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soziale stadt - bundestransferstelle

Bund-Länder-Programm "Stadtteile mit
besonderem Entwicklungsbedarf - Soziale Stadt"

 

Brandenburg: Neuruppin, Wohnkomplex I-III


Kunstbaustelle Windwörter

Arbeit und Wohnumfeldverbesserung


Gebietstyp

Neubauquartier (ab 1945)

Gebietslage

Innenstadtrand

Zentral(e) Handlungsfeld(er)

Inhaltliche Handlungsfelder: Qualifizierung und Ausbildung, Stadtteilkultur

Der Schwerpunkt liegt im inhaltlichen Handlungsfeld.

Projektbeschreibung

I. Seit 1993 werden im Neubaugebiet WK I-III in der Fontanestadt Neuruppin mit Geldern aus dem Städtebauförderungsprogramm (Weiterentwicklung der großen Neubaugebiete in den Neuen Ländern, VVN) Projekte zur Wohnumfeldverbesserung durchgeführt. Diese Projekte beinhalten private Hofgestaltungen ebenso wie erhebliche Investitionen im öffentlichen Raum, z.B. die Aufwertung öffentlicher Grünflächen und Spielplätze sowie die Öffnung und Nutzung von Schulhofflächen. Sie sollen einer langfristigen Akzeptanz des Neubaugebietes als Wohnstandort dienen, zu einer Stabilisierung der sozialen Situation in der gesamten Stadt beitragen und letztlich helfen, einer Entstehung von Wohnungsleerstand und Ghettobildungen vorzubeugen.

II. Neuruppin ist eine Kreisstadt nordwestlich von Berlin mit ca. 33.000 Einwohnern. Im Neubaugebiet leben rund 10.000 Menschen. Der etwas technokratische Begriff WK I-III bedeutet einfach: Wohnkomplex - es handelt sich um das Neuruppiner Plattenbaugebiet, das in drei Entwicklungsschritten etwa ab Mitte der 60er Jahre entstand. Neuruppin hat als Geburtsstadt von Karl-Friedrich Schinkel und Theodor Fontane eine besondere kulturelle Bedeutung in der Region und ist außerdem sehenswert wegen seiner reizvollen Lage am Ruppiner See und seinem homogenen klassizistischen Altstadt-Grundriss. Kunst war im öffentlichen Raum des Neubaugebietes mit Ausnahme einiger Fassadengestaltungen bis zum Jahr 2000 nicht vorhanden. Denkmäler, Schmuckplätze, Skulpturen oder andere identitätsbildende Objekte konzentrieren sich im Altstadtbereich. Nachdem jedoch einige Wohnumfeldgestaltungsmaßnahmen mit hohem Gebrauchswertcharakter und unter intensiver Bewohnerbeteiligung fertig gestellt waren, entstand eine Diskussion zwischen den Beteiligten dieser Projekte über eine mögliche künstlerische Auseinandersetzung mit dem Leben im Plattenbaustadtteil. Mancherorts war eine Giebelgestaltung an einem Wohngebäude aus den 70er oder 80er Jahren - z.B. ein Fischmotiv oder auch nur eine einfache Ornamentik - hinter einer neuen Wärmedämmung verschwunden. Als neue Wahrzeichen könnten zwar Logos von Supermarkt- und Einkaufszentren gelten, gesucht wurde aber nach Möglichkeiten, im öffentlichen Raum des WK I-III eine Aktion zu entfalten, die die Bedingungen der räumlichen und sozialen Umgebung erfasst, auf sie reagiert und sie interpretiert.

III. In dieser Situation wurde das Plattenbaugebiet noch in ein zweites, erst 1999 definiertes Bund-Länder-Programm unter dem Titel "Soziale Stadt" aufgenommen. Dazu gehörte auch die Einrichtung eines Beschäftigungsprojektes für Jugendliche aus der Umgebung, das aus dem Programmbereich "Entwicklung und Chancen junger Menschen in sozialen Brennpunkten" des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend unter dem Begriff "Freiwilliges Soziales Trainingsjahr" entwickelt wurde. Jugendliche, die nach der Schule keinen Arbeits- oder Ausbildungsplatz finden, können hier praktische Erfahrungen sammeln bei der Mitarbeit z.B. in sozialen Projekten. Wichtig ist hierbei der Stadtteilbezug und die Beteiligung der Jugendlichen an Entscheidungen, die ihr Wohnumfeld und ihre berufsvorbereitende Qualifizierung betreffen. Das Schlüsselprojekt für die "Soziale Stadt" wird der Umbau einer wegen des Geburtenknicks nach der Wiedervereinigung nicht mehr benötigte Kindertagesstätte, der "Krümelkiste", in ein stadtteilnahes Bürgerhaus sein. Es sollten aber kurzfristig noch weitere Projektideen benannt werden, die auf die soziale Situation im Gebiet eingehen. Diese ist u.a. geprägt von einer steigenden Zahl von Haushalten mit geringen Einkommen, Jugendarbeitslosigkeit, hoher Fluktuation; das Gebiet ist aber dennoch gut eingebunden in die Stadtstruktur und als Wohnstandort nach wie vor angenommen.

