soziale stadt - bundestransferstelle

Bund-Länder-Programm "Stadtteile mit
besonderem Entwicklungsbedarf - Soziale Stadt"

Eugen Wagner

Senator und Präses der Baubehörde Hamburg, Vorsitzender der ARGEBAU

 

Es gilt das gesprochene Wort!
Sperrfrist: Redebeginn!

Das Programm Soziale Stadt als wichtiges Element der Stadterneuerungspolitik

Zunächst möchte ich dem Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen sowie dem Deutschen Institut für Urbanistik herzlich für die Einladung danken. Bietet sie mir doch die Gelegenheit, eines der wichtigsten Themen meines Verantwortungsbereiches als Vorsitzender der Bauministerkonferenz einmal etwas ausführlicher zu beleuchten als dies sonst in der Hektik des Alltagsgeschäfts möglich ist.

Vor gut drei Jahren im November 1996 hat die ARGEBAU-Ministerkonferenz einen einstimmigen Beschluss zum Thema Soziale Polarisierung in den Städten gefasst. Darin heißt es eingangs:

Die Ministerkonferenz ... ist der Überzeugung, dass die Lösung der wachsenden Probleme in den Städten eine vordringliche Aufgabe der nachhaltigen Stadtentwicklungspolitik darstellt, die von Bund, Ländern und Gemeinden gemeinsam aufgegriffen werden muss. Die ARGEBAU-Ministerkonferenz empfiehlt eine Bund-Länder-Gemeinschaftsinitiative, Soziale Stadt und bittet den Bund, an einem nationalen Aktionsprogramm für Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf mitzuwirken.

Weiter heißt es in dem Beschluss:

Die Zersplitterung von Zweckzuwendungsbereichen erschwert häufig komplexe quartiersbezogene Handlungsansätze. Die staatlichen Finanzhilfen verschiedener Ressorts, die jeweils für die bauliche, wirtschaftliche oder soziale Verbesserung in städtebaulichen Problemzonen geeignet sind, sind daher auf Bundes- und Landesebene ressortübergreifend zu koordinieren und in ihrem Einsatz aufeinander abzustimmen.

Die städtebauliche Erneuerung hat sich als handlungsorientiertes und finanzpolitisches Instrument zur Bündelung öffentlicher Aktivitäten auf kommunaler Ebene bewährt. Finanzierungskontinuität ist hier mittelfristig zu gewährleisten.

Die Gemeinschaftsinitiative Soziale Stadt so wurde abschließend gefordert solle den Rahmen bilden für eine zwischen Bund und Ländern abgestimmte Strategie gegen die soziale Polarisierung in den Städten.

Dies war sozusagen die Geburtsstunde der Gemeinschaftsinitiative Soziale Stadt. Im vergangenen Jahr wurde diese Initiative dann von der neuen Bundesregierung zum Anlass genommen, die Städtebauförderung um das eigenständige neue Bund-Länder-Programm Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf die soziale Stadt zu ergänzen. Das Programmvolumen beträgt zunächst jährlich 300 Mio. DM, woran sich der Bund mit einem Drittel beteiligt.

Bevor ich jedoch näher auf die Einzelheiten der Initiative eingehe, möchte ich den letztlich doch recht vieldeutigen Begriff Soziale Polarisierung noch einmal aufnehmen. Ich will kurz darstellen, welche Probleme es sind, mit denen die Wohnungsunternehmen und insbesondere die Bereiche Wohnungswesen, Bau- und Stadtentwicklung vor Ort seit einer Reihe von Jahren konfrontiert werden. Hierzu einmal einige wenige Zahlen, die sich auf die westdeutschen Bundesländer beziehen:

Im Jahre 1980 gab es dort insgesamt rund 4 Millionen Sozialwohnungen. Der Sozialwohnungsanteil am gesamten Wohnungsbestand der damaligen Bundesrepublik machte somit ungefähr 20 Prozent aus. Im Jahre 2005 wird es in Westdeutschland wahrscheinlich aber nur noch eine Million Sozialwohnungen geben und das wären dann nur noch 3 Prozent des westdeutschen Gesamtwohnungsbestandes.

