Reinhard Huß
Stadtplanungsamt Schwerin
Im Südosten Schwerins liegen die drei großen Neubaustadtteile Großer Dreesch, Neu Zippendorf und Mueßer Holz. Sie sind in den Jahren 1971 bis 1989 entstanden, als Schwerin im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen den RGW-Staaten planmäßig zu einen Industriestandort ausgebaut wurde. In den ca. 20 000 Wohnungen lebten Ende September 1999 etwa 37 000 Menschen. Die drei Stadtteile gehören damit zu den größten zusammenhängenden Neubaustadtteilen in industrieller Bauweise Mecklenburg-Vorpommerns.
Für Neu Zippendorf konnte der Prozess zum Weiterbau in der zweiten Hälfte 1998 begonnen werden. Es bestand dabei von Anfang an die Absicht, diesen Entwicklungsprozess in enger Zusammenarbeit mit den Bewohnern und den lokalen Akteuren zu gestalten.
Zur Umsetzung dieses Ziels wurden folgende Elemente der Beteiligung entwickelt:
Im Folgenden möchte ich die sozial-kommunikative Rahmenplanung näher vorstellen und auf Erfahrungen bei der Durchführung eingehen.
Sozial-kommunikative Rahmenplanung
Dem sozial-kommunikativen Verfahren innerhalb der Rahmenplanung Neu Zippendorf liegt ein integrativer Ansatz zugrunde, in dem nicht allein über die beabsichtigten Entwicklungskonzepte oder geplanten Maßnahmen informiert wird. Vielmehr soll ein Prozess der frühzeitigen Einbeziehung der im Stadtteil tätigen Akteure und insbesondere der Bewohner als vor-Ort-Experten mit einer spezifischen Problemkenntnis und mit Erfahrungen bei der Entscheidungsfindung eingeleitet werden. Bei der Umsetzung dieses Konzeptes handelt es sich um eine dialogorientierte und aktivierende Bürgerbeteiligung, die bereits in der Vorbereitungsphase zur Rahmenplanung eine Diskussion zwischen der planenden Verwaltung, den professionellen Akteuren im Stadtteil sowie den Bewohnern und Bewohnerinnen einleiten soll.
Um diesen Prozess bewerkstelligen zu können wurde vom Stadtplanungsamt ein externer Moderator mit der Konzeptentwicklung und Durchführung des sozial-kommunikativen Verfahrens beauftragt. Zudem wurde im Stadtteil ein Stadtteilbüro, das die Funktion einer Informations- und Organisationsstelle wahrnimmt, eingerichtet. Die inhaltliche Bearbeitung der städtebaulichen Rahmenplanung wird von der Stadt unter Federführung des Stadtplanungsamtes durchgeführt. Im Rahmen der Bearbeitung der Rahmenplangebiete Mueßer Holz und Großer Dreesch wurden bereits ein übergeordneter Lenkungskreis sowie auf der Arbeitsebene der Stadtverwaltung und der Wohnungsunternehmen eine Arbeitsgruppe zum Weiterbau der Neubaugebiete eingerichtet, die um das Thema Neu Zippendorf erweitert wurden.
Auf Stadtteilebene treffen die Vertreter der einzelnen Interessengruppen (Mitarbeiter der Stadtverwaltungen, Fachplaner, Vertreter der Wohnungsunternehmen und andere Eigentümer, der öffentlichen und privaten Sozialeinrichtungen, die Bewohner und Gewerbetreibenden) in Arbeitsgruppen sowie im Stadtteilforum zusammen.
Das Konzept zur Betroffenenbeteiligung innerhalb der Rahmenplanung möchte ich im Folgenden kurz darstellen.
1. Stadtplanungsamt
Dem Stadtplanungsamt kommen neben der inhaltlichen Mitarbeit an diesem Projekt als weitere Aufgabenbereiche die Organisation und Koordination der Arbeitsgruppe zum Weiterbau, die fachliche Anleitung des Stadtteilbüros sowie die organisatorische und inhaltliche Zusammenarbeit mit der externen Moderation zuteil. Das Stadtplanungsamt ist zudem für die Koordination und inhaltlichen Ausarbeitung der Rahmenplanung zuständig.
