soziale stadt - bundestransferstelle

Bund-Länder-Programm "Stadtteile mit
besonderem Entwicklungsbedarf - Soziale Stadt"

Podiumsgespräch

        

Statements der Podiumsteilnehmer:

 

Prof. Dr. Michael Krautzberger

Eingangs ein paar Sätze zur Einstimmung auf diese Schlussrunde zum Thema Erfordernisse und Chancen des neuen Programms Betrachtungen aus verschiedenen Blickrichtungen. Da ich einer der Mitverantwortlichen für das Programm bin oder zumindest Mitverantwortung zu tragen habe, hört man natürlich im Laufe einer solchen Veranstaltung besonders sorgfältig auf die kritischen Töne; und ich habe mit Interesse Fragen wahrgenommen, wie: Wo bleiben die Sozialarbeit, die Wirtschaftsförderung, die Kulturarbeit, die Architektur? Zur Frage der Finanzierung: nur investive Kosten? Ist es Städtebauförderung in einer neuen Variante oder wirklich mehr? Da gab es eine Reihe von kritischen Fragen bis hin zur Feststellung das hat heute früh jemand so schön gesagt : Das ist ein Programm zur Förderung der Kooperation von Ämtern. Ich kann Ihnen versichern, dass wir solche Fragen sehr intensiv erörtert haben. Wir haben diese Probleme gesehen und sehen sie immer noch vor uns. Und ich sage als einer der Akteure: Das ist die Ausgangslage, jetzt müssen wir Modelle entwickeln, das zu lösen.

Die Kooperation stellt in Deutschland strukturell ein Problem dar, in einem Land, das nach dem Ressortprinzip organisiert ist, wo wir eben nicht wie ein englischer Minister einfach vor Ort gehen und eine Task Force einrichten können, oder wie in Frankreich neben der Regierung eine Delegation bilden können, die das Ganze bündelt. Das gehört zur Ausgangslage, zu den Schwierigkeiten, die wir lösen müssen. Nach unserer Einschätzung im Bundesministerium brauchen wir sicherlich nicht nur sechs Monate und nicht nur ein Jahr, sondern darauf haben wir uns eingestellt zwei bis drei Jahre, um dieses neue Denken, das man für dieses Programm braucht, zu unterstützen.

Zum Ablauf der Diskussion haben wir uns darauf verständigt, dass wir in zwei Blöcken vorgehen: also nicht in Referaten, sondern, dass wir in einer ersten Runde versuchen, Antworten oder Kommentare zur Frage zu finden, was aus Sicht der hier anwesenden Akteure das hauptsächliche Problem und die wichtigste Aufgabe des Programms ist. Die zweite Runde sollte dann dem Ausblick, der Visionen gewidmet werden.

Dieter Cordes

Der GDW, die Wohnungswirtschaft, die Wohnungsunternehmen, die Sanierungsträger freuen sich natürlich darüber, dass diese Gemeinschaftsinitiative des Bundes und der Länder entstanden ist und heute mit der Konferenz auch ihren Start nimmt. Die Frage ist aber, kommt dieses Programm nicht wie viele andere Programme schon fast zu spät? In den Papieren dazu steht, der soziale Verbund in unseren Städten ist gefährdet. Vielleicht darf ich eine Anleihe aus dem Wirtschaftsrecht nehmen. Viele unserer Wohnungsunternehmen sind neuerdings rechtlich aufgefordert, ein Risikomanagement für ihr Unternehmen zu unterhalten und ständig zu berichten. Die Frage ist, gibt es eigentlich ein solches Risikomanagement für unsere Gemeinden? Und wenn ja, wo ist es installiert und wie funktioniert es? Wir Wohnungsunternehmen glauben, dass wir so etwas wie ein Frühwarnsystem für Risikoentwicklungen in den Wohngebieten, in den Großsiedlungen, in den Gemeinden sind. Die Verwalter der Wohnungen, die Eigentümer der Wohnungen ob nun in den Großsiedlungen oder auch in kleineren Wohnanlagen bekommen bei der Bewirtschaftung zuallererst Kenntnis davon, wohin sich möglicherweise die Struktur in diesen Wohnungen entwickelt und welche Sorgen unsere Mieter haben. Und, wenn ich das an dieser Stelle vielleicht einflechten darf: Ein besonderes Problem, das heute hier nicht im Mittelpunkt steht, sondern Thema anderer Tagungen ist, sind die dramatischen Entwicklungen in einigen Kommunen, insbesondere in den neuen Bundesländern, die durch diese gravierenden Strukturveränderungen eingetreten sind. Die Regierung hat reagiert und eine Kommission berufen. Wir nehmen zur Kenntnis, dass die Wohnungswirtschaft darin nicht vertreten ist. Ich denke, das sollte noch einmal überdacht werden.

Aber zurück zum Thema: Warum ist es sehr spät für das Programm Soziale Stadt? Die Akteure in der Stadt sind immer noch die gleichen; sie haben aber ein völlig neues Rollenverständnis gefunden. Der Staat versteht sich nicht mehr als Hüter des Gemeinwohls, er fühlt sich vielmehr überfordert und möchte am liebsten nur noch moderieren. Die Wirtschaft fühlt sich auch nicht mehr zuallererst dem Gemeinwohl verpflichtet, sondern den Aktionären. Und nun zu unserer Rolle, den Eigentümern der Wohnungen: Wir sind aus der Gemeinnützigkeit entlassen worden. Und dort, wo wir neue Eigentümer haben, müssen wir uns auch an deren Zielen orientieren. Selbst die Stadt, Herr Senator Strieder, vertritt ja heute noch einen großen Gesellschafter der früher gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften, hat auch neue Ziele für ihre Wohnungsbestände formuliert. Die Stadt betrachtet vielfach diese Wohnungsbestände als Tafelsilber und agiert entsprechend. Das heißt, das Rollenverständnis vieler Akteure in der Stadt hat sich verändert. Die Aufgaben sind aber eigentlich geblieben. Die Wohnungsbestände müssen heute unter veränderten Bedingungen die gleichen Aufgaben erfüllen. Vielfach sind die Aufgaben sogar noch schwieriger und komplexer geworden.

Das Programm Soziale Stadt ist unseres Erachtens ein Instrument, um auf richtige Art und Weise auf diese Veränderungen zu reagieren. Die Wohnungsbaugesellschaften haben vielfach im Zusammenwirken, aber auch, weil sie selbst in der Rolle als Sanierungs- und Entwicklungsträger tätig sind, schon seit 1973 versucht, die verschiedenen Politikfelder für eine gemeinsame Aufgabe zusammenzubinden und sie unter einem gemeinsam formulierten Ziel arbeiten zu lassen. Das ist in den förmlich festgelegten Sanierungs- und Entwicklungsgebieten immer sehr gut gelungen. Und das ist in den letzten Jahren in den Gebieten der Bundesrepublik fortgesetzt worden, in denen die EUMittel aus den Strukturfondsprogrammen eingesetzt worden sind. Hier knüpft jetzt auch das Programm Soziale Stadt an, stellt das gleiche Ziel in den Mittelpunkt seiner organisatorischen Aussage, nämlich das Zusammenknüpfen dieser Politikfelder; das begrüßen wir. Wir möchten gern als Akteure weiterhin mitwirken, wenn auch festzustellen ist und das sollte an dieser Stelle nicht vernachlässigt werden , dass der Mittelansatz, der zur Verfügung steht, für diesen gewaltigen programmatischen Ansatz, enttäuschend klein ist.

Prof. Dr. Michael Krautzberger

Eine Zwischenbemerkung zum Mittelansatz: Ich meine, wer hätte nicht gern mehr Geld. Gestern hat Minister Klimmt auch darauf hingewiesen. Andererseits frage ich mich, wie wir die Motivation in den Ämtern vor Ort und eine Kooperation zwischen Beteiligten schaffen können, wenn wir ein Amt mit einem Topf ausgestattet hätten, was alle Probleme löst. Die Kritik, die ich heute und gestern wahrgenommen habe, bezog sich auch darauf, dass wir die Mittel nur einem Bereich, nämlich der Städtebauförderung gegeben hätten.