Dies wäre natürlich überhaupt kein Problem, wenn es zugleich einen entsprechenden Rückgang des Bedarfs an Sozialwohnungen gäbe; doch leider ist das Gegenteil der Fall: Bedingt durch die hohe Arbeitslosigkeit und die erhebliche Zuwanderung der letzten Jahre ist die Nachfrage nach preiswertem Wohnraum nach wie vor groß.

Diese Situation hat zur Folge, dass sich in bestimmten Wohnungsbeständen in immer stärkerem Maße Haushalte mit niedrigem Einkommen insbesondere Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger- konzentrieren. Dabei handelt es sich in erster Linie um Sozialwohnungen, aber auch um ungebundene Bestände mit einfacher und mittlerer Ausstattung, in denen ein Instandsetzungs- und Modernisierungsstau besteht.

Genau diese Entwicklung ist es, die der eingangs zitierte Text mit Sozialer Polarisierung umschreibt: Wenn wir nicht handeln, bekommen wir in unseren Städten eine räumliche Aufteilung, bei der bestimmte Gebiete mit dem Stigma der Armut versehen werden. Es besteht die Gefahr der Herausbildung von Ghettos, die sich in einer Abwärtsspirale bewegen.

Viele von Ihnen kennen wahrscheinlich die Studie Überforderte Nachbarschaften, die der Gesamtverband der Wohnungswirtschaft 1998 vorgelegt hat. Dort wird diese Abwärtsspirale sehr eindringlich dargestellt:

Ein wachsender Anteil von Sozialhilfeempfängern bedeutet ..., dass immer weniger Kontakte zur Arbeitswelt bestehen; in den Siedlungen, die von Sozialhilfeempfängern und Niedrigverdienern dominiert werden, schrumpft gleichzeitig das Einzelhandelsangebot. Die schlechte wirtschaftliche Situation der einzelnen Haushalte führt in ein, Milieu der Ärmlichkeit'. Bewohner und Siedlungen sind überfordert ...

,Milieu der Ärmlichkeit bedeutet, dass die Anregungen und Annehmlichkeiten des normalen Alltagslebens aus dem Gesichtskreis verschwinden. Es bedeutet, ohne wirtschaftlich relevante Kontakte und Beziehungen zu leben; es bedeutet viel Umgang mit frustrierten, durch tägliche Sorgen aufgefressenen Menschen; es bedeutet abnehmende Initiative und wachsende Lähmung sowie schließlich auch den Verlust an Fähigkeiten und Qualifikationen.

Diese Beschreibung ließe sich fortsetzen, indem man auf die vielen negativen Erscheinungen verweist, die sich wiederum aus dieser Frustration ergeben: Alkoholismus, Vandalismus, Jugendkriminalität, Fremdenhass sind hier nur einige Stichworte. Es geht mir keineswegs darum, Schwarzmalerei zu betreiben und düstere Zukunftsvisionen zu entwerfen. Aber ich plädiere für eine ungeschönte Sicht der Dinge. Dazu gehört meines Erachtens die Einschätzung, dass trotz des sich abzeichnenden wirtschaftlichen Aufschwungs die Gefahr der sozialen Polarisierung in unseren Städten nicht quasi von selber verschwinden wird.

Und wer realistisch denkt, weiß selbstverständlich auch, dass die Möglichkeiten der Politik, Armutsprobleme zu bekämpfen, gerade angesichts knapper Kassen sehr deutlich begrenzt sind. Aber um so mehr ist die Politik verpflichtet, die Handlungsspielräume, die sie dennoch hat, intensiv und klug zu nutzen. Das bedeutet zum einen, dass wir das Angebot preisgünstiger Wohnungen auch auf dem freien Wohnungsmarkt halten und ausbauen müssen. Zum anderen müssen wir und das ist ja das Thema des heutigen Tages in verstärktem Maße auf allen Ebenen zusammenarbeiten, wenn es um die vielfältigen Aufgaben der sozialen Stadtteilentwicklung geht.

