soziale stadt - bundestransferstelle

Bund-Länder-Programm "Stadtteile mit
besonderem Entwicklungsbedarf - Soziale Stadt"

Aufgaben des Difu als "Task Force" - Anmerkungen zu Aktivitäten in den Modellgebieten


Dr. Heidede Becker
Deutsches Institut für Urbanistik


Vorbemerkungen

Bei der Umsetzung des Programms Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf die soziale Stadt das wird in bisherigen Diskussionen und Erfahrungsberichten sowohl auf dieser Starterkonferenz als auch im Vorfeld der Programmdurchführung als prinzipielles Vorgehen betont kommt es darauf an, eher auf informelle als auf verregelte Ansätze zurückzugreifen, eher unkonventionelle und experimentelle als routinisierte Verfahren einzusetzen und eher neue Partner- und Trägerschaften zu mobilisieren als an eingespielten, aber eindimensionalen und verwaltungslastigen Kooperationen festzuhalten.

Wenn mit dem Programm Soziale Stadt auch Beiträge zur Entwicklung einer neuen Zivilgesellschaft geleistet werden sollen und das ist unter anderem mit den Zielen Aktivierung der Quartiersbevölkerung und Entwicklung von langfristig tragfähigen Strukturen in den Stadtteilen impliziert , dann müssen vor allem Defizite und Barrieren im institutionellen Rahmen abgebaut werden. In diese Richtung weisen auch bereits Maßnahmen, Verfahren und Projekte in den Modellgebieten, beispielsweise die in den Erfahrungsberichten erwähnten Verfügungs- und Innovationsfonds, Ansätze zur Verlagerung von Entscheidungskompetenzen in den Stadtteil sowie eine Vielzahl von kooperativen und diskursiven Verfahren, die auf Konsensbildung zwischen den vielen Beteiligten ausgerichtet sind (Runde Tische, Stadtteilforen, Agenda-Gruppen usw.).

Mit dem Programm Soziale Stadt werden neue Wege der Stadtteilentwicklung erprobt. Seine Umsetzung setzt nicht nur ein verändertes Politikverständnis und die Bereitschaft voraus, sich gegenüber ungewohnten Vorgehensweisen, Organisationsmustern und Konzepten zu öffnen, sondern sie erfordert auch den kontinuierlichen Austausch über die vielen in diesem Zusammenhang gemachten praktischen Erfahrungen, über Erfolge und Misserfolge gleichermaßen. Zur unterstützenden Begleitung dieser Prozesse hat das Difu im Auftrag des Bundes und der Länder für die erste Umsetzungsphase des Programms (bis 2002) die Funktion einer Vermittlungs-, Beratungs- und Informationsagentur (Task Force) übernommen(1). Finanziert werden alle Aktivitäten dieser Programmbegleitung aus Mitteln des Experimentellen Wohnungs- und Städtebaus und nicht aus Mitteln des Programms Soziale Stadt.

Zentrales Element der Programmbegleitung: Aufbau eines bundesweiten Netzwerks Soziale Stadt

Wegen des großen Bedarfs an Erfahrungsaustausch, Wissenstransfer, Entwicklung von Kooperationsbeziehungen, Öffentlichkeits- und Informationsarbeit steht der Aufbau eines bundesweiten Netzwerks(2) bei den ersten Arbeitsschritten für die Programmbegleitung im Vordergrund. Dabei werden bereits vorhandene oder ebenfalls im Aufbau befindliche Netzwerke besonders berücksichtigt. Ein erstes Netzwerketreffen am 12. November 1999 in Berlin diente zum Kennenlernen und zu Diskussionen über das weitere Procedere.

Das bundesweite Netzwerk Soziale Stadt gründet sich auf drei Fundamente:

Die Gebietskulisse des Programmjahrs 1999

Ende 1999 stand fest: Die Länder haben insgesamt 161 Gebiete in 123 Städten und Gemeinden für das Programmjahr 1999 gemeldet(4). Dabei stehen wie auch schon in der ersten Fassung des Leitfadens der ARGEBAU von 1996(5) formuliert und im Rahmen der ExWoSt-Ausschreibung im Herbst 1998 bestätigt zwei Gebietstypen im Vordergrund:

Daneben spielen noch hinsichtlich des Baualters und teilweise auch hinsichtlich der Nutzung gemischte Stadtteile allerdings nur im Westen mit etwa 20 Prozent (im Osten mit rund 5 Prozent) eine erwähnenswerte Rolle.