Nachfrage: Wie hoch ist denn der Gesamtetat?

Er beträgt 100 Mio. DM Finanzhilfen des Bundes und den gleichen Betrag jeweils von Ländern und Gemeinden; also insgesamt 300 Mio. DM.

Senator Peter Strieder

Dazu: Das sind nun aber 300 Millionen mehr als letztes Jahr. So kann man das auch betrachten. Im übrigen gibt es dann auch noch mehr Mittel: URBAN, EFRE usw. Daneben haben wir auch noch Sanierungs- und Modernisierungs- sowie Instandsetzungsmittel. Und dann gibt es auch noch die Mittel des sozialen Wohnungsbaus. Die Frage ist doch, ob wir in der Lage sind, diese Verknüpfung miteinander herzustellen. Berlin hat wegen seiner Verspätung in der Geschichte jetzt noch eine vielleicht größere Chance als andere Städte in Westdeutschland oder in Westeuropa: Wir hatten diese Randwanderung, diese Suburbanisierung aus den bekannten Gründen nicht gehabt. Und der Prozess der Segregation hat erst vor kurzem eingesetzt, vor drei, vier Jahren mit einer starken Stadt-Land-Wanderung. Diese starke Stadt-Land-Wanderung kann man kurz so zusammenfassen: Diejenigen, die sich das leisten können, ziehen aus problematischen Quartieren weg, womit die Situation in diesen schwierigen Gebieten verstärkt wird. Aber es ist ein Prozess, der in Berlin noch nicht 20 Jahre anhält, sondern erst nach 1990 konnte man mit der Planung von Vorstädten beginnen und sie dann drei bis vier Jahre später realisieren, so dass diese Entmischung eben erst seit einer relativ kurzen Zeit im Gange ist. Deswegen glaube ich, dass für uns dieser Ansatz gerade noch rechtzeitig kommt sicherlich auch angestoßen durch das Häußermann-Gutachten .

Als ich 1996 gebeten habe, ein solches Gutachten zu machen, war übrigens der Ansatz in Berlin ein ganz anderer: Alle alternativen Gruppen haben diskutiert, dass in der Stadtmitte durch die Hauptstadtfunktion Berlins die angestammte, insbesondere ärmere Bevölkerung vertrieben werden wird. Dies wollten wir untersuchen, diesen Prozess wollten wir nachzeichnen. Das Ergebnis war ein erschreckend anderes. Ich glaube in der Tat, Herr Krautzberger, dass ein Förderprogramm zur Koordinierung von Ämtern das Richtige ist. Die Probleme, die in einzelnen Quartieren entstehen oder entstanden sind, sind von der Zentrale aus einfach nicht mehr zu regeln, auch nicht von den Bezirksratshäusern in Berlin, wo es noch 23 gibt. Wenn Sie sich einen Bezirk wie Neukölln angucken, der hat eben 350 000 Einwohner. Das ist eine nicht ganz kleine Einheit; das ist von der Zentrale dieses Bezirks aus einfach nicht zu händeln.

Ich sehe einen zweiten Bereich, der sich verändert hat: Die Politik der Stellvertretung, also des sich Engagierens für andere, findet nicht mehr den gleichen Anklang wie in den siebziger und achtziger Jahren, so dass wir versuchen müssen, in diesen Gebieten die Menschen zu ermutigen, für sich selbst etwas tun, weil diese Stellvertreter aus vielen Bereichen nicht mehr vorhanden sind, die vielleicht auch eine Zeitlang in so einem Bezirk gewohnt haben, aber sich auch dann noch für den Bezirk engagiert haben, als sie längst sozial aufgestiegen waren und in einem anderen Bezirk wohnten.

Und der dritte Punkt ist, dass wir bei den Berliner Wohnungsbaugesellschaften häufig so große Apparate haben, dass von der Zentrale aus eine ausreichende Feinsteuerung nicht mehr möglich ist. Wahrscheinlich ist es so, dass eine unserer städtischen Wohnungsbaugesellschaften, die heißt Stadt und Land, überhaupt den ersten Quartiersmanager beschäftigt hat. Die haben nämlich gesehen, was in ihren Bereichen los ist. Der soziale Wohnungsbau in den sechziger und siebziger Jahren war jedenfalls kann ich das für Berlin sagen ein Städtebau, der auf abgesicherte Milieus gezielt hat, auf Arbeiter und Facharbeiter. Durch die Einkommensgrenzen im sozialen Wohnungsbau hat sich auch die Belegschaft dramatisch verändert. Für Berlin ist auch diese irrsinnig hohe Arbeitslosigkeit entscheidend, derzeit 15,3 Prozent. 350 000 Arbeitsplätze sind seit 1990 in diesem Umstrukturierungsprozess verloren gegangen, das führt dazu, dass wir in innerstädtischen Gebieten wie Kreuzberg eine Arbeitslosigkeit von 29 Prozent haben, im Wedding ungefähr 24 Prozent, im Tiergarten 21 Prozent. Das sind schon sehr hohe Zahlen, die unmittelbar Rückwirkungen auf Kaufkraft, auf das Ansiedeln von Läden und dergleichen mehr zulassen. Wir müssen deshalb die Verknüpfung mit Arbeitsmarktmodellen hinkriegen, und wir müssen die gefährdeten Quartiere besonders attraktiv machen. Ich glaube, dass die Qualität des öffentlichen Raumes und die Verteidigung des öffentlichen Eigentums im öffentlichen Raum eine entscheidende Stellschraube dafür sein wird, ob wir Gebiete wieder aufbauen können, in denen man gerne lebt, oder ob wir weiterhin zulassen, dass genau diese öffentlichen Räume und dieses öffentliche Eigentum so verwahrlosen wie es in unseren Großstädten häufig der Fall ist. Ich glaube, dass wir dort auch bei der Frage von sozialer Stadtentwicklung ganz offensiv ansetzen müssen.

Prof. Dr. Wolfgang Hinte

Ich möchte drei Bereiche nennen, an denen mein Herz hängt und die mir nach dem, was ich in diesen zwei Tagen gehört habe und was ich über dieses Programm gelesen habe und vor allen Dingen nach dem, was ich auch aus den Innenansichten einiger Kommunen kenne, auch einiger, die hier sind oder waren, möchte ich auf drei wichtige Problembereiche hinweisen.

Erster Bereich: Ich glaube, dieses Programm steht in starkem Widerspruch zu bestimmten Bestandteilen der Verwaltungsreform. Wenn Sie auch zu den Städten gehören, wo die Verwaltungen reformiert wurden oder werden, dann werden Sie gelernt haben, dass die Bürgerinnen und Bürger seit kurzem Kundinnen und Kunden sind. Im Rahmen der Stadtentwicklung mutieren sie jetzt zu endogenen Potentialen. Der Unterschied ist bedeutsam. Ein Kunde wird bedient; und das ist gut so. Deshalb ist das Kundinnen- und Kundenbild in bestimmten Teilen der öffentlichen Verwaltung sehr treffend. Unsere Arbeit, Stadtteilentwicklung, lebt indes davon, dass die Leute eben nicht bedient werden, sondern dass die Leute angeregt werden, dass man ihnen ein bisschen lästig fällt, dass sie aktiviert werden, dass man sagt, Ihr müsst euch selber bewegen. Wir sind bereit, etwas zu tun, aber Ihr müsst auch was tun. Das heißt, der Kunde wird eben nicht bedient, sondern man mutet ihm sogar etwas zu, was ich für einen im Kern demokratischen Akt halte. Im Profitbereich gibt es das sonst nur bei Ikea. Also das Kundenbild führt in die Irre. Die Verwaltungsreform hantiert zum Teil sehr einseitig und in für mich kaum nachvollziehbarer Begriffsverwirrung immer wieder mit dem Kundinnen- und Kundenbild. Ich setze dagegen das Bild des Bürgers und der Bürgerin, und da ist der aktive Teil ein sehr wichtiger. Ich bin gespannt, wie die Verwaltungen das umgestellt kriegen, nachdem sie die Beschäftigten auf Kundenorientierung trainiert haben; jetzt werden sie auf Aktivierung trainiert.

