Moderatorin: Bettina Reiman, Berlin
Sprecher: Uwe Lummitsch, Wolfen
Berichterstatterin: Rotraut Weeber, Stuttgart/Berlin
Was ist Öffentlichkeitsarbeit? Wie und durch welche Mittel/Medien wird die breite Öffentlichkeit erreicht?
Probleme sind z.B.:
"Wir machen eine gute Arbeit - aber es sieht keiner. Bei einer Einweihung oder wenn wir etwas Positives erreicht haben, bekommen wir eine kleine Mitteilung in der Zeitung. Wenn jedoch ein Kampfhund jemanden angreift, gibt das eine ganze Seite."
Fragen waren z.B.:
Wie kann eine beteiligungsorientierte Öffentlichkeitsarbeit aussehen, die zum Mitmachen anregt? Wie berichtet man über die Quartiersarbeit, um Interesse bei der Bevölkerung zu wecken? Wo kommen die Bewohnerinnen und Bewohner zu Wort? Wie können Öffentlichkeitsarbeit und Stadtteilarbeit sinnvoll, d.h. für viele wahrnehmbar verknüpft werden?
Was sind geeignete Formen? Wie erreicht man unterschiedliche Gruppen (Altersgruppen, Nationalitäten, Interessengruppen)? Öffentlichkeitsarbeit und Integration: Wie geht man mit der Vielsprachigkeit um? PR kostet Geld. Welchen Stellenwert hat Öffentlichkeitsarbeit angesichts hoher Kosten gerade in größeren Quartieren?
Öffentlichkeitsarbeit ist nicht nur Pressearbeit. Sie besteht aus einem Bündel von Instrumenten. Die Vorgehensweisen sind unterschiedlich, je nach dem, um welche Ebene es sich handelt (Quartier, Stadtteil oder Stadt).
Die meisten Quartiermanagements machen Quartierszeitungen. Die Formen sind sehr unterschiedlich:
Bei der Mitnutzung anderer Zeitungen ist zu beachten, ob der Herausgeber, die Redakteure und das Erscheinungsbild (z.B. Bleiwüste) geeignet sind. Wichtig ist, dass Layout und Logo konstant bleiben - damit das Medium vor Ort wiedererkannt wird.
Wenngleich die Quartierszeitungen positiv eingeschätzt werden, reichen sie nicht aus. Jugendliche und Ausländer sind auf dem Wege der Schriftform besonders schwer zu erreichen. In einem Sanierungsgebiet kamen auf eine Einladung, die in jedem Haushalt verteilt wurde, bei den ersten beiden Veranstaltungen jeweils sechs Personen.
Die Möglichkeiten, mit Internet zu arbeiten, sind begrenzt, da entsprechende Zugänge und Nutzungen in unteren Bildungsschichten noch wenig verbreitet sind. Eine besondere Chance ist aber damit verbunden, Senioren mit entsprechenden Angeboten anzusprechen, da sie sich zunehmend dafür interessieren. Ähnliches gilt für Jugendliche und junge Erwachsene. Abgesehen davon sind entsprechende Aktivitäten auch ein Bildungsangebot.
Es geht um Stadtteile, in denen die Bewohnerinnen und Bewohner nicht sehr aktiv und auch nicht leicht anzusprechen sind. Besonders erfolgreich sind persönliche Kontakte. So wurde z.B. zu einer Bürgerversammlung eine kleine Gruppe angesprochen, man klingelte und gab die Einladung persönlich ab. Oder es wurden in jedem Haus Plakate aufgehängt, drei Tage danach erhielt jeder eine namentlich adressierte Einladung. Über persönliches Kennenlernen entwickeln sich tragfähige Beziehungen, über die sich Aufgeschlossenheit und Vertrauen bilden. Für langfristige Erfolge ist personelle Kontinuität nötig, die bei einem Quartiermanagement mit kurzfristigen Arbeitsverträgen nicht unbedingt gesichert ist. Wenn die Prozesse erst abbrechen, sind die Menschen später umso weniger bereit, sich zu engagieren.
Aktionen sind ebenfalls ein sehr wichtiger Teil der Öffentlichkeitsarbeit. Hierbei wird auch der Stolz der Menschen auf das, was sie geleistet haben, vermittelt. Versammlungen sind ohnehin nur eingeschränkt geeignet, um die Bewohnerinnen und Bewohner anzusprechen. Wenn sie überhaupt kommen, ist es oft unendlich schwer, von den allgemein "abgedroschenen" Themen wegzukommen ("zu viel Müll", "zu viele Ausländer" ...). Der bildungsbürgerliche Hintergrund dieser Gesprächs- und Arbeitsformen passt für viele nicht.