Insgesamt liegen drei Viertel der 99er-Programmgebiete in den alten und ein Viertel in den neuen Bundesländern. Spitzenreiter bei den Gebietsmeldungen sind mit 26 und 23 Gebieten die Länder Nordrhein-Westfalen und Bayern; bei den Flächenstaaten hat das Land Baden-Württemberg mit vier Gebieten die geringste Zahl gemeldet. Die räumliche Verteilung der Programmgebiete ist in einer Karte des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR)(6) dargestellt; aus ihr werden auch die Überlagerungen mit den Fördergebieten der europäischen Strukturpolitik (für die Jahre 2000 bis 2006) mit Konzentrationen im Westteil in den Ländern Saarland und Nordrhein-Westfalen ersichtlich.

Jedes der 16 Bundesländer hat außerdem ein Modellgebiet ausgewählt. Dieses Verfahren geht zurück auf die ursprünglich geplante Einrichtung eines neuen Forschungsfelds im Experimentellen Wohnungs- und Städtebau (ExWoSt) Stadtteile mit Entwicklungspriorität, das der Vorbereitung eines dann neu aufzulegenden Programmteils im Rahmen der Städtebauförderung dienen sollte(7). Im Zusammenhang mit der rot-grünen Koalitionsvereinbarung im November 1998 kam es zur Beschleunigung des Verfahrens und damit zur unmittelbaren Etablierung des Programms Soziale Stadt; es trat nach Unterzeichnung der Verwaltungsvereinbarung zur Städtebauförderung durch Bund und Länder(8) im September 1999 in Kraft. Die Bundesländer haben viele der für das ExWoSt-Verfahren gemeldeten Quartiere in das Programm Soziale Stadt überführt.

Die Auswahl der Modellgebiete stand im Ermessen der Länder. Dabei gab es offensichtlich verschiedene Vorstellungen über ihre Funktion:

Eine erste Übersicht zu den Modellgebieten(9) zeigt, dass knapp die Hälfte der Gebiete (sieben Gebiete) noch ganz am Anfang der Maßnahmen stehen, sechs sich in der Durchführung befinden und drei Gebiete (Kassel-Nordstadt, Gelsenkirchen- Bismarck/Schalke-Nord, Hannover Vahrenheide-Ost(10)) in der Umsetzung schon weiter fortgeschritten sind. Ein Quatiermanagement (respektive Stadtteilbüro, Stadtteilmanagement) wurde bereits in fünf Gebieten etabliert; entsprechend befindet sich in zwei Dritteln der Modellgebiete (elf Gebiete) das Quatiermanagement noch im Aufbau. In Berlin und Hamburg bildet ein gesamtstädtisches Monitoring bereits den Rahmen für die Gebietsauswahl; andere Städte planen ein Monitoring teils ebenfalls für die Gesamtstadt, teils auch nur in den Quartiersgrenzen. Eine Evaluierung wird teilweise auf Ebene der Länder vorbereitet; zu Einzelaspekten liegen in Berlin und Hamburg schon Untersuchungen vor.

Programmbegleitung vor Ort

Mit Auswahl der Modellgebiete haben sich die Länder auch dafür entschieden, in welchen Gebieten parallel zur Umsetzung des integrativen Handlungskonzepts (in Hamburg: Quartiersentwicklungskonzept) eine Programmbegleitung vor Ort eingerichtet werden soll. Mit diesem Arbeitsfeld wird am Verfahren der ExWoSt-Forschungsbegleitung angeknüpft allerdings wird mit der hier vorgesehenen Programmbegleitung vor Ort stärkeres Gewicht auf einen aktivierenden und animierenden Ansatz gelegt. Die auf die Modellgebiete bezogene Programmbegleitung hat im Wesentlichen die folgenden Aufgaben:

Die Programmbegleitung vor Ort wird vom Difu in Abstimmung mit den Kommunen und den Gebietsakteuren eingesetzt. In vier Gebieten wird das Difu selbst diese Aufgabe übernehmen, in den restlichen zwölf werden externe Büros, Gruppen, Einzelpersonen beauftragt. Die Gesamtkoordination liegt in den Händen des Difu; sie ist vor allem notwendig, um eine Vergleichbarkeit der gebietsbezogenen Dokumentationen und Aktivitäten zu gewährleisten.

