soziale stadt - bundestransferstelle

Bund-Länder-Programm "Stadtteile mit
besonderem Entwicklungsbedarf - Soziale Stadt"

Bündelung der Ressourcen
im Rahmen des Kasseler Nordstadt-Projektes
Modellstandort im Rahmen des Bund-Länder-Programms


Ilona Caroli
Stadträtin, Dezernat für Arbeitsförderung, Frauen, Gesundheit und Soziales, Kassel


Es gilt das gesprochene Wort!
Sperrfrist: Redebeginn!

Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren,

ich habe auf Bitten von Herrn Ministerialrat Raabe vom Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung, der leider kurzfristig seine Teilnahme an dieser Veranstaltung absagen musste, die Aufgabe übernommen, Sie eingangs kurz über die landespolitischen Aktivitäten in Hessen zur Thematik Soziale Stadt zu informieren.

Dieser Bitte komme ich gerne nach, denn die auf Landesebene aufgebaute Hessische Gemeinschaftsinitiative Soziale Stadt, kurz HEGISS genannt, hat sich für die hessischen Standorte inzwischen zu einem überaus wichtigen Informations- und Kommunikationsnetzwerk entwickelt. Eingebunden in das Netzwerk sind inzwischen nicht nur Standorte, die im Rahmen des Bund-Länder Programms Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf die soziale Stadt gefördert werden, sondern neben interessierten Kommunen ebenfalls jene Akteure in den Städten, die neue Wege suchen im Kontext integrierter Stadtentwicklung und hierzu einen adäquaten Erfahrungsaustausch anstreben.

Durch das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung wird HEGISS darüber hinaus maßgeblich mitgetragen und gestaltet durch Vertreterinnen und Vertreter der Wohnungswirtschaft, der Wissenschaft, von Trägern sozialer Arbeit, hier insbesondere von der Landesarbeitsgemeinschaft für soziale Brennpunkte und von den Kommunen im Netzwerk. Derzeit befinden wir uns in der Schlussphase zur Vereinsgründung und werden in naher Zukunft in Form einer Geschäftsstelle über eine feste Anlaufstelle in Hessen für das Thema Soziale Stadtentwicklung verfügen. Aufgabe der Geschäftsstelle HEGISS wird es sein, für Akteure in der Stadtentwicklung, für Kommunen, Institutionen, Träger und Vereine, selbstverständlich auch für bürgerschaftlich organisierte Interessensgruppen Beratung, Fortbildung und Information anzubieten und zu koordinieren.

Als Kommunalpolitikerin kann ich nur unterstreichen, dass unsere frühe Mitwirkung in der Hessischen Gemeinschaftsinitiative überaus hilfreich war für die Projektaufbauphase des Kasseler Nordstadtprojektes und ich es deshalb begrüße und unterstütze, dass dieses Netzwerk in Kürze über feste, formalisierte Strukturen verfügen wird. HEGISS wird dann als professionalisierter Dienstleister für das Thema Soziale Stadt in Hessen agieren und bietet darüber hinaus seine Mitarbeit in einem Netzwerk der Länder und des Bundes an. Diese neu entstandene Organisationsstruktur auf hessischer Ebene ist ein ganz deutliches Zeichen für die Etablierung ressortübergreifender Handlungsansätze, auch auf der landespolitischen Ebene. Als unterstützend erweisen sich inzwischen die interministeriell entwickelten Kooperationen im Kontext einer sozial orientierten Stadtentwicklungspolitik, ein Ansatz der landespolitisch in Hessen seit Jahren verfolgt wird und durch neue Leitlinien inzwischen im großen Umfang Eingang in die kommunalpolitische Praxis erfährt. Meine nachfolgenden Ausführungen werden belegen, wie wichtig eine fachlich abgestimmte Landes- und selbstverständlich auch abgestimmte Bundespolitik im Kontext der integrierten Stadtentwicklung ist. Denn die Kommunen können selbstverständlich auch nur dann optimiert arbeiten, wenn eine adäquate und aufeinander abgestimmte Bundes- und Landespolitik den programmatischen Hintergrund bilden für vernetzte Lösungsmodelle, anwendbar für komplexe Problemlagen in Stadtteilen mit spezifischen Handlungsbedarfen, die hier im Mittelpunkt der Veranstaltung stehen.

