soziale stadt - bundestransferstelle

Bund-Länder-Programm "Stadtteile mit
besonderem Entwicklungsbedarf - Soziale Stadt"

Modellgebiet Neunkirchen-Innenstadt


Manfred Hörth
Beigeordneter der Kreisstadt Neunkirchen


  1. Einleitung

    Die Kreisstadt Neunkirchen, im östlichen Saarland gelegen, hat 52.000 Einwohner und ist landesplanerisch als Mittelzentrum ausgewiesen.

    Neunkirchen war über viele Jahrzehnte hinweg eine Stadt der Montanindustrie. Die Kohlegruben und das Eisenwerk prägten das Bild der Stadt und die Menschen, sie bedeuteten Wohlstand, waren aber auch mit einer immensen Umweltbelastung verbunden. Insgesamt waren etwa 25 000 Menschen in der Montanindustrie beschäftigt.

    Bereits in den 60er Jahren wurden die fünf Kohlegruben geschlossen, was ein Verlust von 12 000 Arbeitsplätzen bedeutete. Die damit verbundenen sozialen Probleme waren noch überschaubar, weil die Arbeitskräfte in anderen saarländischen Gruben unterkamen oder Ersatzarbeitsplätze in anderen Industrien zur Verfügung standen. Gravierender, vor allem in sozialer Hinsicht, wirkte sich jedoch die Schließung des Eisenwerkes aus, von dem noch zwei Stahlstraßen mit ca. 800 Beschäftigten übrig geblieben sind.

    Die Arbeitslosigkeit stieg auf etwa 18 Prozent und etwa 300 ha Industriebrache waren entstanden. Wohl kaum eine andere Stadt in Deutschland war, gemessen an der Einwohnerzahl, derart hart von der Krise in der Montanindustrie betroffen wie die Stadt Neunkirchen.

    Diese Entwicklung zwang die Stadt zu einem radikalen Strukturwandel. Innerhalb weniger Jahre wurden die stadtnahen Industriebrachen revitalisiert, neue Betriebe angesiedelt und Arbeitsplätze, vor allem im tertiären Bereich, geschaffen und mit der Sanierung der Innenstadt begonnen. Insgesamt wurden etwa 10 000 Arbeitsplätze im gewerblichen und im Dienstleitungsbereich geschaffen. Parallel dazu lief die notwendige Altlastsanierung. Das größte Projekt, die Sanierung einer Deponie des Eisenwerkes, läuft zur Zeit und wird Kosten von ca. 30 Millionen DM verursachen.

  2. Beschreibung des Programmgebietes

    Das Programmgebiet umfasst einen großen Teil der Neunkircher Innenstadt mit einer Fläche von 110 ha und ca. 10 000 Einwohnern. Wichtige Sozialindikatoren haben sich in den letzten Jahren negativ entwickelt. Die Arbeitslosenquote, der Anteil an Sozialhilfeempfängern und der Anteil der ausländischen Bevölkerung beträgt etwa 25 Prozent und ist gekoppelt an eine relativ hohe Kriminalitätsrate. Ein weiteres Indiz für die soziale Situation ist die geringe Wahlbeteiligung. Sie liegt unter 30 Prozent und ist ein deutliches Zeichen für die politische Apathie und eine mangelnde Bereitschaft, sich öffentlich zu engagieren und die eigenen Interessen zu vertreten.

    In einer Grundschule wird jedes Jahr etwa ein Drittel der Schülerinnen und Schule einer Klasse ausgetauscht. Man zieht in das Quartier, weil es die wirtschaftliche Situation erfordert und zieht wieder weg, wenn sich diese verbessert.

  3. Problemanalyse

    Kennzeichnend für das Programmgebiet ist eine stark überalterte Bausubstanz. Der Ausstattungsstandard ist gering und entsprechend besteht ein hoher Renovierungsbedarf. Die Mieten sind vergleichsweise gering und liegen im Schnitt bei 6,-- bis 7,-- DM/qm. Hinzu kommen Mängel im unmittelbaren Wohnumfeld (unattraktive Innenhöfe mit geringer Aufenthaltsqualität). Verstärkt wird dies noch durch Gemengelagen aus gewerblicher Nutzung und Wohnnutzung mit den bekannten Unverträglichkeiten.

