Wolfram Schneider, Stadtplanungsamt Gelsenkirchen
1. Aufstellen des integrierten Stadtteilentwicklungskonzepts 2. Fortschreibung des Konzepts 3. Perspektiven der Stadtteilarbeit |
Meine Erfahrungen habe ich in der Projektkoordination des Stadtteilprogramms Bismarck/Schalke-Nord gesammelt, das wir 1994 in der Stadtverwaltung Gelsenkirchen vorbereitet und ab Anfang 1995 umgesetzt haben - wir können jetzt auf sieben recht erfolgreiche Jahre zurückblicken. Gerade die Anfangsphase war durch Suchwege und Experimente gekennzeichnet, die so heute nicht mehr nötig wären, und die Anforderungen an beginnende Stadtteilprogramme haben sich nicht nur in NRW deutlich erhöht. So will ich auch teilweise die Erfahrungen für unser gerade beantragtes neues Programm Gelsenkirchen-Südost einbeziehen.
In Bismarck/Schalke-Nord leben etwa 19 000 Einwohnerinnen und Einwohner, das Programmgebiet von rund 520 ha ist durch stillgelegte große Brachflächen der Montanindustrie belastet. Der Ausländeranteil liegt bei zirka 19 Prozent, doch der Migrantenanteil liegt höher, da viele türkische Bewohnerinnen und Bewohner inzwischen einen deutschen Pass haben. Die bisherige Arbeit hat erreicht, den allmählichen Verfall zu stoppen und eine positive Aufbruchstimmung zu erzeugen. Nach zehnjähriger Dauer wird das Programm ab 2005 weitgehend ohne Bundes- und Landesmittel auskommen. Die Verstetigung der weiterhin notwendigen sozialen Projekte wird zurzeit mit den verschiedenen Projektträgern intensiv vorbereitet.
Das Stadtteilprogramm wurde in der Anfangsphase von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadtverwaltung mit guter Ortskenntnis und in Kontakt zu örtlichen Initiativen entwickelt. Ziele und Leitbilder wurden nicht explizit formuliert, die Entwicklung der Einzelprojekte wurde aus einem gemeinsamen Grundverständnis für Probleme und Perspektiven des Gebietes abgeleitet. So hat sich das heute sehr schlüssig und vollständig erscheinende Gesamtkonzept von über 50 Einzelprojekten erst durch einen allmählichen Prozess entwickelt. In jährlichen Projektanträgen mit breiter vorheriger Abfrage bei den örtlichen Akteuren und in der Verwaltung konnten wir sehr flexibel auf Bedarfslage, Projektentwicklungen und Kooperationspartner eingehen.
Auch wenn für die Programmbewilligung ein mehrjähriges Handlungskonzept gefordert wird, sollte das Konzept so flexibel und ergänzungsfähig wie möglich gehalten werden.
Die jährliche Fortschreibung der Konzepte hat sich bewährt. Damit können zeitnah die Förderanträge entwickelt werden. Üblicherweise werden diese Anträge durch die lokalen Gremien beschlossen. Dies bietet die Chance, die lokalpolitische Diskussion zu qualifizieren; es kann der Zusammenhang des Konzepts dargestellt und daraus die Plausibilität der jeweiligen Einzelprojekte abgeleitet werden. Der Konzept-/Projektfortschritt kann in geeigneter Form dokumentiert werden. Hier ist auch der gesamtstädtische Konsens für die Konzentrierung städtischer Ressourcen auf bestimmte Gebiete zu erreichen. Weiterreichende Perspektiven lassen sich bei der vorherigen Abstimmung innerhalb der Verwaltung und in der Politik auf ihre Tragfähigkeit hin testen (z.B. Funktionen/Kompetenz der Stadtteilbüros, Perspektive und Finanzierung der sozialen Projekte, Verstetigung der Stadtteilarbeit).
Die Projekte sollten möglichst mehrere Ziele verfolgen und dafür auch Förderungen verschiedener Ressorts einwerben. Dadurch wird meist größere Nutzungsvielfalt erreicht, und es lassen sich mehr Nutzergruppen bei Aufbau und Betrieb des Projekts einbeziehen - aber der Arbeits- und Koordinierungsaufwand wird erhöht.
Als Beispiele aus Bismarck/Schalke-Nord möchte ich hier nicht die großen Leuchtturmprojekte , sondern auch in anderen Stadtteilen umsetzbare kleinere Projekte skizzieren:
Die pädagogische und ökologische Verbesserung der Schulhofgestaltung diente vor allem der Verbesserung der Spielsituation in den Pausen, aber auch für die Nutzung nachmittags durch die Nachbarschaft. Mit der Beteiligung von Schülern, Lehrern und Eltern bei der Planung und teilweise auch bei der Realisierung bildeten sich in idealer Weise Multiplikatoren für das Projekt, aber auch für das gesamte Stadtteilkonzept. Die Materialkosten waren je Schulhof auf 30 000 DM festgelegt (zusätzlich Planungskosten für das Landschaftsplanungsbüro, die Beschäftigungsförderungsmaßnahmen und die Asphaltentsiegelung). Bei allen sechs Schulen konnten weiter gehende Wünsche durch Sponsoren und Eigenarbeit realisiert werden.
Der Bau der Begegnungsstätte Haverkamp half die starke Raumnot an einer Grundschule und die fehlende Versammlungsmöglichkeit zu beheben. Das zirka 160 m² große multifunktionale Gebäude dient jetzt sowohl als Raum für schulische Zusatzangebote als auch als Versammlungsstätte für örtliche Vereine und Initiativen. Nach der Anschubphase mit der Unterstützung durch eine Halbtagskraft soll es perspektivisch in Eigenregie verwaltet werden. Richtfest und Eröffnung nutzten wir als Anlässe für Feiern mit der Nachbarschaft und geeignete Form der Öffentlichkeitsarbeit. Die Planung des Projekts wurde vom Architekturbüro gezielt so angelegt, dass es sich für eine Beschäftigungsmaßnahme eignet. Für das Gebäude und die Einrichtung stand ein Budget von 650 000 DM zur Verfügung (zusätzlich Beschäftigungsförderungsmaßnahme).
Wie kann die Stadtteilarbeit im Programmgebiet über den Förderzeitraum hinaus verstetigt werden? Dieses Thema muss von Beginn des Gesamtkonzepts und der Einzelprojekte an bearbeitet werden, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, nach Abschluss der Förderung "Förderruinen" zu hinterlassen.
Die Lage städtischer Problemgebiete wird sich ohne dauerhaftes öffentliches Engagement eher verschärfen, und die Zahl dieser Gebiete wird sich erhöhen.
Die Konzipierung städtischer Strategien gegen eine Zunahme der sozialen Disparitäten setzt eine regelmäßige Erhebung und Auswertung der Sozialstatistik voraus. Dies dient zur Vorbereitung geeigneter Programmgebiete und zur rationalen Diskussion lokalpolitischer Konkurrenzen und Handlungsoptionen.
Quelle: Impulskongress Integratives Handeln für die soziale Stadtteilentwicklung, Dokumentation der Veranstaltung am 5. und 6. November 2001 in Essen (Veranstalter: Deutsches Institut für Urbanistik, Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung des Landes Nordrhein-Westfalen (ILS) in Kooperation mit Viterra, Essen), Deutsches Institut für Urbanistik, Berlin, 2002 |