungsstätten, eigene Treffpunkte für Mädchen und Frauen, insbesondere Migrantinnen, Gemeinwesenarbeit, Angebote für offene Jugendarbeit, Schulsozialarbeit.
Zusammenleben unterschiedlicher sozialer und ethnischer Gruppen
- Ziele: Ziel dieses Handlungsfelds ist es, zur Vermeidung und Lösung von Konflikten zwischen Bewohnergruppen im Stadtteil beizutragen. Da die Ursachen für diese Konflikte vielfältig sind (u.a. kulturelle, religiöse, soziale, wirtschaftliche und rechtliche Unterschiede), müssen auch die Lösungsansätze auf verschiedene Bereiche und Zielgruppen ausgerichtet sein. So sind neue integrationsfähige Angebote zur Kommunikation und Begegnung zu schaffen. Hierzu zählt auch der Abbau von Verständigungsschwierigkeiten durch Spracherwerb.
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- Typische Maßnahmen: Interkulturelle Kontaktstellen, Deutschkurse (insbesondere für Migrantinnen), interkulturelle Gesprächskreise, Konfliktvermittler/-schlichter, interkulturelle Bildungsangebote.
Gesundheitsförderung
- Ziele: Unzureichende und Konflikte fördernde Wohnverhältnisse, ungenügende Spiel- und Betreuungsmöglichkeiten für Kinder, Defizite bei medizinischen Angeboten, das Fehlen gesundheitsbezogener Informationen, Unwissenheit sowie ein überdurchschnittliches Suchtpotenzial bei Teilen der Quartiersbevölkerung führen in benachteiligten Stadtteilen zu höheren Gesundheitsgefährdungen. Unumstritten ist, dass Einkommensarmut und Langzeitarbeitslosigkeit sowie Stress und Resignation krank machen können. Aufgrund dieses wechselseitigen Verhältnisses zwischen Gesundheit und anderen Lebensbereichen wie Wohnung, Arbeit, sozialen Kontakten muss stadtteilbezogene Gesundheitsförderung integriert erfolgen, und es sind Projekte in unterschiedlichen Handlungsfeldern zu entwickeln. Dabei sind die Angebote stärker auf schwer erreichbare Zielgruppen auszurichten, gilt es Selbsthilfeaktivitäten zu fördern und die Kooperation in der Gesundheitsförderung insgesamt zu verbessern.
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- Typische Maßnahmen: Stadtteilbezogene Konzepte zur Gesundheitsförderung, Gesundheitshäuser, Projekt "Gesunde Schule", Veranstaltung von Gesundheitstagen im Stadtteil, Kontakt- und Informationsstellen für Selbsthilfegruppen, gesundheitsbezogene Kursangebote, Maßnahmen zur Suchtprävention.
Schulen und Bildung im Stadtteil
- Ziele: Im Mittelpunkt dieses Handlungsfelds steht zum einen die Verbesserung des Bildungsangebots im Stadtteil. Zum anderen geht es darum, Schulen zu einem wesentlichen Ort der Begegnung, Kommunikation und Integration, also zu einem Kristallisationspunkt im Stadtteil werden zu lassen. Voraussetzung hierfür ist, dass Schule sich öffnet, sowohl für neue Formen und Inhalte des Unterrichts, als auch zum Stadtteil hin, d.h. zur Lebenswelt im Umfeld der Schule sowie für die Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen im Stadtteil. Ziel ist es, durch die Öffnung von Schule mehr Chancengleichheit zu erreichen, aber auch einen Ort zu schaffen, an dem vorurteilsfreies Zusammenleben im Stadtteil eingeübt und vorgelebt wird.
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- Typische Maßnahmen: Multikulturelle Erziehung, Integrationshilfen für ausländische Schülerinnen und Schüler, Nutzung der schulischen Räume außerhalb des Schulbetriebs durch Vereine, Initiativen u.a. für Sport- und Spiel- sowie Bildungs- und Kulturangebote, Nachmittagsbetreuung in den Schulen, Öffnung des Schulhofs am Nachmittag und am Wochenende, Schulsozialarbeit.
Stadtteilkultur
- Ziele: Im Zentrum dieses Handlungsfelds stehen die Erweiterung kultureller Aktivitäten sowie die Schaffung und Ergänzung von Kultureinrichtungen. Es sollen Orte für Kultur, Kunst und Begegnung im Stadtteil geschaffen werden. Dabei geht es in der Regel nicht um hochkulturelle Einrichtungen der Kunstförderung, sondern um eine Orientierung der Maßnahmen in Richtung alltagskultureller Zusammenhänge. Eine besondere Rolle spielen Maßnahmen, die integrative Ziele verfolgen, wie z.B. multikulturelle Aktivitäten oder generationsübergreifende Projekte.