Alle Untersuchungen und programmbegleitenden Aktivitäten in den 16 Modellgebieten bilden auch die Basis für zwei weitere Handlungsfelder, denen für eine Zwischenbilanz im Jahr 2002 und für die Entwicklung von Vorschlägen zur Weiterführung des Programms Soziale Stadt besondere Bedeutung zukommt: für Best-Practice-Analysen und die Sicherung der Voraussetzungen für eine spätere Ergebnisevaluierung des Programms. Insgesamt sollen erste Erkenntnisse über Erfolge und Misserfolge der Programmumsetzung gewonnen werden.

Best-Practice-Analysen

In Arbeitsteilung mit dem Büro Empirica, das seine Best-Practice-Untersuchungen auf Neubauquartiere konzentriert, übernimmt das Difu die Best-Practice-Analyse für Altbaugebiete und gemischte Quartiere. Das kann vieles betreffen: Projekte, Maßnahmen, Verfahren, Ideen im gesamten Spektrum der Handlungs- und Politikfelder zur Sozialen Stadt, das heißt im ökonomischen, beschäftigungs- und sozialpolitischen, wohnungswirtschaftlichen, soziokulturellen, gesundheitlichen, kriminalpräventiven, nicht zuletzt städtebaulichen Bereich usw. Übergreifend geht es um Ansätze zur Bündelung von Ressourcen (finanzielle Mittel und Personen) auf allen Ebenen (Bund, Länder und Gemeinden), zu Organisation und Management sowie zur Aktivierung der Bewohnerschaft und damit um die Themenfelder, die auf der Starterkonferenz ins Zentrum der Erfahrungsberichte aus den Modellgebieten gerückt worden sind.

Bei den Analysen werden zum einen gute Beispiele ermittelt, die auf lokaler Ebene als innovativ, weiterführend, beispielhaft und damit als Erfolg gelten können. Zum zweiten geht es um Handlungs- und Gestaltungsprinzipien, die über ihre lokale Wirksamkeit hinaus auch auf andere Orte und Situationen übertragbar sind, und damit eher um Best-Practice-Strategien, vielleicht auch um Standards für Ziele, Inhalte und Verfahren der Programmumsetzung. Den räumlichen Bezugsrahmen für die Best-Practice-Analysen bilden nicht nur die Modellgebiete, sondern alle Gebiete der Programmjahre 1999 und 2000; modellhafte Maßnahmen, Projekte oder Verfahren in Nicht-Programm-Gebieten sollen ebenfalls in die Untersuchungen einbezogen werden.

Sicherung der Voraussetzungen für die Ergebnisevaluierung des Programms

Im Rahmen der dokumentierenden Aufgabe der Programmbegleitung vor Ort in den Modellgebieten können sicher auch Aussagen dazu erwartet werden, inwieweit Ziele in erster Linie Verfahrensziele des Programms erreicht werden konnten. Eine Ergebnisevaluierung im methodisch strengeren Sinne setzt eine längere Laufzeit des Programms voraus, da nachhaltige Problemlösungen und Umsetzungserfolge einen Zeitraum von etwa zehn Jahren erfordern das jedenfalls wird aus nationalen und internationalen Erfahrungen mit sozialorientierter Stadtteilentwicklung deutlich. Eine Evaluierung der Programmergebnisse kann deshalb im Rahmen der Programmbegleitung durch das Difu nur vorbereitet werden (in Zusammenarbeit mit dem BBR). Zu dieser Vorbereitung zählen verschiedene Arbeitsschritte:

Bei der Auswertung werden unter anderem zwei Themenkomplexe besondere Beachtung finden: zum einen, inwieweit und wie der besondere Entwicklungsbedarf in einzelnen Stadtteilen durch eine fundierte, transparente und politisch legitimierbare Gebietsauswahl in Abstimmung zwischen allen betroffenen Politikbereichen konsensfähig gemacht werden konnte, und zum zweiten, inwieweit ein auf Fortschreibung angelegtes gebietsbezogenes integriertes stadtentwicklungspolitisches Handlungskonzept(12) maßnahmebegleitend tatsächlich entwickelt wird (integrativer Gehalt der Maßnahmenkonzepte).