Ich komme zum Standort Kassel-Nordstadt: Das Thema der Ressourcenbündelung unter dem Vorzeichen der sozialen Stadt steht für mich in einem untrennbaren Kontext zur Entwicklung neuer Steuerungsmodelle in der Verwaltung. Ich werde deshalb die Projektvernetzung sprich: die Bündelung von Teilprojekten und damit die Bündelung unserer Ressourcen auf Stadtteilebene in Bezug setzen zu dem in Kassel gewählten Steuerungsmodell.

Ich weise gleich zu Anfang darauf hin, dass wir in Kassel im Verlauf der Projektkonzeption für unseren Standort eine sehr deutliche Abgrenzung und Definition der Begrifflichkeiten Quartiersmanagement, Stadtteilmanagement und Projektmanagement auf Verwaltungsebene entwickelt haben. Ich werde auf diese Definitionsschärfen an den entsprechenden Punkten meines Vortrages noch einmal eingehen, weil die Festlegung der Managementziele auf den unterschiedlichen Handlungsebenen: Quartier, Stadtteil, Verwaltung, die Voraussetzung ist für die Bündelung der Ressourcen aller mitwirkenden Akteure.

Bereits die Projektaufbauphase stand in Kassel unter der Prämisse der verbesserten Ressourcenbündelung. Diese Prämisse ist Grundbaustein der Projektphilosophie im Nordstadt-Projekt: Es ging und geht in der integrierten Stadtentwicklung nicht nur um neue Projekte oder Instrumente, sondern im Wesentlichen darum, die bestehenden Instrumentarien und Projekte, mit denen klassischerweise Kommunen arbeiten:

Ein Novum ist also die Effizienz der eingesetzten Instrumentarien durch höhere Auslastung und inhaltliche Abstimmung derselben untereinander. Das heißt, Qualität und Wirkung von Projekten und Maßnahmen können durch verbesserte Steuerungsmodelle mit dem originären Ziel einer optimierten Ressourcenbündelung nachhaltig verbessert werden.

Untermauert von dieser These werde ich Ihnen den chronologischen Verlauf des Kasseler Projektes skizzieren, den Standort Kassel-Nordstadt anhand eines Steckbriefes vorstellen und dabei immer wieder den Bezug zum Thema der Ressourcenbündelung herstellen.

Das Nordstadtprojekt wurde im Herbst 1997 unter der Federführung meines Dezernates Arbeitsförderung, Frauen, Gesundheit und Soziales mit einer Impulsveranstaltung im Stadtteil gestartet.

Januar 1998 richtete ich in der Kommunalen Arbeitsförderung Kassel, eine gemeinnützige GmbH, die Koordinierungsstelle für das Nordstadt-Projekt ein. Ziel war es, konzentriert auf den Stadtteil Nordstadt die Instrumente der Sozialplanung, insbesondere auch die der Arbeitsförderung in meinem Dezernat mit weiteren Politik- und Arbeitsfeldern in anderen Dezernaten, u.a. mit der Jugendarbeit und Stadtplanung sowie interessierte Akteure im Stadtteil zu verknüpfen. Mitte 1998 konnte das Bau- und Planungsdezernat sowie das Sozialdezernat der Stadt Kassel einen gemeinsamen Antrag auf Aufnahme in das Hessische Landesprogramm Einfache/Soziale Stadterneuerung stellen; die Aufnahme erfolgte Februar 1999.

Festgelegt durch einen Magistratsbeschluss liegt in Kassel die Federführung für das Gesamtprojekt in der Zuständigkeit des Sozialdezernats, die Federführung für die Umsetzung der städtebaulichen Maßnahmen liegt beim Planungsdezernat.

Dieses in Kassel gewählte Konstrukt halte ich für den ersten, wichtigen Aspekt für die effiziente Bündelung der Ressourcen, weil sich hieraus im Folgenden aus dem Charakter der Zuständigkeiten im Steuerungsmodell sehr deutlich eine verbindliche Verknüpfung städtebaulicher und sozialplanerischer Instrumentarien ergibt. Ich verweise deshalb bereits an dieser Stelle darauf, dass ich aus diesen Gründen die sehr verwaltungsnahe Anbindung des Stadtteil- und Projektmanagements nicht des Quartiersmanagements für einen großen Vorteil halte. Zugespitzt: Die Förderpolitik des Landes wie des Bundes im Kontext der sozialen Stadt interpretiere ich als implizite Aufforderung zur Verwaltungsmodernisierung, also zur Überwindung starrer Ressortzuständigkeiten.