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- Typische Maßnahmen: Kulturhäuser/-zentren, Kulturcafés, Kulturwerkstätten, Kulturwochen, Kunstausstellungen, Theatergruppen, Fotoausstellungen, Stadtteilfilme, Malwettbewerbe, Stadtteilfeste.
Sport und Freizeit
- Ziele: Sport erfüllt wesentliche Funktionen bei der Gesundheitsförderung, der gesellschaftlichen Integration, der Gewaltprävention und der Freizeitgestaltung. Ziel der Sportförderung im Stadtteil ist es, ganzheitlich zur Verbesserung der Lebensbedingungen, insbesondere für Kinder und Jugendliche, beizutragen. Der soziale Zusammenhalt und die kulturelle Vielfalt sollen mit den Möglichkeiten des Sports gestärkt werden. Ferner lassen sich über die Schaffung von Sportangeboten hinaus generell Defizite im Freizeitangebot abbauen. Zielgruppe hierbei sind insbesondere Kinder und Jugendliche.
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- Typische Maßnahmen: Förderung des Vereinssports (besonders im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit), Einrichtung von Bewegungsflächen (Skater, Basketball u.a.), mobile Sport- und Spielangebote, (Ferien-)Aktionsprogramme für Kinder und Jugendliche, Freizeitangebote im Bereich der (offenen) Jugendarbeit, Bastelgruppen, Freizeitreparaturwerkstätten.
Lokaler Wohnungsmarkt und Wohnungswirtschaft
- Ziele: Zentrale Ziele dieses Handlungsfelds sind die Verbesserung des Wohnwerts der Wohnungen durch Modernisierung und Instandsetzung, die Sicherung preiswerten Wohnraums für einkommensschwache Haushalte, die Eigentumsförderung im Bestand und im Neubaubereich zur Selbstnutzung sowie die Stabilisierung der Struktur der Bewohnerschaft durch Verbesserung der Wohnattraktivität, u.a. auch für Zuziehende.
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- Typische Maßnahmen: Differenzierte und sozialverträgliche Instandsetzung und Modernisierung, energetische Nachbesserung der Wohnungen, Angebote zum Wohneigentumserwerb, Selbsthilfeprojekte im Rahmen von Modernisierung und Instandsetzung sowie zur Schaffung gemeinschaftlicher Wohnformen, Zusammenlegung von kleinen Wohnungen, Minderung oder Streichung der Fehlbelegungsabgabe, sozialverträgliche Wohnungsbelegung, Pförtnerlogen.
Wohnumfeld und öffentlicher Raum
- Ziele: Im Mittelpunkt dieses Handlungsfelds stehen die Verbesserung der Lebens- und Aufenthaltsqualitäten im Stadtteil durch Aufwertung des Wohnumfelds sowie die Qualifizierung vorhandener Freiflächen und des öffentlichen Raums insgesamt. Damit sollen die Attraktivität und die Wohnzufriedenheit im Quartier gesteigert und die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass sich die Bewohnerinnen und Bewohner in ihrer Umgebung wohlfühlen und das Wohnumfeld als Ort der nachbarschaftlichen Begegnung und Kommunikation nutzen. Im Zentrum dieses Handlungsfelds steht ebenso die Stärkung des Sicherheitsgefühls insbesondere von Frauen und älteren Menschen durch den Abbau von "Angstzonen" im öffentlichen Raum.
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- Typische Maßnahmen: Neu- und Umgestaltung von (Kinderspiel-)Plätzen, Straßenräumen und Parkanlagen, Erschließung von Uferbereichen für die Erholungsnutzung, Hofbegrünungen, Anlage von Mietergärten und Vorgärten, Neuordnung von Standorten für Abfallbehälter, Verbesserung der Beleuchtung im öffentlichen Raum.
Umwelt
- Ziele: Im Vordergrund dieses Handlungsfelds steht die bewusstere Berücksichtigung ökologischer Erfordernisse im Stadtteil, um damit gleichzeitig die Wohn- und Lebensqualität sowie das Image des Quartiers zu verbessern. Ökologische Maßnahmen bieten darüber hinaus vielfältige Möglichkeiten der aktiven Bürgerbeteiligung und können so die Stadtteilidentität verbessern. Ferner stellen sie ein Potenzial für die Verknüpfung mit Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahmen dar.
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- Typische Maßnahmen: Entsiegelungen, Flächenrecycling, Dachbegrünungen, Fassadenbegrünungen, Baumpatenschaften, Pflanzaktionen, Altlastensanierung, ökologisch ausgerichtete Entsorgungskonzepte, Regenwassermanagement, Umwelterziehung an Schulen und in Kindergärten, Informationsbroschüren und Veranstaltungen zu Umweltthemen.