In meiner Heimatstadt Hamburg gibt es seit den 80er Jahren in Fortsetzung der klassischen Städtebauförderung unterschiedliche Programme, mit denen ausgewählte Wohnquartiere gefördert werden. Diese Programme wurden 1998 zusammengefasst und bilden nun neben dem Sanierungsprogramm eine tragende Säule des neuen Programms Soziale Stadtentwicklung.

Ein ähnliches Programm hat z.B. Bremen unter der Bezeichnung Wohnen in Nachbarschaften entwickelt; in Nordrhein-Westfalen gibt es entsprechende Aktivitäten im Rahmen eines Gesamten Stadterneuerungsprogramms; Sachsen-Anhalt hat die Landesinitiative URBAN 21 ins Leben gerufen; in Hessen läuft unter dem Kürzel HEGISS die Hessische Gemeinschaftsinitiative Soziale Stadt.

Ich könnte noch viele weitere Beispiele nennen, aber diese Programme verfolgen unabhängig von ihrer jeweiligen Bezeichnung letztendlich das gleiche Ziel: Fachpolitische Aktivitäten sollen gebündelt, öffentliche und private Ressourcen verknüpft werden, um sozial benachteiligten Stadtteilen wirksam helfen zu können.

Durch die Gemeinschaftsinitiative Soziale Stadt erhalten all diese Bemühungen unter Einbeziehung des Bundes einen gemeinsamen Rahmen. Dies ist sehr gut, denn die Bündelung der Kräfte ist nicht nur jeweils innerhalb einer Stadt, einer Gemeinde oder eines Landes, sondern über alle Ebenen hinweg erforderlich.

Die ARGEBAU-Ministerkonferenz hat als Ergebnis langer und intensiver Beratungen einen Leitfaden beschlossen, der die Ausgestaltung der Gemeinschaftsinitiative konkretisiert. Bei der Erarbeitung dieses Leitfadens haben wir uns zunächst mit folgender Frage befasst: Wie lassen sich Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf charakterisieren, welche objektiven Kriterien können hier zur Anwendung gebracht werden? Dabei stellte sich heraus, dass es sich bei den betroffenen Gebieten meistens um einwohnerstarke, hochverdichtete Quartiere handelt, die ganz bestimmte, deutlich erkennbare Defizite aufweisen. Zu diesen Defiziten zählen z.B. bauliche Mängel, Umweltbelastungen, ein wenig ansprechendes Wohnumfeld, geringes Arbeitsplatzangebot, ein hoher Anteil an Transfereinkommensbeziehern und ein Mangel an Einrichtungen im Bereich der sozialen und kulturellen Infrastruktur.

Es ist jedoch nicht nur großstädtische Bereich betroffen. Zu den Problemgebieten im Sinne der Gemeinschaftsinitiative zählen auch Wohnsiedlungen in strukturschwachen Regionen, die z.B. durch den Abzug von Streitkräften in zusätzlichem Maße ins Hintertreffen geraten sind.

Der Leitfaden unterscheidet zwischen zwei Gebietstypen, die sich als besonders problematisch herauskristallisiert haben. Zum einen handelt es sich um innerstädtische oder innenstadtnahe (oft gründerzeitliche) Quartiere in benachteiligten Regionen mit nicht modernisierter Bausubstanz und deutlich unterdurchschnittlicher Umweltqualität.

In diesen Quartieren sind selbsttragende Stadterneuerungsprozesse weitgehend zum Stillstand gekommen. Während private Investoren keine Zukunftsperspektiven sehen, wandern aufstiegsorientierte Haushalte ab. Stattdessen rücken ökonomisch schwache Haushalte mit häufig stark eingeschränkten sozialen Fähigkeiten nach, weil sie aus den aufstrebenden Stadtteilen verdrängt werden.

Trotz der großen Anstrengungen, die in den neuen Bundesländern während der letzten zehn Jahre unternommen wurden, um bauliche, funktionelle und ökologische Probleme zu entschärfen, hat sich diese negative Tendenz die von den Sozialwissenschaftlern als soziale Segregation bezeichnet wird auch dort in einigen innerstädtischen Bereichen verstärkt.