Ich habe heute mit Interesse gehört, dass ein Bürgermeister mit Stolz von hohen Präsenszeiten gesprochen hat. Umfangreiche Präsenszeiten müssen für ein Programm nicht gut sein, denn dann sitzen die Mitarbeiter hinter dem Schreibtisch. Die sollen aber raus in die Lebenswelt. Widersprüche zeigen sich an vielen Stellen vor Ort. Ein Stadtteil ist kein Produkt, der kommt in keinem Produktkatalog vor. Und die Ämter sind nach Produkten sortiert, sowohl innerhalb der Ämter als auch die Ämter selbst, sie haben zum Teil eigene Budgets. Ich habe begrüßt, dass die Ämter eigene Budgets haben. Aber was erleben wir derzeit vor Ort? Das Runterbrechen der Budgets auf den Stadtteil ist ein großes Problem. Jedes Amt schielt argwöhnisch auf sein Budget und sagt: Wo ist das Budget Stadtteil, das haben wir nicht. Wir haben nur Ämterbudgets. Und da sind wir natürlich voll ausgelastet. Ich glaube, die Produktorientierung hat enorm die Versäulung gefördert. Und wir sind mit diesem Programm dabei, die Versäulung wieder abzubauen. Auch da bin ich gespannt, wie wir das hinkriegen. Die Versäulung fängt zudem oben an. Ich hab gestern sehr aufmerksam der Ministerin und dem Minister zugehört. Ich sage es mal unbefangen, ich habe nichts zu verlieren hier: Die haben nicht so recht verstanden, was mit dem Programm wirklich gemeint ist, oder sie haben die falschen Redenschreiber.

Die Integrationsleistung muss, so fürchte ich, weiter im Quartier erbracht werden sowohl mit Blick auf Bundesebene wie auch auf Länderebene. Das weiß ich aus vielen Beispielen, und Sie, die hier sitzen, werden das auch wissen, denn es herrscht auf allen Ebenen immer noch Parzellenmentalität und Bereichsborniertheit. Und solange wir das haben, im Bund, im Land und zum Teil in den Kommunen, schwimmen wir mit diesem sehr guten Programm von unten gegen den Strom. Und verrückt: Dieses Programm ist obendrein noch von oben installiert. Ich erlebe immer wieder, dass die Akteure vor Ort sagen: Wir kriegen weiterhin das Geld über den oder den oder den Finanzstrom. Wir müssen vor Ort die Integrationsleistung erbringen; das ist gerade dann schwer, wenn in bestimmten Bereichen mehr Geld hängt als in anderen. Dann kommt es zu verrückten Trennungen wie bei manchen Projekten: Da sind einerseits investive Maßnahmen, und da sind andererseits sozial integrative Maßnahmen. Das fördert nicht den Integrationsgedanken des Projektes.

Vieles ist noch additiv und nicht integriert. Das merke ich gelegentlich auch hier: Wenn irgend jemand aufstand und sagte: Da fehlt aber lokale Ökonomie, da haben sofort die 30 lokalen Ökonomisten geklatscht. Wenn einer gesagt hat, da fehlen die Wohlfahrtsverbände, hat diese Ecke da geklatscht. Das heißt, die sitzen auch alle hier verteilt. Soweit zum ersten Bereich: Widerspruch zwischen Verwaltungsreform und diesem Programm.

Der zweite Widerspruch ist der zwischen der Welt der Bürokratie und des Milieus, über das wir reden. Ich habe mehrfach gehört: Mit diesem Programm wollen wir Motivation wecken, Aufbruchstimmung erzeugen, die Leute abholen, Stadtteilbüros sind Anwalt der Betroffenen. Ich habe gehört: Wir tun Schritte, um den Leuten Teilhabe zu ermöglichen. Die Bürokratie entdeckt die Pädagogik und das in einer Zeit, wo die Pädagogik sich von sich selbst verabschiedet. Ich bin sehr überrascht. Warum macht man das? Weil wir gegen Vandalismus, Drogen, Gewalt, Alkohol, Sprachlosigkeit und vor allen Dingen gegen geringe Wahlbeteiligung sind. Ich teile den Zwischenruf von Rainer Staubach: Geringe Wahlbeteiligung das kann sehr klug sein von den Bewohnerinnen und Bewohnern. Eine geringe Wahlbeteiligung muss nicht etwas sein, was man bekämpfen muss. Man kann das auch als ein Anzeichen dafür nehmen, dass die Bevölkerung sehr genau weiß, von wem sie was zu erwarten hat.

Ich möchte diese Defizitbeschreibung der Bewohnerinnen und Bewohner gerne kippen und das andere daneben setzen: Die Bürger sind hochgradig aktiv. Die müssen nicht aktiviert werden. Sie sind nur nicht so aktiv, wie sich die Städtebauförderer und -förderinnen das wünschen. Sie sind auf eine andere Art und Weise aktiv. Was wir mit dem Programm gerade nicht machen dürfen, wir dürfen nicht Motivation wie hier ganz oft gesagt wurde wecken. Wir müssen sehen, wo bereits Motivation vorhanden ist und diese Motivation aufgreifen. Die Motivation müssen wir suchen und nicht meinen, wir können sie pädagogisch antrainieren oder anerziehen. Dieses Programm ist nur so durchzogen von pädagogisierenden Vokabeln, die uns sagen, was sie alles aus Menschen machen wollen. Ich sage Ihnen, das geht schief. Die Geschichte der Pädagogik ist eine Geschichte der Niederlagen. Also kurz zusammengefasst: Mir geht es nicht darum, die Bewohner zu beteiligen, sondern wir müssen darüber nachdenken, wie können die Bewohnerinnen und Bewohner die Verwaltung an dem beteiligen, was da unten läuft.

Der dritte Bereich: Mir fehlt in dem Programm eine personengestützte Infrastruktur. Ich halte das für das größte Defizit dieses Programms. Wir brauchen Menschen, die dafür zuständig sind, Kontakte zur Wohnbevölkerung zu knüpfen. Diese Menschen kosten Geld, und sie müssen dauerhaft installiert werden und nicht über ABM, ASF, LKZ oder RTL. Sie müssen als eine dauerhafte, personengestützte Infrastruktur in den Kommunen vorkommen, die projektunabhängig Leute aktiviert. Die reine Aktivierung über Leuchtturmprojekte da haben wir ja einige gesehen die sind folienkompatibel. Die Realität sieht gelegentlich anders aus, weil, wenn diese zweijährige Überfallaktion Soziale Stadt vorbei ist, haben wir eben nicht diese dauerhafte personengestützte Infrastruktur. Mir ist wichtig, dass zumindest sie anschließend übrig bleibt. Deshalb rate ich dringend dazu, in diesem Bereich in Menschen zu investieren, aber in hochkompetente Menschen, denn die, die wir da brauchen, brauchen eine hohe Qualifikation. Ich glaube sogar mittlerweile, wir brauchen ein neues Berufsbild. Ich rate Ihnen gar nicht, dass das unbedingt Sozialarbeiter sein müssen. Es gibt Sozialarbeiter, die können das, es gibt auch Raumplanerinnen, die können das, es gibt auch andere Berufsgruppen, die können das. Ich würde das nicht an einer Berufsgruppe festmachen. Ich glaube, wir brauchen ein neues Berufsbild für diesen Bereich. Und das gilt es auch, über Förderung zu unterstützen.

Oberbürgermeisterin Beate Weber

Herr Hinte, Sie haben relativ locker Dinge miteinander vermischt, die nicht unbedingt in der Wirklichkeit auch miteinander vermischt werden müssen. Wenn man sich mit Kunden befasst, muss das nicht unbedingt heißen, dass man ihnen jetzt die Schuhe putzt und sie von vorn bis hinten bedient, sondern, wenn das Ziel Kundenzufriedenheit ist, dann bekommen Sie genau das, was Sie erreichen wollen, nämlich Menschen, die sich auch gerne engagieren, weil sie das Gefühl haben, sie werden fair behandelt. Bei mir in Heidelberg geht Kundenzufriedenheit und Bürgerbeteiligung zusammen. So, wie Sie das ausgedrückt haben, sieht das so aus, als ob jemand, der von Zeit zu Zeit auch von Bürgern als Kunden redet, davon überhaupt keine Ahnung hat. So locker würde ich das nicht sehen.

