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soziale stadt - bundestransferstelle

Bund-Länder-Programm "Stadtteile mit
besonderem Entwicklungsbedarf - Soziale Stadt"

 

Bremen: Bremen-Lüssum-Bockhorn, Lüssumer Ring, Lüssumer Heide


Schlichten in Nachbarschaften des Täter-Opfer-Ausgleich

Schlichten in zehn städtischen delinquenzbelasteten Großsiedlungen


Gebietstyp

Neubauquartier (ab 1945)

Gebietslage

Stadtrand

Zentral(e) Handlungsfeld(er)

Inhaltliche Handlungsfelder: Zusammenleben unterschiedlicher sozialer und ethnischer Gruppen

Der Schwerpunkt liegt im inhaltlichen Handlungsfeld.

Projektbeschreibung

Der TÄTER-OPFER-AUSGLEICH

Die unabhängige Schlichtungstätigkeit zwischen Geschädigten und Beschuldigten oder Menschen, die sich als "Opfer" oder "Täter" fühlen, durch neutrale Vermittler ist vorrangige Aufgabe des vom Bundesgesetzgeber so genannten Täter-Opfer-Ausgleich (TOA). Ein Täter-Opfer-Ausgleich ist eine Form des außergerichtlichen Tatfolgenausgleiches durch einen professionell begleiteten kommunikativen Prozess, bei dem unterschiedliche konstruktive Antworten auf Konflikte von den Konfliktbetroffenen selbst entwickelt werden sollen, wobei die Interessen der Konfliktbetroffenen im Mittelpunkt dieses Prozesses stehen.

Der Täter-Opfer-Ausgleich (TOA) ist in Bremen als ein bewusst eigenständiges und justizunabhängiges Verfahren und niedrigschwelliges Angebot konzipiert worden. Die Schlichtungsbemühungen des TOA Bremen haben einerseits eine soziale Befriedung zwischen Konfliktbeteiligten zum Ziel - wenigstens aber eine Konflikt-Deeskalation -, andererseits sollen sie formelle Akte strafjustizieller Reaktion und sozialer Kontrolle zugunsten von sozialem Ausgleich und Integration zurückdrängen.

SOZIALE MEDIATION: Schlichten in Nachbarschaften

Soziale Mediation ist eine Übertragung der Mittel des Täter-Opfer-Ausgleiches auch auf solche konfliktträchtigen Bereiche des alltäglichen Lebens, die nicht strafrelevant sind oder mit polizeilichen und strafrechtlichen Mitteln nicht oder nicht befried(ig)end erreicht werden können. In den Schlussfolgerungen der Präsidentschaft für den EU-Ministerrat finden sich u.a. folgende Definitionen der Experten: "Die soziale Mediation hat zum Ziel, Personen und ihre Rechte zu schützen. ... (Sie) kann nur stattfinden, wenn die Parteien ihr freiwillig zustimmen. ... Die aus der Mediation stammenden Informationen sind vertraulich. ... Die soziale Mediation ist eine spezifische Aktivität, die nicht mit anderen erzieherischen Aktivitäten, Sozialarbeit oder Maßnahmen für die Sicherheit von Personen und Gütern verwechselt werden darf. ... Sie trägt zur Entstehung und Stärkung der sozialen Verbindungen bei und ermöglicht eine bessere Integration gewisser Bevölkerungsschichten vor allem in den besonders benachteiligten Vierteln."

Soziale Mediation erschließt als soziale Intervention mit dem Mittel konstruktiver Kommunikation Möglichkeiten der psychischen und sozialen Integration. Sie gewinnt vor allem in urbanen Gebilden angesichts der dort (vermeintlich und/oder real) herrschenden Bedrohung durch Alltags- oder Ausgrenzungsgewalt an Bedeutung.