    Mit dem Strukturwandel der Stadt erfolgte auch eine Neuorientierung bei den Einzelhandelsgeschäften. Die Konzentration auf den Citybereich nahm zu. Von der City entfernte Einkaufsstraßen verloren an Bedeutung, was punktuell zu Leerständen führte.

    Die dargestellten Mängel im Wohnumfeld werden noch verstärkt durch einen Mangel an attraktiven öffentlichen Grünflächen und städtischen Plätzen.

    Der Anteil an sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen im Programmgebiet ist hoch. In einigen Straßen und Quartieren gibt es bereits Ansätze von sozialen Brennpunkten, was wiederum gekoppelt ist mit einem schlechten Image einzelner Straßen und Quartiere. Insgesamt ist die Situation jedoch sehr heterogen, das heißt sozial intakte Gebiete wechseln auf engem Raum mit solchen, die bereits erhebliche Defizite aufweisen.

    Das Niveau der beruflichen Ausbildung ist eher gering, wodurch die Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt eingeschränkt sind. In dem Programmgebiet ist das Angebot an Arbeitplätzen sowohl quantitativ als auch qualitativ als ungünstig einzustufen.

  4. Handlungsfelder

    Aus der oben beschriebenen Problemanalyse ergeben sich für das Programmgebiet die wichtigen Handlungsfelder.

    Bereits jetzt gibt es in dem Gebiet eine gut funktionierende Gemeinwesenarbeit, die im wesentlichen von den Wohlfahrtsverbänden getragen wird. Diese soll verstärkt und verstetigt werden. Hierbei wird es vor allem darum gehen, die Bevölkerung zu aktivieren und zur Mitarbeit zu gewinnen. Dies wird ohne Zweifel ein schwieriges und langwieriges Unterfangen, ist aber für den Erfolg des Projektes unerlässlich.

    Damit im Zusammenhang steht die Jungend- und Familienhilfe, die in den letzten Jahren durch die Kooperation des Landkreises mit den karitativen Organisationen intensiviert worden ist.

    Zur Erhöhung der Attraktivität der Innenstadt, vor allem für das Wohnen, kommt der privaten Haus- und Wohnungsmodernisierung eine besondere Bedeutung zu. Für den Erfolg des Programms Soziale Stadt sind eine intensive und nachhaltige Arbeit auf diesem Felde und sichtbare Fortschritte unerlässlich.

    Die Stadt hat bereits in der Vergangenheit unter dem Slogan Arbeit statt Sozialhilfe umfangreiche Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahmen, auch mit einem erheblichen finanziellen Aufwand durchgeführt; sie sollen nunmehr auch in dem Programmgebiet mit Nachruck fortgesetzt werden.

  5. Bisherige Arbeit im Programmgebiet

    Die Stadt hat sich bereits in der Vergangenheit intensiv mit der Lebenssituation in der Innenstadt beschäftigt und konkrete Maßnahmen durchgeführt. Auf diesem Fundament kann das Programm Soziale Stadt aufbauen.

    Seit etwa acht Jahren betreibt die Stadt ein intensives Stadtmarketing mit einer Konzentration der Arbeit auf die Innenstadt. In mehreren Arbeitsgruppen mit unterschiedlichen Themenbereichen waren die Bürgerinnen und Bürger von Anfang in die Arbeit einbezogen.

    Dies trifft genauso zu für den Beirat zur Kriminalitätsverhütung, der zwar ebenfalls für die Gesamtstadt zuständig ist, sich aber aufgrund der Problemlage ständig mit der Innenstadt beschäftigt.

    Parallel dazu gibt es die bei der Verwaltung angesiedelte Arbeitsgruppe Soziales Umfeld, in der die Stadt, die Siedlungsgesellschaft, die Polizei, der Landkreis und die Wohlfahrtsverbände zusammenarbeiten. Sie wurde gegründet, um auf aktuelle soziale Probleme, Obdachlosigkeit, soziale Brennpunkte, Kriminalität reagieren zu können. Diese Arbeitsgruppe steht in einem intensiven Informationsaustausch mit dem Stadtmarketing und dem Beirat zur Kriminalitätsverhütung und versucht für auftretende Probleme möglichst schnell Lösungen zu finden.

  6. Organisation des Programms Soziale Stadt bei der Stadt

    Neunkirchen

    Leitgedanke für die Organisation des Programms war von Anbeginn, die im Gebiet vorhandenen Ressourcen zu nutzen und die Arbeit auf möglichst viele Schultern zu verteilen. Die Stadt trägt die Verantwortung für die strategische Planung, für die Mittelverteilung und für die Koordination der Arbeit. Der operative Bereich soll jedoch weitgehend auch von anderen wahrgenommen werden.