Wir, die Stadt Heidelberg haben uns übrigens für das Programm beworben, sind aber 1999 noch nicht angenommen. Wir haben bei unseren Stadtteilrahmenplänen genau das gemacht, von dem Sie gerade gemeint haben, dass es völlig unmöglich sei. Wir versuchen nämlich, einen Qualitätsstandard für unsere Produkte zu setzen: Eine Leistung ist dann gut, wenn z.B. eine soziale Stadt, ein sozialer Stadtteil ein Qualitätskriterium ist, wenn z.B. Gleichstellung von Männern und Frauen, wenn Umweltschutz und Nachhaltigkeit Qualitätskriterien sind. Wir sind verantwortlich für die Entwicklung von Qualitätsstandards von diesen sogenannten Produkten. Genau hier fängt es an, interessant zu werden. Das sollte man nicht ganz so einschichtig und eindimensional sehen, wie Sie das eben dargestellt haben. Wenn man die richtigen Dinge miteinander verbindet, dann wird da nämlich was Vernünftiges draus. Es ist klar, dass man nicht einfach nur Leistungen A, B, C, D, E nebeneinander stellen kann, sondern immer auch fragen muss, was denn das Grundziel ist, was hinter einer solchen Leistung steht und welche Qualitätsvorstellung man von einer vernünftigen Stadt hat.

Darf ich zu dem zurückkommen, was schwierig ist an diesem Programm. Es gibt ein paar Punkte, die außerordentlich kompliziert sind. Das erste ist sicher, dass jeder will, dass eine Stadt sozial stabil ist. Was das im einzelnen heißt, interessiert diejenigen, die in Heidelberg in Neuenheim wohnen, relativ wenig, weil die damit keine Probleme haben. Die woanders wohnen, haben damit sehr wohl Probleme. Jeder will das, aber nur sehr wenige haben Lust, sich damit zu beschäftigen. Solche Themen werden bei uns in Sozialausschüssen behandelt. Zuständig für Sozialausschüsse sind in der Regel zwei Drittel Frauen und ein Drittel Männer, wenn es überhaupt so viele Frauen im Gemeinderat gibt. Damit ist das Thema dann erledigt. Das Thema Soziale Stadt ist interessanterweise für das Gros der städtischen Politik kein Thema. Es ist natürlich im Hintergrund ein Thema, weil, wenn es nicht funktioniert, es sofort zum Thema wird, aber wie es zum Funktionieren gebracht wird, interessiert die Leute relativ wenig.

Ich erinnere mich mit großer Freude dran: Als wir mit unserer Stadtentwicklungsplanung angefangen haben, die 1997 dann mit dem Bürgerbeteiligungsprozess abgeschlossen wurde, habe ich mit einer Diskussionsrunde zum Thema Die solidarische Stadt begonnen. (Da gab es das Programm noch nicht, vielleicht hätte ich es später auch Soziale Stadt genannt.) Damit bin ich auf völliges Unverständnis gestoßen. Der Gemeinderat, die Bevölkerung haben erst ziemlich verblüfft geguckt, einige unserer Ämter waren sehr überrascht, weil normalerweise Stadtentwicklungsplanung und das ist eins der Haupthindernisse immer als gebaute Stadt gesehen wird. Ich finde, das dokumentiert sich sehr schön in der Reaktion Baden-Württembergs auf dieses Programm: das heißt, alles, was gebaut ist, ist richtig, da kann man Messingplättchen dran hängen, das ist in der Amtszeit X, Y, Z entstanden. Da kann man stolz auf einen Tunnel, eine Brücke oder ein Kongresszentrum sein, aber, wenn man sich um Zusammenhänge, um das, was sich in einer Stadt bewegt, kümmert, dann ist das eigentlich kein Thema, mit dem man Lorbeeren oder Wahlen gewinnen kann. Das läuft gegen die Wahrnehmung.

Politik wird dann belohnt, wenn Sie große Maßnahmen in Angriff nehmen. Wenn CO2 gemindert wird, wenn die Frauen alle Arbeit haben, die Kinder alle versorgt sind, es keinen Kampf zwischen Jugendbanden in irgendeinem Stadtteil gibt, dann ist das sehr schwierig zu messen. Das ist ein Problem, das wir im Augenblick in der Politik überall haben, dass die Ursache-Wirkungs-Beziehung nicht so eindeutig und einfach herzustellen ist. Das heißt, man kann nicht sagen, mit diesem Gemeinderatsbeschluss haben wird das in Ordnung gebracht und mit diesen Millionen oder mit diesen 100 000 DM haben wir das Problem gelöst. In dem Augenblick, wo das nicht geht, haben Sie unendliche Schwierigkeiten, in einem Gemeinderat eine ernsthafte Debatte zu bekommen. Diese Dinge werden ohne Diskussion in drei Minuten abgewinkt. Das ist das allerschwierigste Problem, mit dem wir zu kämpfen haben, dass wir die große Begeisterung in der politischen Debatte, in den Medien dafür nicht bekommen. Aber wir bekommen sie möglicherweise in der Bevölkerung. Eine Bürgerbeteiligungskultur schrittweise aufzubauen, gelingt nicht mit einem Programm. Wenn man da keine Tradition hat, muss man die erst schrittweise entstehen lassen, und die Bürger müssen merken, dass sie nicht jedes Mal mit ihrer Vorstellung von Veränderungen gewinnen können. Es muss auch mal etwas schief gehen können, man muss auch einmal erkennen, dass das eigene Interesse offensichtlich nicht das von allen anderen war. Die Menschen machen dann mit unglaublicher Begeisterung mit.

Wir haben gerade in dem schwierigen Stadtteil, den wir für das Programm angemeldet haben, unseren Stadtteilrahmenplan abgestimmt und zwar in einem langen Verfahren mit Workshops, bei denen 50 bis 60 Leute aus völlig unterschiedlichen Organisationen des Stadtteils mit Begeisterung mitgemacht und sich engagiert haben. (Ich hab allerdings vorhin gelernt, dass man sie dafür auch noch mehr loben müsste, das heißt die Rückmeldung noch positiver geben sollte.) Diese Aktivitäten im Stadtteil werden aber nicht in der politischen Diskussion in der großen Stadt widergespiegelt. So ein abgeschlossener Stadtteilrahmenplan ist eine schöne Sache, erreicht auch mit Zukunftswerkstätten, wo Frauen ganz gezielt angesprochen werden, weil man die sonst nicht in die Debatte reinkriegt. Das Ergebnis taucht in Zeitungen auf der fünften Seite auf, Stadtteilrahmenplan verabschiedet, und das ist es dann. Aber dass das ein Prozess ist, der weitergeht, der nicht mit einem verabschiedeten Papier beendet ist, das muss in der Öffentlichkeit noch mehr transportiert und befördert werden. Und da kämpft man ein paar Jahre dran. Aber ich hoffe, dass das trotzdem erfolgreich ist.

Ich bin froh, dass es das Programm gibt und hoffe, dass wir damit etwas bewirken können. Wir greifen nach jedem Strohhalm wie alle anderen, wenn man einen schwierigen Stadtteil hat. Heidelberg gilt ja nun nicht als der soziale Brennpunkt, aber wir haben auch unsere Probleme. Ich denke, dass man damit was anfangen kann und finde es nur schade, dass das Programm bei uns weitgehend auf Bau reduziert ist. Aber wir werden das versuchen zu machen, was wir für richtig halten.