IV. Über die bisherigen Wohnumfeldthemen hinaus konnte nun eine Reihe von neuen bevölkerungsorientierten Projektideen ausformuliert werden, z.B. Ideen, die einen Beschäftigungseffekt im Neubaugebiet zum Ziel hatten oder auch die erwähnte Kunst im öffentlichen Raum. Diese Ansätze waren dann schnell zusammengebracht, nachdem wir aus Anlass seines Wolfsburg-Projekts den Künstler Rupprecht Matthies kennengelernt hatten. Es entstand der Gedanke der Kunstbaustelle. Herr Matthies wurde beauftragt, mit den jugendlichen Teilnehmern des Freiwilligen Sozialen Trainingsjahres in mehreren Workshops Begriffe über ihre Lebenszusammenhänge im Neubaugebiet zu sammeln und diese dann in seine "Windwörter" umzusetzen. Die Jugendlichen konnten diese dann bauen und aufstellen. Plankontor als Quartiermanager würde ihn bei der Antragstellung und Umsetzung unterstützen - denn so selbstverständlich war es nicht, ein Kunstwerk aus Mitteln der Städtebauförderung zu finanzieren und auf einer kommunalen Fläche aufzustellen. Schließlich lag jedoch die Einzelbewilligung für das Projekt vor. Herrn Matthies gelang es, vertrauensvolle Kontakte zu knüpfen zur Stadtverwaltung, zu Trägern der betroffenen Einrichtungen und besonders zu den Teilnehmern des Freiwilligen Sozialen Trainingsjahres. Die Jugendlichen waren über viele Wochen beschäftigt und machten neue, wichtige Erfahrungen. Die Wörter wurden schließlich in dieser Zusammenarbeit sowie auf Bürgerversammlungen im Gebiet erarbeitet und definiert. Als "Windwörter" drehen sie sich auf ca. 4 m hohen Stangen im Wind. Es ist gelungen, ein für den Plattenbau-Kontext angemessenes, eigenständiges Kulturerlebnis im öffentlichen Raum zu inszenieren, das im Stadtteil und in der Region verstanden und akzeptiert wird und nachhaltig wirkt. Es trägt bei zu einer würdevollen Gelassenheit im Gebiet in einer Zeit, die noch immer geprägt ist von gesellschaftlichen Umstruktierungen und individuellen Verunsicherungen. Die vier Windwörter wurden am 8. Dezember 2000 eingeweiht. Ihr Erfolg und ihre Akzeptanz in der Öffentlichkeit macht allen Beteiligten Mut, den Projektansatz "Kunstbaustelle" im Jahre 2001 fortzusetzen.

Das Projekt "Kunstbaustelle Windwörter" kam bei der Auslobung des Preises Soziale Stadt 2000 in die engere Wahl.

Alle Abbildungen zu diesem Beitrag
Windwort

Windwort "gemeinsam" (Skulptur)
Copyright: Rupprecht Matthies

Windwort

Windwort "lächeln" (Skulptur)
Copyright: Rupprecht Matthies

Windwort

Windwort "leben" (Skulptur)
Copyright: Rupprecht Matthies

Jugendliche aus dem Freiwilligen Sozialen Trainingsjahr

Jugendliche aus dem Freiwilligen Sozialen Trainingsjahr
Copyright: Rupprecht Matthies

Zielgruppe

Bewohnerinnen / Bewohner, Jugendliche

 

Genderaspekt

nein

Finanzierung

Bund-Länder-Programm Soziale Stadt, E & C Programm

Erläuterungen Finanzierung

Das Prüfverfahren für den Einsatz der Mittel für Projekte dieser Art noch nicht eindeutig.

 

Projektträger

  • Fontanestadt Neuruppin

Projektbeteiligte

  • Rupprecht Matthies (Künstler), Hamburg
  • Freiwilliges Soziales Trainingsjahr, Träger: I Bund IJN, Neuruppin
  • Quartiermanagement, plankontor GmbH, Hamburg/Neuruppin

Laufend seit

01.04.2000

Abgeschlossen am

08.12.2000

 

Literaturhinweise / Zeitungsartikel / Websites

  • GdW Bundesverband deutscher Wohnungsunternehmen e.V., u.a. (Hrsg.): Dokumentation des Wettbewerbes Preis Soziale Stadt 2000. Preisträger, Anerkennungen, Projekte der engeren Wahl, Teilnehmer, Berlin, 2001.
  • Broschüre in Vorbereitung im: Kunstverlag Revolver, Frankfurt, Reihe Revolver blanco; "Ruppiner Anzeiger" vom 22.01.2001; Der Spiegel 8/2000
  • Allgemeine Informationen zum Freiwilligen Sozialen Trainingsjahr mit Informationen und Kurzbeschreibungen aller FSTJ-Büros in den Städten
    www.fstj.de

Ansprechpartner


Projektebene Gebietsebene
Frau  Kruschat
Fontanestadt Neuruppin - Fachgruppe Planung
Karl-Liebknecht-Straße 33
16816 Neuruppin
Telefon: +49 (0)3391/355727
Telefax: +49 (0)3391/355715

Gebietsbeauftragter
Herr  Matthias Frinken
Plankontor GmbH
Am Born 6 B
22765 Hamburg
Telefon: +49 (0)40/391769
Telefax: +49 (0)40/391770
E-mail:

Stand: 17.05.2001

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