soziale stadt - bundestransferstelle

Bund-Länder-Programm "Stadtteile mit
besonderem Entwicklungsbedarf - Soziale Stadt"

Modellgebiet Singen-Langenrain


Thilo Brügel
Stadt Singen, FB Bauen
Torsten Kalb
Stadt Singen, FB Soziales und Recht


Zunächst möchten wir uns kurz vorstellen und erklären, warum wir mein Kollege, Herr Brügel, der in Singen die Abteilung für Stadtplanung leitet und ich als Leiter des Fachbereiches Jugend, Soziales, Ordnung hier gemeinsam auf dem Podium sitzen und unseren Beitrag zur Aktivierung der Quartiersbevölkerung in Singen-Langenrain gemeinsam vorstellen möchten. Dies hängt damit zusammen, dass wir das Programm Soziale Stadt als Querschnittsaufgabe betrachten, die eine Vielzahl von Aufgaben innerhalb und außerhalb der Stadtverwaltung zusammenführen soll. Den wesentlichen Unterschied zur bisherigen Stadtsanierung sehen wir darin, dass neben den städtebaulichen Aufgaben zur Verbesserung der Wohnverhältnisse insbesondere die Verbesserung der sozialen Infrastruktur im Vordergrund steht. Dafür möchten wir gemeinsam einstehen und haben zu diesem Zweck bei der Stadt Singen eine ämterübergreifende, interdisziplinäre Projektgruppe gegründet, in der u.a. die Bereiche Bauen und Soziales und Jugend gleichberechtigt vertreten sind.

Daher sind wir in Singen, das im übrigen eine der lediglich vier Städte aus Baden-Württemberg ist (Baden-Württemberg ist hier gegenüber den anderen Bundesländern eindeutig unterrepräsentiert), die in das Programm Soziale Stadt für das Jahr 2000 aufgenommen worden sind, einen etwas anderen Weg gehen als andere Städte, die uns in den vorangegangenen Vorträgen vorgestellt worden sind.

Vorab möchten wir noch hervorheben, dass wir noch am Anfang mit der Entwicklung der Konzeption für die notwendigen Maßnahmen für die Umsetzung des Bund-Länder-Programms Soziale Stadt stehen (Bescheid über die Aufnahme in das Programm erging erst am 27.12.1999 !), da das Gebiet bisher noch in kein städtebauliches und auch kein sonstiges Förderprogramm aufgenommen worden war. Wir können daher ebensowenig auf eine vorhandene spezifisch auf das Gebiet abgestimmte soziale, kulturelle, bildungs- und freizeitbezogene Infrastruktur aufbauen wie auf vorhandene Quartierszentren und -managements wie andere Städte.

Das Gebiet Singen-Langenrain wurde von uns aufgrund eines Berichtes des Sozialen Dienstes der Stadt Singen ausgesucht, der zusammen mit unserer Partnerin bei der Verwirklichung der städtischen Wohnungsbaugesellschaft, die Eigentümerin des überwiegenden Teils der dortigen Wohnblöcke ist, erstellt worden ist. Dieser Bericht beinhaltete auf der Grundlage der Analyse der Sozialstruktur ein sozialarbeiterisches Handlungskonzept des Sozialen Dienstes für das Wohngebiet in Kooperation mit der Wohnungsbaugesellschaft. Daneben wurden die zukünftige Belegungspolitik und Empfehlungen für die notwendigen Sanierungen untersucht und festgelegt.

Seit Jahren nimmt die Stadt Singen (ca. 44 300 Einwohner, darunter 7 570 Ausländer) Spitzenpositionen im Vergleich der Sozialhilfedichte sowohl im Kreisvergleich als auch im Vergleich innerhalb der Städte in Baden-Württemberg ein. In den Jahren 1994 bis 1998 lag keine Stadt in Baden-Württemberg über den Sozialhilfedichten der Stadt Singen. So betrugen die Ausgaben pro Einwohner im Jahre 1997

in Singen DM 472,--

in Mannheim DM 468,--

im übrigen Baden-Württemberg DM 195,-- .

Die Zahlen in Singen liegen nach wie vor noch über den am stärksten belasteten Großstädten Mannheim und Freiburg.

Die Stadt Singen hat eine außerordentlich hohe Zahl von Sozialhilfeempfängern, die insgesamt 7 % der Gesamtbevölkerung ausmachen. Die Gründe dafür liegen zum einen in der bei weitem höchsten Arbeitslosenquote im Kreis und in Baden-Württemberg von derzeit ca. 13,5 % mit einem hohen Anteil an Ungelernten (71 % der Arbeitslosen sind Arbeiter, davon viele langzeitarbeitslos). Des weiteren hat Singen generell einen weit überdurchschnittlichen Arbeiteranteil im Vergleich zum Landesdurchschnitt, wodurch das Einkommensniveau in Singen deutlich unterhalb des Landesdurchschnittes liegt und die Sozialhilfebedürftigkeit deshalb früh einsetzt.

Darüber hinaus hat Singen im Vergleich zu anderen Städten in Baden-Württemberg einen besonders hohen Anteil an Mitbürgern nichtdeutscher Muttersprache mit über 20 %, wozu Aussiedler, Russlanddeutsche, EU-Angehörige und Ausländer gehören. Diese haben in besseren Zeiten verstärkt in weniger qualifizierten Berufen in den drei Singener Großbetrieben gearbeitet, in Jobs, die heute vornehmlich von Abbau, Rationalisierung und Arbeitslosigkeit bedroht sind und die einen großen Teil der Langzeitarbeitslosen ausmachen.