Hans Fürst

Sie hatten mich bei der Vorbesprechung gebeten, etwas zu den Hauptproblemen zu sagen, die wir in diesem Programm sehen. Hauptprobleme gibt es mit Sicherheit genug. Aber man sollte diese differenzieren, vielleicht aufgrund der Erfahrung, die wir jetzt haben. Zwei, drei Jahre arbeiten wir in Hessen schon an diesem Thema. In verschiedenen Phasen der Projektbearbeitung gibt es auch verschiedene bleiben wir mal bei dem Begriff Hauptprobleme. Das politische Problem, dass dieses Programm nur aus einer Blickrichtung, nämlich dem Städtebau, Mittel bereit stellt, ist schon besprochen. Aber in der zweiten Phase, in der das Projekt vor Ort anläuft, dazu würde ich gerne ein paar Kommentare abgeben, zumal das hier ja auch eine Starterkonferenz ist und gerade zum Start solcher Programme wir eine Reihe sehr kraftraubender Diskussionen in verschiedenen Standorten hatten. Es ist hier immer aus der Sicht von Kommunen diskutiert worden. Aber die Aktivitäten finden vor Ort statt. Das ist hier zu Recht gesagt worden, der Stadtteil wird ja vor Ort entwickelt und nicht nur in Zusammenarbeit kommunaler Ämter. Da muss man sich genau angucken, wer vor Ort eigentlich die Akteure sind, wer denn da zusammengespannt werden soll. Ich finde es ganz vorsichtig formuliert eine relativ liebenswürdige Vorstellung, weil alleine durch den Umstand, dass es einen gemeinsamen Topf gibt, jetzt plötzlich eine ganze Reihe von im Stadtteil tätigen Leuten zusammenarbeiten. Das ist nicht die Erfahrung, die wir in der Praxis gemacht haben. Aber, damit ich nicht falsch verstanden werde, die Überschrift zu dem, was ich sage, lautet: Das ist ein richtiger Weg, und das wird auch gelingen. Aber man darf nicht außer Acht lassen, wo es Schwierigkeiten gibt. Dazu muss man die unterschiedlichen Interessen im Stadtteil sehen.

Es gibt da z.B. die Wohnungswirtschaft. Für sie ist der Stadtteil durchaus auch ein Produkt. Da muss ich Ihnen widersprechen, Herr Hinte, denn die Wohnungswirtschaft lebt davon, dass Leute etwas dafür bezahlen, in diesem Stadtteil zu leben. Und wenn sie dieses nicht mehr tun, dann stellen wir uns vor, dass unser Produkt Wohnen nicht mehr marktgerecht ist. Und deshalb gibt es durchaus ein wirtschaftliches Interesse, das im übrigen ein sehr tragfähiges Motiv ist, auch etwas zu tun. Also nicht nur Liebe zum Menschen, sondern ein wirtschaftliches Interesse der Wohnungswirtschaft, sich solchen Fragen auch zu stellen. Der nächste Schritt innerhalb dieses Programms wäre dann, mit beispielsweise diesen Interessen des Akteurs Wohnungswirtschaft, Stadtteilentwicklung voranzubringen. Inhaltlich besteht durchaus Einigkeit, wo die Richtung hingehen soll: Wie kann ich die Interessen z.B. dieses Partners nutzen? Welches Interesse hat soziale Arbeit?

Wir haben sehr viel Kraft damit verbraucht, zwischen den Akteuren vor Ort miteinander darüber zu reden. Das sind unterschiedliche Leute mit sehr unterschiedlichen Professionen, unterschiedlichen Vorstellungen von Professionalität und mit unterschiedlichen Zeithorizonten, in denen gearbeitet wird. Stadtplanung mit dem Bebauungsplan hat ihren eigenen Zeithorizont; Sozialarbeit arbeitet mit ganz anderen Zeithorizonten; die Wohnungswirtschaft arbeitet wieder mit anderen Zeithorizonten, Politik denkt an die nächste Kommunalwahl. Das sind verschiedene Ebenen, und nicht automatisch alle sprechen von vornherein eine vergleichbare Sprache.

Weiter gibt es unterschiedliche Erfahrungen der Akteure. Sozialarbeiter, mit denen wir die ersten Kontakte hatten, haben mich sehr irritiert. Die haben mir gesagt, das Problem ist eine halbe Stelle groß. Ich hab noch nie ein Problem gesehen, das eine halbe Stelle groß ist. Ich hatte auch noch nie das Privileg, so arbeiten zu dürfen, dass mir jemand sagt, du kriegst eine halbe Stelle, mach damit, was Du für richtig hältst; sondern es gibt ein sehr klares Abhängigkeitsverhältnis in dem, was man tut. Und jetzt ist plötzlich Geld da, das soll zweckgebunden eingesetzt werden. Das widerspricht der Art und Weise, wie bestimmte Leute bisher gearbeitet haben. Wir müssen da auch dazu lernen. Ich rede jetzt nicht aus der Position des Besserwissens, aber man muss auf der Ebene unglaublich viel machen und unglaublich viel auch wechselseitig voneinander verstehen (lernen).

Die Sozialarbeit bewegt sich in der Logik des Bundessozialhilfegesetzes, dann gibt es einen KJHG, dann kommen wir als Wohnungswirtschaftler mit unserer Zweiten Berechnungsverordnung unterm Arm und sagen, die Miete muss so und so hoch sein. Das sind geradezu unterschiedliche Milieus, die da zusammengespannt werden und das Verständnis für die jeweilige Art des anderen, zu arbeiten, das ist für mich ein ganz wichtiger Punkt, der zum Start solcher Projekte den jeweiligen Akteuren klar sein muss. Für mich beginnt jede Maßnahme Soziale Stadt mit Verständigung darüber, wie arbeiten die, die zusammenarbeiten sollen, vor Ort zusammen, wie verständigen wir uns auf eine gemeinsame Basis, wie gewinnen wir Verständnis für die jeweiligen Interessen und für die jeweilige Art des Arbeitens des anderen, um dann zu Synergien kommen zu können. Meine dringende Bitte oder auch ein Wunsch für die Zukunft ist, dass das Difu auf diesen Punkt etwas genauer guckt. Wir haben uns wechselseitig schon eine Menge Kraft gekostet, weil wir von so unterschiedlichen Ecken nur über einen gemeinsamen Fördertopf zusammengespannt worden sind und sehr lange gebraucht haben, bis wir jeweils wechselseitig verstanden haben, warum der andere so arbeitet und Dinge nicht so sieht, wie wir sie sehen oder umgekehrt. Das ist in der Startphase für mich eines der Hauptprobleme.

Ein zweites Problem ist für mich die Aktivierung der Bewohnerschaft. Da gibt es auch sehr unterschiedliche Vorstellungen darüber, wie aktiviert werden kann. Das lässt sich nur am konkreten Beispiel deutlich machen. Wir haben z.B. Mieterinitiativen vor Ort, die meinen, sie seien der Sprecher für die Interessen aller Mieter. Dann kommen wir in den Stadtteil mit Soziale Stadt und meinen aber, wir wählen einen basisdemokratischen Beirat. Bei uns entsteht Ärger, weil die, die sich seit Jahren engagiert haben, jetzt plötzlich neben sich eine Konkurrenz aufkommen sehen. Was ist die Legitimation von Bevölkerung vor Ort? Da haben wir noch keinen ausreichenden Zugang, wir wissen auch noch nicht so genau, wie wir in den großen Siedlungen mit 3 000, 4 000, 5 000 oder zum Teil 16 000 Bewohnern, die Bevölkerung wirklich aktivieren können. Es gibt Erfahrungen in sozialen Brennpunkten. Da gab es eine relativ homogene Bewohnerschaft, die sich ausgegrenzt gefühlt hat, und da hab ich von Sozialarbeit gelernt: Außendruck erhöht Innensolidarität. Jetzt haben wir sehr große Gebilde. Die Leute untereinander sehr unterschiedliche Bevölkerungsgruppen mögen sich noch nicht einmal. Es bleibt ein großer Rest an Anonymität, an den wir noch nicht rankommen. Ich sehe noch nicht, wie wir an den Anspruch, wirklich Volkes Wille als Stadtteil-Entwicklungswille zu identifizieren, tatsächlich in dieser zweiten Phase rankommen. Ein Teilprojekt in dieser zweiten Phase ist die Wiederentdeckung des Klingelknopfes. Man muss zu den Leuten gehen, mit ihnen reden. Es genügt nicht, ein Plakat aufzuhängen: Kommen Sie heute Abend vorbei und reden Sie über den Stadtteil. Das ist bestimmt noch kein Konzept, um Bevölkerung zu erreichen. Da würde ich mir wünschen als jemand, der vor Ort arbeitet, dass uns da auch Wissenschaft und Difu zur Seite stehen, wie man wirklich an diese heterogenen, konfliktbelasteten Bewohnerschaften herankommt, mit Leuten, die zum Teil so große Probleme haben, dass die gar keine Lust haben, sich auch noch Gedanken über die Probleme ihres Stadtteils zu machen.