Sozialpolitische Ziele der Sozialen Mediation

Die besonderen sozialpolitischen Ziele von Schlichten in Nachbarschaften durch den Täter-Opfer-Ausgleich Bremen sind:
  • soziale Beteiligung und Verantwortung der Bewohner eines Quartiers zu stärken
  • sichere Nachbarschaften zu schaffen bzw. das Sicherheitsgefühl der Bewohner eines Quartiers zu stärken
  • Kommunikation und damit Integration und soziale Kontrolle zu stärken bzw. Verhaltensrepertoires und Konfliktlösungspotentiale der Bewohner der belasteten Quartiere zu stärken
  • Begrenzung und Normenverdeutlichung durch rasche Reaktion auf destruktive Durchbrüche, Dissozialität oder Delinquenz zu erreichen
  • Ängste - insbesondere xenophobische Affekte - abzubauen
  • Langfristig eine Kultur konstruktiver Konfliktlösungsstrategien zu etablieren
  • sowie Kriminalisierungseffekten und Stigmatisierungen entgegenzuwirken
  • und damit "Gleichberechtigung", "Lebensqualität" und "ein besseres Zusammenleben der verschiedenen Bevölkerungsgruppen" zu ermöglichen.

Der Nutzen der Sozialen Mediation zeigt sich folglich insbesondere in den sozialen Brennpunkten und Großsiedlungen der Städte: Die Soziale Mediation des TOA Bremen trägt positiv zur Gemeinwesen- und Stadtentwicklung bei.

Das Ritual der Schlichtung

Aussöhnung und Wiedergutmachung sind insofern auch keine besonderen Verhaltenstechniken, wie sie im Umgang mit Rand- oder Risikogruppen typisch sind, sondern Rituale, die in allen Kulturen vorkommen und die entwicklungspsychologisch beim einzelnen Individuum mit der Gewissensbildung einhergehen. FREUD (1907) hat als erster am Ritual die öffentliche Bearbeitung intimer Themen erkannt. Insofern ist jedes Ritual ein kulturelles Mittel der psychischen Abwehr unangenehmer Affekte. Das Ritual ist damit ein sinnhaftes und Sinn stiftendes Phänomen voller Expressivität, das auf neuartige Beziehungsformen verweist. Der ritualinhärente Widerspruch zwischen psychischer Abwehr und Expressivität ist nicht aufzulösen und besteht nur scheinbar. Das Ritual der Schlichtung besiegelt neben dem intimen Gespräch auf neutralem Boden und der Entschuldigung der Handschlag, der in der Konfliktschlichtung nahezu immer durch die schriftliche Schlichtungsvereinbarung, den Vergleich mit den Verabredungen zur Wiedergutmachung und zum zukünftigen Umgang miteinander ergänzt wird. Das Ritual der Schlichtung will Spaltungen in Fremdes und Eigenes aufheben oder zumindest brüchig werden lassen: Wann immer am anderen das 'Fremde' wahrgenommen wird, entstehen destruktive Impulse, wo das 'Eigene' im anderen als menschliche Eigenschaft wiedererkannt wird, entsteht Befriedung. Dies zeigt sich in der Mikrokorrespondenz innerhalb von Individuen (bspw. bei der Organabstoßung) ebenso wie in der Makrokorrespondenz bei interindividuellen Konflikten oder Kriegen.

Das Ritual der Schlichtung versucht - im Gegensatz zum Strafrecht - zu integrieren. Im besten Falle gelingt es den antagonistischen Konfliktparteien - trotz einer unauflöslichen Differenz zwischen ihnen und trotz aller Status- und sonstigen Unterschiede - als eine Gemeinschaft Ausgeglichener, also "Gleicher", Befriedeter aus dem Ritual hervorzugehen. Darin gleichen Soziale Mediation und Konfliktschlichtung durchaus den Ritualen der Justiz, soweit sie dieses Ziel verfolgen. Das Ritual der Schlichtung erhöht allerdings das Gefühl des Beteiligtseins bei den Betroffenen und schafft ihnen Raum, den sie ihren Bedürfnissen angemessen gestalten können.

Kooperationspartner von "Schlichten in Nachbarschaften" in Lüssum-Bockhorn

In regelmäßigem monatlichen Sitzungskontakt mit: Polizeiaußenposten Lüssum, Polizeikommissariat Nord, Sozialzentrum Blumenthal (Jugendgerichtshilfe, Sozialdienst junge Menschen), Erziehungsberatungsstelle, Jugendclub Lüssum, Lüssumer Turnverein, GEWOBA-Wohnungsbaugesellschaft, Schulzentrum in den Sandwehen, Schulzentrum Lehmhorster Straße, Haus der Familie Lüssum, "contacta-Bus" des Präventionszentrums, Grundschule Lüssumer Ring, Spielhaus Lüssumer Heide. Ergänzt werden diese Kooperationsbezüge durch weitere einzelfallbezogene Kooperationen.
Auf städtischer bzw. Landesebene wird Schlichten in Nachbarschaften durchgeführt in Kooperation mit dem Senator für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales der Freien Hansestadt Bremen, dem Senator für Justiz und Verfassung der Freien Hansestadt Bremen, dem Senator für Bildung und Wissenschaft der Freien Hansestadt Bremen sowie dem Senator für Inneres und Sport der Freien Hansestadt Bremen.