Im Modellgebiet Singen-Langenrain spiegelt sich die obengenannte Sozialstruktur der Stadt Singen in besonderem Maße wieder.

Insgesamt wohnen im Modellgebiet Singen-Langenrain derzeit ca. 894 Personen (davon 423 weiblich und 471 männlich, inklusive Aussiedler und Bürgerkriegsflüchtlinge),

Wie ist nun möglich, diese sehr heterogene Quartiersbevölkerung im Rahmen einer sozialorientierten Stadtteilentwicklung zu beteiligen und zu aktivieren?

Dabei bedarf es zunächst einer Betrachtung der bisherigen Erfahrungen insbesondere von freien Trägern in dem Modellgebiet.

Bereits jetzt gibt es zahlreiche Aktivitäten im sozialpädagogischen Bereich in dem Modellgebiet, die zum Teil von berufsmäßigen Kräften, aber auch von ehrenamtlich tätigen Bürgern im Rahmen des bürgerschaftlichen Engagements durchgeführt werden.

  1. So unterhält der Kinderschutzbund eine Kinderstube, in der ca. 40 Kindern im Alter von 6 bis 12 Jahren freizeitpädagogische Angebote gemacht werden. Der Kinderschutzbund wird von der Stadt Singen mit 75 000,-- DM unterstützt.

    • Des weiteren gibt es dort einmal wöchentlich eine Mädchen- und eine Jungengruppe.
    • Als neues Angebot findet eine Beratung von Kindern und Jugendlichen statt.
    • Wahrnehmung der Aufgabe des sog. Betreuten Umgangsrechtes.


  2. Die evangelische Kirchengemeinde in der Nähe des Gebietes unterhält von Montag bis Freitag eine Hausaufgabenbetreuung für 50 überwiegend ausländische Kinder, die bis auf wenige aus dem Modellgebiet Singen-Langenrain stammen.

  3. Das Diakonische Werk und die Caritas sind mit jeweils einer Mitarbeiterin in der Betreuung und Beratung von Spätaussiedlern (derzeit ca. 96) tätig, die im Übergangswohnheim und in Wohnungen in den Wohnblöcken im Modellgebiet wohnen.

  4. Das Landratsamt Konstanz setzt eine Halbtagskraft zur psychologischen Betreuung der Flüchtlinge (zur Zeit 61) ein, die in einem mehrgeschossigen Gebäude im Modellgebiet untergebracht sind.

  5. Das Jugendgemeinschaftswerk (Caritas-Verband) betreut an vier Tagen in der Woche Kinder, Jugendliche und Heranwachsende im Alter von 13 bis 27 Jahren (jugendliche Spätaussiedler).

Wie soll nun die Aktivierung der Quartiersbevölkerung in Singen-Langenrain konkret erfolgen?

In den Vorbereitungspapieren zum Bund-Länder-Programm wird der Anspruch der Gemeinschaftsinitiative definiert, dass die Soziale Stadt Quartiersentwicklungsprozesse in Gang setzen soll, welche die sozialen Problemgebiete zu selbständig lebensfähigen Stadtteilen mit positiver Zukunftsperspektive machen sollen.

Unter Aktivierung der Quartiersbevölkerung wird von uns im wesentlichen die Bürgermitwirkung und die Initiative zu einem eigenen Stadtteilleben unter Einbeziehung des bürgerschaftlichen Engagements verstanden.

Die Organisation und die Entwicklung des bürgerschaftlichen Engagements im Modellgebiet Singen-Langenrain ist eine zentrale Angelegenheit der Stadt Singen und der städtischen Wohnungsbaugesellschaft GVVmbH bei der Umsetzung der Zielsetzungen des Programms Soziale Stadt.

Da es sich jedoch um ein vom sozialen Abstieg bedrohtes Quartier handelt, muss zunächst davon ausgegangen werden, dass die Mitwirkung der dort wohnenden Bürger am politischen und gesellschaftlichen Leben zum größten Teil zum Erliegen gekommen ist oder nie da war. Die Bürger identifizieren sich nicht mehr mit dem Stadtteil und engagieren sich nicht für die Gemeinschaft. Nachbarschaftshilfe und soziales Engagement sind Fremdworte. Hier müssen die Aktivitäten der Stadt Singen und der städtischen Wohnungsbaugesellschaft GVVmbH unter Einbeziehung des bürgerschaftlichen Engagements ansetzen. Dabei ist von realistisch Machbarem auszugehen:

Wir stehen erst am Anfang. Unsere Partner und wir sind jedoch hochmotiviert, die auch auf dieser Konferenz gewonnenen Erfahrungen der anderen Städte bezüglich der Beteiligung und Aktivierung der Quartiersbevölkerung für die Zielbestimmungen und Maßnahmendurchführung des Bundes-Länder-Programms Stadt- und Ortsteile mit besonderen Entwicklungsbedarf die soziale Stadt im Rahmen eines integrierten Handlungskonzeptes zu nutzen. Wir möchten uns bei Ihnen für die bereits jetzt geleistete und sicherlich auch zukünftig regelmäßig notwendige Unterstützung bedanken.

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