Der zweite Gebietstyp, der bei der Erstellung des Leitfadens zur Ausgestaltung der Gemeinschaftsinitiative herausgearbeitet wurde, sind große Wohnsiedlungen aus der Nachkriegszeit und Wohnsiedlungen der abgezogenen Streitkräfte mit wenig individueller Architektur, fehlender Nutzungsmischung und unzureichender sozialer Infrastruktur. Auch diese Problemgebiete finden sich sowohl in den westlichen als auch in den östlichen Bundesländern. Gemeint sind Siedlungen, die am Stadtrand liegen und eine schlechte Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr haben. Häufig wurden sie als Schlafstädte konzipiert und haben deshalb nur ein sehr schwaches lokales Wirtschaftsleben.

Der Mangel an ansprechender Gebäude- und Wohnumfeldgestaltung und kommunikativen Einrichtungen behindert die Identifikation mit der Siedlung und die Herausbildung eines Wir-Gefühls unter den dort lebenden Menschen. Auch hier kommt es zur Abwanderung stabilisierend wirkender Haushalte und zum Nachrücken sozial schwacher Haushalte, die sich das Wohnen in anderen Gegenden nicht bzw. nicht mehr leisten können. In den westdeutschen Siedlungen dieser Art ist der Grundstein für die Konzentration einkommensschwacher Haushalte sehr häufig allerdings bereits dadurch gelegt worden, dass weitgehend nur Sozialwohnungen gebaut wurden und nicht der inzwischen übliche Mix von geförderten und frei finanzierten Mietwohnungen und Eigentumsmaßnahmen.

In Ostdeutschland sind unter den Neubaustandorten vor allen die Siedlungen der 70er und 80er Jahre von Segregationstendenzen bedroht. Insbesondere weil sie im Gegensatz zu den PIattenbausiedlungen der 50er und 60er Jahre häufig eine sehr ungünstige Lage im Stadtgefüge und viele andere der erwähnten Defizite aufweisen.

Nachdem ich jetzt sehr viel von Problemen gesprochen habe, möchte ich mich der Frage zuwenden: Was muss im Rahmen der Gemeinschaftsinitiative Soziale Stadt also in einer gemeinsamen Anstrengung der Länder im Zusammenwirken mit dem Bund geschehen, um die Situation der angesprochenen Gebiete zu verbessern? Wie schaffen wir es den Abwärtstrend in diesen Gebieten zu stoppen und mittelfristig umzukehren? Erforderlich ist ein ganzes Sortiment gut aufeinander abgestimmter und ineinander greifender Maßnahmen aus den verschiedensten Politikbereichen.

Wie in vielen anderen Zusammenhängen kommt es auch hierbei ganz entscheidend darauf an, die Motivation der betroffenen Bürgerinnen und Bürger zu wecken. Nur wenn es gelingt, das Interesse der Menschen für die Belange ihres jeweiligen Stadtteils zu beleben, kann die Initiative erfolgreich sein. Es muss eine Grundstimmung entstehen nach dem Motto: Mir ist es nicht egal, was aus dieser Siedlung und diesem Stadtteil wird. Ich bleibe hier und tue etwas!

Wir alle wissen natürlich, dass sich eine solche Aufbruchstimmung nicht auf Knopfdruck erzeugen lässt. Aber viele Bewohnerinnen und Bewohner fühlen sich in ihrem Quartier zu Hause; sie leiden unter den negativen Äußerungen anderer, die das Gebiet häufig gar nicht aus eigener Anschauung kennen. Daher sehe ich gute Chancen, dass viele Menschen bereit sein werden, sich zu engagieren, wenn man hierfür die geeigneten Rahmenbedingungen schafft. Dazu zähle ich z.B. die Einrichtung von Stadtteilbüros, die Einrichtung kleiner Verfügungsfonds für stadtteilbezogene Aktivitäten sowie die Bereitstellung von Gemeinschaftsräumen, in denen Bürger sich treffen und miteinander diskutieren können.

Wenn es um die Erhöhung der Identifikation der Menschen mit ihrem Stadtteil geht, ist natürlich die Verbesserung des Wohnwertes der Wohnungen durch Instandsetzung, Modernisierung und Umbau ein sehr wesentlicher Punkt. Hier gibt es in zahlreichen Siedlungen viel zu tun. Das Gleiche gilt für die Verbesserung des Wohnumfeldes, die man z.B. durch eine sinnvollere Nutzung von Freiflächen und durch eine ansprechendere Gestaltung von Hauseingängen und Treppenhäusern erreichen kann.