Prof. Peter Zlonicky

Ich möchte gern den Gedanken von Frau Weber aufnehmen, den Zusammenhang von Stadtteil und Gesamtstadt zu sehen. Und ich möchte als eine Prämisse den Satz von Herrn Bürgermeister Reinhardt aufnehmen, der mich heute unter den vielen sehr farbigen und guten Darstellungen besonders beeindruckt hat. Er sagte: Gemeinsam sind wir Stadt. Eine andere Prämisse habe ich unten beim Kaffeetrinken gesehen: Da steht groß an der Wand ein Text von Benjamin Franklin, und der sagt, es komme nicht nur auf die Freiheit der Menschen an, sondern auf die Rechte der Bürger. Wenn wir die Rechte der Bürger gesichert haben, dann kann jeder seinen Fuß in jede Stadt setzen und sagen, das ist auch meine Stadt. Er hat es nicht genauso gesagt, wie ich es interpretiere, aber auch diese Prämisse ist eine Anregung für einige Punkte, die ich zu Ihrer Frage, Herr Krautzberger, erläutern möchte. Was ist mir bei dem Programm Soziale Stadt wichtig?

Erstens ist es wichtig, sich mit diesem Programm nicht nur auf den einzelnen Stadtteil und das einzelne Modellgebiet zu konzentrieren, sondern den Zusammenhang mit der gesamten Stadt zu sehen. Gott sei Dank heißt das Programm Soziale Stadt und nicht Sozialer Stadtteil.

Es geht zweitens darum, den sozialen Frieden in der Stadt zu erhalten und nicht durch Wegschauen oder Tabuisieren oder falsche Zuständigkeiten Ausgrenzungen entstehen zu lassen. Frieden kann man erst sichern, wenn man seinen Beitrag zur sozialen Stadt ernst nimmt.

Als dritten Punkt nenne ich die notwendige und bisher in den einzelnen Darstellungen zu kurz gekommene Kooperation mit der Wirtschaft. Warum? Städte sind gegründet worden als Markt. Und die Wirtschaft ist bis heute in der Regel die tragende Ebene für Stadtentwicklung und auch für sozialen Frieden. Aber wir haben auch gelernt, dass Wirtschaft zu einem immer stärkeren Teil auch zur Zerstörung unserer Städte beiträgt und dass sie es mit zu verantworten hat, dass Armut, Ausgrenzung, Arbeitslosigkeit einen immer größeren Raum einnehmen und zu einer Belastung der Stadtteile führen, die unerträglich ist im Verhältnis zu dem, was die Gewinne auf der anderen Seite sind. Folglich muss man diejenigen, die betriebswirtschaftlich investieren, auch in die Pflicht nehmen können. Das ist im Ausland ganz selbstverständlich. Social return ist eines der wichtigen Programme, die es in Großbritannien gibt. In Frankreich wird der Versuch gemacht, Investoren mit einem contrat social zu binden. In den USA wird mit Fair Share ein Ausgleich für benachteiligte Stadtteile vereinbart.

Wenn ich auf der anderen Seite sehe, dass die Großinvestitionen, die zwischen Oberhausen und Dortmund im Ruhrgebiet laufen, nicht nur stadtzerstörerische Wirkungen haben, sondern dass das UFO in Dortmund mit knapp 300 Mio. DM vom Land Nordrhein-Westfalen gefördert wird, dann frage ich mich, wo da die Verhältnismäßigkeit bleibt. Wenn Ihr Programm mit 100 Mio. DM für die ganze Republik auskommen soll und ein einzelnes Projekt mit nachteiligen Wirkungen auf die gesamte Stadt vom Land Nordrhein-Westfalen mit 300 Mio. DM gefördert wird, dann stimmt da irgend etwas nicht. Wie kann man die Spielräume für eine vernünftige Kooperation erweitern?

Ich möchte als vierten Punkt die Frage nach den Potentialen der lokalen Ökonomie ausweiten. Lokale Ökonomie ist ein Angebot, von dem heute viele Stadtteile im Ruhrgebiet leben. Duisburger Stadtteile zum Beispiel können überleben, weil sich ausländische Geschäftsleute als Investoren engagieren. Inzwischen sagen sie, es wäre ihnen eigentlich ganz recht, wenn ein paar Deutsche mehr im Stadtteil wohnen würden: Dann würden wir uns nicht so mit unseren Geschäften auf die Füße treten und wir hätten ein paar Kunden mehr. Sie übernehmen die Erneuerung der Häuser, zum Teil auch die Erneuerung des öffentlichen Raums; sie tragen dazu bei, dass es Arbeit, dass es Perspektiven für Jugendliche, dass es im Stadtteil einen stärkeren Zusammenhalt gibt als in anderen Städten, die solche Initiativen nicht für sich mobilisieren konnten.

Damit komme ich zu meinem fünften und letzten Punkt: Wir müssen anerkennen, dass diese Stadtteile nicht nur benachteiligt sind, sondern dass sie Leistungen für die Gesamtstadt erbringen, weil sie soziale Integrationsmaschinen sein können. Es gibt keine anderen Stadtteile, die so viel an schwierigen Lösungen zu bewältigen haben, aus dieser Bewältigung auch ihre Kraft entwickeln und damit beispielhaft leisten, was andere Stadtteile gar nicht nötig haben so wie es Frau Weber mit den guten Stadtteilen in Heidelberg beschrieben hat. Diese Integrationsleistung anzuerkennen und sie als ein Modell für die soziale Stadt zu sehen, das wird denen, die vor Ort arbeiten, ein ganz anderes Selbstwertgefühl geben können.

Zum Schluss: Gestern bin ich mit einem unwohlen Gefühl hier herausgegangen angesichts einerseits programmatischer Reden, mit denen die Eckpfeiler der Politik beschrieben wurden, und andererseits der Lebendigkeit, mit der die ersten Stadtteile vorgestellt wurden. Und heute Nacht im Hotel hatte ich einen kurzen Traum: Ich ging durch Gelsenkirchen-Bismarck und sah Herrn Wagner und Herrn Klimmt vor Ort. Und ich sah auf der anderen Seite alle, die hier ihre Arbeit vor Ort vorgestellt haben hier am Tisch, und sie haben die Eckpunkte der Politik bestimmt. Was kam denn dabei heraus? Nun, ich bin dann sehr schnell aufgewacht.

Prof. Dr. Michael Krautzberger

Sie haben auf Entwicklungen und den Umgang mit den Problemen in Stadtquartieren, in anderen westeuropäischen Ländern hingewiesen, wo es Vorlauf gibt, wo wir vom Bund nach der Koalitionsvereinbarung von 1998 und dem Programm 1999 auf dem Wege sind, das ist Frankreich, das sind die Niederlande, das ist auch Großbritannien. Und es ist last but not least mehrmals die Strukturpolitik der Europäischen Union erwähnt worden. Die Vorstellung, dass das Programm Soziale Stadt ein Sonderprogramm ist, das ein, zwei Jahre läuft, ist nicht die Vorstellung des Bundesbauministeriums, der Länder und der Bundesregierung. Vielmehr ist das der Beginn einer neuen Programmatik des Umgangs auch der Gemeinden mit Stadtentwicklung. Was sich daran ändern wird, wird vermutlich einiges an der inhaltlichen Ausgestaltung sein. Da hoffe ich auch sehr auf Lernfähigkeit. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass das, was die Vorstellung der Politik betrifft von der Fachwelt ganz abgesehen sozusagen auf einen Mittelhorizont beschränkt ist.

Ich möchte zum Schluss dieser ersten Runde doch gern Sie, Herr Strieder, nach einem zweiten Aspekt fragen. Berlin als die größte Stadt Deutschlands, Berlin mit einer für einen Außenstehenden nicht ganz einfachen Verwaltungsstruktur mit den Bezirken: Wie ist aus Ihre Sicht diese Aufgabe der Koordinierung der verschiedenen Mitspieler zu sehen, was sind Ihre Erfahrungen dabei?