Ausblick

Insgesamt ist also mit der Programmbegleitung durch das Difu eine Vorgehensweise ausgewählt worden, mit der die Umsetzung des Programms unterstützt wird und seine Stärken und Schwächen im breiten Erfahrungsaustausch zur Diskussion gestellt werden. Den Ergebnissen der Best-Practice-Analysen und auch den ersten Erkenntnissen in Sachen Evaluierung kommt besondere Bedeutung zu: Beispielsweise wird im Leitfaden zur Ausgestaltung der Gemeinschaftsinitiative Soziale Stadt, der die Positionen der Bundesländer spiegelt, darauf hingewiesen, dass die Evaluation unabdingbarer Bestandteil integrierter Handlungskonzepte sei und darüber hinaus auch eine verlässliche Grundlage darstelle, um Empfehlungen zur Fortentwicklung der Gemeinschaftsinitiative Soziale Stadt zu entwickeln(13).

Nur indem alle Beteiligten sich kontinuierlich Rechenschaft ablegen über die Leistungsfähigkeit von Maßnahmen, Aktivitäten und Verfahren sowie über Möglichkeiten zur Präzisierung und Verbesserung der Programmstrukturen kann das Programm Soziale Stadt langfristig seine volle Wirksamkeit entfalten.

Fussnoten

(1)Vgl. Grafik Elemente der Programmbegleitung in: Deutsches Institut für Urbanistik (Hrsg.), Programmgrundlagen, Berlin 2000 (Arbeitspapiere zum Programm Soziale Stadt, Bd. 3), Begleitbuch zur Starterkonferenz, Vorbemerkungen. (In den folgenden Anmerkungen wird diese Veröffentlichung als Arbeitspapiere, Bd. 3 zitiert.) Den Hauptteil dieses Bandes bilden Informationen der Länder zum Programm Soziale Stadt.

(2)Vgl. Arbeitspapiere, Bd. 3, Teil 1.

(3)Bei den beiden Impulskongressen wird die Zahl der Teilnehmer und Teilnehmerinnen gegenüber der Auftaktveranstaltung (etwa 650 Personen) und der Starterkonferenz (rund 850 Personen) begrenzt, um mehr Möglichkeiten für Diskussionen und den direkten Erfahrungsaustausch zu schaffen.

(4)Die Zahl der Gebiete ist in Grenzen variabel, weil die Länder nachträglich noch Umschichtungen vornehmen können.

(5)Abgedruckt in: Deutsches Institut für Urbanistik (Hrsg.), Vorbereitungspapiere zum Programm Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf die soziale Stadt, Berlin 1999 (Arbeitspapiere zum Programm Soziale Stadt, Bd. 1), Teil 1.

(6)Arbeitspapiere, Bd. 3, Teil 5.

(7)Dazu die Expertise Heidede Becker, Thomas Franke, Rolf-Peter Löhr, Robert Sander und Wolf-Christian Strauss, Städtebauförderung und Ressourcenbündelung (Materialien des Deutschen Instituts für Urbanistik, Bd. 3/98).

(8)Verwaltungsvereinbarung über die Gewährung von Finanzhilfen des Bundes an die Länder nach Art. 104 a Absatz 4 des Grundgesetzes zur Förderung städtebaulicher Maßnahmen (VV-Städtebauförderung 1999) vom 30. Juni 1999 / 17. September 1999, abgedruckt in: Arbeitspapiere, Bd. 3, Teil 2.

(9)0 Vgl. Steckbriefe zu den Modellgebieten in: Arbeitspapiere, Bd. 3, Teil 6.

(10)Das Sanierungsgebiet Vahrenheide-Ost in Hannover ist (noch) nicht Bestandteil des Programms Soziale Stadt; es wurde 1998 ins Landesprogramm zur integrierten Stadterneuerung aufgenommen.

(11)Die Anforderung von und für Technische Hilfen kommen aus den Modellgebieten; sie können sich auf verschiedenste Projekte, Verfahren, Initiativen beziehen: Quartiersevents, Runde Tische, Ausstattungshilfen, Ideen-Märkte, Imageaktionen, Vergabe kleinerer Gutachten zu Einzelfragen, temporäre Installationen, Zukunfts- und/oder Planungswerkstätten, Konsenskonferenzen, künstlerische Aktionen usw.

(12)VV-Städtebauförderung 1999, Artikel 2, Schlussabsatz zu (4).

(13)Arbeitspapiere, Bd. 3, Teil 3, S. 18 f.

Soziale Stadt © 2000-2007 Deutsches Institut für Urbanistik
Im Auftrag des BMVBS vertreten durch das BBR. Zuletzt geändert am 14.04.2004