In diesem Zusammenhang möchte ich betonen, dass die Wohnungsunternehmen nach meinem Eindruck in immer stärkerem Maße erkennen, wie groß ihre Verantwortung im Bereich der sozialen Stadtteilentwicklung ist und auch entsprechend handeln. So sprechen z.B. die Schaffung der eben erwähnten Gemeinschaftsräume, die Organisation von Ausflügen für Senioren und Spieleabende, die Einrichtung von Pförtnerlogen und vieles andere mehr für ein deutlich gestärktes Sozial-Bewusstsein der Wohnungsunternehmen.

Man hat erkannt, dass es in der heutigen Zeit nicht allein darauf ankommt, den Menschen ein Dach über dem Kopf zu bieten, sondern dass es zugleich sehr wichtig ist, Aktivitäten zu entfalten, die sich mit dem Wort Sozialmanagement umschreiben lassen. Parallel dazu muss es gelingen, die lokale Wirtschaft der betroffenen Gebiete zu stärken. Die Schaffung von Arbeitsplätzen vor Ort ist ein wesentlicher Schritt zur Stabilisierung der Quartiere. Hierbei sind die unterschiedlichsten Beschäftigungsmodelle sowohl des ersten als auch des zweiten Arbeitsmarktes denkbar. Auf jeden Fall müssen private Unternehmen mit ins Boot geholt werden. Sinnvolle Tätigkeiten gibt es genug, wie etwa die Arbeit in Recyclinghöfen, Stadtteilwerkstätten, Stadtteilcafes, Bücherläden und anderen Einrichtungen, die für das Gemeinwesen von Bedeutung sind.

Wichtig sind in diesem Zusammenhang selbstverständlich auch Einrichtungen zur vorbereitenden Qualifizierung und ebenso auch Beratungsangebote für Menschen, die sich selbständig machen wollen. Ich habe jetzt nur einen Teil der im Leitfaden empfohlenen Maßnahmen genannt; doch bereits dieser Ausschnitt macht zwei Dinge deutlich, die den Charakter der Gemeinschaftsinitiative und ihrer Aufgaben bestimmen:

Erstens: Erfolg ist nur möglich, wenn es tatsächlich zu der bereits angesprochenen Bündelung der Kräfte und der Verantwortlichkeiten kommt: Die Bereiche Bau, Stadtentwicklung, Wirtschaft, Soziales, Bildung, Inneres, Umwelt, die Wohnungsunternehmen, die Gewerkschaften, die Kammern, die Verbände usw. sie alle müssen zusammenarbeiten, wenn es in den gefährdeten Quartieren am Ende zu einer sich selbsttragenden Aufwärtsentwicklung kommen soll.

Zweitens: Selbst wenn man es wollte, könnte man die einzelnen Maßnahmen in ihrer Wirkung häufig gar nicht einem bestimmten Verantwortungsbereich zuordnen. Oder anders gesagt: Es werden oft mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Lassen Sie mich dies an einem einzigen Beispiel verdeutlichen:

In Hamburg werden mittlerweile viele Häuser in Großsiedlungen durch Pförtner betreut. Es handelt sich dabei um Menschen, die zuvor längere Zeit arbeitslos waren. Mehrere hundert Frauen und Männer, die zum Teil schon keine Hoffnung auf Arbeit mehr hatten, haben auf diesem Wege wieder die Möglichkeit erhalten, sich einzubringen und Geld zu verdienen. Außerdem werden sie während dieser befristeten Tätigkeit gezielt qualifiziert, um ihre Chancen auf eine Beschäftigung im ersten Arbeitsmarkt deutlich zu erhöhen. Dies ist der arbeitsmarktpolitische Aspekt. Hinzu kommt aber Folgendes: Alle Befragungen haben gezeigt, dass die dortigen Mieterinnen und Mieter dank der Anwesenheit dieser Hausbetreuer wie wir sie in Hamburg nennen ein erhöhtes Sicherheitsgefühl haben und Vandalismus- und Verschmutzungsprobleme massiv reduziert wurden.