2. Externe Moderation (PIW)
Von Seiten der Stadt Schwerin wurde das Progress-Institut für Wirtschaftsforschung, Rostock (PIW) als externer Moderator beauftragt, die Betroffenenbeteiligung innerhalb des Projektes Rahmenplanung Neu Zippendorf durchzuführen. Der externen Moderation wurden vertraglich folgende Aufgaben übertragen:
Die organisatorischen und inhaltlichen Arbeitsschritte der externen Moderation werden kontinuierlich mit dem Stadtplanungsamt abgestimmt. Des Weiteren richten sich die Inhalte nach den Anforderungen, die aus dem Stadtteilforum sowie den Arbeitsgruppen gestellt werden.
Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt der externen Moderation liegt in der Information und Motivation der einzelnen Betroffenengruppen. Innerhalb der ersten Arbeitsphase, der Informations- und Motivationsphase, wird dementsprechend eine intensive Beratung und Betreuung dieser Gruppen erforderlich, um zu gewährleisten, dass es nicht allein die Planungsprofis sind, die sich an dem Prozess beteiligen. Im Rahmen der Motivationsphase wird durch die externe Moderation, u.a. um mehr Informationen über die Partikularinteressen zu erhalten, eine Expertenbefragung durchgeführt.
3. Stadtteilbüro
Als Anlaufstelle für alle am Verfahren Beteiligten wie auch als organisatorisches Gelenk wird von Seiten des Stadtplanungsamtes ein Stadtteilbüro eingerichtet. Dieses Büro ist mit Personal in Form von ABM-Stellen besetzt. Diese sind bei der Zukunftswerkstatt, dem kommunalen Beschäftigungsträger, eingestellt. Die fachliche Anleitung erfolgt über das Stadtplanungsamt. Durch die externe Moderation wird aus dem Stadtteilbüro heraus die Öffentlichkeitsarbeit vorbereitet und durchgeführt.
4. Lenkungskreis
Im Lenkungskreis werden unter Leitung des Baudezernenten zwischen der Stadtverwaltung (Amtsleitung und Sachbearbeiter des Stadtplanungsamtes und ggf. andere Ämter) und den Wohnungsunternehmen (Vorstände und Geschäftsführungen) übergeordnete Themenbereiche besprochen und abgestimmt. An diesem Kreis nimmt auch der externe Moderator teil, um die Erfahrungen aus dem sozial-kommunikativen Verfahren in die Entscheidungen einzubinden.
5. Arbeitsgruppe Weiterbau Neu Zippendorf
Zur Abstimmung der Rahmenplanung mit den verschiedenen Fachämtern und den Wohnungsgesellschaften werden die unterschiedlichen Themenkomplexe in der Arbeitsgruppe zum Weiterbau der großen Neubaugebiete vorgestellt. Diese Gruppe wird durch das Stadtplanungsamt koordiniert und geleitet.
Innerhalb dieser Gruppe werden die zu bearbeitenden Themenschwerpunkte festgelegt, diskutiert und koordiniert sowie für die weitere Diskussion im Stadtteilforum vorbereitet.
6. Bewohner-Arbeitsgruppen
Im Zusammenhang mit der Rahmenplanung entstanden mehrere Bewohnerarbeitsgruppen. An den Arbeitsgruppen, die grundsätzlich öffentlich tagen, können alle Bewohner und professionellen Akteure des Stadtteils teilnehmen. Die Einladungen erfolgen über einen Verteiler, die Presse bzw. Aushänge im Stadtteil. Themenschwerpunkt ist die planerische Weiterentwicklung des Stadtteils. Die Gruppen arbeiten im Rahmen von Diskussionen, Begehungen und Planungswerkstätten zu unterschiedlichen Themenbereichen. Die Ergebnisse der Projektarbeitsgruppen reichen von allgemeinen Leitlinien für die Rahmenplanung bis hin zu Vorschlägen für einzelne konkrete Sofortmaßnahmen.
7. Arbeitsgruppe der Gewerbetreibenden
Um dem besonderen Anliegen der Gewerbetreibenden im Stadtteil gerecht zu werden, wurde eine spezielle Arbeitsgruppe mit den Gewerbetreibenden und Dienstleistungsunternehmen einberufen. Gegenstand dieser Arbeitsgruppe war die Entwicklung des Berliner Platzes.
8. Öffentliche Stadtteilforen
Innerhalb der Aufstellungsphase der Rahmenplanung werden insgesamt drei Stadtteilforen durchgeführt. Die Foren dienen einerseits einer breiten öffentlichen Information über den Prozess im Stadtteil und der Vorstellung und Diskussion der Arbeitsergebnisse. Andererseits werden auf den Foren die folgenden Arbeitsphasen vorbereitet.