Werfen wir einen Blick auf den Stadtteil anhand der Folie 1:

Kassel hat 200 000 Einwohner, davon leben 16 000 in der Nordstadt. Die Nordstadt ist historisch ein von Großindustrien, Gewerbe und Handwerk Verwaltungsmodernisierung, also zur Überwindung starrer geprägter Standort, ein klassischer Arbeiterstadtteil, in dem dramatischer Arbeitsplatzabbau gerade in der Schwerindustrie in den vergangenen 15 Jahren zu einer negativen Entwicklung der Sozialstrukturdaten geführt haben. Nur ausschnitthaft seien die Zahlen genannt: 44 Prozent der ausländischen Bevölkerung in Kassel leben in der Nordstadt, fast 50 Prozent davon sind türkischer Herkunft; 40 Prozent der Gesamtbevölkerung in der Nordstadt sind arbeitslos und 18 Prozent erhalten Sozialhilfe.

Die Nordstadt ist keineswegs ein Stadtteil mit ausschließlichen Negativfaktoren, belastende Entwicklungen in der sozialen wie baulich-räumlichen Struktur des Stadtteils sind dennoch nicht zu übersehen.

Wir kommen zur Folie 2: Ich kann die Teilprojekte hier nicht im Einzelnen ausführen; sie erkennen jedoch übergeordnet fünf Arbeitsfelder, die im Gesamtprojekt unterschiedliche Querbezüge in der Koordinierung und Abstimmung untereinander aufweisen.

  1. Kinder-, Jugend- und Sozialplanung,
  2. Arbeitsförderung, Beschäftigung, Qualifizierung,
  3. Ökologie,
  4. Stadtplanung: dies sind die Maßnahmen, die im Rahmen des Landesprogramms Einfache Stadterneuerung umgesetzt werden und
  5. Förderung der lokalen Ökonomie und das Thema Verwaltungsmodernisierung wollen wir perspektivisch mit Unterstützung des Bundesprogramms ausbauen ab diesem Jahr.

Im Arbeitskontext des Stadtteilladens in Trägerschaft der Arbeiterwohlfahrt und im Mieterzentrum Nordpunkt, in gemeinsamer Trägerschaft der Arbeiterwohlfahrt und der Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft Hessen bieten wir ein sozialräumlich abgestimmtes Angebot von Beratungsarbeit, Zielgruppenarbeit und Gemeinwesenarbeit an. Das heißt: die Angebote sind quartiersnah und bedarfsorientiert zwischen verschiedenen Trägern ausgerichtet und koordiniert. Diese Form der Abstimmung sozialer Angebote für die Zielgruppen Kinder, Jugend, Frauen, Migrantinnen/Migranten, Arbeitssuchende im engeren sozialräumlichen Bezug definieren wir als Quartiersmanagement. Wir bündeln damit unsere sozialplanerischen Ressourcen in spezifischen Quartieren des Stadtteils, in denen ein besonderer Handlungsbedarf zu erkennen ist. Diese spezifischen Angebote sind dabei nicht im gesamten Stadtteil erforderlich. Leistungsbeschreibungen und Controlling dieser sozialarbeiterischer Angebote erfolgen über Verträge mit den freien Trägern nach § 93 BSHG. U.a. über das Quartiersmanagement wird projektbezogen die Bürgermitwirkung- und Beteiligung/ Motivation zur Eigeninitiative der Bewohnerschaft sowie ihre Selbstorganisation gestützt.

Die dritte Folie zeigt den so genannten Runden Tisch Nordstadt-Projekt. Die Koordination aller Teilprojekte, die Sie auf der zweiten Folie im Überblick gesehen haben, werden hier in 14-tägigen Arbeitstreffen inhaltlich abgesprochen, vernetzt und weiterentwickelt. Das Gremium versteht sich nicht als Interessenvertretung des Stadtteils, wenngleich natürlich Interessensvertreter des Stadtteils hier mitwirken, sondern als ein Gremium des Interessensausgleichs der kooperierenden Akteure.