Und noch etwas ist eingetreten: Auch die in Großwohnanlagen häufig beklagte Sprachlosigkeit wurde erheblich abgebaut; denn die Hausbetreuer sind nicht nur Aufsichtspersonen, in deren Gegenwart man besser keinen Unsinn macht, sondern Ansprechpartner in vielerlei Hinsicht: Dies reicht von der Annahme von Paketen über die Aufbewahrung und Herausgabe von Wohnungsschlüsseln bis hin zum Auswechseln von Treppenhaus-Glühbirnen.

Sie sehen daran: Die Abwärtsspirale aus Arbeitslosigkeit, Anonymität, Vandalismus und Quartiersverfall lässt sich mit Hilfe guter Ideen und relativ bescheidenem Geldmitteleinsatz anhalten und umkehren. Hinsichtlich des Einsatzes der im Leitfaden erwähnten wohnungspolitischen Maßnahmen, die zur Stabilisierung problembelasteter Wohnquartiere beitragen können, möchte ich darauf hinweisen, dass diese in der Bundesrepublik bereits seit längerer Zeit mit unterschiedlichen Ergebnissen zur Anwendung kommen.

Dies gilt z.B. für den § 7 des Wohnungsbindungsgesetzes, der es ermöglicht Wohnungen des Ersten Förderungsweges von den Belegungsbindungen freizustellen. Dieses Instrument ist so flexibel, dass sowohl ganze Gebiete als auch Häuser bestimmter Art und sogar gezielt einzelne Wohnungen freigestellt werden können, um die Herausbildung einseitiger Bewohnerstrukturen zu verhindern bzw. zu beseitigen. Des Weiteren lässt diese Vorschrift des Wohnungsbindungsgesetzes die Möglichkeit zu, einen Bindungstausch vorzunehmen. Das bedeutet: Dort wo es im Sinne der Herstellung einer besseren sozialen Durchmischung geboten erscheint, kann eine gebundene Wohnung an einen Einkommensüberschreiter und dafür an anderer Stelle eine ungebundene Wohnung an den Inhaber eines Wohnberechtigungsscheines vergeben werden, so dass unter dem Strich kein Verlust an gebundenem Wohnraum eintritt.

Auch das Thema Zweckentfremdung möchte ich in diesem Zusammenhang ansprechen.

Zweckentfremdung von Wohnraum ist grundsätzlich nichts Gutes und muss bekämpft werden. Ausnahmen können jedoch dann gemacht werden, wenn es darum geht, Einrichtungen unterzubringen, die der Betreuung oder Entwicklung eines Wohngebietes dienen. Ich denke hier z.B. an Verwalterbüros der Wohnungsunternehmen, Stadtteilbüros, Müttertreffs, aber auch an Läden und Werkstätten.

Die Diskussion über Vor- und Nachteile dieser Instrumente und über die Möglichkeiten ihrer Weiterentwicklung wird in der ARGEBAU unter Beteiligung des Deutschen Städtetages lebhaft geführt. Ich kann mir gut vorstellen, dass es in einigen wichtigen Punkten schon bald eine gemeinsame Linie aller Länder geben wird.

Das Zusammenspiel von Städten, Gemeinden, Ländern und Bund bei der Umsetzung der Gemeinschaftsinitiative lässt sich folgendermaßen skizzieren: Die Auswahl der Gebiete, denen eine besondere Förderung zukommen soll, erfolgt durch die Städte und Gemeinden. In diesem Zusammenhang ist eine alle relevanten Lebensbereiche umfassende Darstellung zu erarbeiten. Aus dieser Darstellung muss hervorgehen, ob und in welchen Bereichen diese Gebiete deutliche Defizite gegenüber den Durchschnittswerten der jeweiligen Gemeinde aufweisen.