Autor der Projektbeschreibung

Diplompsychologe Frank Winter, TOA Bremen (Leitung), Lehrbeauftragter der Universität Hannover

Zielgruppe

Bewohnerinnen / Bewohner

Erläuterungen Zielgruppe

Zielgruppe sind alle Menschen, Firmen und Einrichtungen in der Großsiedlung, die Konflikte bearbeiten möchten oder im Umgang mit Konflikten Unterstützung wünschen.

 

Genderaspekt

nein

Finanzierung

Bund-Länder-Programm Soziale Stadt, Kommunale Mittel, Sponsoring / Spenden

Erläuterungen Finanzierung

Grundfinanzierung durch
  • Senator für Justiz und Verfassung der Freien Hansestadt Bremen
  • Senator für Inneres der Freien Hansestadt Bremen
  • Senator für Jugend und Soziales der Freien Hansestadt Bremen
  • Spenden

Ergänzungsfinanzierung durch
  • das Kommunale Bremer Sonderprogramm "Wohnen in Nachbarschaften"

 

Projektträger

  • Täter-Opfer-Ausgleich Bremen im Gustav-Heinemann-Bürgerhaus e.V.

In Kooperation mit
  • Senator für Justiz und Verfassung der Freien Hansestadt Bremen
  • Senator für Inneres der Freien Hansestadt Bremen
  • Senator für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales der Freien Hansestadt Bremen

Projektbeteiligte

MitarbeiterInnen des TOA Bremen
  • Dipl.Psych. Christoph Frühwein
  • Dipl. Psych. Frauke Dziomba
  • Cand. Psych. Corinna Feldhaus
  • Studierende der Universität Bremen

Regelmäßige Kooperationstreffen mit
  • Amt für Soziale Dienste
  • Jugendgericht
  • Staatsanwaltschaft
  • Soziale Dienste der Justiz
  • Spielhaus Lüssum
  • Lüssumer Turnverein (Integrationshilfe)
  • Contacta-Bus (aufsuchende Jugendarbeit)

Laufend seit

01.04.1999

Voraussichtliches Projektende

fortlaufend

 