Im Quartier Berlin Kottbusser Tor erreichte man z.B. viel Resonanz durch ein Breaker-Fest oder ein Rap-Konzert. Zu diesen Veranstaltungen reist mittlerweile Publikum aus ganz Deutschland an. Die Jugendlichen brachten zunehmend mehr Eigenaktivität bei den Festen ein. Die Kopplung mit Radio Fritz trug zur Imagepflege bei. Allgemein beliebt sind Stadtteilfeste, dabei bringen sich viele Beteiligte aktiv ein. In Bremen wurde z.B. eine Mini-Love-Parade veranstaltet, die bei rund 150 Teilnehmenden sehr gut ankam. Die Erfahrungen in Neukölln zeigen, dass man z.B. Ausländer mit Aktionen im Freien gut erreicht: Stadtspaziergänge, Haus- und Hofgespräche, Picknick auf der Wiese usw. Die Aktionen sind teilweise sehr aufwendig und binden viel Personal. Sie erfordern eine professionelle Planung:
Fragen waren z.B.:
Wie kann Öffentlichkeit geschaffen werden, ohne weiter zu stigmatisieren? Wie verhindert man, dass z.B. in Politik und Medien immer wieder mit sehr negativen Begriffen vom Stadtteil gesprochen wird (z.B. er sei bereits "gekippt"), und damit dessen Stigmatisierung weiter zunimmt? Was macht Identität aus?
Es gibt nicht nur Negatives, sondern immer auch Positives. Dies gilt es herauszustellen. Ein Wandel zu einer positiven Identitätsbildung ergibt sich vor allem aus guten Aktionen.
Positives wird schnell abgehakt, Negatives wiegt viel schwerer und wirkt länger nach - ein Befund, der durch die Forschung bestätigt wird: Eine schlechte Nachricht wird um ein Vielfaches mehr beachtet. Ein negatives Ereignis - z.B. ein Gewaltverbrechen im Stadtteil - wirft lange Bemühungen und erste Erfolge, das Image aufzuwerten, um Jahre zurück. Die große Aufmerksamkeit, die schlechten Nachrichten zuteil wird, hat bei einem Quartiermanagement zu Überlegungen geführt, in den Quartiersnachrichten auch mit Negativmeldungen zu arbeiten. Auf diese Weise kann einerseits mehr Interesse geweckt werden, andererseits findet ein aktiver Umgang damit statt.
Innen- und Außensicht sind nicht immer gleich. Wie wichtig ist es, ein schlechtes Außenimage zu verändern? Wenn die Bewohnerinnen und Bewohner gerne im Quartier leben, ist ein schlechtes Außenimage möglicherweise nicht so gravierend. Die Werbung nach innen ist besonders wichtig. Wer sich mit seinem Quartier identifiziert, macht dann auch selbst für dieses "Reklame". Zufriedenheit spricht sich herum.
Ein schlechtes Außenimage ist aber nicht ohne Wirkung auf die Binnensicht. Es führt unter anderem dazu, dass Bewohner über die anderen Menschen im Quartier verächtlich denken, sich von diesen distanzieren, und beeinträchtigt auch das Selbstbewusstsein. Man kann sich daher nicht auf die Imagebildung von innen beschränken, sondern muss auch Positives nach außen tragen. Unterstützung von außen ist notwendig. Die Wirkungen von überörtlicher Öffentlichkeitsarbeit sind allerdings schwer einzuschätzen: In Wilhelmsburg wurde eine große übergreifende Imagekampagne durchgeführt. Die Vorurteile wurden benannt (z.B. dass Wilhelmsburg eine arme Bevölkerung habe, dass es zu dicht bebaut sei). Daneben wurde jeweils mit einem Beispiel gezeigt, dass diese Einschätzungen nicht stimmen. Wer wird damit erreicht? Kommt deswegen ein Hamburger nach Wilhelmsburg und schaut sich den Stadtteil an? Die meisten Reaktionen kamen von ehemaligen Wilhelmsburgern. Überregionale Medien (Presse, Funk und Fernsehen) erzielen aber eine große Aufmerksamkeit, gerade durch skandalisierende Artikel, sodass Bemühungen um positive, zumindest differenzierte Berichterstattung unerlässlich sind.
Wenn das Produkt schlecht ist, geht jede Werbung nach hinten los. Das "Produkt", der Stadtteil, ist oft nicht besonders positiv. Ohne konkrete Maßnahmen zur nachhaltigen Verbesserung geht es nicht. Noch problematischer ist die Perspektive in den Großsiedlungen im Osten Deutschlands, die in dramatischer Zahl Einwohner verlieren und mit den geplanten Gebäudeabrissen "sterbende Stadtteile" werden.