Das ist in meinen Augen ein wichtiger Verfahrensschritt. Denn nur auf diese Weise kann erreicht werden, dass die begrenzten finanziellen Mittel jenen Gebieten zugute kommen, die sie wirklich benötigen. Danach werden im Zusammenwirken aller gemeindlichen Fachressorts konkrete Handlungskonzepte erarbeitet. Diese bilden dann eine verbindliche Grundlage für den gebündelten Finanzmittel- und Personaleinsatz; sie lassen aber genug Spielraum für die Eigeninitiative der Menschen aus dem jeweiligen Gebiet also für die Mieterinnen und Mieter, Grundeigentümer, Gewerbetreibende etc. Diese Bürgermitwirkung soll von den Städten und Gemeinden aktiv gefördert und langfristig gesichert werden.

Auch die Auswahl des Quartiersmanagement, dem eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe zukommt, ist Sache der Städte und Gemeinden. Wichtig ist dabei, dass sich die Länder vor der endgültigen Vergabe von Programmmitteln vergewissern, dass die erforderlichen Vorbereitungen für eine Erfolg versprechende Ämterkoordination, den Einsatz des Gebietsmanagers und die dringend erwünschte Bürgerbeteiligung getroffen wurden. Selbstverständlich müssen aber auch die Länder ihre Hausaufgaben machen. Sie müssen die Aktivitäten ihrer Fachressorts so koordinieren, dass in den ausgewählten Gebieten tatsächlich eine Wirkung im Sinne der Gemeinschaftsinitiative erreicht werden kann.

Darüber hinaus ist es Aufgabe der Länder, den Erfahrungsaustausch zwischen den beteiligten Städten und Gemeinden zu organisieren, um eine vernünftige Ausgangsbasis für die im Programm vorgesehene und für dessen Weiterentwicklung auch dringend erforderliche Begleitforschung zu schaffen.

Als Vertreter der Länder möchte ich an dieser Stelle die Bitte äußern, dass auch auf Bundesebene alles dafür getan werden möge, die ressortübergreifende Zusammenarbeit im Hinblick auf die Ziele der Sozialen Stadt weiter zu verbessern. In diesem Zusammenhang sei insbesondere darauf hingewiesen, dass sowohl dem Bundesministerium für Wirtschaft als auch dem Bundesarbeits- und Sozialministerium sowie der Bundesanstalt für Arbeit eine große Bedeutung bei der Umsetzung des Programms zukommt. Nur mit Unterstützung dieser Institutionen wird es möglich sein, die wirtschafts- und ar-beitsmarktpolitische Komponente der gebietsbezogenen Förderung zu realisieren.

Wenn ich hier die Rolle des Bundes anspreche, muss ich aus Länder-Sicht auch noch ein grundsätzliches Wort zur Finanzierung sagen: Die ARGEBAU ist sich immer darüber im Klaren gewesen, dass eine Beteiligung des Bundes eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg der Gemeinschaftsinitiative darstellt. Deshalb haben wir uns im Dezember 1998 mit einer entsprechenden Forderung an die neue Bundesregierung gewandt und gleichzeitig den Gemeinden angeboten, ihnen bei der Einwerbung der EU-Mittel zu helfen. Die Tatsache, dass der Bund nun in die Finanzierung eingestiegen ist, betrachten wir als Erfolg unserer Bemühungen.

Es bleibt festzuhalten: Die Bundesregierung hat sich in einer sehr wichtigen Frage nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten ihrer Verantwortung gestellt und das ist ausdrücklich zu begrüßen.

Ich hoffe sehr, dass es hier zu einer Verstetigung über viele Jahre hinaus kommen wird, denn um es nochmals zu betonen die Probleme, um die es hier geht, sind zäh und schwierig und nicht von heute auf morgen zu lösen. Und es würde auch überhaupt keinen Sinn machen, Verantwortung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden hin und herzu schieben, weil wir letztendlich alle nur verlieren würden, wenn die Aufgaben, die hier anstehen, ungelöst blieben.

Deshalb hoffe ich sehr, dass von dieser Konferenz ein weiteres deutliches Signal für eine intensive Zusammenarbeit aller Beteiligten zum Wohle unseres Landes ausgehen wird. Nur gemeinsam können wir es schaffen!

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Im Auftrag des BMVBS vertreten durch das BBR. Zuletzt geändert am 14.04.2004