Literaturhinweise / Zeitungsartikel / Websites

  • Statistik, Fallaufkommen, weitergehende Informationen
    finden Sie unter
    www.toa.bremen.de
  • LITERATUR:
  • Winter, Frank: "Schlichten in Nachbarschaften" in den Bremer Großsiedlungen - Das Modell der Sozialen Mediation des Täter-Opfer-Ausgleich Bremen, in: Senator Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales der Freien Hansestadt Bremen, Amt für Soziale Dienste (Hrsg.): SpielRäume, 8. Jg., Nr. 22/23, Dezember 2001, S. 48-50.
  • Winter, Frank: Gemeindenahe Konfliktschlichtung im Täter-Opfer-Ausgleich, in: Landeshauptstadt Hannover - Der Oberbürgermeister, Gesundheits-, Jugend- und Sozialdezernat (Hrsg.): Leitthema: Ausgleich statt Spaltung - Konfliktschlichtung als Beitrag zur Gewaltprävention, Hannover 2001, S. 16-20.
  • Winter, Frank: Das Ritual der Schlichtung zwischen Glücksversprechen und Volksjustiz, in: Winter, Frank (Hrsg.): Glücksversprechen, Volksjustiz oder rechtsstaatliche Methode? - Kritische Bestandsaufnahme der TOA-Praxis an der Schwelle zum 21. Jahrhundert, DBH-Materialien Nr. 47, Köln 2001, S. 7-11.
  • Winter, Frank (Hrsg.): "Glücksversprechen, Volksjustiz oder rechtsstaatliche Methode? - Kritische Bestandsaufnahme der TOA-Praxis an der Schwelle zum 21. Jahrhundert", DBH-Materialien Nr. 47, Köln 2001.
  • Winter, Frank: New developments - Victim-Offender Mediation in Bremen in direct contact with the municipality (1990-1999), in: TOA-Infodienst-extra issue for the First European Conference of Victim-Offender Mediation and Restorative Justice in Leuven, Begium, Köln, Oktober 1999, S. 5-6.
  • Winter, Frank: Gemeindenaher Täter-Opfer-Ausgleich in Bremen - Erfahrungen von 1990 bis 1999, in: Universität Hannover Institut für Entwerfen und Architektur, Abt. Entwerfen, Gebäudelehre, Architekturtheorie (Hrsg.): Täter-Opfer-Ausgleich Bremen - Architektur für das Ritual der Schlichtung, Hannover 1999, S. 6-9.
  • Winter, Frank (Hrsg.): Gemeindenahe Konfliktschlichtung: "Komm' wir gehen nach Bremen, ...!"- 10 Jahre Täter-Opfer-Ausgleich in einem Bürgerhaus, DBH-Materialien Nr. 39, Köln 1999.
  • Winter, Frank: Besonderheiten des Täter-Opfer-Ausgleiches als Methode der Wahl im Umgang mit durch 'Straftaten' auffällig gewordenen Kindern, in: Der Senator für Frauen, Gesundheit, Jugend, Soziales und Umweltschutz der Freien Hansestadt Bremen (Hrsg.): Kinder außer Rand und Band? - 'Sie stehlen, rauben, randalieren' (BILD v. 27.8.1997), Bremen 1998, S. 73-85.
  • Winter, Frank und Schmidt, Renate: Strafe oder Wiedergutmachung? - Täter-Opfer-Ausgleich mit Kindern, in: Freie Hansestadt Bremen, Der Senator für Frauen, Gesundheit, Jugend, Soziales und Umweltschutz (Hrsg.): SpielRäume, 5. Jg., Nr. 11, April 1998, S. 31 f.
  • Winter, Frank (Hrsg.): Täter-Opfer-Ausgleich und Justiz - vom skeptischen Beäugen zum konstruktiven Miteinander? - Eine Tagungsdokumentation, Bremen 1995.
  • Winter, Frank/ Taubner, Svenja und Krause, Christoph: Jugendliche schlichten. Initiierung eines Konfliktschlichtungsangebotes von jugendlichen Schülerinnen und Schülern an ihrer Schule. Konzeption und Erfahrungsbericht, Mönchengladbach 1997.
  • Winter, Frank: Gemeindenahe Konfliktregelung, in: Kerner, H.-J./ Hassemer, E./ Marks, E. und Wandrey, M. (Hrsg.): Täter-Opfer-Ausgleich - auf dem Weg zur bundesweiten Anwendung?, Bonn 1994, S. 239-257.
  • Winter, Frank: Gemeindenahe Konfliktregelung im Täter-Opfer-Ausgleich, in: DGB - Reader zum Kongress "Wem gehört die Stadt", Bremen 1993, S. 85 f.
    1997.
  • Meinders, Bernd und Winter, Frank: Projekt Täter-Opfer-Ausgleich im Gustav-Heinemann-Bürgerhaus im Amtsgerichtsbezirk Bremen-Blumenthal, in: Der Senator für Justiz und Verfassung der Freien Hansestadt Bremen (Hrsg.): Praktische Kriminalpolitik - Das System der Straffälligenhilfe im Land Bremen, Bremen 1991, S. 114-117.

Ansprechpartner


Projektebene Gebietsebene Kommunalebene
Herr Dipl. Psych. Christoph Frühwein
Täter-Opfer-Ausgleich Bremen
Kirchheide 49
28757 Bremen
Telefon: +49(0)421/666460
Telefax: +49(0)421/9580463
E-mail:

Projektmanagement WiN-Projekt Lüssum-Bockhorn
Haus der Zukunft
Lüssumer Heide 6
28777 Bremen
Telefon: +49 (0)421/361-79293
Telefax: +49 (0)421/361-79294
E-mail:

Herr  Rainer Klapper
Freie Hansestadt Bremen
Senator für Bau, Umwelt und Verkehr
Breitenweg 24/26
28195 Bremen
Telefon: +49 (0)421/361-4025
Telefax: +49 (0)421/361-4033
E-mail:

Stand: 26.03.2002

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