Verkehr
- Ziele: In diesem Handlungsfeld geht es vorrangig um die Reduzierung von Lärmbeeinträchtigungen durch Verkehr, um die Reduzierung von Flächen für den Autoverkehr, die Ordnung des ruhenden Verkehrs, die Entschärfung von Verkehrsgefahren und der Barrierewirkung von Straßen sowie den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs und den Ausbau von Fuß- und Radwegen.
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- Typische Maßnahmen: Rückbau von Straßen, Umgestaltung von Straßenräumen, Neuordnung von Stellpätzen, Verkehrsberuhigung, Anlage und Sicherung von Fuß- und Radwegen, Schaffung zusätzlicher Querungshilfen, Schulwegsicherung.
2.2 Querschnittsorientierte Handlungsfelder
Die querschnittsorientierten Handlungsfelder beziehen sich im Gegensatz zu jenen mit Bereichsorientierung eher auf die generellen Ziele integrierter Stadtteilentwicklung:
Befähigung, Artikulation und politische Partizipation
- Ziele: In diesem Handlungsfeld steht die Umsetzung eines zentralen Elements des Programms Soziale Stadt im Vordergrund: die Aktivierung und Beteiligung der Quartiersbevölkerung und der Stadtteilakteure und damit die Stärkung von Eigeninitiative und Selbsthilfepotenzialen, die Entwicklung eines gemeinsamen Bewusstseins und die Festigung von nachbarschaftlichen Netzen. Ziele der meist projektunspezifischen und aufsuchenden Aktivierung sind z.B. die (erste) Kontaktaufnahme zu Quartiersbewohnerinnen und -bewohnern, die Identifikation von in deren Lebenswelt erfahrbaren Problemen oder auch die Erfragung der Mitwirkungsbereitschaft Einzelner bei der Stadtteilentwicklung. Beteiligung setzt dagegen auf einer eher formalen Ebene an und basiert auf mehr oder weniger methodisch geplanten Verfahren (z.B. bestimmter Ort, bestimmter Zeitrahmen, bestimmter Ablauf) sowie vergleichsweise konkreten Zielvorstellungen (z.B. Diskussion zu bestimmten Themen, Entwicklung von Projekten) (2).
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- Typische Maßnahmen: Aktivierende Befragungen, aufsuchende Arbeit (Streetwork), Angebot offener Treffs für bestimmte Zielgruppen, Stadtteilkonferenzen, Zukunftswerkstätten, beteiligungsorientierte Projekte, wie z.B. Spielplatzneu- und umgestaltungen.
Image und Öffentlichkeitsarbeit
- Ziele: In diesem Handlungsfeld geht es darum, das häufig schlechte und nur teilweise der Realität entsprechende Image der benachteiligten Stadtteile zu bessern. Dafür müssen Vorurteile über den Stadtteil abgebaut werden. Die den Stadtteil stabilisierenden Aktivitäten sollten daher mit geeigneten Maßnahmen und Aktionen innen- und außenorientierter Öffentlichkeitsarbeit verknüpft werden. Sinnvoll ist es auch, eine Aufwertungsstrategie für das Image des Stadtteils zu entwickeln.
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- Typische Maßnahmen: Entwicklung eines Imagekonzepts einschließlich eines Logos und Slogans für den Stadtteil, Stadtteilzeitung, Einrichtung einer stadtteilbezogenen Internet-Seite, Stadtteilbroschüre, offensive Pressearbeit, Stadtteilfeste.
Prozess- und Ergebnisevaluation, Monitoring
- Ziele: Im Mittelpunkt dieses Handlungsfelds steht die Überprüfung der Effektivität der Programmumsetzung zum einen im Hinblick auf die Implementation des Programms, zum anderen hinsichtlich der ausgelösten Wirkungen im Stadtteil. Dazu bedarf es sowohl einer Auswahl geeigneter Indikatoren, als auch eines detaillierten kleinräumlichen Bestandswissens über die gesamt Stadt.
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- Typische Maßnahmen: Teilnehmende Beobachtungen vor Ort, Expertenbefragungen, Bewohnerbefragungen, Aufbau eines kontinuierlichen sozialräumlichen Beobachtungs- und Berichtssystems.
3. Vernetzung von Handlungsfeldern
Das Nebeneinander aller zur Lösung der Probleme notwendigen Handlungsfelder wird dem integrativen Anspruch von Stadtteilentwicklung noch nicht gerecht. Dies ist bei der Erläuterung insbesondere der Handlungsfelder "Beschäftigung, Qualifizierung und Ausbildung", "Gesundheitsförderung" und "Umwelt" bereits deutlich geworden. Erst wenn die Handlungsfelder auch miteinander verknüpft und vernetzt werden und nicht isoliert und beziehungslos nebeneinander stehen, kann von integrierter Stadtteilentwicklung gesprochen werden.