Im Übrigen ist für das Marketing nicht der Stadtteil das Produkt, sondern die Bürgerschaft und die Aktionen: z.B. hat sich aus einer Zukunftswerkstatt ein Bürgerverein mit schon 60 Aktiven gebildet - zum Jahresende sollen es hundert sein. Dabei darf man die Bewohnerinnen und Bewohner nicht pauschal sehen: In Bremen hat man z.B. Kinder und Jugendliche sehr intensiv beteiligt, und diese sind sehr stolz auf "ihr Produkt". Voraussetzung für die Identifikation mit den Aktionen ist, dass nicht das Quartiermanagement die Ziele setzt, sondern die Bürgerinnen und Bürger selbst. Eine Schwierigkeit stellen dabei allerdings die "zerrissenen" Bewohnerstrukturen und teilweise sehr divergierenden Zielvorstellungen der Akteure dar. Für manche heißt Verbesserung leider einfach: "Ausländer raus" oder "Ruhe und Ordnung durchsetzen", "zero tolerance". Bei der Heterogenität der Interessen und einem begrenzten Zeitbudget müssen Prioritäten gesetzt werden.
Im Hinblick auf die Heterogenität gilt es zum einen herauszufinden, welche Gemeinsamkeiten bestehen, woran sich gruppenübergreifend Identität festmacht: z.B. an einem Markt, einem öffentlichen Platz, einem Park, den alle lieben, oder einem beliebten Stadtteilfest, bestimmten Traditionen. Zum anderen ist zu eruieren, was für einzelne Gruppen (ältere Leute, Jugendliche, eine Nachbarschaft, ausländische Bewohner) besonders wichtig ist.
Die entscheidenden Bedingungen für eine positive Bewertung können oft nicht - oder nur sehr begrenzt - verändert werden: In Nürnberg z.B. hat der Stadtteil mit seinen sehr dichten baulichen Strukturen wenig Grün - dies wird man kaum ändern können. In Wolfen sind z.B. nur 18 Prozent der Bewohnerschaft auf dem ersten Arbeitsmarkt erwerbstätig, 55 Prozent beziehen Arbeitslosen- oder Sozialhilfe, der Rest sind Rentner und Kinder. Das Image hängt sehr stark von sozialen Problemen im Stadtteil ab. Wo man zahlreiche soziale Probleme vermutet - das macht man z.B. am Anteil der Sozialhilfeempfänger und Ausländer fest -, wollen viele nicht hinziehen. Beschäftigung zu fördern und Vorurteile abzubauen, ist zwar eine zentrale Aufgabe für das Quartiermanagement, dessen Möglichkeiten sind jedoch begrenzt. Eine soziale Mischung fördert Identifikation und ein gutes Image: Inwieweit kann und sollte die Wohnungsbelegung beeinflusst werden?
Für eine nachhaltige Aufwertung gibt es nur dann eine Basis, wenn dies politisch wirklich gewollt und vom Stadtrat gestützt wird. Solange Letzterer eher eine distanzierte Haltung einnimmt und keine entsprechenden Prioritäten setzt, haben die Beteiligten vor Ort wenig Chancen.
Öffentlichkeitsarbeit muss professionell gemacht und geplant werden, sie erledigt sich nicht "einfach so nebenbei". Sie begleitet den Kommunikationsprozess bei allen Aktionen. Wichtig ist, die Sprache der Journalisten zu kennen und sich eventuell auch professionelle Hilfe zu holen. Man braucht eine Zeitschiene: Wann spreche ich wen an? Nur Kurzfristiges anzubieten, ist nicht günstig. Bei der Jahresplanung ist die Pressearbeit von Anfang an mitzuplanen.
Wichtig für die Öffentlichkeitsarbeit insgesamt sind maßvolle konkrete "Objekte", Ziele und Prioritäten, z.B.: Gründung eines Bürgervereins, Beteiligung bei den Festen; bessere Ausnutzung des Bürgertreffs durch andere Institutionen. Hinterher ist feststellbar, wie viele Menschen sich beteiligt haben und welche Konsequenzen für die weitere Arbeit hieraus zu ziehen sind. Man muss also auswählen, sich konzentrieren und sein Vorgehen gut strukturieren - von der Zeitplanung bis hin zum Kommunikationskonzept.
Name |
Vorname |
Institution |
Baderschneider |
Kerstin |
Stadt Leipzig |
Beck |
Sibylle |
Stadt Schwerin |
Büttner |
Kerstin |
PR Agentur Stadtentwicklung Berlin |
Diedrich |
Ursula |
Amt für soziale Dienste Bremen |
Hartmann |
Karen |
Stadt Lübeck |
Kahle |
Sylvia |
Quartiermanagement Kottbusser Tor |
Lummitsch |
Uwe |
Erneuerungsgesellschaft Wolfen-Nord mbH |
Reimann |
Bettina |
Quartier Agentur Marzahn Nord West |
Scherbarth |
Uta |
Stadt Leipzig |
Schirmer |
Matthias |
Doppelspitze GbR |
Seifert |
Stefan |
ASK Hassenstein + Pfadt GmbH |
Uhlenhoff |
Andreas |
Beratungs- und Service-Gesellschaft Umwelt mbH |
Weeber |
Rotraut |
Weeber + Partner |
Wortruba |
Werner |
Stadt Nürnberg |