Senator Peter Strieder

Ich würde gerne zwei Vorbemerkungen machen, weil Herr Zlonicky gerade bekannt hat, dass er im Gegensatz zu Herrn Klimmt in der Großsiedlung des sozialen Wohnungsbaus wohnt und sich deswegen mit den Fragen der benachteiligten Stadtteile beschäftigt. Ich wohne in Kreuzberg. Meine Kinder besuchen in Kreuzberg eine Gesamtschule und sind entsprechend der ethnischen Situation in Kreuzberg befreundet. Eines der 15 Quartiersmanagementgebiete in Berlin ist ein Teil von Kreuzberg. Man kann an diesem Beispiel von Kreuzberg sagen, dass es in der Tat Stadtteile gibt, die eine riesige Integrationsleistung für die ganze Stadt bringen und daraus auch Kraft schöpfen. Aber es gibt auch andere Gebiete in Berlin, die aus dieser Integrationsleistung überhaupt gar keine Kraft mehr schöpfen, sondern die einfach nur noch bedient sind. Insofern würde ich bitten, dass wir diese Heroisierung ein wenig reduzieren, und uns mit der Frage auseinandersetzen, welche Lebenschancen Menschen in diesen Stadtteilen haben, und insbesondere, welche Lebenschancen wir Kindern in diesen Stadtteilen bieten. Ist es nicht so, dass man bei der Bewerbung um einen Ausbildungsplatz schon nach der Adresse des Absenders aussortiert. Dann nützt es denen nämlich nichts, wenn man ihnen auf einem Podium erzählt, sie würden ansonsten aber viel Kraft aus dieser Integrationsleistung ziehen.

Und der zweite Punkt, Herr Professor Hinte: Ich glaube, dass auch die Gemeinwesenarbeiter und ihre Lehrer darüber nachdenken müssen, dass sich ihr Berufsbild kräftig verändert. Der Unterschied zum Kunden ist der Untertan. Der Untertan ist derjenige, der ein Sprachrohr hat, und als solches fühlten sich die Gemeinwesenarbeiter lange Zeit und haben in dieser Zeit auch wichtige Arbeit geleistet. Ich glaube aber, dass sich diese Zeiten verändert haben und dass auch die Gemeinwesenarbeiter die Bürgerinnen und Bürger als Kunden betrachten müssen, nicht mehr als die, denen sie sagen, was Sache ist, sondern als die, denen sie helfen, selbst zu sagen, was Sache ist. Ich gebe Ihnen völlig Recht, dass wir nicht hinkommen können und sagen: Meine Lieben, wir klingeln jetzt bei Ihnen. Eigentlich findest Du doch auch, dass es bei Dir hier in der Gegend grauenhaft aussieht. Nun fang doch mal an, Dir darüber Gedanken zu machen. Und ich würde das gerne aufschreiben, was Du denkst. So läuft das Quartiersmanagement nicht. Es läuft natürlich so, dass sie ein genaues Gespür dafür haben, was in ihrem Gebiet fehlt und was nicht fehlt. Die interessante Erfahrung für die Politik ist, dass es in Nordrhein-Westfalen beispielsweise und wir überlegen, ob wir das in Berlin nicht auch machen können hervorragende Beispiele dafür gibt, dass mit einer Pauschale von 1 Mio. DM pro Quartiersmanagementgebiet Unglaubliches umgesetzt wurde und sich die Wohnzufriedenheit dort sehr stark erhöht hat. Es sind wahrscheinlich ganz andere Projekte als die, auf die Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker samt Verwaltung gekommen wären. Das sind dann nicht mehr die Gemeinwesenarbeiter, wie in den achtziger Jahren, die gesagt haben, Infrastrukturatlas, das und das und das fehlt, sondern es sind die Bewohnerinnen und Bewohner, die sich die eigenen Gedanken machen. Das zu koordinieren, ist in der Tat ein größeres Problem.

Wir brauchen das Quartiersmanagement, weil die großen Verwaltungsstrukturen, die wir trotz dezentraler Ressourcenverantwortung haben, und auch das Arbeiten innerhalb des öffentlichen Dienstes nicht geeignet sind, an der Haustür nachzufragen, was sich die Leute ohnehin schon denken. Dafür brauchen wir Quartiersmanagerinnen und Quartiersmanager. Wir müssen auf der anderen Seite versuchen, Ressortegoismen in Bezirksverwaltungen und bei uns auf der Senatsebene abzubauen. Dazu haben wir Koordinierungsgremien. Quartiersmanagement beruht auf einem Vertrag, den der Bezirk und der Senat mit dem Quartiersmanager gemeinsam abschließen. Der Bezirk ist verpflichtet, eine koordinierende Stelle einzurichten. Dieser gegenüber artikuliert der Quartiersmanager das, was die Bewohnerinnen und Bewohner in diesem Quartier wollen und was dort erarbeitet worden ist. Er muss auch moderieren, weil die Frage, ob denn nachmittags ein Schulhof als normaler Spielplatz geöffnet werden kann, strittig ist zwischen der Abteilung Jugend und der Abteilung Schule. Dazu kommt noch der Finanzstadtrat und fragt, ob es dafür eine Versicherung gäbe. Deswegen braucht es jemanden, der diesen Prozess moderiert. Außerdem gibt es eine koordinierende Runde zwischen den Bezirken und der Senatsebene, wo laufend berichtet wird. Wir versuchen weiter als Experiment auf der Senatsebene, Ressortegoismen zu überwinden. Das ist in Berlin traditionell ausgesprochen schwierig. Aber wir haben jetzt eine Staatssekretärsrunde eingerichtet, an der die Ressorts Stadtentwicklung, Schule, Jugend, Familie, Sport und Soziales, Gesundheit, Arbeit, Frauen beteiligt sind.

Wir haben ein Sonderprogramm mit 100 Mio. DM zur Sanierung heruntergekommener Sanitäranlagen, Dächer usw. von Schulen. Als erstes muss nun die Prioritätenliste festgestellt werden, weil wir natürlich viel mehr ausgeben könnten als 100 Mio. DM. Dazu diskutieren wir zwischen Schule und unserem neugegründeten Referat Soziale Stadt. Was sind denn die Prioritäten? Die Schule orientiert sich an Größenordnungen von Schuleinzugsbereichen. Wir sagen dagegen: In den schwierigsten Gebieten soll es die besten Schulen geben, damit es weniger Anreiz gibt, dort wegzuziehen. Auch die Arbeitsverwaltung ist einbezogen, die Vergabe-ABM hinzufügt. Wir versuchen, die Vergabe-ABM so zu strukturieren, dass sie der lokalen Ökonomie und auch der Jugendarbeit, der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in diesem Stadtteil zugute kommt. Die Schule betont allerdings, dass das Programm zu lange dauere, wenn die Vergabe-ABM hinzukommt. Da sind wir eher skeptisch und binden die Mittel an die Vergabe-ABM. An Schulen und Sportstätten läuft auf diese Art und Weise jetzt ein Sanierungsprogramm.

Als nächstes geht es um ein Programm zur Profilbildung von Schulen. Wenn Berlin ein neues Sportgymnasium einrichtet, dann gibt es Vorstellungen für einen Standort im Bezirk Charlottenburg (Olympiagelände). Vielleicht wäre es aber richtiger, das im Bezirk Neukölln oder in Friedrichshain zu machen, Sport als soziale Integration zu betrachten und, dieses Sportgymnasium eher in einem schwierigen Bezirk als in einem typisch bürgerlichen Bezirk einzurichten. Auch dieser Prozess muss moderiert werden. Sich für soziale Stadt zu engagieren bedeutet, städtische Gesellschaftspolitik zu betreiben. Das hat nur noch am Rande mit Stadtplanung und Architektur zu tun, das hat aber auch zu tun mit der Gestaltung des öffentlichen Raumes. Soziale Stadtentwicklung bezieht sich nicht nur auf 15 Quartiersmanagementgebiete, sondern soziale Stadtentwicklung muss die ganze Stadt umfassen, weil wir wollen, dass sich die städtische Gesellschaft im sozialen Kontext weiterentwickelt. Auf die 15 Quartiere müssen wir uns konzentrieren, aber der integrative Ansatz für städtische Gesellschaftspolitik ist für die gesamte Stadt zu formulieren.