Die Vernetzung der Handlungsfelder erfolgt auf der Maßnahmen- und Projektebene und auf Basis des Integrierten Handlungskonzepts. Dabei geht es darum, Maßnahmen und Projekte so anzulegen, dass ein synergetisches Zusammenwirken unterschiedlicher Handlungsfelder entsteht, das mehr als die Summe der einzelnen Teile ergibt. Besonders häufig werden solche integrierten Projekte oder so genannten Mehrzielprojekte bislang im Handlungsfeld "Beschäftigung, Qualifizierung und Ausbildung" konzipiert. Dieses Handlungsfeld bietet hierfür zahlreiche Ansatzpunkte. Insbesondere die stärker investiven Handlungsfelder integrierter Stadtteilentwicklung, wie z.B. "Wohnumfeld und öffentlicher Raum", "Verkehr" und "Umwelt", liefern ein breites Spektrum, Beschäftigungs- und Qualifizierungsprojekte mit konkreten Umsetzungsmaßnahmen zu verbinden: Begrünung und Neugestaltung öffentlicher und privater Freiflächen, Anlage von Spielplätzen, Gestaltung von Brachflächen, Bau von Radwegen, Entsiegelungen und vieles mehr. Aber auch nicht-investive Maßnahmen, unter anderem in den Handlungsfeldern "Soziale Aktivitäten und soziale Infrastruktur", "Stadtteilkultur" sowie "Sport und Freizeit" können mit Beschäftigungs- und Qualifizierungsprojekten verknüpft werden, so z.B. im Bereich der Kinder- und Jugendbetreuung und der Kultur- und Sportangebote. Dabei zeitigt die Vernetzung von Maßnahmen der Arbeitsmarktpolitik mit anderen Handlungsfeldern integrierter Stadtteilentwicklung nicht nur spürbare Verbesserungen im Quartier; die unmittelbare Tätigkeit für den Stadtteil führt bei den an Maßnahmen und Projekten Teilnehmenden auch zu einer stärkeren Identifizierung mit ihrer Arbeit und ihrem Stadtteil.
Erfahrungen in Nordrhein-Westfalen, dem Land mit der bisher längsten Tradition integrierter Stadtteilentwicklung, machen deutlich, dass integrierte Projektansätze zunächst mit hohem operativem Aufwand und viel Überzeugungsarbeit bei betroffenen Akteuren und Einrichtungen erprobt werden müssen, dass dort inzwischen aber bei den beteiligten Akteuren vielfältige Erfahrungen und eine gewisse Routine im Umgang mit integrierten Projekten vorhanden sind (3).
Voraussetzung für integrierte Projekte und damit für die Vernetzung von Handlungsfeldern sind die Einbeziehung, Koordination und Kooperation unterschiedlicher Akteure der verschiedenen Ämter der Verwaltung, von öffentlichen Einrichtungen, der freien Träger, der Vereine und Bewohnerinitiativen. Dies ist nicht immer leicht. Unterschiedliche Zielvorstellungen, Sprachen oder Befugnisse der Akteure führen zu Missverständnissen Dies erschwert die Entwicklung integrierter Projekte. Erheblicher Abstimmungsbedarf entsteht ferner durch die Notwendigkeit, verschiedene Fördermöglichkeiten auf EU-, Bundes- und Landesebene zu koordinieren bzw. zu bündeln (4).
(1) Vgl. im Folgenden insbesondere: ARGEBAU (Hrsg.), Leitfaden zur Ausgestaltung der Gemeinschaftsinitiative "Soziale Stadt", 2. Fassung, Stand 1.3.2000; Ministerium für Arbeit, Soziales und Stadtentwicklung, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.), Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf. Ressortübergreifendes Handlungsprogramm der Landesregierung Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl. Düsseldorf 1998. 
(2) Thomas Franke, Aktivierung und Beteiligung im Rahmen des Bund-Länder-Programms "Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf - die soziale Stadt". Entwurf eines Positionspapiers, Difu, September 2001 (unveröffentlicht), 
(3) Marcelo Ruiz, Matthias Sauter und Klaus Austermann, Programmbegleitung vor Ort: Gelsenkirchen-Bismarck/Schalke-Nord, unveröffentlichter Zwischenbericht, Dortmund, Juli 2000, S. 21. 
(4) Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.), Analyse der Umsetzung des integrierten Handlungsprogramms für Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf, 1. Aufl. Dortmund 2000, S. 29 f. (ILS; 166). 
Quelle: Impulskongress Integratives Handeln für die soziale Stadtteilentwicklung, Dokumentation der Veranstaltung am 5. und 6. November 2001 in Essen (Veranstalter: Deutsches Institut für Urbanistik, Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung des Landes Nordrhein-Westfalen (ILS) in Kooperation mit Viterra, Essen), Deutsches Institut für Urbanistik, Berlin, 2002
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