Ich könnte auch sagen, es ist kein politisches Gremium sondern ein Fachgremium im Sinne Expertinnen/Experten im Stadtteil. Die Arbeitsformen sind deshalb dialogisch und konsensorientiert geprägt. Kontinuierlich mitwirkende Akteure sind Fachämter der Stadt Kassel, Wohnungswirtschaft, konfessionelle und freie Träger, Vereine und Institutionen, die Universität mit zwei Fachbereichen sowie Vertreter aus Stadtteilgremien: der Ortsbeirat, der Ausländerbeirat sowie Bürgerinnen und Bürger. In diesem Gremium geht es um Arbeitsabsprachen und Koordinierung der Teilprojekte den gesamten Stadtteil betreffend. Als Stadtteilmanagement bezeichnen wir deshalb die Organisation, Moderation und Dokumentation der Sitzungen des Runden Tisches, sowie die aus den Sitzungen resultierenden weiteren Koordinierungsaufgaben, respektive die Vernetzung der Arbeit dieses Gremiums mit dem Projektmanagement auf der Ebene der Kommunalverwaltung.

Folie 4 zeigt die notwendige Schnittstelle von Projektmanagement auf kommunaler Verwaltungsebene mit dem eben beschriebenen Stadtteilmanagement.

Ein Magistratsbeschluß sichert das Verfahren und die Funktionen der Projektgremien ab: Demnach hat der Runde Tisch Nordstadt-Projekt eine beratende Funktion gegenüber den formalen, demokratisch legitimierten Entscheidungsgremien im Magistrat. Das heißt: Die politischen Entscheidungen werden auf der Grundlage und unter Berücksichtigung der Beratungen im Stadtteil gefällt, vorbereitet wird dies durch die beiden Gremien Kommunale Projektentwicklungsgruppe verkürzt sind dies die Fachämter, vertreten durch die Amtsleitungen und die Steuerungsgruppe, das sind die Dezernentin und die mitwirkenden Dezernenten.

Die Koordinierung für das Stadtteil- und für das Projektmanagement ist angesiedelt, wie eingangs bereits erwähnt, in der Kommunalen Arbeitsförderung Kassel; diese hat die Rechtsform einer gemeinnützigen GmbH, personell ist die Koordinierungsstelle ausgestattet mit zwei Personen, Vollzeit; das Projektmanagement wird derzeit unterstützt durch eine ABM-Stelle für das Stadtteilmanagement. Diese Koordinierungsstelle agiert somit in den Stadtteil hinein wie in die Verwaltung. Ich akzeptiere hier durchaus das Bild, dass die verschränkte Ansiedlung des Projekt- und Stadtteilmanagements in einer Koordinierungsstelle, verwaltungsnah in einer städtischen gGmbH angesiedelt, einen verlängerten Arm der Verwaltung in den Stadtteil hinein darstellt, wohlgemerkt nicht im Sinne der Kontrolle oder Einflussnahme, sondern in dem Sinne, dass wir die umfangreichen Ressourcen und Instrumentarien der städtischen Verwaltung optimaler bündeln, und zwar finanziell wie inhaltlich. Die Beratungskompetenz auf Stadtteilebene über die intermediäre Form des Runden Tisches verbessert dabei die Qualität fachlicher und politischer Entscheidungen in der Kommunalverwaltung, verbessert dadurch ressortübergreifende Zusammenarbeit, forciert integriertes Verwaltungshandeln.

Stichworte, die mir den Übergang zur letzten, 5. Folie ermöglichen und damit zu einer vorläufigen Bilanz:

Mein Fazit:

Das Nordstadtprojekt hat in Kassel längst Pilotfunktion und schlägt sich positiv auf die kommunalpolitische Kultur im gesamten Stadtgebiet nieder. Die Forderung nach Ressourcenbündelung und damit nach effizienterem Einsatz der Ressourcen aus Verwaltung, Freien Trägern, Wirtschaft und Bürgerschaft dokumentiert sich im Pressespiegel der letzten Folie:

Stadtteilbewohner/innen fordern Runde Tische für ihre Stadtteile.

Die Kommunalverwaltung hat bereits reagiert: Im Herbst 1999 wurde per Magistratsbeschluss eine Koordinierungsstelle für dezernatsübergreifende Zusammenarbeit unter Federführung des Bürgermeisters eingerichtet. In drei weiteren Stadtteilen wird inzwischen an dem Aufbau einer vergleichbaren Strukturen gearbeitet, um auch hier die Bündelung der Ressourcen im sozialräumlichen Bezug zu optimieren.

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