Prof. Dr. Michael Krautzberger

Das war jetzt fast schon das Schlusswort. Mit Blick auf die Zeit möchte ich nun Folgendes vorschlagen: Kurz dazu etwas zu sagen, wie Ihre weiteren Vorstellungen aussehen. Wenn wir hier in fünf Jahren wieder zusammensitzen sollten, Ihre Erwartungen und Ihre Hoffnungen, Ihre Visionen an das Programm in ganz kurzen Statements.

Dieter Cordes

Der erste Wunsch ist verständlich und erklärt sich aus dem letzten Satz meines Eingangsstatements. Wir wünschen uns natürlich, dass das Programm in den Folgejahren besser ausgestattet wird. Aber darüber hinaus gibt es weitere Wünsche. Und nachdem das Wichtigste an diesem Programm die verabredete Bündelung ist, dass hier die verschiedenen Politikfelder zusammen agieren, wünschen wir uns in den Wohnungsunternehmen, dass diejenigen, die diese Mittel verwalten, auch die Kraft aufbringen, sich im Sinne des Programms für diese Bündelung einzusetzen und gegebenenfalls auch mal eine Zuständigkeit aufzugeben. Es ist aus unserer Sicht nicht so, dass wir am Anfang dieses Prozesses stehen. Ich meine vielmehr, dass im Rahmen der Städtebauförderung und auch der EU-Programme das bereits erfolgreich probiert wurde. Es gibt funktionierende Organisationsformen für das Quartiersmanagement, und darauf kann man aufbauen.

Prof. Dr. Peter Zlonicky

Nun bin ich Hochschullehrer, und deswegen will ich mich auf die Frage konzentrieren, was in fünf Jahren die Hochschulen dazu beigetragen haben, dass wir eher von einer sozialen Stadt reden, als wir das heute tun können. Erstens: Wir haben Ausbildungs- und Studiengänge entwickelt, die durch interdisziplinäre Zusammenarbeit, durch das Zusammendenken bisher getrennter Ansätze einen Beitrag dazu liefern, dass Menschen ausgebildet werden, die gut mit Städten, mit Stadtteilen, mit Menschen umgehen können. Community building ist einer der Schwerpunkte, den wir in Dortmund setzen. Ich denke, dass die Vernetzung von sehr vielen unterschiedlichen Ansätzen im Jahr 2005 realisiert sein wird.

Zweitens: Die Universitäten werden nicht mehr nur die Aufgabe haben, Leute auszubilden, sondern sie werden sich zu Stadtteilzentren entwickeln. Wo dies an ihrem Standort nicht möglich ist, werden sie sich dezentral organisiert haben, um auch beratend und in Projekten in den Stadtteilen arbeiten zu können. Das machen uns beispielsweise Amerikaner und Franzosen vor. Damit sind die Universitätsgebäude nicht nur eine begrenzte Zeit und schon gar nicht nur während des Semesters geöffnet, sondern sie sind als offene Häuser 24 Stunden am Tag, an 365 Tagen im Jahr offen. Sie können dann auch von denen genutzt werden, die Anspruch auf Raum und professionelle Beratung haben, weil sie schließlich auch mit bezahlt haben. Wünschenswertes Ziel noch mal in fünf Jahren gedacht wäre es, dass es Brücken und Vernetzungen gibt, dass die Universitäten Knoten in diesen städtischen Netzen bilden können und damit auch die Grundlage für einen neuen Stadtvertrag bieten.

Oberbürgermeisterin Beate Weber

Erst mal glaube ich, dass wir alle realistisch genug sind, zu wissen, dass wir in fünf Jahren das Ziel nicht erreicht haben werden, dass alle Städte sozial sind. Zweitens hoffe ich aber, dass wir in fünf Jahren so weit sind, dass sich alle ohne Ressortegoismen diesem Ziel verpflichtet fühlen. Das wäre schon ein riesiger Fortschritt in den Verwaltungen, aber auch bei den Bürgern, denn die brauchen wir, um unsere Politik in den Städten durchführen zu können. Wenn wir die Unterstützung der Bürger für solche Maßnahmen nicht haben, dann können wir es auch nicht schaffen. Und ich erhoffe mir noch etwas ganz anderes: Es wäre gut, wenn wir in fünf Jahren mit Leuten aus der Landesebene zusammensäßen. Gut, jetzt haben wir hier Berlin in der Doppelfunktion Landes- und Bundesebene, die erkannt haben, dass man sich um ein Programm Soziale Gesellschaft kümmern sollte, weil man erkannt hat, dass die Städte allein soziale Städte nicht erreichen können, wenn die Gesellschaft nicht sozial ist. Dazu braucht man Wirtschaft, Wissenschaft und Politik.

Prof. Dr. Wolfgang Hinte

Drei bescheidene Hoffnungen: Ich hoffe, dass in fünf Jahren der Geist des Programms in den Kommunen zur Regel geworden ist. Prozesse in Stadtteilen brauchen enorm viel Zeit, nicht nur zwei und nicht fünf Jahre. Wir gehen bei Projekten, die wir durchführen, von zehn bis 15 Jahren aus. Der Geist der Kommunalverwaltung muss nachhaltig durchweht werden von dem Geist dieses Projektes. Das ist meine erste Hoffnung.

Meine zweite ist, dass wir gesetzlich gestützte Vorgaben für den Aufbau personengestützter Infrastruktur in diesen Stadtteilen haben. Und mein dritter Wunsch ist: Wir haben eine hochwertige Ausbildung für Quartiersmanagement. Und mein Tipp ist: Dies wird nicht an den Hochschulen geleistet werden; das bringen die meisten deutschen Hochschulen nicht. Das beinhaltet nämlich hohe kommunikative und organisatorische Fertigkeiten, die an bundesdeutschen Hochschulen, mit wenigen Ausnahmen, nicht ausgebildet werden. Ich habe trotzdem die Hoffnung, dass die dann woanders angeboten werden vielleicht in Kooperation mit einer Hochschule.

Senator Peter Strieder

Ich hoffe in fünf Jahren auf einen solchen wirtschaftlichen Aufschwung, dass eine der ganz wesentlichen Ursachen, nämlich die Arbeitslosigkeit, nicht mehr im gleichen Maße drückt wie heute. Das heißt also, dass auch individuelle Kaufkraft vorhanden ist, die es erlaubt, in diesen Gebieten in gemischten Strukturen zu leben. Ich bin mir sicher, dass die Quartiersmanagementgebiete in fünf Jahren längst nicht über den Berg sind. Aber ich bin mir sicher, dass sie schon wieder eine solche Anziehungskraft und Attraktivität gewonnen haben, dass es selbst die Hochschullehrer, die Quartiersmanager nicht ausbilden können, in diese Gebiete zieht. Das wäre doch auch etwas zur Verbesserung der sozialen Situation.

Hans Fürst

Ich wünsche mir, dass wir in fünf Jahren zusammen sind und darüber rätseln, warum wir uns damals so viele Gedanken über das völlig harmlose Problem der interdisziplinären Zusammenarbeit gemacht haben. Und ich wünsche mir jenseits aller Realität , dass sich die Lebenssituation der Leute in diesen Siedlungen deutlich verbessert hat, dass sich insbesondere die bedrückende Lebenssituation und die Perspektiven von Kindern und Jugendlichen verbessert haben und dass wir deutlich näher an einer solidarischen Gesellschaft sind als dies heute der Fall ist.

Prof. Dr. Michael Krautzberger

Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Veranstaltung angelangt. Ich möchte mich bei Ihnen hier auf dem Podium bedanken, dass Sie noch mal am Schluss diese Impulse gegeben haben. Weiter freue ich mich, dass so viele von Ihnen der Einladung zu dieser Veranstaltung gefolgt sind. Vielen Dank an das Difu und an Sie alle.

 

Fussnote:
Hartmut Häußermann, Andreas Kapphan u.a., Sozialorientierte Stadtentwicklung. Gutachten im Auftrag der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Umweltschutz und Technologie, Berlin 1998 (Berlin StadtEntwicklung, Bd. 18)

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