    6.1 Lenkungsgruppe

    Die Arbeitsgruppe Soziales Umfeld fungiert unter Beibehaltung ihrer bisherigen Aufgabe als Lenkungsgruppe für das Projekt Soziale Stadt. Ihre Aufgabe ist die strategische Planung, sie koordiniert die Arbeit und ist verantwortlich für die Realisierung von Projekten, vor allem, wenn dies mit finanziellem Aufwand verbunden ist.

    6.2 Stadtteilbüro

    In dem Programmgebiet sollen zwei Stadtteilbüros eingerichtet werden. Die Personalausstattung steht im Augenblick noch nicht fest, soll aber möglichst klein gehalten werden. Den Stadtteilbüros obliegt das Management und die Organisation der Arbeit, und sie sollen über die vielfältigen Angebote und Möglichkeiten im sozialen Bereich und im Bereich der Wohnungsmodernisierung informieren. Zusätzlich sollen diese Räumlichkeiten erhalten für unterschiedliche Initiativen und Organisationen.

    6.3 Karitative Verbände und Organisationen

    Im Programmgebiet sind die großen Wohlfahrtsverbände bereits mit einem umfangreichen Hilfsangebot tätig. Sie sind ein wesentlicher Bestandteil des Programms Soziale Stadt. Die Stadt geht davon aus, dass diese ihre Arbeit fortsetzen und in Zusammenarbeit mit der Lenkungsgruppe die Aktivierung der Bevölkerung bewerkstelligen.

    6.4 Träger-Verbund

    Vor etwa einem Jahr hat der Landkreis mit sechs karitativen Organisationen (Träger-Verbund) einen Kooperationsvertrag abgeschlossen und diesem die Jugendhilfe in dem Programmgebiet nach dem KJHG übertragen. Diese erhalten für ihre Arbeit ein festes Jahresbudget. Sofern das Budget nicht in vollem Umfang in Anspruch genommen wird, können freie Mittel in Absprache mit dem Landkreis für andere soziale Maßnahmen Verwendung finden.

    6.5 Bildungsträger

    Die Stadt beteiligt sich zusammen mit dem Landkreis an dem Projekt Freiwilliges soziales Jahr, mit dessen Durchführung ein freier Träger beauftragt wird. Bei diesem Projekt, das vom Bund, der Arbeitsverwaltung und dem Land finanziell gefördert wird, sollen 25 Jugendliche durch schulische Ausbildung und praktische Arbeit auf den ersten Arbeitsmarkt vorbereitet werden.

    6.6 Siedlungsgesellschaft

    Eine besondere Bedeutung in dem Programm Soziale Stadt kommt, wie bereits dargelegt, der privaten Haus- und Wohnungsmodernisierung zu. Die städtische Siedlungsgesellschaft verfügt durch ihre eigene Tätigkeit über profunde Kenntnisse und Erfahrungen in der Durchführung von Haus- und Wohnungsmodernisierungen. Es ist aus diesem Grunde nahe liegend, mit ihr einen Kooperationsvertrag abzuschließen. Die Aufgabe soll darin bestehen, bei Privaten das Interesse an der Haus- und Wohnungsmodernisierung zu wecken, diese zu beraten und zu informieren und Realisierungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Man muss sich allerdings dessen bewusst sein, dass sich dieses Arbeitsfeld als äußerst schwierig darstellt und einen langen Atem verlangt.

    6.7 Kultur GmbH

    Die kulturelle Arbeit der Stadt Neunkirchen wird von der stadteigenen Kulturgesellschaft wahrgenommen. Diese hat sich bereiterklärt, in dem Programm mitzuarbeiten und ein Konzept zu entwickeln für eine quartiers- oder stadtteilbezogene Kulturarbeit.

    6.8 Stadt

    Neben einer umfassenden Steuerungsfunktion ist die Stadtverwaltung noch für die herkömmliche Stadterneuerung, das heißt den Umbau und die Verbesserung der öffentlichen Infrastruktur verantwortlich.

Soziale Stadt © 2000-2007 Deutsches Institut für Urbanistik
Im Auftrag des BMVBS vertreten durch das BBR. Zuletzt geändert am 16.04.2004