Auf den Foren wird der jeweils aktuelle Stadt der Rahmenplanung vorgestellt und im Plenum und in Arbeitsgruppen diskutiert.
Ein wesentliches Ziel der Foren besteht darin, eine Basis für eine eigenständige und selbsttragende Beteiligung von Seiten der Institutionen und Bewohner im Stadtteil zu entwickeln.
9. Öffentlichkeitsarbeit
Während des bisherigen Beteiligungsprozesses wurde eine umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit durchgeführt, die für die notwendige Aufmerksamkeit im Stadtteil und darüber hinaus sorgte.
Ziel der Öffentlichkeitsarbeit war die Information der BewohnerInnen im Stadtteil über die Termine der Veranstaltungen und Aktionen. Darüber hinaus sollte über einzelne Inhalte berichtet werden, um so eine breitere Diskussion über den Stadtteil und seine Entwicklung anzuregen.
Schwerpunkte der Öffentlichkeitsarbeit waren:
Erfahrungen aus der sozial-kommunikativen Rahmenplanung
Vorbereitende und begleitende Öffentlichkeitsarbeit wichtig
Bevor erste konkrete Schritte zur Beteiligung gegangen werden, in diesem Fall ein öffentliches Stadtteilforum, sollte auf die Thematik vorbereitet und Neugierde geweckt werden. Oft ist auch eine deutliche Skepsis gegenüber der Verwaltung und deren Ankündigung zu spüren. Offensichtlich haben viele Bewohner schlechte Erfahrungen mit Zusagen öffentlicher Stellen gemacht. Diese Skepsis muss überwunden werden, bevor sich Bewohner in die Entwicklung des Stadtteils, ihrer Umwelt einbringen. In Schwerin ist es durch die Öffentlichkeitsarbeit gelungen, eine sehr gute Teilnahme an den Stadtteilforen zu erreichen und zahlreiche Bewohner zur Mitarbeit in den anschließenden Arbeitsgruppen zu motivieren.
Keine langen Prozesse schnelle Wege zur Umsetzung
Zwischen der Beteiligung und der Realisierung von Maßnahmen sollte ein möglichst kurzer Zeitraum liegen. Sich über mehrere Jahre hinziehende Planungsprozesse sind für die Bewohner schwer verständlich, und der Zusammenhang zwischen der Beteiligung und der Realisierung geht verloren. Es kann dadurch Frust entstehen, und eine positiv empfundene Beteiligung kann sich ins Gegenteil verkehren. Diese Gefahr ist natürlich bei einer abstrakten Planung wie der Rahmenplanung viel größer als bei konkreten Maßnahmeplanungen. Hierauf sollten auch Förderrichtlinien und die in ihnen festgeschriebenen Bewilligungsverfahren ausgerichtet sein. Besonders wenn, wie im Konzept zum Programm Soziale Stadt verlangt, mehrere Fördertöpfe zur Umsetzung einer Maßnahme kombiniert werden sollen, ist darauf zu achten, dass dadurch keine Verlängerung des Bewilligungszeitraumes erfolgt.
In Schwerin ist es gemeinsam mit den Wohnungsunternehmen gelungen, erste Maßnahmen bereits parallel zur Rahmenplanung zu realisieren Wohnumfeld eines Hochhauses, Anlage von Stellplätzen und für zwei größere Maßnahmen Umgestaltung einer Straßenbahnhaltestelle, Nachbarschaftstreff Tallinner Straße hat der Planungsprozess gemeinsam mit den Bewohnern begonnen.
Beteiligung über den gesamten Entwicklungsprozess verstetigen,
keine einmalige Aktion
Zur Aktivierung der Bewohner und der lokalen Akteure ist ein Gesamtkonzept erforderlich, das die Beteiligung auf den unterschiedlichen Planungsebenen Rahmenplanung, Planungen auf den privaten Flächen, Planungen im öffentlichen Raum miteinander verknüpft. In Schwerin entwickeln wir ein derartiges Konzept ausgehend von der Beteiligung zur Rahmenplanung. In den Stadtteilforen und Arbeitsgruppen zur Rahmenplanung wurde deutlich, dass es bei zahlreichen Bewohnern ein großes Interesse gibt, weiter an Entwicklungsprozessen für den Stadtteil teil zu haben. Sie wollen sehen, wie mit ihren Ideen weiter umgegangen wird und an konkreten Realisierungsmaßnahmen mitarbeiten. Die Erfahren haben gezeigt, dass eine Kontinuität in der Mitarbeit der Bewohner erreicht werden kann.